Nr. 42
47. Jahrgang
Technik
Sonnabend 25. Januar 1930
Ueber- Schnellzüge mit Propellerantrieb
Stachorud verboten,
Die Reisegeschwindigkeiten bei Eisenbahnfahrten, die in den letzten Jahrzehnten nur ganz unerheblich verbessert werden fonnten, werden in furzem eine auffehenerregende Steigerung erfahren, sobald die Direktoren und Finanzleute sich die Ueberzeugung der technischen Biffenfchaft zu elgen gemacht haben werden, daß mittels des Bra Bellerantriebs ein besonders wirtschaftliches und leistungsfähiges
Ein Pionier der Propeller- Eisenbahn: Dr. Ing. Alexander Pfeifer starb kürzlich Schienenfahrzeug geschaffen werden famn. Wie jebe umwälzende Idee, hat auch diefer Gedante eine lange Borgesigte, die mit unbeachteten und vergessenen Anregungen einzelner Erfinder und primitiven Versuchen beginnt. Als der Verfasser als erster in Deutschland den Luftschraubenbetrieb für die Reichsbahn in Bore schlag brachte und Patente auf grundlegende Einzelheiten erhielt, maren auch die mit diesem Konstruktionselement vertrauten Flugs technifer noch recht skeptisch. Lediglich der inzwischen leider per storbene hochverdiente ehemalige Chefingenieur der Luftverkehrs. gesellschaft, Dr. Ing Pfeiffer, stellte sich begeistert an meine Seite. Auf der legten Luftfahrtausstellung fam es jedoch bei GeTegenheit eines Bertrages des Schweizer Profeffors Biefinger zu einer begeisterten Stellungnahme der wissenschaftlichen Gefell schaft für Luftfahrt. Der Vorsitzende, Geheimrat Professor Schütte, faßte diese optimistische Ueberzeugung in einem Schlußwort zu fammen und sprach die Erwartung aus, daß bald auch auf Eisen bahnen
Geschwindigkeiten von mehreren hundert Kilometern erreicht würden, nachdem zum Beispiel auch mit Gleitbonten der Schnelligkeitsrekord auf die noch vor kurzem phantastisch anmutende Höhe von 520 Kilometer je Stunde gedrückt worden war. 3m. weiteren Bordringen beginnt der Propellerbahngedanke auch in die ablehnende Haltung der Reichsbahn Bresche zu schlagen. Das neueste ist, daß ein solcher Triebwagen durch die Reichsbahn gesellschaft dem Reichsverkehrsausschus vorgeführt wurde. Leider ist auch diese Ausführung noch mit unzulänglichen Mitteln erfolgt, so daß gewisse Mängel, die an und für sich mit Leichtigkeit vermieden werden können, das Bersuchsresultat beeinträchtigen müssen. Immerhin dürfte jegt die Entwicklung eines Ueber- Schnellverfehrsmittels unter Benugung ber in der Flugtechnik für Hochgeschwindigkeit bewährten Konstruktionseinzelheiten nicht mehr lange auf sich warten lassen.
In dieser Hinsicht ist darauf zunächst hinzuweisen, daß die Berbrennungsmotoren sich bei allen anderen Fahrzeugarten als den Dampfmaschinen überlegen gezeigt haben, weil sie nicht nur selbst außerordentlich geringes Gewicht haben, sondern auch die von ihnen für lange Fahrzeit mitzuführenden Betriebsstoffe. Im Bahnbetrieb wurde der Vorsprung jedoch zunichte gemacht durch die Notwendig. feit sehr schwerer und teuerer 3wischengetriebe, die eine veränder. liche Anpassung der hohen Motordrehzahlen an die stark mechselnde Raidrehzahl ermöglichen, weil die Brennkraftmaschinen viel schneller als die Dampfmaschinen laufen und nicht so weitgehend wie diese in ihrer Umdrehungsgeschwindigkeit verringert werden können. Diese Zwischengetriebe miegen bei Motortriebwagen etwa 40 Pro zent des gesamten Bagens und erhöhen daher beträchtlich Leistungs. bedarf, Anschaffungs- und Betriebspreis.
