Rr. 31 47. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 19. Januar 1930
Jugend sucht Arbeit
In dem nor furzem aufgeführten Schauspiel Stempelbrüher"| Woche zweimal über den Rosenthaler Blaz an der Baltsbühne tommt es am Schluß des zweiten Attes zu einer erschütternben vorbet zum Arbeitsnachweis in der Kaiser- Wilhelm- Straße geben Szene: dem Baier, einem erwerbslosen Tischler, reißt plöglich die zu müssen, um sich feinen Stempel zu holen. Ueber Arbeit spricht Geduld, ein Griff, und er hat einen Stuhl gepackt, ben er hoch in man schon gar nicht mehr, mer braucht heutzutage auch einen Budy die Luft wirbelt; mas mird geschehen, fragt alles und hält den 2tem halter oder Kontoriften, höchstens ein paar Gauner neben einen an, wird er den Sohn, der zum Strichtungen, oder die Tochter, bie Bettel ans Schwarze Brett: Ausgesteuerte als Afquifiteure ge zum Freudenmädchen wurde, niederschlagen und dem Unglüd ter sucht! Doch halt: Ich gehe jetzt zwei Jahre stempeln, dabei bin Erwerbslosigkeit den Wahnsinn eines Totschlags hinzufügen? Richis ich einmal vermittelt worden. Expedient mit Einjährigem wurde non alledem. Unter ohrenbetäubendem Arady sauft der Stuhl niets verlangt. Der Bermittler war vernünftig und schickte mur ein paar mehr auf den Küchentisch nieber, einmal, zweimal, dreimal, solange, jüngere Leute hinaus nach Weißensee, aber wir mit unseren 22, 24, his Stuhl und Tisch in taufend Trümuner zusammenfinfen. Vom 26 Jahren waren schon zu alt, ein Neunzehnjähriger murde engaBettrand ruft eine zitternde Frauenftimme: Bata, mat machst du giert. Ich hatte 225 Marf Gehalt verlangt, der mird es wohl für benn bloß? Aber der Bater, ganz von Sinnen, schleppt seinen 175 Mart gemacht haben." Im weiteren Verlauf des Gesprächs Bertzeugtasten herbei, der Schmeiß rinnt ihm von der Stirn und erfährt man, daß ihn, nachdem er ausgesteuert wurde, sein Bater dann brüllt er, animalisch, furchterregend: Halt eure Schnauzen, so oft er tann, miinimmt. Der ist Maler, halb und halb felbftändig und der Sohn macht ihm handlangerdienste. Mit Oberfefundareife. ,, Aber man tann sich doch wenigstens mal einen Kragen faufen oder die Schuhe besohlen lassen," meint er. Zukunft? Reden wir nicht davon.
Sehr billige Strümple"
DO
me
it hab' feene Zeit, jest hab' id Arbeet!" Und während der Borhang fällt, beginnt der Vater mit dem Zusammennageln der von ihm zer fchlagenen Möbel. Ueberwältigt und fassungslos fitzen die Bürger in den Sesseln des Parketts.
Der Blumenbrettfabrikant.
Solche Kunststüde, wie sie Dichter für bühnenmäßige Wirkungen brauchen, fann fich der ausgesteuerte Erwerbslofe S. W., Scharn horstraße, Anfang der zwanziger Jahre, natürlich nicht erlauben. Denn das würde seiner Fabrikation von Blumenbrettern, die er jetzt betreibt, nicht besonders zuträglich sein. Gelernt hat er Ver läufer, und zwar jene Art dieses Berufs, die der Berliner mit Heringsbändiger" bezeichnet. In den tollen Tagen der Inflation fönnen unter feiner Regie Lager und Kaffe nicht jenes Verhältnis finden, das die Korporation der Berliner Kaufmannschaft für wünschenswert hält und jedem Lehrling hundertmal ans Herz legt; der junge Mann muß gehen. Alle Versuche, irgendwo unterzuhaudhen, mißgliden. Das heißt, einmal stand er für vier Tage in Schöneberg mieber hinter dem Ladentisch, dann war dem Mann in Schöneberg die Sappalie von 1923 ebenfalls bekannt. Das
In diesen beiden Fällen gewährt das Elternhaus den jungen Ermerbslosen einen nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen und moralischen Halt, wobei mir allerdings nicht die grotesfe Tatsache übersehen wollen, daß in der Arbeit alt und grau gewordene Väter Ihre erwachsenen, an der Schwelle des Heiratsalters flehenden Söhne mit durchschleppen müffen. Demt noch jugendlichen, erst 18 Jahre alten erwerbslosen E. M., Linienstraße, fehlte dagegen diese Stüße. Er fam vor ungefähr einem Jahr aus Sachsen nad Berlin. Nach wenigen Monaten steht er ohne Arbeit in der Riesenstadt. Das Jugendamt nimmt sich seiner an und überweist, damit er das Dach über dem Kopf nicht verliert, das wöchentliche Entgelt für die Eddafftelle regelmäßig an den Bermieter. Zusammen mit Esmarken der Wohlfahrt ist also der äußersten Rot gesteuert. Aber ber Junge hat viel freie Zeit. Niemand fümmert sich um seine Abende, feine Nächte, die er am Alexanderplatz