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Nr. 45» 47. Jahrgang*1» Oiensiag, 28. Januar 1930

Jörns ist selbsimufrieden! er will als Wriegsgerichlsral loyal gehandell haben.

Relchsaowaü Zorns, ehemaliger Sriegsgerichtsrai und Unler- jachungsrichler in Sachen der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Llebkuechis verteidigt sich. Diesmal hat er es iu mancher Hinsicht leichter als vor acht Monaten. Da» Veweismalerial der Verteidigung kam ihm nicht mehr überraschend; er ist gut vor- bereitet und hat auch einen Anwalt zur Seile. Zufiizral Dr. Löwen st eiu ist ein erfahrener Herr. Mau merkt es bereits l-ei seinem ersten Vorstoß. Zst nicht etwa der Versaster der Bertold Zacob, gegen den der Reichsanwalt Zorns ia einem Laude sverrats- vc sahren vor dem Reichsgericht eine Zuchthausstrafe beantragt hat? Vichts zu macheni" pariert Dr. Paul Levi. Soll hier etwa die Entlarvung des Sriegsgcrichtsrats Zorns durch den Tagebuchartikel als ein persöoNcher Racheakt des vom Reichsgericht zur Festungs- strafe verurteilten Zacob dargestellt werden? Der Vorstoß ist miß. hingen. Der alle Zustizrat lenkt ein. Auch ein zweiler Vorstoß schlagt fehl. Der Vertreter des Reben klägers will den Angeklagten daraus festnageln, daß er als Grundlage für seinen Artikel nur das Material derRoten Fahne" und derFreiheit' gehabt habe. Stimmt nicht.' sagt der Angeklagte,«was ich noch gehabt habe, verschweige ich." Und dann folgt die Erörterung der einzelnen Komplexe. Natürlich hat Herr Sriegsgerichtsrai Zorns seineu Sollegen Surtzlg von der Untersuchung nicht verdrängt; natürlich hat er die Beisitzer vom Vollzugerat vollkommen loyal behandelt; natürlich halle er keinen Grund, den Oberleutnant Vogel in hast zu belasten und auch keinen Gruud, ihn früher als er e» getan, zu verhaslen. Der erste Fragenkomplex hinflchMch der verdräu» guug de» llnlersuchuugsrichters Surtzig kam bereits am Morgen zur Erörterung. * Der zweite Fragenkomplex betrifft die Ansschal- tung der Beisitzer. Am 16. Januar hatte der Gerichtsherr Generalleutnant Hof mann nach seiner Besprechung mit Kurtzig bei der Reichsregienmg angeregt, Beisitzer vom Jmtralamt der Republik imd vom Bollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte zur Untersuchung in der Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs heranzuziehen. Der Nebenkläger Jörns hatte hier- gegen verschiedene Bedenken. Uebcr die Art dieser Bedenken macht Jörns seine Aussagen vor Gericht. Er glaubte, daß die Hinzu- ziehung eines Beisitzers gewissermaßen als Vertreter des Ge- richtsherren sich durch die Militärstrafprozctzordnung wohl recht­fertigen ließe, nicht ober die Hinzuziehung eines zweiten Bei. sitzers. Da aber die Beschuldigten dagegen nichts einzuwenden hatten erklärte er sich auch damit einverstanden. Allerdings habe« die Teilnahme der Beisitzer an der Unter. suchuug nicht als angenehm empfunden. denn er habe sie als ein» gewiste Aufsicht über seine Tätigkeit betrachtet, sogt er. Da in dem Schreiben deri Reichsregierung vom 17. Januar 1319 nur ersucht worden war, die Herren zu allen Untersuchungsverhandtungea hinzuziehen, glaubte er, nicht verpflichtet zu sein, ihnen auch ein Fragerecht einzuräumen. Das tat er erst später. Ganz«nt- schieden wandt« er sich aber sowohl gegen Iulaflung eines Ber- treter« der Familie Liebknecht und der Familie Luxemburg zur Untersuchung wie auch eines dritten Beisitzers. Erst durch das Gut- achten des Staatssekretärs des Reichsjustizamts, wurde er eines anderen belehrt. Die Erörterung der einzelnen Konfliktfälle zwischen dem Kriegs- gerichtsrat und den Beisitzern zeigen, in welcher Weise dies« von . Herrn Jörns behandelt wurden. So hatte z. B. der Beisitzer Rusch um die Vernehmung des Soldaten Aller ersucht, der zur Zeich

als Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg aus dem E&en-Hotel transportiert wurden, am Tore gestanden hatte. Jörns bat um«in- schriftlich« Darlegung des Beweisthemas, und machte auch andere Schwierigkeiten. Oberstaatsanwalt Köhler meint zu dieser Episode, daß es sehr merkwürdig erscheinen müsse. daß der Nebenkläger befliffen war, sämtliche Unterfuchungshand- langen fo formell zu erledigen, während es doch darauf ange- kommen fei, Zeit zu ersparen. Noch bezeichnender war der Fall des Hauptmanns Pabst. des ersten Generalstabsoffiziers bei der Dwifion. Am 23. Januar erschien Pabst nickst zur Vernehmung: er hatte sich krank gemeldet. Die Beisitzer waren für den nächsten Tag geladen: Pabst er- schien aber wieder nicht. Am 26. Januar kam er endlich, da waren aber die Beisitzer nicht da. So wurde er in deren Ab- Wesenheit vernommen. Der Nebenkläger Zorns meint, die Herren Offiziere hall« damals»och anderes zu ln«. als zn Gerichtsverhandlung« zu komm«; ihre erste Aufgab« sei tue Niederschlagung der Revolukiou gewef«. Auch bei der Bennchmung des Zeugen Grützner fehlt« die Bei- sitzer. Allerdings war dieser Zeuge unerwartet und freiwillig er­schienen. Er hatte über Pabsts Teilnahme an der Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs äußerst belastende Aussagen ge- wacht. Die Beisitzer wurden auch von der zweiten Ber- nehmung Grützners, zu der er telephonisch herbeigerufm wurde, nicht benachrichtigt, llebrigens ist Pabst trotz der Grütznerschen Aussagen nicht verhaftet war. den. Der Bollzugsrat hat aber angesichts dieses Verhaltens Jörns zu den Beisitzern in einem Schreiben mitgeteilt, daß es unter solchen Umständen seine Beauftragten abberufe. Dr. Paul Levi stellt u. a� fest, daß der Kriegsgertchtsrat Jörns auch verfügt hatte, daß im Fall« der Verhaftung R u n g e s, er davon vorher in Kenntnis zu setzen sei. Der Verteidiger schließt daraus, daß auch diefer in Abwesenheit der Beisitzer vernommen werden sollte. Jörns sagt aber: Ich habe mich den Beisitzern gegenüber, nachdem sie ein- mal zugelassen waren, vollkommen loyal verhasten. Der nächste Fragekomplex hatdieEnthaftungdesOber- leutnants Bogel durch Jörns' zum Gegenstand. Oberleutnant Bogel war der Führer des Transports, der Rosa Luxemburg vom Eden-Hotel nach dem U,stersuchungsgefSngnis in Moabit bringen sollle. Cr wurde auf Befehl des Generals von Lüttwitz ln Haft gs. nommen, weil hinreichender Verdacht bestand, daß er das Erforder. liche zum Schutz des Festgenommen« versäumt habe. Am 17. Zanuar enklleß Zorn» de» Vogel nach mündlicher Ve- sprechung".... v.:. lieber den Inhalt dies« Besprechung ist nichts zu de» Akt« gs- langt- Jörns erklärt, daß für ein« Haftbefehl keine genügenden Grundlag« vorgelegen hätten. Er habe da» durch die Dernehmung am 17. Januar festgestellt. Der Oberitaatsaiuvall macht da» Gericht darauf aufmerksam, daß da» überhaupt keine richter- lich« Vernehmung gewesen sei, da die Strafprozeßordnung die Anwesenheft eines Gerichtsschreibers fordere. Dr. Paul Lem beantragt sowohl die Aussagen des Oberleutnants Vogel zu ver- lesen, die bereits vor dessen EntHaftung durch Jörns vovgeleg« haben, wie auch seine wefteren Aussagen, die im vollen Widerspruch zu den erster« stehen, die ober trotzdem für dm Nebenkläger keine Veranlassung zur Verhaftung Bogels geboten Hab«. Es konmft zwisch« dem Vorsitzenden und dem Verteidiger zu länger« Ausein-

andersetzmigeu. da letzterer sich nichts mtt der bloßen Verlesung dieser Aussagen in chronologischer Reihenfolge begnüg« will. sondern das Gericht ersucht, auch die Urkunden zur Kenntnis zu nehmen, aus den« erstchllich wird, wodurch Vogel allmählich zu fernem Geständnis gedrängt ward« ist. Obgleich dem Nebenkläger alle diese Urkund« vorgelegen haben, habe er trotzdem sich nicht veranlaßt gesehen, dm Oberleutnant Vogel zu verhaften. Die Ver- lefung dieser Urkund« wird auf Mittwoch vertagt.