Die Einführung des Propellerantriebs gibt die Möglichkeit, auf fie vollständig zu perzichten und die zu hoher Bollkommenheit ent wickelten Antriebsmittel der Flugtechnik für den Bahnbetrieb muz bar zu machen. Dabei entsteht gegenüber dem Luftverkehr der große Borteil, daß zur Aufhebung des Fahrzeuggewichts weder Flügel noch Ballons, die beide großen Luftwiderstand ergeben, er. forderlich find. Wie groß dieser Vorteil ist, erkennt man daraus, daß zur Fortbewegung von 1 Tonne mittels Tragflügeln rund 100 Ri'ogramm Zugkraft notwendig find, während zur Fortbewegung auf tragenden Bahnrädern 2 Kilogramm genügen. Der Fortfall der Getriebe bedingt auch den Fortfall einer haupt fächlichen Kraftverlustouelle, so daß der Gesamtwirtungsgrad beim Bropellerantrieb im Durchschnitt fast genau ebenso groß wie beim normalen Lokomotivantrieb ausfällt. Weil aber die Betriebsmittel nicht mehr an den Schienen zu haften brauchen, fönnen sie sehr leidyt, etwa in der Art ber Autotechnit, gebaut werben unb Der brauchen beshalb, trok gleichen Wirkungsgrades, schr viel weniger brauchen deshalb, trog gleichen Wirkungsgrades, sehr viel weniger Energie; wirb boch die aus verschiedenen Gründen mögliche Gr. leichterung ber Betriebsmittel zum Beispiel von Brofeilor Mie finger auf 90 Prozent gefchägt. Aus dem gleichen Grunde imb wegen bes Fortfalls der Ueberlegungsschwierigkeiten tönnen sie auf die höchsten Fahrgeschwindigkeiten gebracht werden, die der Zustand der Strede überhaupt zuläßt. Diese dürften heute schon bei über 200 Rilometer je Stunde liegen.
Behelfsmäßiger Propeller- Triebwagen System Dringos" auf der Berliner Stadtbahn
triebwagens vom Grunewald nach Beelig mit der historischen Fahrt der ersten Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth verglich. Auch hierbei wurden durch die Braris die theoretischen Bedenken auf das glänzendste widerlegt. Störungen durch Geräusch und Wind zeigten sich nur in geringfügigem und erträglichem Maße So fonnte der Wagen vor dem Hauptausius der Nationalverfanm lung, der sich überraschend zu dieser Probefahrt anmeldete, gut be stehen. Auch andere Schwierigkeiten fonnte ich bald als überwind bar nachweisen. Das unbequeme Anwerfen der Luftschrauben von Hand fällt fort, wenn man eine Druckluft- Anwerfvorrichtung ein baut, die in bewährter Ausführung von der Industrie lieferbar ist. Ein Ausblasen der Signallampen fonemt nicht in Frage, wenn diese, mie normal, elettrisch oder windsicher gebaut sind. Die Belästigung des Publikums auf den Bahnsteigen, die auf den Versuchsfahrten schon unerheblich war, fann vollständig vermieden werden, wenn man beim Barbeifahren den Motor brosselt, so daß die ohnehin in voller Fahrt nicht sehr erhebliche absolute. Windgeschwindigkeit Die Anbringung besonderer Einrichtungen zur nahezu null wird Ablenkung des Fahrwindes ist also nicht unbedingt nötig. Auf den Abfahrtstationen empfehlen sich solche. Doch fönnen statt dessen auch feste Schuhwände am Bahnsteig oder Abschieben der Züge durch andere Antriebsmittel gewählt werden, wenn man durchaus nicht die leichte Belästigung durch den Wind in Kauf nehmen will Schon bei dem lediglich mit dünnen Brettern verschalten, behelfsmäßigen
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Zweitüriges Triebwagen- Aggregat für Ueber- Schnellverkehr
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Propellerautomobil
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Neue Bücher der Technik
Siegfried Hartmann . Technit und Staat. Von Baby. bis heute. 108 Selten. Einbandzeichnung von Franz Bfeffer. Gebunden 2,80 Mart*).
Eine interessante, allgemeinverständliche Untersuchung des Verhältnisses von Staat und Tecnit. Siegfried Hartmann behandelt Das Problem mit Hilfe feines reichen, tiefgründigen Wissens, indem er an einer Fülle lebendiger Beispiele nachweist, daß die Staatenbildung auf das engste mit den Werken der Technik verknüpft ist. Er zeigt, daß nicht die Technik", sondern eine mangelhafte, unausgebildete, Tüdenbaite Technik die weitaus meisten Befäftigungen Derursacht, die in ästhetischer, akustischer, hygienischer Beziehung auch heute noch teilweise vorhanden sind. Er fordert eine technische Bildung, bie schon im Elternhaus und in der Schule einfegen muß, unermüdliche Arbeit und Forschertätigkeit, um das Berständnis für die technische Arbeit zu heben und Bege, auf denen die Technik unter bewußter Leitung im Interesse des Allgemeinwohles fich quswirten tann.
Wilhelmi Oftwald. Die Byramide der Wissenschaften. Eine Einführung in miffenfchaftliches Denten und Arbellen. 148 Seiten. Mit vier Bildnissen und graphischen Stizzen. Emband zeichnung pon Hanns Anfer. Gebunden 2,80 Warf*).
Probefahrzeug war das Geräusch so gering, daß eine Unterhaltung unter den Fahrgästen möglich war, jebenfalls bedeutend geringer als zum Beispiel häufig auf der Berliner Untergrundbahn. Die Gefahr des Entgleisens ist deshalb verhältnismäßig gering, weil der geringe Umfang der Motorenanlage eine niedrige Lage des Fußbodens und damit des gesamten Fahrzeuges und feines Schmerpunttes ermöglicht. Eine gewiffe Steigerung der Fahrgeschwindig teit ohne sonstige Veränderung der Sicherheitseinrichtungen erscheint deshalb unbedenklich. Die Lage des Antriebsmittelpunktes ist für hohe Fahrgeschwindigkeiten günstiger als beim Radreibungsantrieb.
