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Gonatag 26 Januar 19Z0
Unterhaltung und Wissen
Beilage öes Vorwärts
ji. sirindberg: 3)er tflelwmüior 3)ramaliiche Skiszze
ßrftcr Akt. Sei Mogul. Mogul und Lama sitzen an einem Eßtisch mit zwei Platten, trinken Champagner und Mönchslikör. verteilen Orden und Gnaden. mittel. Mogul: Nein, jetzt werden dieMißvergnügten" zu schwierig, sie greifen ja die Gesellschoit am... Lama: Uird die Moral oder dre Grundlagen der Gesellschaft. Mogul:<Zue faire? Lama: Man muh sie bsschäfrigen, ihnen etwas zu denken geben, was es auch seil Mogul: Man muß der Zeit gemäß Zugeständnisse macheir da man in der konstitutionellen Despotie lebt. Wenn man ihnen zum Dcisp.el die Erlaubnis gäbe, die Gesellschaft zu reformieren, falls sie sich erst selbst reformierten. Lama: Das ist wohl gesprochen, Mogul! Dann haben sie etwas zu tun. Sich selbst reformieren! Verflucht gut gesagt! Aber wir müssen jemand haben, der ihnen das sagt, am besten jemand aus ihren eigenen Reihen, sonst werden sie ihn ablehrten. Kennst du jemaitd? Mogul: Sollte ich meine Leute nicht ke.mcn! Ich kenne Aoeoeo. Er ist jung an Jahren, aber alt an Verstand. Er hat Witz genug. Atemnot und Tabakdose zu benutzen, und verachtet uicht, mit dem von den Vätern ererbten spanischen   Rohr um zw gehen, das seit Jahrhunderten die zäheste Stütze der Fam'li« und Religion gewesen ist. Das ist mein Bursche, ich will nicht jagen. Mann.(Holt ein Schlüsselbund hervor und pfeift.) (Roeoeo kommt.) Rococo  : Hier bin ich? Mogul: Rococo  , geh sofort und sag denMißvergnügten", sie werden Reformen erholten, wann sie damit beginnen, sich selbst zu reformieren. Rococo  : Das können sie mcht! Mogul: Das weiß ich wohl, aber du kannst es jedenfalls sagen. Rococo  : Ja. dos kann ich. Mas kann gejagt werden, weim es fein gesagt wird. Mogul: Gut gesprochen! Sag es fein und zeig«, daß du ein kluger Bursche Mann bist. Rococo: Ich höre und gehorche.(Ab.) Zweiter Akt. Auf dem Markt«. Rococo und die Mißvergnügten. Rococo  : Ihr sagt, daß lhr Reformen haben wollt? Ihr soll: sofort eine Reform haben! Die Mißvergnügten: Sprich? Rococo  : Zteformiert euch s-tbst! (Die Mißvergnügten beraten.) Di« Mißvergnügten: Gut! Wir annehmen dein könig. llches Anerbieten, aber wir wollen Vollmacht haben? Rococo  : Hier habt ihr königfiche Vollmacht, moralisch, spar- fmn. nüchtern, keusch, ordentlich, ehrlich z» werden. Ist das gemtg? Die Mißvergnügten: Das ift genug!(Ab) Dritter Akt. Bei llftognl. Der Finanz mini st er: O. Großmogul, welch höllischen Reformator hast du uns in Rococo   gegeben! Die Grundlagen der Gesellschaft drohen einzustürzen. Mogul: Was ist denn? Der Minister: Er hat den Mißvergnügten eingeredet, sie sollen sich selbst refonnieren. Jetzt haben sie ihm beim Worte g:- nominen und beginnen nüchtern zu werden. Mogul: Nun. das ift doch gut! Der 2# in ister; Ist das gut? Die Staatskaffe zeigt einen Mangel von 14 Millionen Branntweinsteuern. Wo soll man die setzt hernehmen. Mogul: 14 Millionen sind nicht aus der Nase geschneuzt! Wir müssen also Stauern auf Wein, Punsch und Kognak legen. Der Minister: Geht nicht! Dann empört sich die Rechte. Oder sie wandert aus und dann verliert die Gesellschaft ihre sicherste Stüütz«. Mogul: Was soll man denn tun? Der M i n i st e r: Das weiß ich nicht uird darum bitte ich. mein Amt Eurer Mogul zur Verfügung stellen zu dürfen.(Ab.) (Der Minister für Lu;>ts kommt.) Mogul: Was im Namen des Herrn ist«Z jetzt wieder? Der Minister: O, Großmogul, einen unglücklichen Reior- mator hast du ausgesandt. Er hat gepredigt, daß die Mißoergnüg- ten sich selbst reformieren sollen. Und jetzt sind sie sparsam gewor- den. Die Gesellschaft droht zusammenzustürzen: die Kanaillen be- nutzen weder Tobak, Kaisee. noch Zucker. Und die Staatskasse zeigt einen Mangel von 27 Millionen Zollabgaben. Mogul. 14 und 27 macht 41 Millionen? Wo soll man dt« hernehmen? Wir müsien bann wohl Zoll auf Wein und Seid« legen? Der Minister? Taugt nicht! Dann wandert die Recht« aus. und dann verliert die Gesellschaft ihre stärkste Stütze. Ich muß mein Amt Eurer Mogul zur Verfügung stellen.(Ab.) (Der Minister für die DoÄxuen lomint) Mogul: Was bringst du für ein Uirglück? Der Minister: 0, Großmogul, welch einsaitigen Aesonna- tor hast du zu den Mißvergnügten gesandt? Mogul: Was hat er denn gemacht? Der Minister: Er hat ihnen königliche Vollmacht gegeben, daß sie sich f«ibst reformieren dürfen! Und jetzt sagen die M tz- oergnügren, si« wollen keinen Kriegedienft mehr leisten, weil es «n Gesetz und Evangelium verboten ist, zum Schwert zu grel'en. 3ch muß deshalb mein Amt Eurer Mogul zur Derfügimg stellen. (Saht.)