Wer gab die Tabletten? Ein dreijähriges Kind als Zeugin vor Gericht. Zn dem Toffchlagsprozeß geg« d« Schlosser Friedrich der sich am Montag vor dem Schwurgericht I nnter der An­schuldigung zu veraukwortm hatte, sein»«geborenes Sind, das ein Zwitter war. durch zwei Chloramin. Tabletten getötet zu Hab«, wurde alsZeugin" das dreijährige Sind des Angeklagt« vernommen". Der Angeklagte P. hatte zunächst, als das sterbende Kind von ihm ins Krankenhaus eingeliefert wurde, immer gesagt, daß das dreijährige Töchterch« über die Kapsel mit den Tabletten geraten sei uist» dem Neugeborenen im Spiel zwei Tabletten i« den Mund gesteckt hätte. In eingehendem Verhör bei der Polizei hatte er dann aber eingeräumt, daß er in seiner bedrückten Sttmmung über die Mißgeburt die Tat selbst ausgeführt babe. Bei diefer Angabe war der Angeklagte im Laufe der ganz« Voruntersuchung verblieb« und hatte auch noch am Sonnabend seinem Verteidiger gegenüber, Rechtsanwall Dr. Fraenkel, dasselbe gesagt. In der gestrigen Verhandlung widerrief er aber dieses Geständnis und behauptete, daß seine ersten Angaben die richtigen gewesm seien. Cr Hab« mir sein Kind für das spätere Leben vor dem Vorwurf bewahren wollen. Schuld an d«i Tode seines Schwesterchens zu Hab«. Diese falsche Selbstbezichttgung könne er aber nicht aufrechterhalten. Die Eh« srau des Angeklagt« hatte Immer behauptet, daß nicht ihr Mann. sondern das dreijährige Kind dem Neugeborenen die Tablett« gegeben habe. Entgegen seinem ursprünglich« ablehnenden Beschluß entschied sich im Lause der Verhandlung das Schwurgericht dahin. sich das dreijährige Mädchen vorführen zu lassen. Das Kind wurde in einer Droschke geHost und erschien im Gcrichtssaal mit Spielzeug unter dem Arm. Von einerVernehmung" der klein«Zeugin" war natürlich tcline Rede. Landgerichtsdrrektor Dr. Weigert rief die Kleine zu sich an den Gerichtstisch. Das lebhafte Kind lief ohne Scheu durch den starkgefiillt« Gerichtssaal, und als ein freundlicher Geschworener ihm eine Tüte Bonbons zeigte, kletterte das Kind die wenigen Stufen zum Richtertrsch hinauf und nahm freudestrahlend dir« Gabe entgegen. Der Vorsitzende legte dann die Tüte Bon- bons mit den Tabletten aus ein« Tisch, vor dem eine Bank stand. Behende kletterte die Kleine hinauf, langte erst nach den Bonbons urch dann auf Aufforderung des Borsitzenden auch nach der Glasröhre, deren Kapsel es sofort aus- zumachen begann Der Angeklagt» hatte auch behauptet, daß die Kleines itttsiandc gewesen sei, ist der Wohnung,, indem sie auf einen Stuhl kletterte, die Röhre vom Tisch herunterzuholen. Auf der Bettdecke des Säuglings habe er nachher die Berfchlußkapsel ge- funden, Das Schwurgericht sprach den Schlosser von der Anklage, sein neugeborenes Kind durch Eingebung von Tabletten getötet zu haben. mangels ausreichenden Beweises frei. Die Kost« fallen der Staatskasse zur Last. Dem Gericht schi « es zwar höchst unwahrscheinlich, daß ein drei Jahre alles Kind, das sich allerdings als sehr lebendig gezeigt hat, imstande gewesen sein sollte, die Tablett« dem Säugling zuzustecken. Es mußte aber manches zugunsten des Angeklagten, trotz seines dreimaligen Ge- stäftdnisses im Vorverfahren, berücksichtigt werden. Der Haftbefehl wurde aufgehoben.

