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Morgenausgabe

Nr. 51

A 26

47.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Freitag 31 Januar 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etni pattige Nonpareillezette 80 Pfennig. Reflame eile 5.- Reichs. mart. Kleine Anzeigen' das ettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig met fettgedruckte Borte), jebes meitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben Arbeitsmarkt gählen für zwei Worte. Belle 60 Pfennig. Familienanzeigen Ze- le 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Der neue Kultusminister. Der Wechsel in Preußen.

Dr. Becker zurückgetreten.- Grimme sein Nachfolger.

Der preußische Ministerpräsident Dr. Braun empfing am Donnerstagnachmittag den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Professor D. Dr. Becker, der ihm sein Rücktrittsgesuch überreichte. Minister­präsident Braun nahm das Rücktrittsgesuch entgegen.

Ministerpräsident Braun hat sodann zum Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung den gegen ipärtigen Vizepräsidenten des Provinzialschulfollegiums für die Provinz Brandenburg , Grimme, ernannt.

Dr. K. H. Becker.

Der zurückgetretene preußische Kultusminister Dr. Karl Heinrich Becker murde am 12. April 1876 in Amsterdam als Sohn des Stonfuls Becker geboren. Er studierte in. Lausanne , Heidelberg und Berlin Theologie und orientalische Sprachen. 1902 wurde er Pripatdozent in Heidelberg : von 1908 bis 1912 war er ordentlicher Professor und Direktor des Seminars für Geschichte und Kultur des Orients an dem in­zwischen zur Universität umgewandelten Kolonialinstitut in Ham burg; 1913 murde er Leiter des zu errichtenden orientalischen Seminars an der Universität Bonn. Dr. Beder war außerdem Begründer und Herausgeber der Zeitschrift Der Islam" und Mit arbeiter verschiedener Fachwerke für Oslamforschung. Im Jahre 1916 tam er als Vortragender Rot ins preußische Kultusministerium und erhielt gleichzeitig einen Behr auftrag als ordentlicher Honorarprofeffor an der Berliner Universität Rach der Repolution wurde er unter dem Stultusminifter Saenisch Staatssekretär. Jm April 1921 übernahm er als Fachminister im Kabinett Stegerwald das Kultusministerium. Dem furzlebigen preußischen Kabinett Marg vom 19. Februar 1925 gehörte er wieder als Kultusminister bis zu dessen Rücktritt am 21. Februar 1925 an, ging dann aber in gleicher Eigenschaft in das nach langer Krisis am 6. April desselben Jahres gebildete Kabinett Braun über.

Adolf Grimme .

Adolf Grimme , der im 41. Lebensjahre steht und in Goslar am Harz geboren ist, studierte Philofophie und begann feine päda gogische Laufbahn im Jahre 1919 als Oberlehrer in Hannover . Im Jahre 1923 murde er an das Provinzialschulfol­legium in Hannover versetzt und im Herbst 1923 zum Ober­studienrat ernannt. Im Jahre 1925 wurde er als Oberschul rat nach Magdeburg berufen und trat 1927 in das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung als Hilfsarbeiter ein. Er murde, dort 1928- zum Ministerialrat in der Abteilung U 2 ( höheres Schulwesen) ernannt und verwaltete längere Zeit auch das Pressereferat des Ministeriums. Seine Ernennung zum Bize. präsidenten des Provinzialschultollegiums der Brovinz Brandenburg, in dem er entsprechend der besonderen Struktur dieses Schulfollegiums- das gesamte Bolks, Mittelschul-, Berufs, Fachschul- und höhere Schulwesen der Provinz zu verwalten hatte, beendete 1929 feine Tätigteit im Kultusministerium.

Staatsminister Grimme ist publizistisch mit Schriften in der Schriftenreihe der entschiedenen Schulreformer hervor­getreten, um entsprechend seiner Einstellung als religiöser Sozialist evangelischer Konfession den weltlichen Schulgedanten auch religiös zu untermauern. Er hat weiter Schriften

Der Schritt des Zentrums.

Montag Parteiführerbesprechung.

