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BERLIN   ishin

Donnerstag 30. Januar

1930

Der Abend

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B 25 47. Jahrgang

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Die Volkspartei lehnt ab.

Mit dem Angebot des Ministerpräsidenten nicht zufrieden.

Die volksparteiliche Fraktion des Preußischen Land­tages hat in ihrer Sizung am heutigen Donnerstag mittag beschlossen, den Vorschlag des Ministerpräsidenten Brann, in das Preußenkabinett einzutreten und den Posten des Handelsministers und eines Ministers ohne Portefeuille zu besehen, als anzureichend abzn= lehnen.

Der Stadtbahn- Tarif.

Beschlüffe im Berlehrsausschus des Reichstags.

Der Verkehrsausschuß des Reichstags, nahm am Donnerstag bie Abstimmung über die Anträge vor, die fich gegen die Tarif. erhöhung bei der Berliner   Stadtbahn menden  . Die Anträge, die eine Ridgenehmigung dieser Tariferhöhung vera Tangien, find badurch bereits erledigt, daß die Reichsregierung Diese Genehmigung in zmijen erteilt hot.

Ein sozialdemokratischer Antrag, ber die Reichsregierung er fuchte, fünftig die Genehmigung zu einer Erhöhung der Tarife ber Reichebahngefellschaft nicht vor Stellungnahme eines Reichstags ausschusses zu erteilen, wurde abgelehnt. Dagegen nahm der Ausschuß eine Entschließung an, die die Reichsregierung er fucht, bei der in Aussicht genommenen Erhöhung der Stadt- und Ringbahntarife die vorhandenen härten auszu gleichen, ferner dahin zu wirken, den Fahrpreis der Um­fteigefahrscheine für Erwachsene von 40 auf 35 Pfennig herabzusetzen und schließlich Umsteigefahrscheine für Kinder einzuführen.

Die spanische Staatsfrise.

Die Regierung noch nicht gebildet. Maffendemonftrationen.

Republikanische

Madrid  , 30. Januar. Dem General Berenguer ist die Bildung der neuen Regierung noch nicht gelungen. Jn Madrid und Cadiz   fanden geffern große Demonftrafionen statt, die einen ausgesprochen republi. fauisch- revolutionären Charakter trugen. Bei allen diejen Demonftrationen wurden Freiheit und Republik   gefordert. Jn Barcelona haben 3ufammenstöße zwischen Studenten Ja und der Polizei stattgefunden, als der Sieg über den Ditiator ge­feiert wurde. Es tam zu einer Schießerel Zehn Studenten wurden verwundet, einer davon schwer. Der Militärkommandeur non Cadiz  , General Goded, der in Madrid   einfraf, erklärte, er habe Borjorge getroffen, daß der Militärputsch gegen Primo de Rivera   nicht zu frühzeitig ausgebrochen sei und unnötiges Blutvergießen vermieden werden fonnte.

Rupprecht erhält 100 000 mt.

Fürftenhabgier und fein Ende.

München  , 30. Januar.

Wie gemeldet, hatte die sozialdemokratische Frattion eine An frage fiber den Entscheid hinsichtlich der Auswertungsforderung des ehemaligen bayerischen   Königshauses im Landtag eingebracht. Der Bayerische Kurier" hört mun zuverlässig, daß das zwischen bem bayerischen Staat und dem ehemaligen Königshaus in der Auf mertungssache angerufene Schiedsgericht seine Entscheidung tahin gefällt habe, daß es nur einen Zeitbetrag der vom ehemaligen bayerischen   Königshaus erhabenen Forderung als be rechtigt anerkenne. Im übrigen habe das Schiedsgericht den recht lichen und tatsächlichen Einwendungen von seiten des bayerischen Finanzministeriums in feiner Entscheidung Rechnung getragen. Der anerkannte Tellbetrag beziffert sich nach den Informationen des Blattes auf 100 000 Mart.

Der Streit drehte sich um bie 40 millionen, die vom Staat als endgültige Rapitalabfindung bezahlt worden waren, nachdem vorher schon beträchtliche Summen zur Auszahlung an pas vormalige Königshaus gelangt waren.

Die Revolution auf 6 Monate Ziel.

Der fommunistische Kalender für das erste Halbjahr 1930.