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Mit der Glut des Wahnsinns war diese seltsame Musik erfüllt, wie das scharfe, beißende. Aroma gewisser Gift- pflanzen im brasilianischen Urwald', und erstaunlich war ihre Wirkung auf die Zuhörer. Ihre Körper wiegten sich im sinnlichen Rhythmus der Melodien, all ihre Sinne waren berauscht von Seligkeit. Verbannt war Portugals Trauer von der raschen, pulsierenden Fröhlichkeit Bahias Wolken und Schatten des alten Europa von der strahlenden Sonne des jungen Amerika verscheucht. Ieronymo legte seine Gitarre beiseite und lauschte Hin- gerissen der zauberhaften Musik, die eine seltsame Revolution in ihm bewirkte«ine Revolution, die an dem Tage de» gönnen hatte, als er den blendenden Sonnenschein dieser neuen Well zum erstenmal wie einen Schlag ins Gesicht empfunden hatte eine Revolution, die sich wieder regte, als er das Zirpen einer tropischen Lerche und das Lied eines brasilianischen Vogels zum erstenmal vernahm: die wuchs, als er zum erstenmal die saftige Frucht kostete, die ihm dieses junge neue Land bot und die durch die erste Frau, die ihn hier anzog, vollendet wurde durch ein Halbblut, deren aufreizende Bewegungen ihn bezauberten, wie«in hilfloser Vogel von dem tödlichen Blick emer Schlange ge- bannt wird.' Was ist denn los mit dir, Ieronymo?" fragte Piedade, die sich über seinen gespannten Ausdruck wunderte. ..Wart"', erwiderte er,ich will zuhören." Denn Firmo hatte, von dem rhythmischen In-die-Hände- Klatschen den andern begleitet, angefangen, denchorado" zu singen. Ieronymo erhob sich beinah mechanisch und näherte sich der Gruppe um die beiden Musiker; Piedada folgte ihm. Die Ellbogen auf dem Zaun, der Ritas Stückchen Garten umgab, und das Kinn auf die gesafteten Hände ge- legt, stand er reglos, ohne ein Wort zu sagen, und gab sich mit Körper und Seele der Verführung dieser wollüstigen Musik hin. wie ein riesiger Baum es sich gefallen läßt, von den liebkosenden Fangarmen einer verräterischen Ranke um- wunden und gefessell zu werden. Und dann kam Rita Bahiana, die ihr Batistkleid abge­

worfen hatte und jetzt mit entblößtem Hals und nackten Armen zum Tanz erschien. In diesem Augenblick tauchte der Mond aus den Wolken heraus, badete die ganze Szene in sanftem Silberlicht und lieh der warmen dunklen Haut der Mulattin eine Blässe, die sie wirklich schön erscheinen ließ. Sie tanzte, tanzte mit unendlicher Grazie, primitiv, einfach, als sei sie einzig geschaffen, um die Sinne zu ergötzen, ein Geschöpf aus dem Garten Eden, halb Weib, halb Schlange. Sie tanzte mitten im Kreis, hiell die Hände auf die Hüsten und bewegte ihren ganzen Körper. Jetzt streckte sie die Arme aus und hob sie empor, dann senkte sie sie langsam. bis ihre Fingerspitzen den Nacken berührten. Manchmal sank sid zusammen, so daß sie beinah auf der Erde zu sitzen schien, während ihre Arme und Hüsten sich unaufhörlich weiterbewegten. Dann sprang sie hoch in die Lust und drehte sich schneller und immer schneller, ihre Arme zuckten und wirbelten, und ihr Blut brannte von einer Leidenschaft, die sich auf die Zuhörer übertrug. Als sie sich auf einen Stuhl fallen ließ, kannte die Begeisterung ihrer Bewunderer keine Grenzen. Wilder Applaus erhob sich, zerriß die Lust, und Schreie des Entzückens brachen aus jeder Kehle. Sie mußte weitertanzen, man ließ ihr keine Ruhe. Da Holle sie sich Firmo, zog ihn in den Kreis und zwang ihn zu tanzen. Bieg- sam und behende, als fei er aus Gummi gemacht, vollführte er die erstaunlichsten Kunststücke. Er knickte die Beine unter sich ab, so daß sein