Die wohlwollende Haltung der Tages- und Fachpresse und die Vorführung des Verfuchswagens vor 30 Millionen Zuschauern durch die Filmwochenschau konnte leider die zögernde Haltung der maßgebenden Instanzen nicht erschüttern. Das lag wohl hauptsächlich an dem Umstande, daß die wirtschaftlichen Bedenten nicht sofort mit der gleichen Präzision wie die technischen zu zerstreuen waren. Immerhin läßt sich nachweisen, daß für den Fern- Schnellverkehr im Flachland das Propellerbahnsystem auch schon ohne Anwendung eines eigentlichen Leichtbaues sehr lukrativ ist. Meine diesbezüg lichen Berechnungen sind von Professor Brandil in Göttingen begutachtet worden, der die angegebenen Zahlen für Maschinenleistung und Brennstoffverbrauch als richtig und die wirtschaftlichen Berethmingen als vorsichtig bezeichnet.
Diese stützen sich nur auf bereits erprobte Konstruktionselemente und legen einen Triebwagen von 70 Zonnen für 174 Personen zugrunde. Er kann im Normalfalle 153 Kilometer pro Stunde machen, foll aber nur mit 112 Kilometer Durchschnittsgeschwindigkeit fahren. Das Beschleunigungsvermögen ist besser als bei Schnellzügen üblicher Art. Die Einnahmen pro Kilometer werden mit 6,52 Marf berechnet, wovon übertrieben viel, nämlich 50 Prozent, für die ortsfesten Anlagen abgesetzt werden. Die Ausgaben für den Wagen betragen zusammen 90 Pfennig je Kilometer. Es ergibt sich daraus ein Ueberschuß von 2,36 Mart pro Kilometer oder jährlich 700 000 Mart bei einem Anlagefapital für den Wagen pon 220 000 Mart, also eine
geradezu phantastisch hohe Rentabilität,
die aber nur als niedrigste Schäzung anzusehen ist und bei poller Ausmugung der in diesem System liegenden Möglichkeiten noch Jehr steigerungsfähig ist. Dr.- Ing. Otto Steinitz .
ihrer Gesamtheit zu erforschen und klarzulegen. Er geht von der Enzyklopädie, die ihm das Prinzip der Ordnungswissenschaft perförpert, aus und schließt daran eine groß angelegte Uebersicht in primitiver Form. Er geht von der aristotelischen Gliederung, der Dreiteilung in theoretische, praktische und technische Wissenschaften aus und gibt im Anschluß daran eine großangelegte Uebersicht über die Versuche zur Ordnung der Wissenschaften von Bacon bis Wilhelm Bundt. Diesem geschichtlichen Teil schließen fich fünf Kapitel an, die nunmehr den Aufbau der Wissenschaften selbst, die Schichtung der gewaltigen Pyramide darstellen. Ein geistvolles,
anregendes Werkchen.
Magimillan Effeter: Chinas natürliche Ordnung und die Maschine. Einbandzeichnung von Frans Masereel . Gebunden 2,80 mart). 176 Seiten. Mit fechs Abbildungen. Der Berfasser, der nahezu zwei Jahrzehnte in China gelebt hat, behandelt in feffelnder Weise die großen Probleme und bie Umwälzung auf allen Gebieten, bie die westeuropäische Technit, die Herrschaft der Maschine, in dem Reich der Mitte herpsfhrachte. Das Büchlein bietet einen Einblick in den Geist Chinas , in seine Religion und Philofophie, in Wirtschaft, Verkehr und politische Berhältnisse der Vergangenheit bis zur Gegenwart, und flingt mit Hinweisen auf die neue Wirtschaftsordnung Jungchinas und das Den Sunnatfen aufgestellte Brinzip des Lebensrechtes" aus
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Natürlich hat es von Anfang an nicht an allerlei Bedenten gefehlt. Ebenso wie bekanntlich die erste Dampfeisenbahn beinahe an dem Gutachten der Mediziner gefcheitert mare, welche meinten, daß die Sulchauer verrüdt werden müßten, befürchtete man arge Belästigung des Publikums durch Wind und Geräusch. Ueberhaupt Ein schwieriger, fomplizierter Stoff, der hier in Form von *) Wege der Technit. Herausgegeben von Eugen hatte Direktor Bach vom Reichswirtschaftsministerium seinerzeit 3miegesprächen auf das glücklichfte bargestellt mirb. Ostwalb stellt Diesel und Rart Berlohr. Berlag ber 3. G. Cottafé nicht ganz unrecht, als er die erste Probefahrt meines Propeller. fich darin die Aufgabe, den Zusammenhang aller Wissenschaften in| Buchhandlung Nachfolger, Stuttgart und Berlin .