Das Reichsfabinett trat Donnerstag zusammen, um zu dem Schritt der Zentrumsfrattion Stellung zu nehmen. Es wurde beschlossen, für Montag eine Partei­führerbesprechung einzuberufen, in der die zustän= digen Referenten den Fraktionen über den Stand der Saar­perhandlungen Mitteilung machen sollen.

Irgendwelche materiellen Beschlüsse zu den vom Zentrum qufgeworfenen Fragen wurden nicht gefaßt. Bayerische Volkspartei will Bedingungen stellen.

München , 30. Januar. ( Eigenbericht.) Die Besprechungen, die der bayerische Ministerpräsident und der Borsitzende der Bayerischen Boltspartei Ende der letzten Boche in Berlin mit den Führern und der Reichstagsfraktion des 3entrums gepflogen haben, führten am Mittwoch und Donners­tag in München zu gemeinsamen Sigungen der Partei­leitung der Reichstagsfraktion und der Landtagsfraktion der Bayerischen Bolfspartei. Das Ergebnis der Beratung mar bie einmütige Auffassung:

daß eine endgültige Stellungnahme zu dem Haager Abfommen folange nicht möglich ist, als nicht feststeht, welche Maßnahmen

zur Reifeprüfung herausgegeben und vor furzem ein neues Gammel werf: Wege zur Schulreform", zu dem Staatsminister Dr. Becker, Staatsminister. a. D. Dr. Bozliß und der Leiter der Abteilung für höheres Schulwesen im Breußischen Kultusministerium, Ministerial direktor Dr. Jahnke, ein Borwort geschrieben haben. Er ist ferner der zeitschrift auf diefem Spezialgebiet, der Monatsschrift für höhere pädagogischen Welt bekannt als Herausgeber der maßgebenden Fach­Schulen. Sein foziales Interesse hat er schon als Student in den Arbeitsunterrichtsturfen an der Universität betätigt. Politisch gehört er der Sozialdemokratischen Partei an.

Beckers Rücktrittsgesuch.

Der Kultusminister Professor Dr. Becker hat an den preußischen Ministerpräsidenten Dr. Braun folgendes Schreiben gerichtet: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Die politische Entwicklung der letzten Zeit hat mich zu der Ueberzeugung gebracht, daß die Auffassung führender Parteien von der Bedeutung der großen fultu rellen Aufgabe meines Ministeriums so stark von dem Geiste av weicht, den ich in langen Jahren mühenoller Arbeit im Dienst der geistigen und politischen Erstarfung der deutschen Republik zu ver­mirtlichen bemüht war, daß für mich eine gedeihliche Birtsamfeit nicht mehr gegeben ist. Ich lege deshalb hierdurch mein Amt nieder. Ihnen, Herr Ministerpräsident, danke ich bei diesem Anlaß für die persönliche und fachliche Unterstügung, die ich in den fünf Jahren meiner Ministerschaft unter Ihren Präsidium oft bei Ihnen gefunden habe In hoher Berehrung Ihr Präsidium oft bei Ihnen gefunden habe In hoher Berehrung Ihr ergebener gez.: Beder.

Brauns Antwort.

Der preußische Ministerpräsident hat an den ausscheidenden Der preußische Ministerpräsident hat an den ausscheidenden Staatsminister Professor D. Dr. Beder folgendes Schreiben gerichtet:

Sehr verehrter Herr Minister, Bei Ihrem Ausscheiden aus dem Amt des preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Beltsbildung spreche ich Ihnen den Dank der Staatsregierung für die wertvollen Dienste aus, die sie dem Vaterlande in schwerster Zeit der geistigen Umstellung und Neugestaltung durch Ihre Arbeiten auf dem Gebiete des gesamten Unterrichtswesens geleistet haben. Ihr ideenreiches und richtungweisendes Wert hat sich noch über die Grenzen dieses für die kulturelle Entwidlung unseres Boltes über­aus bedeutsamen Minifteriums hinaus auf alle Gebiete des geistigen Lebens erstreckt. Sie haben sich durch diese umfassende Arbeis ein bleibendes Berdienst erworben. Mir persönlich ist es ein inneres Bedürfnis, Ihnen für die jahrelange verständnisvolle und follegiale Mitarbeit im Staatsministerium herzlichen Dank zu fagen! Ich ver. bleibe in alter unveränderter Hochachtung Ihr ergebener gez. Braun."

Keine Große Koalition.

Die Verhandlungen ergebnislos beendet.

Der Amtliche Preußische Pressedienst teilt mit: Die Fraktion der Deutschen Volkspartei hat da3 Angebot des Ministerpräsidenten Dr. Braun, das preußische Ministerium für Handel und Gewerbe und den Posten eines Ministers ohne Portefeuille zu über nehmen, als unzureichend abgelehnt. Damit find die Bemühungen des Ministerpräsidenten beendet.

zur Gesundung der deutschen Finanzwirtschaft geplant sind und melche Gruppen im Deutschen Reichstaa die Verantwortung für Diese Maßnahmen tragen wollen. Die Bayerische Boltspartei stellt daher ebenso wie die Zentrumspartei die Forderung auf daß die no'wendigen Maßnahmen zur dauernden Gesundung der deutschen Finanzwirtschaft im Reich und Ländern und Gemeinden gefichert werden, bevor die Entscheidung über das Haager Abfomemn fällt und wird an dieser Forderung unverbrüchlich festhalten."

Diesen Beschluß fommentiert die Bayerische- Volkspartei- Kor­respondenz dahin, daß die persuchte Klärung nicht nur eine allgemeine und unverbindliche sei, sondern daß auf Verpflichtungen der Par teien, die die Verantwortung für die Durchführung des Young­Blanes übernehmen wollen und auf die vorherige par lamentarische Berabschiedung ganz bestimmter finanzpolitischer Geseze gedrungen werde. Es sondern um die nicht mißverständliche Anmeldung von Bedin. handle sich also nicht um eine allgemeine Lösung dehnbaren Inhalts, gungen, von beren Erfüllung die endgültige Ent scheidung über das Haager Abkommen abhängig

gemacht wird.

Artikel 19 im Unterhaus. Auf die Anfrage, ob die Regierung dafür sei, daß in passenden Fällen wirksamer Gebrauch von Artifel 19 der Völkerbundsfagung( Abänderung unanwendbar ge wordener Berträge) gemacht wird, antwortete Henderson schriftlich mit Ja".

Eine politische Notwendigkeit.

Die Verhandlungen über die Bildung der Großen Koali tion in Preußen sind wieder einmal gescheitert. Die Bolks­partei hatte den preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun durch führende Persönlichkeiten wissen lassen, daß sie jetzt nehmen: Handelsminister und Minister ohne Portefeuille. bereit wäre, das im Vorjahr abgelehnte Angebot anzu Daraufhin hat Braun ihr offiziell dieses Angebot gemacht, und die Bolfspartei hat- abgelehnt! Es ist nicht leicht, zu Bereinbarungen mit einer Fraktion zu kommen, die regel­mäßig ihren eigenen Borjizenden desavouiert.

Weimarer Roalition. Die Volkspartei macht sich Es bleibt demnach in Preußen bei der bisherigen Hoffnungen darauf, daß der Staatsgerichtshof am 14. Februar das preußische Wahlgefeß für ungültig erflären und dadurch die Mehrheit der Weimarer Koalition vernichten werde. Trügerischer Wahn! Das Wahlprüfungsgericht beim Reich und in Preußen hat die Wahl vom Mai 1928 für gültig er­flärt. Dieses Urteil ist endgültig und unwiderruf­lich. Sollte der Staatsgerichtshof zu dem falschen Urteil fommen, daß irgendeine Bestimmung des preußischen Wahl­gesetzes-es ftimmt bekanntlich wörtlich mit dem Reichs­mahlgefeß überein gegen die Verfassung verstieße, so er gäbe sich daraus niemals eine andere Zusammensetzung des ießigen Landtages, sondern höchstens eine Pflicht für ihn, das Gefeß für die nächsten Wahlen zu ändern. Aber auch das wird Preußen schwerlich können, solange das Reichswahlgese nicht geändert ist.