Mogul: Das sängt an. bedenkluh zu werden. Die Gesell- schoft scheint nicht gerade aus Tugenden aufgebaut zu sein. W:r müssen diesen Reformator wohl verleugnen. (Der Minister für die Dynastie kommt.) Der Minister: O, Großmogul, Herrscher von Gottes Gnaden, die Gesellschaft ist in Auslösung begriffen. Dem Satan von Reformator ist es gelungen» die Mißvergnügten moralisch zu machen, und jetzt kündigen sie der Dynastie ihren Treuschwur, weil sie« für unmoralisch halten, die Dynastie zu unterstützen! Was soll man tun? Mogul: Wir haben das Heer? Der M'nister: Wir haben nicht das Heer! Dos ist auch inornlisch geworden.(Geht) Mogul: O. wehe dir, Lama, warum gabst du mir einen solchen Rat! Was sollen wir ansangen? (L-ama kommt.) Lama: Ja, nun ist das Unglück da. Der verdammt« Rococo  hat ihnen die Erlaubnis gegeben, sich selbst zu reformieren. Nun sind st« aus der Staatskirche ausgetreten, well sie es für unmoralisch holten, eine Lahre zu unterstützen, an die sie nicht olauben. Mogul: Wie soll das enden? Lama: Wir muffen auswandern? Das ist alles. Keine Dynastie, kein Heer, keine Kirche! Die Grundlage der Gesellschaft scheint wirklich Immoralität zu sein.
Mogul: Was soll man denn tun? Lama: Latz uns unmoralisch sein! Mogul: Nein, gibt es keinen Mittelweg? Wie wäre e?, wenn wir damit beginnen würden, die Gesellschaft zu reformieren? Lama: Das wäre vielleicht nicht so verkehrtl Mogul: Beachte, daß ich sage: wtrl Die Mißvergnügten dürfen sich mit so empfindlichen Dingen nicht besoffen. Lama: Toll Rococo wieder mitmachen, so muh ich au?- wandern. (Mogul pfeift.) (Rococo   erscheint.) Mogul: Du bist ein Esel. Rococo! Ich verleugne dich! Lama: Wir verleugnen dich! SR o g u l: Aber ein kluger Monarch läßt nieman-den miß- vergnügt fortgehen. Sieh her Rococo  ! Rococo  : Einen Orden! Mogul: Als Ausdruck meiner persönlichen Achtung für deinen guten Willen. Für deinen guten Verstand will ich nichts geben! Lama: Als Ausdruck meiner persönlichen Dankbarkeit.... (Will Rococo   die Enodenmittcl überreichen.) Rococo  : Danke(Geht.) Mogul: Dieser Reformator hat der Gesellschaft geschadet. Lama: Der verachtet die Gnadenmittel l Mogul: Beginnen wir jetzt unsere Bckchrungsarbeit an den reformierten Mißvergnügten! Es wird nicht so leicht sein, sie wieder zu demoralisieren, aber..... Lama: Im Namen des dreieinigen Gattes! An? Werk! Die Gesellschaft muh gerettet werden! Himmel und Erd« mögen ver- gcfjcn, aber die Gesellschaft soll bestehen? kAu! dcai NaHwß jttm crltenma? ilbertrearn per. Tiiill<? ch i r l o>iZ
3)ie äeiülcke Warleillaife von i8U8
Aus der Volksseele emporquellende Worte und Töne finden zu allen Zellen und bei allen Döllen, Anklang und Widerhall! Reim und Sang lassen die ungeordnete», ja undisziplinierten Massen sich zusammenschließen und zum Vormarsch formieren. Es war lange eine lächerliche Einseitigkeit, zu meinen, aufrüttelnde Börse, elcktr- störende Musik seien ein Privileg der Krlegsstimmung erzeugenden und Heldenbegeistcrung brauenden Dynastendichter. Sehen wir von wohlbezeugten Beispielen älterer Epochen hier ab. so bedarf es nur eines Hinweises auf den hinreißenden Rhythmus der französischen  Reoolutionsdichter. auf unsere Herwcghs, Becks, Sallets, Frcilig- raths und viele anders. Ein glücklicher Fund spielte mir unlängst aus Akten der 48er Beweguirg, der Berliner   Märzrevolution, ein Dokument von histori- scher Bedeutung und unzweifelhafter Originalität in die Hände: den ersten deutschen   DolkSfaJmnus, die r g e r Marseillaise   von 18 4 8. Zum ehrenden Gedächtnis jenes glücklichen Augenblick.-- dichoers, zu ydutz und Frommen aller Dolksfreunde sei sie h,er wi der- gegeben. Doch zuvor noch ein aufklärendes Wort über den Dichter selbst, denvormaligen Dioisionsprediger und Regiermigsaffefior" Dr. Friedrich(Rulemann) E y l c r t. Aus seinen, ereignisreichen Leben wissen wir wenigstens soviel durch die erhalten gebliebenen Polizeiakien, daß«r 150S zu Hamm   an der Livpe als einziger Sohn jenes geistlichen Herrn geboren wurde, der bald hernach dank seinem unüber« trefflich schmiegsamen Rückgrat in die Stellung eines Vertrauten und Gcwiffensratcs König Friedrich Wilhelms III. von Prcuß'n ausrückte. Ich meine den 18Z2 zu Potsdam   verstorbenen Oberhof  - prcdiger, Staatsrat und evangelischen Bischof Dr. Rulemann Evl;rt, dessenhistorische Fragmente" aus dem Leben dieses problomat fchen Herrschers wohl unstreirig auf den, Gebiete charakterloser Gurst- lingsllleratu, einen Tics punkt bedeuten. Der Sprößling Friedrich Rulemann besuchte immer nach den Details des Fahndungs- blattes der königlichen Polizeidireklio» zu Hannover   von 18Zl> die Klosterschule zu Pforte bei Raun, bürg, studierte auf drei Uni- versitäten Theologie und brachte es schon im 21. Lebensjahre zum Dioisionsprediger in Frankfurt   a. d. O. Von dort ging er als Hilfsarbeiter in Kirchen- und Schulsachen zur preußischen Regierung nach Bromberg   und heiratete die Tochter seines Ehefprästdentuy aber es war nur eine Ehe von kurzer Dauer, da sie schon bald dar. auf durch das Berliner   Kamniergericht wieder gelöst wurde. In- Zwilchen halt« Eylert ein Jahrzehnt dauerndes Wanderleben be- gönnen, das ihn über Leipzig  , wo erint 1900 Taler Einlage als stiller Ässociö einer Buchhandlung sich etablierte", bis nach Auurika führte. In der Neuen Well machte er, nach späteren eigenen An- gaben, wissenschaftliche Studien, gründete deutsche   Schulen und Kirchen, bekleidete auch in Washington   eine Professur, alles in allem eine Tätigkeit, die einem preußischen Herrn Polizeipräsidenten   zu offener Anzweiflung Anlaß bietet. Anfangs der 40er Jahre tauchte Eylert wieder im Barerlande auf, war noch einmal, wenn auch nur für kurz« Zeit, m königlich preußischen Diensten, und zwar beim Prooinzialsteuerdireelorio zu Tanzig tätig, um sich dann scheinbar ausschließlich der bald immer stärker werdenden Volksbewegung zu widmen Dadurch verdarb er es nun gründlich mit den politifchm Machthaber».In den Tagen der Revolution in Berlin   hat Eylert sich glaubwürdigen Nachrichten zufolge durch freche Aufreizung der Massen zur Anarchie und zu groben Ex.zessen mehrfach hervor» getan." so heißt es unter dem TitelGcmcinshädlicher Umher- lreiber" im vorerwähnten PÄizcifahndungsblatt vom November 18ö0. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte Eylerr zum zweitenmal eine Reise oder besser gesagt. Flucht nach Amerika   an gell t-m. Immer wieder versuchre Eylert später in Deutschland   festen Fuß zu fassen, so als Anaenheilkondigu. Sprachlehrer, Kunsthändler usw. Vergeblich; von Ort zu Ort gehetzt, ofnrrl? gefim'l ch fest-mietzt flüchtete er 18S0 in den Schoß deralleinseligmachcnd n" Kirche, indem er, der Sohn des evangelischen Bisckpfs, in Anchen-Vurtschctd zum Katholizismus übertrat. Der Polizei! treltor Engelcken zu Pols- dam verbot ihm in den preußischen Residenzen Be lin, Potsdam  und Eharlottenburg jeglichen Aufenthckt und legte ihm den Der. zicht auf die preuh'schen llnternnenrechte dringend nahe. Da auch ein Gnadengesuch an des Königs Majestät,nach 13 Iahren der bittersten Leiden und Prüfungen in seiner Vaterstadt den kurz N Rest des Lebenz in Ruh: verbrurgen zu dürfen", abgelchn: worden war. irrte unser unglücklicher Dichter weiter umher und scheint nach einer Aktennotiz vom Jahre 1863 um diese Zell im Elend gestorben zu sein.
