Morgenausgabe
Nr. 45
A.23
47.Jahrgang
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Dienstag
28 Januar 1930
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Keine Aenderung des Reichsbankstatuts? Offiziös wird gemeldet:
Im Reichstag hatte Reichstanzler Müller am Montag abend eine Besprechung mit Bertretern der Regierungsparteien über die Wenderungen des Reichsbanfstatuts im Rahmen des Boung- Plans. Die Parteiführer legten noch einmal die in den letzten Tagen von der Presse der Partelen bereits fundgegebenen Auffassungen dar. Die Sozialdemokraten wünschten, daß die durch den Young- Plan gegebene Möglichkeit einer Revision des ReichsbankStatuts schon jeht bei der parlamentarischen Beratung des YoungPlans benuht werden möchte, um den Einfluß der Reichs. regierung bei der Zusammensehung des Generalrats der Reichsbank und auch bei der Wahl des Reichsbankpräsidenten zu verstärken. Die anderen in der Regierung vertretenen Barteien dagegen sind in Uebereinstimmung mit dem Kabinett der Auffassung, daß zum mindesten im gegenwärtigen Augenblick über den Young- Plan hinausgehende. Reformen nicht Augenblid über den Young- Plan hinausgehende. Reformen nicht vorgenommen werden follen. 3u einer Einigung tam es heute nicht. Die Sozialdemokraten, die auf ihrem abweichenden Standpunkt beharrten, behielten sich ihre endgültige Stellung nahme vor.
Zu derfelben Angelegenheit macht der Soz. Pressedienst" längere Ausführungen, denen wir folgendes entnehmen:
Um es von vornherein zu sagen: die Forderungen der Sozial demokratie haben bei den bürgerlichen Stoalitionspartelen so gut wie feine Unterſtügung gefunden. In diesem Lager hält man jede Abänderung des Geſeßes, die im übrigen- ebenfalls gemäß den Haager Abkommender stillschweigenden Zustimmung des BerDer stillschweigenden Zustimmung des Ber maltungsrats der Bant für internationalen Zahlungsausgleich be dürfen würde, im gegenmärtigen Augenblid für unangebracht.
Wir erachten es als erforderlich, eben wegen dieser Stellung nahme der bürgerlichen Parteien nody einmal furz die Gründe zu fammenzufaffen, die uns zu unserem Borgehen bestiminen. Sie haben, was gegenüber gewissen Preffeäußerungen noch einmal mit Nach drud hervorgehoben fei, nichts mit parteipolitischer Boreingenommenheit und nichts mit dem Wunsch zu tun, Rache für die Demission Hilferdings zu nehmen. Sie sind ausschließlich fachlicher Art. Es erscheint uns unerträglich, daß der Reichsbanfpräsident dank der Stellung, die ihm gewährt ist, Uebergriffe auf das poli. fiche Gebiet machen fann, burch die die Autorität der Reichs regierung sowohl wie des Parlaments aufs schwerste erschüttert wird, und wir sind weiter der Meinung,
daß unsere Beziehungen zum Ausland gefährdet werden, folange ein Reichsbantpräsident amfiert, der durch sein Auffreten berechtigte Zweifel an dem guten Willen, bei der Durchführung der Boung- Gefeße mitzuwirken, erweden muß. Wir wollen die Unabhängigkeit der Reichsbank, soweit durch sie die Stabilität der deutschen Währung gewährleistet wird, in feiner Weise angetastet missen. Wir verlangen nur, daß der Leiter der Bank durch entsprechende gesetzliche Bestimmungen in den Schranken feiner normalen Amtsbefugnisse gehalten wird
Man will at marten. Man will sehen, ob Herr Schacht fich von jetzt ab innerhalb seiner Grenzen hält ober zu einem neuen Eching gegen den Geist des Parlamentarismus und der Demokratie ausholt. Erst wenn er rüdfällig geworden ist, sollen, se versichert wird, Gegenmaßregein ergriffen werden. Diese zurudhaltung wird mit der angeblichen Angst der Bevölkerung be gründet, die von jeder Erschütterung der Stellung des Herrn Schachyt eine Erschütterung der Währung befürchte und sich beshalb in einem selche Falle noch mehr als bisher mit ihrem Kapital in ausländische Devisen flüchten würde. Nach unserer Meinung hat die zweifellos in startem Umfang vorhandene Rapitalflucht wesentlich andere Motive. Aber noch wichtiger ist, daß der, der sich auf den Stand: punkt der bürgerlichen Barteien stellt, seine Hände auch für die Eventualität bindet, daß Herr Schacht die ihm zugebilligte Bewährungsfrist nicht zur Gintehr und Besserung benutzt.
Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion wird sich jedenfalls vorbehalten müssen, ein Snitiatingeses zur Abänderung des Reichsbantgefeges einzubringen. Auf jeden Fall aber hat sie ihre $ flicht erfüllt und rechtzeitig gewarnt. Wenn die Dinge fich anders entwickeln als es der Optimismus der bürgerlichen Parteien erhofft, so trägt fie feine Berantwortung.
Soweit der Soz. Preffedienst". Der Borstand der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion hat sich bereits zweimal mit der Angelegenheit beschäftigt. Am 13. Januar bejchloß er, Der Reichsregierung seinen Bunich mitzuteilen. daß im Haag auf eine Aenderung des Reichsbanfgefeges im Sinne einer größeren Freiheit der deutschen Reichsgefeß gebung hingewirft werde. Am 16. faßte dann der Frattions Dorstand einen zweiten Beschluß. in dem gesagt war ,,, daß eine Nebenregierung der Reichsbant, wie sie von Dr. Schacht durch mißbräuchliche Ausnußung der Unabhängigteit dieses Inftituts etabliert worden ist, nicht ertragen werden fann." Dem Reichskabinett gegenüber wurde deshalb die Erwartung ausgesprochen. ,, daß es sich nach der Rückkehr der deutschen Delegation aus dem Haag mit der Frage beschäftigen wird, wie durch Aenderung des Reichsbantgejeges die Freiheit der deutschen Gefez
Keine Steuerfenfung!
Moldenhauer über die Finanzlage des Reichs.
erfüllt werden sollen und müssen
Präsident Lobe eröffnet die Sigung um 3 Uhr. Auf der Tages.| müssen. Der Minister erklärte, daß beide Berpflichtungen ordnung steht die zweite Beratung des Zündwaremmonopoigefeßes Abg. Erfing( 3.), berichtet zunächst über die Verhandlungen des Ausschusses.
Reichsfinanzminister Dr. Moldenhauer
gibt zunächst einen Ueberblid über die Geschichte der Zündparen wirtschaft, aus der sich ergibt, daß die Neuregelung alten Wünschen der Zündwarenindustrie selbst entspricht. Die Zündholzfabrikanten der Zündwarenindustrie selbst entspricht. Die Zündholzfabrikanten felbst sehen in dem Monopol ein geeignetes Mittet, um die Zünd warenwirtschaft wieder in geordnete Bahnen zu lenken. In dem Monopol find die deutschen Wirtschaftsinteressen gewahrt. In der sichergestellt. Der Gewinn der Monopolgesellschaft tommt dem monopolgesellschaft ist ein ausreichender Einfluß der deutschen Seite Reiche unmittelbar oder mittelbar zugute. Wirksamer Vollzug des Gejeges ist gesichert. Die besonders start fritisierte Frage der Genoffenschaftsfabriken hat eine Lösung gefunden, die als ein befriedigender Intereffenausgleich anzusehen ist. Sie bleiben awar wie bisher außerhalb des Monopols, müssen aber erheblich e m. Sonderabgaben von 60 t. pro Kifte an das Reich entrichten. Aus Gründen der Kassentage, auf die ich im weiteren Verlauf meiner Rede ausführlich zu sprechen tommen werde, hielt es die Regierung für richtig, für die Vorteile, die bei Schaffung des Monopols auch den der schwedischen Seite gehörenden Zündholz. fabriken in Deutschland zufloffen, eine gewiffe Gegenleiftung burg Gewährung einer langfristigen Anleihe zu 6 Broz. verzinslich und hat einen Auszahlungsturs von 93 Broz. perlangen. Die Anleihe beträgt 125 Millionen Dollar, Sie ist mit Der Gegenwert wird in zwei Teilbeträgen von nominal 50 millionen und 75 millionen Dollar spätestens 7 und 16 Monate nach der Berkündung des hier zur Beratung stehenden Gesetzes ausgezahlt.