verbringt. Aurf dem zur Seit vielleicht gefährlichsten Pflaster Berlins . Eines Tages biefel der Junge den Nachbarn Strümpfe an, Damenftrümpfe aus Kunstseide. Sehr billig, auffallend billig fogar, aber die Leute, felbft, uur arme cujel, fragen, nicht danach, warum ein Baar nur 75 Pfennige, höchstens 1 Mart fostet. Dent. Jingen jedenfalls genügt der Erlös, um die Nächte am Meganderplatz bis zur Neige auszukosten und was das entscheidende ift: er findet den Anschluß an jene Kreise, die ohne Arbeit zu leben verstehen. Die Sache mit den Strümpfen war sein erstes Lintsgeschäft"; es erfüllt ihn mit besonderer Genugtuung, in den dunklen Zirkeln des Aleg für noll angesehen zu werden. Es bleibt nicht bei den Strümpfen, der Weg von der Münzstraßen- Großdestille bis zu den Berbrechertellern der Seltengaffen ist nur kurz und mit keinen guten Borjähen gepflastert. Um der läftigen Aufsicht des Jugendamtes ganz zu entrinnet, verschwindet er spurios aus feiner bisherigen Wohnung: die Kartosheffarte seines Polizeirediers fann sich ausruhen, bis. bis eines Tages irgendein Staatsanwalt in der Wadzechstraße nach fragen wird. Das wäre der Anfang vom Ende.
.
ja
Oder verfolgen wir das Schicksal eines jungen Mädchens, M. R., Brunnenstraße. In Glogau geboren, behagt ihr die Luft Schichtens mit 20 Jahren nicht mehr, sle tommt nach Berlin , um hier in
Stellung zu gehen. Unglüdlicherweise gerät fie als Stubenmädchen in eine Bension, die in Birflichkeit eine bessere Absteige" ist, unb erhält hier non gewiffen Dingen eine etwas lofere Auffassung, als fte junge Mädchen sonst im allgemeinen haben. Vorläufig ist thr der freie Abend, den sie in dieser Pension nie hat, noch wichtiger, sie übersiedelt in die Fabrit. Tanzen gehi sie auch, lernt den uns jenen tennen, bis ein 35jähriger, verheirateter Geschäftsinhaber fie schwängert. Sie schenkt in der Charité einem Mädchen das Leben und wird dabei die Arbeit los. Der Mann läßt von sich nichts mehr fehen und hören, mittellos, wie das Mädchen dasteht, nimmt die Stadt Berlin ihr die Gorge für das sind ab und gibt es in Pflege. Die Mutter hatte die Anwartschaft für die Arbeitslosenversicherung nicht ganz erfüllt, troßdem greift das Wohlfahrtsamt ein und zahlt bem Mädchen aus der Rotstandsattion pro Woche 13 Mart. Dapon geben für die Schlafstelle 6 Mart ab, der Rest muß für Nahrung und Kleidung reichen. Inzwischen hat sie sich mit dem Bater is
Der Ausgesteuerte zimmert Blumenbretter.
Kindes auf dent Alimentengericht wiedergetroffen, da sie keinen Anwalt hat und auch sonst nicht besonders gewandt ist, fährt man ihr über den Mund, und wie die Dinge liegen, ist sie drauf und dran, den Prozeß um die 40 Mart monatlich zu verlieren. Arbeit tönnte sie aus ihrer Misere befreien. Sie mill ja arbeiten, jeden morgen Punft 9 Uhr ist sie auf dem Nachweis in der Schulstraße, aber hier gibt es ungelernte Arbeiterinnen wie Sand am Meer. Noch hält fie fich, aber wer mir einigermaßen sehen kann, merft, daß der Sommermantel oder sonst irgendetwas, mas fie fich nox ihrer täglichen Mart Zehrgeld nicht mirb taufen fönnen, die Katastrophe bringen wird. Sie wird fein Geld fordern, aber irgendwer wird es ihr schenken, das wird dann für dieses Mädchen der Anfang vom Ende sein..
Es fomane feiner damit, zu sagen, auch nur ein Fall märe fonstruiert. Alle sind die nackteste Wahrheit, jo mahr, mie der des jungen Maschinenschlossers, dem man auf seinem Fachnady meis jagte: Lieber Freund, sparen Sie fid) den Weg, gehen Sie ruhig erstmal in Ihrem Wohnbezirf auf dem Nachweis ber lin
Herumfungern beghend von neuem, 1926 schiebt fich eine Gaſtrolle Ueber den Ozean verschlagen. gelernten stempeln, denn hier ist für Sie vor fechs bis acht Monaten
bei Siemens als Glasbläser ein, aber den 32- Mart- Wochenlohn, ben
-
es hier zu erben gab, machte die Rationalisierung ein Ende. Jetzt fizt der Mann nun zu Hause er wohnt bei seinem verwitweten Rater mit ein, betonmmt also teine Unterstügung und fabriziert Blumenbretter. Kauft fich Halz, fägt und hämmert, pinfelt die Dinger grün an und geht fie aushöfern. Etüd für Stüd 2 Mart: fünf mar fein bisheriger Wochenreford. Wie er sich die Zukunft vorstellt? Bo foll ich mich denn bewerben, jahrelang ist man aus dem Beruf raus, aber jeder verlangt lückenlose Zeugnisse, menn ich nur die 300 Mart hätte, um Chauffeur lernen zu können."
Sandlanger mit Oberfefundareife.
Wenn man bei dem Blumenbrettfabrikanten immerhin noch ein gamifies Maß von eigener Schuld an seiner jegigen Lage feftftellen fanm, jo ist bei dem ebenfalls ausgeftenerten Speditionsangestellten D. 3, Reinidendorfer Straße, danon uidt im mindesten die Rede. Denn es mar gemiß nicht seine Schuld, menn alle beiden Firmen, hei denen er jahrelang gearbeitet hatte, eines Tages Bleite machten. Der junge Mann, auch Anfang der zwanziger Jahre, hat tie Oberselundareife. Aber das schügt ihn nicht davor, jebe
Sieben Wochen in Geenot.
Condon, 18. Januar.
feine Aussicht, an die Reihe zu kommen." Oder so wahr mie der Fall jener 19jährigen Schneiderin, deren Mutter fie immer förmlich aus der Bohmmg jagen muß, weil das Mädchen heult und schluchzf: ,, Was soll ich denn auf dem Nachweis, jedesmal verfährt man die 50 Pf. und gar kein Gedanke an Arbeit, nicht einmal eine Aus
Vom Sturm über die ganze Breite des Ozeans verschlagen wurde der zu einer kleinen Küstenreise von S. Johns in Neufund- hilfe." land ausgelaufene Dreimastichoner Reptune II", der jetzt von dem Bergungsdampfer„ Hesperus" an der Westküste von Schottland geborgen und in die Tobermory Bay eingeschleppt worden ist. Das von St. Johns auf Neufundland nach der ebenfalls in Neufundland liegenden Bonavista- Bay bestimmte, nur 126 Tonnen große Schiff mußte kurz vor dem Bestimmungshafen megen Gegenwindes in die offene See abdrehen, wurde dann von einem Sturm erfaßf und trieb fleben Wochen, ohne daß die aus 5 Mann bestehende Besatzung feffffellen fonnte, wo fie fich befand. Als das Schiff. das fünf Passagiere, darunter eine Frau, an Bord hoffe, in Schottland eingeschleppt wurde, waren von den schweren Seen jämtliche Boole, Decsaufbauten und das gesamte Schanzfleid weggeschlagen. Am Steuerrad waren nur noch zmel Speichen unbeschädigt.
So wahr wie alle anderen Fälle, die sich in diesen Lagen, po einem Heer von drei Millionen Erwerbslosen ein Angebot von ganzen 12.000 bis 13 000 offenen Stellen gegenübersteht, zu Tragödien auswachsen. Junge Menschen, die mur den einen Munich haben, daß einer täne und sagte zu ihnen: Also morgen früh um 7 Uhr, da geht's los!" damit sie wieder einmal Mensch fein fönnen, fügen untätig zu Hause wenn sie noch ein zu Hause" haben und dämmern vor sich hin, was aus ihnen einmal werden fot. Eine ungeheure Berantwortung laftet auf uns, diesen Rahmudhs unserer Klasse nicht in Stumpfsinn oder Verzweiflang oder aber in die Hände von gewissenlosen Hezern fallen zu lassen, die mir darauf marten, am Elend der Erwerbslosen ein Feuerchen anzünden zu können, auf dem sich das Parteifüppchen besser fochen Täßt.
Bettfedern Vertrauensartikel,
Graue Federn.... Pfund 95. Fertige Betten
Weiße Federn
SAS
2.30
Weiße Halbdaunen. 5.60 5.60
Schleißfedern
1.90
Daunen....
5.75
Echt chines
greurot Inletź mit grauen Federn Oberbett.
Unterbett Kissen
7.35 6.15 2.65
Federn... Pid M.3.60 Halbdaunen Pfd.M.5.10 Daunen.... PfdM8.50
Monopol- Halodaunen
Wortzgesetzt
Bettfedern
Gustav
Fabrik
Lustig
Prinzen Str ECKE Sebastian- Str Wilmersdorfer Str. an der Bismarck- Str
138
Auch die billigsten von mir angebotenen Federn sind sacgemäß bearbeitete, gereinigte und sortierte füilfertige Bettfedern. Wenn Sie sich vor Enttäuschungen bewahren wollen, acofen Sie beim Einkauf auf eine gletchlautende Zusicherung; ungereinigte und unsortierte Federn, die zu niedrigeren Preisen angeboten werden können, verwende ich nicht!