So endete das Leben eines Freih-itsdtchterz und Kämpfers von 1848, über dessen äußere Erscheinung, allerdings im besten Mannesalter, es im Steckbrief heißt:Er ist von stattlicher Statur, mit freier Stirn und frischer, sehr gesunder Gesschtssarbs. Selon« der« Kennzeichen sind gewandtes Benehmen sowie aufsollendc Sit- düng und Politur." Und nun folgt der Frc'.bellshynmus selbst: Eine deutsche Marseillaise van Dr. Friedrich Eylert. (Erschienen Berlin   1848 im Verlag von Leopold Schlesinger, Schloßfreihell Ztr. 8.) Mll Gott für König und Vaterland?/ Hat man uns lange geknechtet. ..Mit Gott für König«nd Vaterlarid!* Da hat man uns geächtet. Verschwind«, falsches Lügenwort. Geh unter auf«wige Zeiten! Ein ander Wort, ein heilig Wort, Das soll uns jetzt geleiten! Wir ehren Gott  , wir lieben Gott  . Doch wir sind mündig worden' Wir wollen streiten, siegen jetzt Auch ohne Priesterorden. In mrs'rer heu gen Wcihenacht Verschwand des Königs Schimmer. Recht ihm und uns zu jeder Zeit; Doch für ihn kämpfen? Nimm«! Verschwind«, falsches Lügenwort. Geh unter auf ewige Zeiten! Ein ander Worr, ein heilig Wort, Das soll uns jetzt geleiten! Das Vaterland! Wie zuckt die Hand Bei dieses Wortes Klang«! Fürs Vaterland, fürs Vaterland' Zu jedem ernsten Gange!
Es iomint die Zeit sie ist schon da, Wo wir dich, Schwert, bedürfen! Wer beten will, laß beten dann Und feine Weine schlürfen. Wir aber, wir, wir fassen dich. Verderben dem Geschlechte! Wir aber, wir, wir fassen dich In unsere starke Rechte. Denn wo du bist, du deutschez Schwert, Verschwindet Knechtschaft immer. Zum Sieg« führst du, du, gefett Im F r c i h e i t s M o r g e n f ch i m«r e r. i;g.
Da» Pretsralca der Medien. Der Versuch, die basten Medien der Welt durch die Aussetzung einer Namhaften Summe anzuspornen, eine Botichaft aus dem Jenseits richtig wiederzugeben, kann vor. läufig als gefchellrrl angesehen werden. 289 Medien hatten den V«» such unternommen, die Botschaft der Frau eines amerikanischen  Arzt«», die diese bei Ihrem Tode niedergelegt und die später der Bibliothek dar ZeitschriftThe Scientific American" überreicht worden war, durch Verbindung mll dem Geist der verstorbenen zu entziffern. Obwohl mehrer« tausend Dollar ausgesetzt waren, hat sich das aus Anhängern der Spiritisten zusammengesetzte Preis» richierlollcglum nicht entschließen können, auch nur Teilbettäge an die Madien zu verteilen, da die eingereichten Deutungen mll dem InHall des niedergelegten Schriftstücks in keiner Weife auch nur an- nähernd zu vergleichen waren. Drei Millionen Analphobeken la Voten. Wie dieGoztta Worszawska" berichtet, gibt es zur Zeit in Volen nock» drei Millionen Analphabeten, das seien etwa 25 Proz. all» Einwohner im Aber von über zehn Iahren. In den Westproomzen betrooe die Anzahl der 'Analphabeten nur etwa 2 Proz.; in den östlichen Gebieten steige sie bis auf 75 Proz.