Montag 27. Januar
1930
Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts
66
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B 22 47. Jahrgang
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Neue Preußenkoalition?
Interfraktionelle Besprechung um 3 Uhr.
Die Verhandlungen über eine Neugestaltung der preußischen Regierungsfoalition haben bisher 30 feinem anderen Resultat ge führt, als daß heute nachmittag um 3 Uhr die erfte infet. frattionelle Besprechung der Parteiführer im Beisein des Ministerpräsidenten stattfinden soll.
Die demokratische Fraffion des Preußischen Landtags begann ihre Fraffionsfißung furz vor 11 Uhr. Sie hielt bei Beginn der Berhandlungen des Plenums noch an. Wie ein Nachrichten bureau hört, werden die Demokraten die grundsägliche Bereitschaft zur Bildung der Großen Koalition erklären, die Borschläge aber, die zur Zeit erörtert werden, als night tragbar bezeig. nen. Bclannfiich gehen diese Batschläge dahin, daß der Handelsm'nister Schreiber durch einen Bolfsparteiler ersetzt wird, daß an Stelle des Kultusministers Dr. Beder der Abg. König- Potsdam fritt, und daß der Einfluß der Deutschen Volkspartei im Kabinett dadurch verstärkt wird, daß sie den Poften eines Minifters ohne Portefeuille
erhalte
Kampf der Schachtpolitik!
Entschließung des Sozialdemokratischen Bezirfstages. Der Sozialdemokratische Bezirksparteitag für Berlin nahm am Sonntag nach eingehender Aussprache über die Finanznot der Städie folgende Entschließung zur Finanzreform an:
Der außerordentliche Bezirksparteltag der SPD . Berlin erblidt in dem von der Reichsregierung geplanten Finanzpro gramm eine erneute Belastung der deutschen Arbeiterklasse. Er fordert von der Reichstagsfraktion, im Kampf um die caften. verteilung alle Kraft für die Bekämpfung der Steuerforderungen einzusehen, welche die Kauftraff der breiten Masse einschränken. Gleichzeitig mit den erforderlichen wirtschaftlichen Maßnahmen zum Zwede der Arbeitsbeschaffung muß ein ausreichender fozialpolitischer Schuh für die Opfer der schlechten Arbeitsmarktlage verlangt werden. Die zur Unterstützung der gesteigerten Zahl von Erwerbslosen notwendigen Reichszuschüffe an die Erwerbslosenversicherung müssen in den neuen Reichs haushalt eingestellt werden. Angesichts der großen Zahl von langfristig Erwerbslofen und Ausgesteuerten bedarf die geltende Berordnung über die Krisenfürsorge eines Ausbaues. Ju den Haushaltsberatungen sollten die für Rotftandsarbelten und Bauzwede erforderlichen Mittel vorweg beschleunigt bewilligt werden.
Um die Beschäftigungsmöglichkeiten steigern und den Arbeitsmarkt erleichtern zu lönnen, muß das Reich aus der heuligen unerträglichen Abhängigkeit vom Finanzfapital. befreit werden. Die vollige Ausgleichung des Reichs. haushalts ist deshalb eine vordringliche Forderung der Ar. beiterschaft. Dabei muß der soziale Bedarf unter allen Umständen gesichert werden, auch wenn zu feiner Dedung die Erschließung weiterer Steuerquellen notwendig wird.
Eine weitere Beteiligung der Sozialdemotra. tle an der Reichsregierung liegt nur dann im Intereffe des arbeltenden Boltes, wenn es gelingt, die Forderungen des Reichsverbandes der deutschen Industrie und der bürgerlichen Parteien abzuwehren, die sich gegen die Arbeiterklasse richten." Ausführlicher Bericht über die Verhandlungen des Bezirkspartei tages geben wir auf der dritten Seite dieses Blattes.
Zentrumsbeschlüsse.
Der Reichsvorstand dankt den Zentrumsministern. Der Reichsparteivorstand des Zentrums hat am Sonntag unter dem Borsiz des Prälaten Kaas eine den ganzen Tag andauernde Sigung abgehalten. In der Vormittagssigung wurden lediglich organisatorische Fragen erörtert. In der Nachmittagsfizung er ftattete Reichsminister Dr. Birth ein eingehendes Referat über die Haager Ergebnisse. Nach furzer Aussprache wurde eine Entschließung angenommen, in der dem Minister Dr. Wirth und den anderen Ministern der Zentrumspartei ber Dant der Partei für ihre unermüdlichen Berfuche, eine ben politischen Vaffaffungen der Bentrumspartei entsprechende, den Lebensnotwendigkeiten des deut schen Volkes Rechnung tragende Lösung der im Haag zur Beratung ftehenden Fragen zu finden", ausgesprochen wird.
Im weiteren Verlaufe der Aussprache wurden dann hauptsäch lich die wirtschaftlichen und finanziellen Innenpolitischen Auswirtungen der Haager Beschlüsse erörtert.
Koalitionsstreit in Frankreich .
Der Pariser Parteitag über die Bedingungen für Regierungsteilnahme.
Als er noch der Kammer angehört habe, habe man Millerand auss gestoßen, well er in bas Kabinett Walded- Rousseau eingetreten sei Man habe seinerzeit zunächst gegen diese Kabinett gestimmt. Ais es dann aber von der Reaktion bedroht worden sei, habe man dem gleichen Kabinett treue Unterstützung geliehen. Diese tattijchen Stellungsänderungen hätten der Partei danials nichts gehabet. Go merde es ihr auch heute nichts schaden, ob sie nun in die Regierung eintrete oder nicht. Die Hauptsache sei, daß die Partei ihr Ziel, die Sozialisierung der Gesellschaft, weiter verfolge.
Paris , 27. Januar. ( Eigenbericht.) hier liege nicht die Frage. Die Frage fei vielmehr die, ob die beendet wurde, hat sich mit über 500 Stimmen Der sozialistische Parteitag, der am Sonntagabend Sozialisten Mehrheit gegen die Regierungsbeteiligung ausge innerhalb oder außerhalb der Regierung die Welt am besten nach sozialistischen Ideen gestalten fönnten. iprodjen. Die mit 2066 gegen 1507 Stimmen bei 35 Stimmenthaltungen angenommene Entschließung ebas hat folgenden Wortlaut: Der Stongre erflärt 1. daß er dem Programm der Partei tren bleibt, 2. dait er die Entscheidung des Generalrates vom 28. und 29. Cftober 1929( Abichung des radikalfozialen Auge bots zur Bildung einer gemeinsamen Linksregierung) gutheit, 3. daß die Partei jederzeit bereit ist, die Berantwortung für die Regierungsgeschäfte zu. übernehmen, jedoch unter der Bedingung, daß sie die Regierung eut weder allein übernimmt oder wenigüens die Ma fprität oder die Zeitung in der Regierung inne hat und auf Grund eines Programms von eindeutig sozia listischem Charakter. 4. Was die eventuelle Beteiligung der Sozialisten an einem Koalition stabinett betrifft, so ist erstens dieser Gedanke für die gegenwärtige Legislaturperiode ganz abzulehnen; er kann überhaupt nur im Falle von außerordentlichen Bedingungen" in nur im Falle hon außerordentlichen Bedingungen" in Betracht gezogen werden, falls ein Parteifongres oder Generalrat die Bedingung als solche anerkennt. In den beiden oben vorgesehenen Fällen hat die betreffende Ver. sammlung selbst die Auswahl der sozialistischen Minister su treffen."
Die Diskussion verlief nach dem außerordentlich lebhaften Auftatt am Sonntag ziemlich ruhig. Alle Redner stimmten übrigens darin überein, daß die Frage der Regierungsbildung als rein tattische Frage zu betrachten sei und zu teiner Spaltung Anlaß geben tönne. In der Diskussion hatte insbesondere der einstige Abge ordnete und Bizepräsident der Kammer, Groussier, ein alter, meißbärtiger Beteran der sozialstischen Partei, starten Eindruck zu verzeichnen. Er erklärte, früher oder später müsse die Partei doch unte dem Drud der Tatsachen in die Regierung eintreten. Aber
Der Reichsbankpräsident
Sback
Wie er sich den höchsten Poffen im Reiche dentt.
Emile Kahn, der als Vorfämpfer für die Regierungsbeteiligung befannt ist, warf vor allem die Frage auf, ob die Partei nicht auch die Pflicht habe, die Reaktion zu bekämpfen; wo und wie es nur möglich sei. Man müsse doch vernünftigerreise zunächst versuchen. Teilfiege zu erringen, um damit den Endfieg sicherzustellen. Vincent Auriol fenerseits betonte, daß er in dem Kampf um die Regierungsbeteiligung eigentlich neutral sei. Er sei 1924 unbedingt für die Regierungsbeteiligung eingetreten. Heute aber, bei der Zusammenlegung der gegenwärtigen Rammer, tönne er sich dazu nicht mehr entschließen. Mit dem Abgeordneten Lebas endlich fam einer der Führer der ,, Anti- Regierungsfraktion" zu Wort. Es wäre Selbstmord gewesen, erfiärte der Redner, wenn die Partei das Angebot Daladiers angenommen hätte.
Die Zerschlagung des Sozialversicherungsgefehes, die Genehmigung des Floffenbauprogramms und die neuen Festungsbauten zeigten deutlich, wie reaktion är und sozialistenfeindlich die gegenwärtige Kammer sei. Es sei also ausgeschlossen, daß in ihr eine entschiedene infsregierung eine Mehrheit finden könnte. 3u einem heftigen Zwischenfall tam es, als Deat im Auftrage der Minderheit von der Tribüne herab erklärte, daß seine Freunde das umstrittene Problem der Regierungsbeteiligung nach wie vor nicht als endgültig gelöst betrachten und in der Partei gegen die Auffassung der Mehrheit meiter fämpfen würden. Paul Faure mandte sich entschieden gegen diese Auslassungen, während der Vorfizzende den Borstoß der Minderheit bedauerte. Nach kurzen Ausführungen Brades und Ziromstis schloß Paul Faure die Debatte ob. Ein Rabinett Daladier wäre niemals imftande gewesen, die Macht in der Hand zu behalten. Im übrigen sei es jetzt genug des Streitens um diese leidige Frage. Weil die Minderheit sich mit dem ablehnenden Entschluß des Delegiertentages nicht habe zufriedengeben wollen, habe die Partei zwei volle Arbeitsmonate verloren. Er selbst sei a priori und unter allen Umständen gegen die Regierungsbeteiligung, aber es gelte jetzt vor allem, und er hoffe dabei die volle Mithilfe der Minderheit zu finden, die Partei durch intensive Propaganda so zu stärken, daß fie nach den Wahlen von 1932 auch mirtlich mit Erfolg das Ruder der Regierungsgewalt ergreifen tönne Er sei sich vollkommen flar darüber, daß bie Sozialisten in der Regierung Entscheidendes tun tönnten. So z. B. hätte er. menn er Ministerpräsident wäre, die Einladung zur Lon doner Flottenkonferenz nicht angenommen, um dort vielleicht die Abrüftung allmählich und möglichst langsam vorzubereiten, sondern er hätte, genau dem Beispiel Dänemarks folgend, wirklich und tatfachlich bis zum äußersten abgerüftet.
Das Schlußwort endlich hatte der Parteiführer Léon Blunt, ber in eindrucksvollen Worten zur Disziplin, Einigkeit und zum Gehorsam im Dienste der Parteiideale aufforderte
Eine ganze Fischerfamilie untergegangen.
im
London , 27. Januar. Wie aus Oslo gemeldet wird, find zehn Männer, Mitglieber einer einzigen Familie, Bergesfjord ertrunten. Ein Schoner, der von einem 77jährigen Fischer, seinen beiden Zähnen, zwei Enkeln, bier Schwiegersöhnen und einem Schwager bemannt war, ging im Sturm unter. Alle zehn Personen er tranten.