Ttr. S5* 41. Iabrgaag Sonntag,?.FeSr«sr �SZo
Am Fuß des M uggelturms befindet sich das M useum Auf her schnurgeraden Chaussee von Köpenick nach MügzÄheim, «o tagsüber die dreiachsigen Wagen der Autobuslinie 43 vollbesetzt vorübersausen, sollen in hellen Mondnächten die Pferde scheuen und nur in zitternder Angst und mit schlotterndem Gebein weüerzu- treiben sein, weil auf irgendeinem Meilenstoin am Fuße der Müggel- berge«ine gespenstische schlohweiße Gestalt lerbhastig hockt. Die alten Bauern aus Rahnsdorf berichten in den Dämmerstunden cm- brechender Winterabende darüber ihren Enkeln, erzählen von der Prinzesfin, deren Schloß in den Teufelsee versunken ist und die oerwünscht wurde, weil st« ihrem Auserwählten die Treue brach. Einstmals in einer Iohannisnacht, dem» nur dann ist es möglich, zog ein junger Fischer-ras dem Köpenick« Kietz hinaus, um sie zu erlösen, vom See in die Stadt und dann noch dreimal um die große Kirche hätte er sie tragen müssen. Unter einer Bedingung: sich nie und nimmer umM'cyauen, komme, was da wolle. Aber kaum hatte er die Prinzessin aus den Rücken genommen, der zwölfte ■ Schlag der Kirchturmuhr war eben verhallt, da brach die wilde liagd las, Ungetüme mit dem Kopf unter dem Arm. mit feurigem Atem und entsetzlichem Heulen versperr ien ihm den Weg. Doch der junge Fischer blickte nicht nach links und nicht nach rechts, nur als er gerade zum ersten Mol« die Kirche unrschreiten wollte, da stieg ein riesiger F«uerschein auf, ganz Köpenick schien in Flammen auf- zugehen,«rschrocken sah er sich um— und die Prinzsesin entglitt seinen Arnien. Am nächsten Morgan fand man ihn besinnungslos auf, wenige Tag« darauf ist er gestorben. Oos Museum m der Gaststube. Dies« romantischen Geschichten aus den mythischen Vorstellungen des alten Heidentums gehören zu den Müggelbergen wie die geologischen Rätsel dieser s«ltsa,nen Bodenformaüou oder wie jene prähistorischen Schätze, die die Grasnarbe verbirgt. Schon der � Rundblick von der swrmgepeitschten Kuppe der Wüggelberge hat etwas Bezauberndes, eingebettet zwischen dunkelgrüne Kiesenrwälder fließen blau grau Spre« und Dahme dahin, an der Friedrichs- Hagener Ecke des Müggelsees kriechen zwei weiße Ausflugsdampfer aneinander vorbei, aus der Rohrwallinsel warten Persenning- überzogene Segelboote auf die ersten warmen Sonnenstrahlen, vom Osten leuchten die Gosener Berg« in ihrem fahlen Sandkleid
herüber, rm Süden sind noch schwach die Türm« des Königswust« r- hausener Senders erkennbar und der westlich« Teil des Horizonts verschwimmt in den Dunstfchwaden der Industrievororte Berlins . Es war deshalb ein glücklicher Gedanke, als das Märkisch« Museum vor kurzem daran ging, in dieser sagenumwobenen, reizvollen Landschaft gewissermaßen ein« Zweigstelle zu errichten. Der einmalige Besuch dieser Kulturjchutzstelle. wi« man die kleine Museumsfiliale getauft hat, vermag der Berliner Schuljugend «inen besseren und nachhalligeren Einblick in die Vorgeschichte der Mark zu geben, als ein« ganze Reihe von mehr oder weniger abstrakten Unterrichtsstunden zusammengenommen es'vermögen. Alles, was man beim Straßen- und Häuserbau von dem allen Germanenskamm der Semnonen. die hier in de» Alvggelbergen hausten, noch fand, haben berufene Hände in das bescheidene Himmer chen im Müggelturm getragen, dessen Tür sich jedem für 10 