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Innerhalb der Weimarer Koalition ist jetzt der Wechsel im Kultusministerium vorgenommen worden: An Stelle des zurüdgetretenen parteilofen Dr. Becker ist Genosse Grimme, bisher Bizepräsident des Provinzialicut. follegiums Berlin, zum Minister für Wissenschaft, Kunſt und Unterricht ernannt worden.

Die Sozialdemokratie hat seit den Wahlen von 1928 eine in der Tat völlig unerträglich, daß die 137 sozialdemokrati stärkere Vertretung im Breußentabinett gefordert. Es wat fchen Abgeordneten in der Regierung bisher schwächer ver 21 Demokraten. Lediglich weil man annahm, daß die Große treten waren, als das halb so zahlreiche Zentrum oder die nennung des dritten sozialdemokratischen Ministers immer Koalition doch bald zustande kommen würde, ist die Er­wieder hinausgeschoben worden.

merkwürdigen Kampf für Herrn Dr. Becker und gegen den In der Zwischenzeit haben demokratische Blätter einen fozialdemokratischen Kultusministerkandidaten Christoph König geführt. Die Sozialdemokratie mußte darauf verzichten, gegen den amtierenden Kultusminister des Kabinetts Braun mit den gleichen Mitteln methode der Berunglimpfung neidlos der. Re­zu arbeiten, wie sie überhaupt die volverpresse überläßt. Heute aber fann gefagt werden, daß die Zusammenarbeit zwischen Herrn Dr. Becker und der sozial­demokratischen Landtagsfraktion feit langem unmöglich ge­worden mar. Sowohl wegen Beders Personalpolitit -er berief fortwährend Deutschnationale ins Ministerium, aber feinen Sozialdemokraten, als auch wegen feiner fach­lichen Amtsführung. Seine beiden jüngsten Erlasse für Kolonialpropaganda in den Schulen und gegen ge­meiniame Schulfeiern am 11. Auguft waren nicht geeignet, den Widerstand gegen ihn zu vermindern.

Was den Genoffen König angeht, so hat fein anderer als Herr Minister Dr. Becker selbst ihm in die dienstliche Quali­fifation geschrieben, daß er ein hervorragender Schub fachmann und ein außergewöhnlicher Schul politifer sei. der allen Weltanschauungen Gerechtigkeit zuteil werden laffe und Gegenfäße mit besonderem Geschick überwinde. Jekt plötzlich haben die Demokraten entdeckt, daß Königs Ernennung zum Kultusminister die Belange der evangelischen Bevölkerungsfreise bedrohe! Sie haben es durch diese Er­flärung ihres Abgeordneten Dr. Falt dem Zentrum un möglich gemacht, seine stillschweigende Zustimmung zur Kandidatur König - war früher Katholik und ist Diffident aufrechtzuerhalten. Die Berfaffung verbietet be­fanntlich, die Bekleidung von Staatsämtern von der Kon= Der reaktionäre feffion abhängig. zu machen. Staatsgerichtshof hat entschieden. daß zwar für den Schul unterricht fonfeffionelle Bindungen bestehen, aber niemals für Schulverwaltung und Schul aufsicht. Hinter diesen Staatsgerichtshof find die Herren Demokraten zurückgefallen, und wer in der Politit einigermaßen Bescheid weiß. wird die Bemerfung der Germania " richtig würdigen, daß die Demokraten sich plößlich zur Vertretung der evangeli­Krife in der Zentrumsfrattion hervorgerufen, die fchen Belange aufgeworfen hätten. Die Holtung der Demokraten hat eine vorübergehende rise in der Zentrumsfrattion hervorgerufen, die heute damit geerdet hat daß der Abgeordnete Dr. Heß mit 57 von 60 Stimmen zum Fraktionsvorsitzenden gewählt worden ist. Offenbar haben ihm die Anariffe des ,, Berliner Tageblatt" nicht mehr geschadet. Die Regierungsverhand­fungen felbst find damit abgeschlossen, daß Genoffe Grimme zum Kultusminister ernannt worden ist; er ist evangelisch, und die Herren Demokraten werden also gewiß hoch befriedigt sein.

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