Der Wunsch der Reichsregierung ging dahin, eine möglichst langfristige, in der Tilgung spät beginnende und alsdann in fleinen Jahresraten zu tilgende Anleihe zu erhalten. Es ist möglich gewesen, eine 50jährige Laufzeit durchzusehen und die hat die Reichsreglerung ihrerseits Wert darauf gelegt, selbst vom Tilgung erst vom 10. Jahre ab beginnen zu lassen. Andererseits 10. Jahre ab die Möglichkeit einer jederzeitigen Kündigung zu befizen. Der verlangte Auszahlungsfurs ist nicht als un günstig zu bezeichnen.
Nun ist im Haushaltsausschuß die Frage aufgeworfen worden: Bedürfen wir dieser Anleihe überhaupt, um unserer Kaffenschwierig feiten Herr zu werden oder fönnen wir nicht auf sie und auf das Gefeß über das Bündholzmonopol überhaupt verzichten? Daß wir das Zündholzmonopol auch aus wirtschaftlichen Gründen brauchen, habe ich eingangs dargelegt.
Der Minister kam dann zu eingehenden Darlegungen über
die Kaffenlage des Reiches.
Er schilderte zunächst die Lage, die er bei seinem Amtsantritt vorgefunden habe. Es habe damals eine Belastung mit einer doppelten hypothet vorgelegen: einmal das Finanz programm der Reichsregierung, das eine Entlastung der Wirtschaft in Höhe von neunhundert Millionen vorsah, und zweitens das Gefeß über die außerordentliche Til gung der Reichschuld, wonach bis Ende 1930 von den furzfristigen Krediten des Reichs 450 Millionen getilgt werden
gebung in bezug auf die Perfonalfragen der Reichsbank ausreichend erweitert werden kann."
Aus den vorstehenden Berichten ergibt sich, daß das Reichsfabinett zur Zeit nicht beabsichtigt, nach dieser Richtung irgendwelche Schritte zu unternehmen, und daß es dabei die Zustimmung sämtlicher bürgerlicher Koalitionsparteien findet.
Das ist die Situation, mit der sich die sozialdemokratische
Reichstagsfraktion morgen in ihrer Sigung befassen wird.
Litwinoff freigesprochen.
Mit Ife des Staatsanwalts.
Im Litwinoff- Prozeß verneinten die Geschwo renen sämtliche Schuldfragen. Infolgedessen wurden die drei Angeklagten freigesprochen.
Urteile französischer Geschworen er beweisen nicht viel, besonders dann nicht, wenn es sich um Personen mit politischem Hintergrund handelt. Dieselben Geschworenen, die gestern abend L twinow junior und seine bei den Mitangeklagten freigesprochen und damit der Somjet reglerung eine moralische Niederlage zugefügt haben. hatten unmittelbar zuvor den Kommunisten Cassiot von der Anklage des Komplottes gegen die Sicherheit des Staates" ebenfalls freigesprochen und damit der französischen Regierung eine ähnliche moralische Niederlage beigebracht. Wegen des letzteren Freispruches wurden die Pariser Geschmorenen von der tommunistischen ,, humanité" in den Himmel gehoben, heute wirb
Bei der Untersuchung der Frage, in welcher 3 eitfolge das Programm durchzuführen sei, müsse man aber zu dem Ergebnis fommen, daß bei aller Anerkennung der Notwendigkeit einer Erleichterung für die Wirtschaft doch die Schuldentilgang das Primäre sein müsse.