Körper beinah die Erde berührte: so tanzte er, dann sprang er wieder hoch und machte die phan- tastrschsten Drehungen. Es sah aus, als schüttelte er Arme und Beine von seinem Rumpf ab. Der Geist des Tanzes erwies sich als ansteckend: Florinda fing an sich zu drehen und sogar der schlanke Albino, und zum Erstaunen der ganzen Gesellschaft trat Kiuch Alexandre in den Kreis und wackelte feierlich. Der Zauber deschorado" hiell sie alle despotisch im Barnv die Tanzenden sowohl wie die nur Zuschauenden. Aber keiner war so losgelassen wie Rita. Sie allein ver- mochte mit der biegsamen Grazie der verfluchten Schlange den Geist chrer Heimat Bahia auszudrücken uvd zu deuten mit einem Gemisch aus Bewegung, aus dem sellsamen Par­füm der Mulatten und dem verführerischen Klang ihrer Stimme einer dunklen, süßen Stimme, die keine Worte sprach, aber beim Tanzen aufreizende kleine Schreie aus- stieß und murmelnden Singsang ertönen ließ. Ieronymo starrte und lauschte fasziniert; er spürte, wie seine Seele ihm aus den Augen strömte, die er von der Mulattin nicht abwenden konnte,

Sie war ein Geheimnis für ihn. Und während er so dastand und starrte, fühlle er dunkel eine verwirrende Viel- fall von Eindrücken. Sie war der helle Glanz des Mittags, die rote Hitze auf dem Plantagenfeld: sie war das Aroma des Vanillebaumes, das den brasilianischen Wald erfüllt; sie war die jungfräuliche Palme, die ihr Haupt einsam erhebt und alle Berührung mit anderen Lebewesen verächtlich ablehnt; sie war giftig und wunderbar süß: sie war die Sapoti- Frucht mll ihrem honiggleichen Saft, und sie war die Casu- Ruß, deren feuriges Oel eitrige Schwären verursacht; sie war die verräterische grüne Schlange, ein selten schönes Reptil, das ihn umwand und ihn mit Begierden erfüllte, neben denen die Sehnsucht nach seiner allen Heimat ein arm- seliges Gefühlchen war, und er wußte es ihr Stachel hatte ein Gift in sein Blut gesenkt, dos ihn wie Fieber ver- zehren würde mit dem Fieber der Leidenschaft für die Mulattin, für das Halbblut Rita, die Nach der Musik des bahianischenchorado" tanzte. All das fühlle Ieronymo. aber er verstand es nur halb, so sehr schwindelte ihm bei der Veränderung, die sich seiner Seele bemächtigt hatte. Die Eindrücke dieses Sonntags ver- wischten sich zu einem schillernden Dunst und wirkten auf ihn wie Wein er war berauscht, betrunken, nicht vom Alkohol, sondern von der bitteren Süße aus dem Kelch der tödlichen tropischen Lilie. So verharrte er und schaute zu. Andere Mädchen tanzten, aber der große Portugiese hatte nur Augen für die Mulattin, selbst als sie erschöpft in die Arme ihres Liebhabers sank. Piederde, die vor Müdigkeit den Kopf nicht mehr hoch- halten konnte, rief ihn mehrere Male an und drängte ihn, heimzugehen, aber er antwortete ihr nur mit unverständlichem Gemurmel, worauf sie sich allein zurückzog. Stunden ver- gingen, aber noch immer rührte er sich nicht vom Fleck. Der Kreis hatte sich vergrößert. Jzaura und Levnor, die mit den Hausbewohnern auf freundschaftlichem Fuße standen. befanden sich in der vordersten Reihe. Ioao Romao und Bertoleza waren nach endlich vollbrachtem Tagewerk auf einen Augenblick hinausgekommen, um das Schauspiel im Hof zu genießen, ehe sie todmüde ins Pett fielen. Mirandas Familie stand am Fenster und freute sich über die Fest- stimmung. Manche Vorübergehenden konnten nicht wider- stehen, kamen hinein und gesellten sich zu den Tanzenden. Aber das alles bemerkte Ienonymo nicht; feine Augen sahen nur eins die keuchende Mulattin, die in Firmos Armen wollüstig zuckte. (Fortsetzung folgt.)