Die oberen Funktionäre der Kommunistischen Partet   werden nicht schlecht erschroden sein, als ihnen das Rundschreiben Rr. 1 des 3entralfomitees, ber KP D., datiert vom 24. Januar 1930, überreicht wurde. Wer soll auch den ganzen Aram lesen: 15 Seiten zentrales Rundschreiben, dazu Anweisungen Der Agit Prop- 2bteilung mit 7 Seiten, der Landabteilung mit 2 Seiten, der Sportabteilung mit 4 Seiten und der Parlaments. abteilung mit 3 Seiten. Als Dreingabe dann noch 2 Blatt Anhang mit Losungen gegen Demonstrationsverbot und drohendes Partei­nerbot. Das alles auf Großfolio und eng gedruckt. Die Masse muß es bringen!

In diesem Rundschreiben des 3. ist nichts ausgelassen. Es beginnt mit der großzügigen Anainfe" der internationalen Lage und der Lage in Deutschland   und endet mit der buchstabengenquen Bormulierung der Barolen für Klebezettet. Man wird von. uns nicht erwarten, daß wir den 3. Bandwurm im ganzen wieber­geben: aber einiges barais dürfte doch allgemeines Intereffe finden. Da heißt es im Abschnitt 2a llnmittelbare Maßnahmen":

Besondere Kampfmaßnahmen zur 20sreißung der fozialdemokratischen Arbeiter von der SPD  . Waffenfampagne: ,, Heraus aus der SPD. hinein in die KPD  !" Organisierung des gruppenweisen lebertritts von fozialdemokratischen Arbeitern. Veröffentlichung von Aus­trittserklärungen sozialdemokratischer Arbeiter mit vollem Namen und Nummer des SPD.  - Mitgliedsbuches in unserer Breffe. ( Stärffte Hervorhebung auch in der äußeren Form.) Besonders wichtig in Gebieten mit linfer SPD.! Austrittserklärungen müffen vor allem flammenden Proteft gegen die Mard­und Berbotspolitif der sozialdemokratischen Regierung enthalten. In allen Betrieben, Gewerkschaftsversammlungen, in den großen Sport und Freidenterorganisationen an die fozialdemokratischen Arbeiter herantreten, mit ihnen diskutieren, individuelle Bearbei tung, um sie zum Austritt aus der Gummifnüppelpartei zu ver­anlaffen."

Wenn jeẞt alfo fogenannte Austrittserklärungen aus der Sozial­demokratischen Partei veröffentlicht werden sollten, so weiß man, mo ber flommende Proteft" fabriziert morden ist: In irgendeinem Gefretariat der Kommunistischen Bartel. Das liegt auf der gleichen Linie wie die Lofungen", die im Anhang des sentralen Rund­schreibens fein fäuberfidh vornofiert find. Hier einige fleine Proben heraus:

Wer hat die Miete verteuert?

Die SBD Minister, ihre hürgerlichen Koalitionsbrüder und ihre faschistischen Mordbanden!

Warum laffen SPD.  - Minister demonstrierende Arbeiter niederschlagen?

Damit die Arbeiter ben Mut verlieren, für bessere Arbeits­zeit zu fämpfen!

Bas bekommen die SPD.  - Führer dafür, wenn ihnen das gelingt?

Fette Boften und hohe Gehälter als Minister, Direktoren, Aufsichtsräte, Präsidenten!

Und so geht es weiter. Diefe spontan" an den Schreibtischen ber tommunistischen Parteizentrale verfaßten Barolen wird man wohl demnächst auf Transparenten und Klebezetteln vorgefezt be­tommen.

Das wichtigffe ist aber der Halbjahresplan.

Da gibt es leinen Tag in den nächsten Monaten, an denen nicht irgend etwas los ist. Alle fommunistischen Hilforganisationen wer­den herangezogen, die Antifa und der KJVD.  , der RFMB. und die Jfa, die JAH. und der RFB. Bom 13. bis zum 23. März steigt eine Anti Sepering Ramp& gne, zu Ostern gibt es Treffen verschiedener Art, Pfingsten trifft sich die Sportoppofition in Erfurt  . Ein großer Schlag foll der internationale Reichserwerbsfofentog merden, der am 5. März ftatt findet. Dazwischen fallen allerhand Jubiläen: 12 Jahre Rote buristag und der Botemtin Aufstand von 1905. Armee wird ebenso gefeiert wie Lenins   sechziger Ge.

Wie der wirtschaftliche Maffenstreit unter revolutionärer Führung, so steht auch der politische Massenstreit unter Führung der Partei nicht rein propagandistisch, sondern als 2ftionsaufgabe vor allen Parteiorganisationen, wobei feine mechanische Trennung zwischen den wirtschaftlichen und politischen Maijenstreifs gemacht merden darf, da wirtschaftliche Streifs an fich nicht nur politische Bedeutung haben, sondern durch Einsatz der Staatsgemalt, Streitbredertaftif der Sozial- und Nationalfaschisten unter Unterdrückungsgesche zu direkten poli­

tischen Massenaftionen werden."