Pfennig öffnet. Da liegt nun eine alle Herd stell« aus der Bronzezeit, sorgfällig aus stachen Steinen gepackt, wie sie keine hundert Meter von ihrer heutigen Ruhestätte entfernt gefunden wurde und vor Jahrtausenden irgendeiner Senmonenfrau dazu diente, Gerstenbrei zu kochen und Hirschfleisch zu braten. Oder daneben der Glaskasten, der natürlich nicht aus der.Semnvnenzeit stammt, denn diese armen Barbaren bestaunten ja noch jede Eisen- stange. die sich aus südlichen Ländern in ihre Gegenden»erschlagen hatte, kopsschullelnd als ein Wunderding, nein, den Glaskasten hat
Demonstrationsversuche. Zehn Polizeibeamte von Kommunisten verletzt. Der Polizeipräsident keilte gestern abend mit: Rachdem der Vormittag und der frühe Jlachmillag des Souu- abend ohne Zwischenfälle verlaufen waren, wachten sich von 16.30 Uhr au zunächst geringere, dann stärkere Versuche zur Bildung vou Demoustratlonszügeu bemerkbar. Kleiner« Trupps von vemoustrauleu versuchten immer wieder, sich plötzlich zu größereu Zügen zusammeuzuschlleßeu: beim Herannahen der Pollzei lösten sich diese Demoostratiooszüge jedoch meist vou selbst wieder auf. Wo die, ulcht geschah, schritt die Polizei eiu uod zerstreute die Vemoastrauteu. Dabei mußte sie in verschledeucn fallen den Gummiknüppel ia Anwendung bringe». Von der Schußwaffe mußte bisher ersreulicherwelse kein Ge- b ra nch gemacht werden, mit Ausnahme vou d« Abgabe eines Schreckschusses, der keinerlei Verletzungen zur Folge hatte. Durch Sketuwürfe uod hiebe mit Schlagringen uud anderen harten Gegen- stänoen wurden zehn Pollzeibeamte verletzt; ein Lc. amter crhiell einen Messerstich. Von den Demonstranten wurde eine Person durch den Gebrauch de» Gummiknüppel » leicht verlehk. Bis 20 llhr wurden 20 Personen wegen Richibefolgung polizeilicher Anordnungen zwang, ge st ellt; bei einem Zwangs- gestellten wurde eine Pistole beschlagnahmt.
selbstverstävdlich die Museirmsdirektlön gestiftet, aber hie Geschiebe- ablageruagcn aus der öiszell. wie sie an den Müggelbergen so gut zu beobachten sind, oder der aus verwrllerten Seelilierz. bestehende Krinoideickalk oder der seine, helle Sand mit den bohnengrvßen roten Feldspotstücken und de» handgroßen Feuci�teinen, ja, das sind alles ehrfürchtig anzuschauende, in unserer Zeiten Tage hineinragende Zeugen versunkener Epochen, deren Dirntel aufzuhellen sich heute noch ein« ganze Armee von Prähistorikern bemüht. Oder wie wäre es mit dem linken unteren Backenzahn eines Mammuts, so groß wie ein Zweiliierkachlopf, den man im Diluvialkiez bei der Müggelheimer Mühle fand. Dazu em holbmeterlongrr Dolchsläb ans Bronze, mit dem man sich vor viertausend Iahren die Schädel«inschlug oder die irdenen Topfe und Tassen neben sinnreichen Gewandnadeln. Aber das ist alles ein Kinderspiel gegen die Grabstätte eines Sxmnoaen mit ihrer schlichten Urne, die den Leichenbrand enthält und durch einen gewölbten Deckel verschlossen wird, di« man so liebevoll aufgebaut hat in der Hinteren, rechten Eck« dieses wohl kleinsten Museums, daß man sogar di« Stein■ Packung, in der die Urne des Toten log. mitgebracht und ebenso hingestellt hat, wie die Trauergemeinde ihren Stanimesgenossen zur ewigen Ruhe gebellet hatte. Dann ist noch etwas da. was allerdings in noture weder ge- funden werden konnte, weil es längst vermodert ist. noch Härte es in das Ziinm«rch«n gepaßt: ein Modell der großen Halle, die am Ausgang der Bronzezelt auf dem Eichenhügel zwischen dem Müggelturm uud der Lismarck-Warl« gestanden haben soll. Obwohl man hier in den Müggelbergen nur noch die Pfostenlocher von dieser.Halle fand, vermochte man st« doch zu rekonstruieren, well solch« Hallen den Forschem aus Grabungen in anderen Gegenden der Mark gut bekannt sind. Mit ihren aus übereinandergelegten Baumstämmen bestehenden und mit Lehnt verkleideten Wänden. mit dem Schilfdach und den fehlenden Türen und Fenstern, nur oben, wo der Giebel an den Dachfirst stößt, sind zwei Abzugslöcher für den Rauch, dem Fußboden, der eb«nfalls nicht da ist. wer sitzen wollte, konnte sich ja in den Sand setzen, oder der«wigen Nacht, die in solch einer Halle herrschte, mit all diesen Dingen. über die man stundenlang staunen kann, ist dieses Modell das Schmuckstück des Märkischen Museums. Nur schade, daß der Besuch fq sehr zu wünschen übrig läßt. Al? n»r gingen, wurde die �Lr hinter uns abgeschlossen, 5erner voll de» vielen Ausflüglern, die auch im Winter in die Müggslbergs pistftrr.. kommt auf den Gedanken, da einmal hineinzugehen. � Allerdings zum großen Teil Schuld der Museumsleitung selbst, die nur an der Autobushaltestelle«in Schill) anzubringen brauchte: ,3 Minuten bis zur Kulturschutzstelle", so, wie jeder Budiker seine Kneipe anpreitzt. Semnonenvision. Auf dem abschüssigen Weg zum Teufelsie« hin gesellen sich zu den Kiefern«in paar Birken, die aber beide am Ufer des kleinen Sees den Weiden Platz machen müssen. Jedesmal, wenn ein Kind
Das Innere des kleinen Museums mit der Semnonenhütte
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„Es ist eine Lüge", wiederholte die angeklagte Ehefrau. iesmal ltntsr Tränen. „Seit langer Zeit sucht dieser ge- reine Kerl schon nach einer Ausrede, um mich zu verlassen, nd ich habe niemals einen—* Aber der Rest ging m schluchzen unter. Jetzt lachte niemand mehr, sondern«in reis murmelnder Trostspender versammelte sich um sie. „Und jetzt", fuhr sie fort und wischte sich die Augen mit srem Handrücken ab,.�veiß ich nicht, was aus mir werden rll, denn nach allem anderen, was ich von seinen Händen Hab rduldell müssen, hat mir dieser Kerl npch dm Sachen zer- rochen, dia ich in die Ehe mitgebracht Hobe."„ „Beruhigen Sie sich doch, hören Sie doch auf zu weine», edete ihr Aier andre mit serner weichsten Stimme zu und 'eckte seine Pistole w'reder in den Gürtel..Letzt ist ja alles zieder gut, und Ihr Mann wird freundlich zu Ihnen fein und üie w'eder aufyebmen." ,Lch sie wieder aufnehmen?" schrie der Schmied-„Da ennen Sie mich schlecht." ,,ÄlS 0b ich zurückwollt«", entgegnete Leocadia.„Lieber föchte ich im Stall leben neben einer Schindmähre, als wester ist diesem brutalen Kerl" Sie nahm aus dem Haufen vor dem Haufe ew paar
�______....-------- � der. „Wv gehst du hin?" fragte sie leise. «Ich weiß noch nicht, mein Kind: aber ich werde schon gendwo ein Winkelchen finden. Das bringen ja sogar Hund« ctig." „Wart' einen Augenblick", befahl die Mulattin und dachte rch.„Oh. ich weiß. Komm, leg dein Bündel einen Augen- ick in mein Zimmer." Und sie rannte zu ihrer Waschwanne rück. .Dh. Albino, wring' doch, bitte, die Wäsche für mich aus - w. du bsst ei» cy«er Junge. Und wenn Firma aufwacht. i ihm, ich habe euren Augenblick weggehen müssen."
Dmm lief sie in ihre Wohnung, zog sich rasch einen trocke- nen Rock an, warf sich einen gehäkelten Schal um di« Schullern, gab Leocadia einen freundlichen Klaps auf den Rücken und flüsterte ihr ins Ohr:„Komm nur mst, wir werden schon eine Schlafstelle für dich finden, patz auf." Mst wehenden Röcken gingen sie fort und, ließen das Haus in fieberhafter Spannung und Neugier zurück. 9. Ein paar Wochen waren vergangen, und Ieronymo trank fetzt jeden Morgen eine Tasse starken Kaffee, wie ihn„Rita macht", und goß ein paar Schluck„Paraty" hinein. Eine langsame aber unaufhallsame Wandlung ging in ihm vor und veränderte ihn Stunde um Stunde und Tag um Tag an Körper und Seele. Sogar seine Energie war jetzt lahmer. Er wurde nachdenklich und romantisch. Die Atmosphäre der Neuen Well und seiner braslllanischen Umgebung schien ihm auf einmal verführerisch und anregend. Er vergoß seme früheren Ziele und fing an, die neuen Freuden, dte stärker und lauter waren, zu verherrlichen. Er wurde sarglos tfnd verschwenderisch und hörte auf zu sparen. Er verlor seine Herbheit, wurde vergnügungssüchtig und bis zu einem ge- wissen Grads trage. Allmählich wurden die allen Sitten des portugiesischen Landmairno veränderst Ieronymo war brasillanisierst Setzt Haus verlor feine frühere streng« Miene und empfing ab und zu Besuch von Freunden, die nach den Arbeit-istunden ein Gläschen„Parotn" tranken, während an Sonntagen hm und wieder sogar Gäste zu Tisch geladen wurden. Portugiesischer Wein wich dem Rum, der aus dem Saft des Zuckerrohres ge- wonnen wird. Geschmortes Rindfleisch mst schwarzen Bahnen und Mandioca ersetzte Stockfisch mst Kartoffel» und gekochten Zwiebeln, und andere Fleischgerichte au« dem olle» Portugal machten eins nach dem anderen den Nationalgerichten von Bahra oder Mino« oder den Küsten von Guanabra Platz. Gest M. auch seine« Zwil und bald paffte änderen. Je mehr er sich die Sstten Brasiliens aneignete, um so gefühlvoller wurde er, obgleich seine physischen Sräfte ab- nahmen. Er fing an. sich an Musik zu freuen und verstand sogar bis zu eurem gewissen Grade dte Wildheit der Dichter. die vou leidenschaftlich« Liebe fangen und ihre Lieder auf
her Kaffes auf Nummer fünfunddreihig Wi'lltommen war, haste er auch seine« ZwMingsbruder, den Tabak,»ach sich gezogen, und bald paffte Zeronymo zufrieden mit allen
der Mandoline oder der einheimischen Gitarre begleiteten— ja, Jeronymo hoste sogar sein alles Instrument beiseste gelygt und spielle jetzt auf einem brasilianischen. Früher war es sei» Traum gewesen, nach Portugal ' zurückzukehren, aber jetzt hasten sich seine Augen an den weiten Horizont und an das wirbelnde brasilianische Leben und seine wilde Lustigkest ge- wähnst Aber P ted ade de Jesus hatte an dieser Wandlung ge-- ringen oder gar keinen Teil. Sie war aus einem Stück ge- gossin. Sie verändern hieß sie zerbrechen Aeußerlich putzt« sie sich allmählich ihrem nsuen Leben an, aber ihre Natur konnte sich niemals so verändern wie Ieronymos. Ihre porm- glesifche Seele harmonierte nicht mst dem„tempo allegrd" des brasilianischen Lebens. Aeußerlich erledigte sie die neuen Pflichten ihres Haushaltes. Innerlich aber mar sie dieselbe
schweigsame und ernste aus der Heimat Derbannte, die. von wogender Sehnsucht und Heimweh überwältigt war und unter der unerklärlichen Peränderung, die in Leranymo vorging. unsäglich lltst Stehaste beinah das Gefühl, Aeronymo sei gar nicht mehr da, und dieses sellsame Wesen sei irgendein Unbekannter, der sich an Ieronymos Stelle gesetzt haste. „Warum kochst du denn nicht die Gerichte, die sie hier kochen?" ..La. vh dachte—" stammelte die arme Frau. „Du könntest Rita bitten, daß sie dir einiges zeigst Es war' teil» Wenn wir mal solche-Garnelen essen könnten, wie ee nestlich bei ihr gab." Dte dauernd bekundeteBorsiebe für alles was brasilianisch war. bekümmerte das arme Wes?« tief: ihr Instinkt sagte ihr.
daß die Krankheit möglicherweise fortschreiten und auch das Best genau wie den Tisch ergreifen könnte Sie war sich durchaus klar, daß Jeronymo ihr viel weniger gcharte als
..sich lassen und sich auf das kleine Lager im Wohnzimmer gelegt haste, mst der Begründung, daß es in dem winzigen Schlaf. zimmer zu heiß und zu drückend fei- Wer er nahm die alle Gewohnheit nicht wieder auf, sondern befestigte am nächsten Tag eine Hängemast« vor der offenen Tür. wte es Rita in ihrem Haufe getan haste. (Fortsetzung folgt.)