Die Voraussetzungen, unter denen die Reichsregierung fich im De zember zu ihrem Finanzprogramm entschlossen hätte, hätten sich in der Zwischenzeit in wesentlichen Bunkten verschoben. Insbesondere habe das Schuldentilgungsgefeß die damals für eine längere Zeitauf einen fürzeren Zeitraum zusammengedrängt. die Einspanne in Aussicht genommene Abdeckung der kurzfristiges Strebite nahmen an Steuern feien in den letzten Monaten in einem Maße hinter den Schägungen zurüd geblieben, daß die ur sprüngliche Absicht, das Defizit des Jahres 1928 im Jahre 1929 abzubeden, nicht mehr verwirklicht werden könne. Die Vorauss fetzungen für das Steuersenkungsprogramm haben sich verschoben. Also wird mit Steuersenkungen in dem beabsichtigten
Maß und Tempo nicht vorgegangen werden können. In der öffentlichen Diskussion werde eines vielfach nicht genügend Wirtschaft aus eine endgültige Bereinigung der Etats und berücksichtigt, daß nämlich gerade vom Standpunkt der Kassenlage ein dringendes Erfordern's jei. augenblicklichen Gejegeslage ausgehen. Man fönne aljo meder Kaffenlage ein dringendes Erfordern's sei. Steuerfenfungen noch Steuererhöhungen berücksichtigen. Der nor male Kaffenbedarf des Reiches entstehe dadurch, daß Geldeingang und Geldausgang jich nicht vollständig anpassen lassen. Durch die zusammendrängung gewiffer Bahlungen( z. B. für Besoldungen, Kriegsbeschädigtenrenten, 3inszahlungen), ferner durch die Bor haltung einer Rassenreserve in den sämtlichen Reichstassen, durch die Versorgung der Reichemonopolverwaltung mit Betriebsmitteln u. a. m. entstehe
Bei der Darstellung der Kajien lage müffe man von der
ein Betriebsmittelbedarf von etwa 450 Millionen, von denen 250 Millionen nur zu bestimmten Terminen, 200 millionen dauernd die Kasse belasten.
Dieser Bedarf erhöhe sich, wenn im ordentlichen Haushalt ein Defiait entstehe, oder Anleihen zur Deckung des Extraordina riums nicht aufgenommen werden können.
Der Kassenbedarf habe sich Ende Dezember auf 1700 Millionen beziffert, und zwar 800 millionen ungedecktes Erireordinarium, 450 Millionen normaler Betriebsmittelbedarf, 150 Milfionen Fehlbetrag 1928 und 300 Millionen Fehlbetrag 1929. Diesem Bedarf standen nur Deckungsmittel in Höhe von 1370 millionen gegenüber. Daraus ergab sich ein Sassenfehlbetrag Don 330 Millionen, der durch Aufnahme eines turzfristigen Sredits gedeckt werden mußte und tatsächlich auch gedeckt worden ist. Ende März wird sich die Lage nicht wesentlich verändert haben. 3war trete der Fehlbetrag 1930 nicht mehr in Erscheinung, der durch die Doung- Ersparnisse ausgeglichen werde. Dagegen erhöhe sich das Eriraordinarium um 50 Millionen zur Beteiligung an der Breußentasse und um weitere Darlehen an die Arbeitslosene versicherung, die trop der im Januar in Kraft getretenen Erhöhung der Beiträge in diesem Jahre Kredite in Höhe von
natürlich die Humanité" behaupten, daß sie mit der Freia sprechung von Litwinow und Genossen lediglich ihrem fanatiichen Haß gegen alles Bolschewistische hätten Ausdruck geben wollen.
Will man dieses Prozeßergebnis verstehen, so muß man allerdings zugeben, daß vieles in dieser Wechselfälschungsaffäre bis zuletzt sehr unflar geblieben ist.
Die Angeklagten behaupteten, daß sie diese Wechsel mit Wiffen des damaligen Leiters der Berliner Handelsbele gation, Turom, in Umlauf zu bringen versucht hätten. Bieles sprach gegen dieses Verteidigungssystem, manches frei lich dafür. Sonderbar ist auch, daß jener Turow inzwischen in der Nähe von Moskau ermordet aufgefunden worden war. Die als Nebenklägerin auftretende Sowjetregierung erflärte, daß Turom von Banditen ermordet worden sei, die bald darauf gefaßt und hingerichtet worden seien. Die Verteidiger wiefen auf die GPU- Methoden und Geheimniffe hin und warfen die Frage auf, ob man in Moskau nicht Interesse an dem Verschwinden Turows gehabt hätte.
Umstritten blieb auch die Frage, ob nicht die SowjetRegierung versucht habe, durch Agenten diese Wechselaffäre aus der Welt zu schaffen und sogar dafür eine recht erhebliche Gumme( 60 000 Mart?) zu opfern. Aussagen standen in diesem Punkte gegen Auslagen.
Der allgemeine Eindruck war schließlich der, daß die Affäre nach allen Seiten zum Himmel ftant. Anscheinend aus diesem Grunde hat der Staatsanwalt im Gegensatz zu den fommunistischen Vertretern des Nebenflägers- fo milde plädiert, daß die Geschmorenen die Konsequenz zogen und bie Angeflagten freisprachen.