Der politische Massenstreit ist also jetzt nur noch Aktionsauf­gabe. Da die politischen Streifparolen feinerlei Beachtung finden. In will man fünftig jeden wilden Streif als einen politischen er­fiären. Zu den unmittelbaren Maßnahmen" gehören noch folgender Befehl, rubiziert user 2a 4:

Betteft gehende Borbereitung auf das angedrohte. Berbot und feine Konsequenzen. Wir haben vielleicht nur noch wenige Wochen Zeit für die Durchführung bestimmter Maßnahmen. fortige Entfendung von Instrutteuren bis in die legte Ortsgruppe, bis in die letzte Betriebs- und Straßen­zelle, Sicherstellung des Erscheinens unserer Preffe, unserer. Be­triebs-, Häuserblod- und Stempelfiellenzeitungen unter allen Um­ständen und um jeden Preis. Absolute Sicherstellung der Parteigenossen, der führenden Parteiarbeiter und der Mitglieder, sowie des Parteicigentums gegen jeden überraschenden Zugriff. Sicherstellung unseres Literaturvertriebs und des Erscheinens der erforderlichen Flugblätter, Handzettel. Klebestreisen und Klebezettel unter allen Umständen und in jeder Situation. Nähere Anweisungen über diese Fragen erfolgen mündlich."

Es fann also nicht schief gehen, wenn nur die führenden Partei­arbeiter und das Barteieigentum sichergestellt sind. Aber alle diese Borsichtsmaßnahmen müssen ihren Zweck verfehlen, wenn nicht die richtige Lime eingehalten wird. Darum:**

Verschärfung des Kampfes gegen den offenen Opportunismus, Beseitigung der feigen Opportu niften aus allen führenden Funktionen der Partei. Be= tämpfung der raditalistischen linten" Stim­mungen, die dem Opportunismus in die Hände arbeiten." richtige Linie norgeschrieben! Der Kampf fann beginnen. Der Kalender ist aufgestellt, die

Strafantrag gegen Dr. Falk.

Anffage gegen volksparteilichen Stadtverordneten.

Die Grundstüdspolitif der Stadt Berlin  , die in den letzten Monaten vielfach Gegenstand scharfer& rifit gewesen ist, wird nunmehr auch noch die Staatsanwaltschaft beschäftigen. Wie die BS.- Korrespondenz erfährt, hat der Magistrat der Stadt Berlin   gegen den volksparteilichen Stadtverordneten, Zahnarzt Dr. R. Falg. Straf­antrag gestellt, dem von der Staatsanwaltschaft statt­gegeben worden ist....

Dr. Faltz hatte in der Stadtverordnetenverfamm­lung vom 10. Oftober v. J. ausgeführt, daß bei der letzten Grundstückssache in Schöneberg   die Spaßzen es von den Dächern pfiffen, daß hinter den Kulissen ganz unge­heuer geschoben sein müsse". Der Magistrat hatte nach dieser Rede den Stadtverordneten Dr. Falz aufgefordert, ihm nähere Einzelheiten mitzuteilen. Dr. Falty tat das in einem Brief am 8. November v. 3., in dem er in sehr ausführlicher Weise dem Bürgermeister Scholz Mitteilungen nicht nur über das Grundstücks­geschäft, sondern über andere Angelegenheiten in der Stadtverwaltung machte. So warf er dem Magistrat Berschwendungs­fucht vor, meil der Ausbau des Amtszimmers für den Stadt­#medizinalrat allein 32 000 m. gefoftet habe. Er griff in sehr scharfer Form den Stadtrat Busch und den Oberbürgermeister Boß an, wandte fich gegen bie hohen Kosten für Autofahrten eines Magistratsmitgliedes usw. Der Magiftrat hat gegen Dr. Falz jedoch lediglich megen feiner Behauptung, daß bas Grundstüdsgeschäft in Schöneberg   eine Schiebung" gewefen fei, Strafantrag gestellt.

Zu den wichtigsten Fragen wird die Durchführung der Be. triebsräte und Gewertschaftswahlen, Durdy brechung der Tariftreue ,,, Auslösung und Führung von Streits und ftroffe Organisierung der Erwerbslofenbewegung gezählt. Und dann heißt es im Abschnitt 3, 2: