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Rr. 57* 47. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
vienStag, 4. Februar 4930
Die VUlwortmig des RddisanwaUs Heine sagt Herrn Jörns bittere Wahrheiten
CSht neuer bös« Tag für Herrn Reichsawvalt Jörns. Und doch tonn« von Glück reden; durch die Ab rossen. her- des Rechtsanwalts Dr. Paul Levi ist ihm bestimmt so manche unan- genehme Frage erspart geblieben. Aber auch der Angeklagt« Bornstein selbst macht seine Sache nicht schlecht,jherr Reichsanwalt', fragt er. �haben Sie auch sonst Gelegenheit gehabt, mit Brichern eines Mordverdächtigten zu- sannnen zu speisen, ähnlich wie im Edenhotel mit Hauptmann P f l u g k- Härtung?' Im Auto, das Karl Liebknecht   in den Tod führte, be- fand sich als Begleiter der Kapitän- leutnant Pflugk-Hartung von der Ma- rineschwadron. Der Kapitän Pflugk- Härtung war der Adjutant des Haupt- manns P a b st. Der harmlose Kriegs- gerickstsrat ahnte ab« da absolut keine Zusammenhänge.Waren sie in Lan- de-verratsprozessen auch so ahnungslos?' So ungefähr fragt ihn der Angeklagte. Eine andere Episode aus der Verhandlung: Der Jäger Runge hatte«klärt, daß seine Frau Geldunierstützungen bekommen hat. Der Reichsanwalt denkt gar nicht daran, nach den Geldgebern zu forschen.Ich hätte es wohl anders gemacht', sagt der Vorfitzende. Herr Jörn» ist darüber sehr verwundert. Der Herr Reichsanwalt stellte sich gestern m gemeinsame Front mit den Kommunisten und verdächtigt den Rat der Bolksbeaustragten und die damalige Weimarer   Reichsregierung. Cr hat die Stirn, zu fragen: Jjai die Regierung nach der Ermordung d« beiden nicht frei aufgeatmet?' fragt er den Zeugen. IN« und nimmer, sagt Landsberg  . Die Mitglied« des Rate» der volksbeauftragten waren erschüttert. �Hielten Sie nicht die beideit für die gefährlichsten Feinde des neuen Staates?' ruht Herr Jörns imm« noch nicht. Und erhält zur Ant­wort:Ich habe nie daran gezweifelt, daß Deutschland   sich cms dies« Zeit herausarbeiten würde und daß es für den Bolschewismus keinen geeigneten Boden vorstellt. Leuiaaut a.*0. Liepmann als Zeuge. D« Leutnant a. D. und jetzige Zteferendar L i e p m a n n, ner- mieiü vom Kriegsgericht in der Sache tcr Liedtnecht-Ermordung. sitzt denn seine Nerven können immer noch nicht zur Rulhe kommen vor dem Zeugentisch. Diesmal klagt e r an; in seinem Prozeß war Jörns der Ankläger. Welche war die Rolle Pabst? Welche die von Pflugk-Hartung der eine war überhaupt nicht verhostet, der andere noch setner ursprünglichen Verhaftung (entiaflen worden. Wie sich es im Zellengefängnis aus? Als D.epmann das Auto bestiegen hatte, um den Abtransport Liebknecht» in das Moabiter   Gefängnis zu leiten, traf er darin einig« ihm unbekannte Personen in Mannschaft, uniform. Haupt- mann Pflugk-Hartung, Pobsts Adftltant, erklärt«, dies» habe die Leute als Legleiter bestimmt. Liepmann kommt von der Rettungswache, von Liebknechts Leiche, um Pobst Meldung zu er- statten: Im selben Augenblick schleppte man Rosa Luxemburg   die Treppen d« Eden-holel» hinunter. Pabst war über Liebknechts Tod bereits von Pflugk�artung insormiert mm konnte Rosa Luxemburg.  erledigt' werden. Der Zeuge, der diese Aussagen in der ersten Instanz eingeschränkt hat. bestcht jetzt auf derselben mit voller Bestimmtheit. Sensationell wirkt die Behauptung Liep- manns, er habe die Ausreisebewilligung von Erzberger   er-
Der Vorsitzende and die Beisitzer halten, obgleich dieser gewußt habe, wer er ist: der Paß fei, als er kam, bereits fertig gelesen. Wie Heine über Zorns denkt. Auf den Zeugen Liepmaim folgt Heine. Er ergänzt Lands- bcrgs Aussage. Mitglied des Staatsrats in Dessau  , wurde er zum prcußifchenJustizminister berufen. Er befand sich gerade auf dem Weg« nach Dessau  , als er aus einem Flugblatt van dem Tod Liebknechts und Luxemburgs erfuhr. Da es anfänglich hieß, Rosa Luxemburg   sei von Zivilpersonen ermordet, so beauftragte er die Staatsanwaltschaft mit dem Ermittlungsverfahren. Später war er gezwungen, sich initiier militärischen Untersuchung ab- zufindcn. Er ließ sich regelmäßig berichten, verlangte aber schließlich Einsicht in die Akten. Währendeiner Sitzung der Nationalversamm- lung logen sie ihm vor. Cr konnte nur flüchtig in sie Einblick nehmen; ihm fiel aber gairz besonders der Umstand auf, daß Ober- leutnant Bogel   nicht verhaftet war. er hatt>e den Eindruck, daß nicht mit der nötigen Energie vorgegangen werde. Deshalb richtete er an den Reichsjustizminister, an den preußischen Kriegsminister und an den Reichstriegeminister ein Schreiben, in dem es u. a. hieß:Das preußische Instizwimsterivm ist unmillolbar interessiert, daß da» Vertrauen zur Zvftiz der republikanischen Regierung nicht«schnllert w«de. Es handelt sich nicht wir um die Sühne, sondern um die Beseitigung politischer Wirkungen, die durch das Verbrechen selbst und durch die Art semer Verfolgung verursacht würden. Es muh
Oberstaatsanwalt Köhler
ein politischer Schaden verhütet»«den. der nickst reparierbar sein würde.' Heine fall noch die Frage beantworten, ob die Justizverhallnisse damals derartig« waren, daß an eine ordnungsmäßige Durchfuhrung des Strafverfahrens gegen die Morder Luxem- burgs und Liebknechts möglich gewesen wäre. Der Zeuge antwortet auf diese Frage mit einem entschiedenen.La'. Dem Nebenkläger genügt diese Antwort nicht.Wenn Sie, Herr Zeug«, von der Art, in d« ich die Untersuchung führte,«in« Erschütterung d« Rechts- pflege befürchteten, weshalb haben Sie nicht eingegriffen?' fragt er.Ich habe ja eingegriffen, indem ich den eben verlesenen Brief geschrieben habe; D« Brief hatte Sie ja gezwungen, die ver- haftnng Vogels vorzunehmen. Im übrigen trug bei der großen politischen Bedeutung des Verbrechens nicht bloß ich als preußischer Justizminister die Berantwortung, sondern sie traf«inen jeden Deutschen  , auch Sie, Herr Jörns! Sie haben aber am Rande des Berichts die Notiz gemacht:Fällt nicht unter di« Verantwortung des preußischen JustiMinistersl' Der Runge-Komplex wird noch ausführlich am M i t t- wach bei Vernehmung des Jägers Runge, jetzt Radoff genannt, zur Erörterung kommen. Blihlichipulver explodiert! Arbeiterinnen lebensgefährlich verletzt. Am Montag nachmittag ereignete fich in«in« Fabrik für photographische Artikel d« Firma Lumicre<S. m b. h. in d« Alken Iakobstraße U/Z4 ein« schwere Explosion von Vlihlichkpnlner. Dabei«litten vi« Arbeilerinnen zum Teil lebensgefährliche V«- brennnngen. Die Fabrikationsrämnc der Lumicre 0. m. b. H. befinden sich im 4. Stockwerk des ersten Quergebäudes. Die Firma stellt photo- graphische?lrtikcl her, u. a. auch«-in Puloer für Blitzlichtaufiwhmen. In einem einfenstrigen Saal wird dieses Biitzlichtpulv« von Arbeiterinnen in kleine Glasbehäfter, an denen sich eine Abreiß- Vorrichtung zur Selbstentzündung befindet, gefüllt. Gestern nach- mittag waren in diesem Raum vier Frauen mit diesen Füllarbeiten beschäftigt. Aus dem gemeinsamen Arbeitstisch standen etwa 100' bis 150 Gramm von dem hochexplosiblen Pulver, das in kleine Behätter mit je zwei Gramm Inhalt gefüllt werden sollte. plöhlich gab e« ein tolles Zischen, dem sosorl eine hcslige Del«. nalion folgte. Der ganze Pulveroorrat war explodiert, und mehrere gewaltige Stichflammen schassen durch den Raum. All- vier Arbeiterinnen wurden von den Flammen erfaßt. Mit brennenden Kleidern und««sengten haaren eilten die Unglücklichen nnler gellenden hilsernsen in die Reln-nrSume. Hier eilten ihnpn Arbeitskollegen zu Hilfe, die durch Ueberwerfen von Bekleidungsstücken die Flammen erstickten. Das Unglück halte im Augenblick den ganzen Betrieb in A l a r.n versetzt. Die Feuerwehr und das Städtische Rellungsaml erschienen aus den Hilienif mit ihren Fahrzeugen schon nach kurz« Zeit oft der Unglucksstelle. Drei Arbeiterinnen, die 36jährig« Elfriede K u n i j ch aus der Wien  « Straße 8, die 41jährige Wari« Zwirschki aus der Sebastianstraße 21 und die 20jährige Melanie Olzewsti au» der Eisend-chnstraß- 30, wurden sofort ms Urbanfrankenhaus ge bracht. Am schwersten sind die Verletzungen der Frau A u n i s ch. für d«en Befinden Befürchtungen g-chegt werden. Die vierte Ber- unglückte, eine 23iährige Charlotte Jttmann, Kottbusser User 17, konnte nach Anlegung von Notverbänden durch Samariter der Feuerwehr in ihre Wohnung entlassen werden. Die Stichslämwen hatten auch die Regal« und Tische in den Unglücksräumen in Brernd gefetzt. Die Untersuchung wird sich in erster Linie darauf erstrecken müssen, ob bei der Firma alle Schutzbestimmungen vrd nungsgemäß durchgeführt wurden. Sollte sich dabei Belastendes istr tt< Leiter des Unternehmens ergeben, so erfordert die Sicherheit der Arbeiterinnen, daß di« Schuldigen rücksichtslos zur Ver- antwortung gezogen werden.
MoidU*
Em Streit ergab den anderen, und es dauerte nicht lange, da verging im Hause des Steinmetz kein Tag ohne Zänkereien. Es war kein Zweifel mehr: Zeronymo hatte nur noch Augen und' Ohren für Rita Bahiana. Er konnte an Nummer neun nicht vorübergehen, ohne stehenzubleiben und sich zu erkundi- gen. wie es ihr ginge. Die Tatsache, daß sie sich lpährend seiner Krankheit so freundlich erwiesen hatte, bot chm einen Dorwand für seine Lusmerkfamkeit. Er erfüllte einfach eine Pflicht der Dankbarkeit, die Geschenke. Gunstbezeugungen und Höflichkeitsbeweise ohne Grenze forderte. Auch entwickelte er ein erstaunliches Interesse für das Ergehen Leocadias. Da Rita ihre Freundin und Beschützerin war. erschien es doch nur natürlich, daß er sich häusig erkundigte, wie es denn der armen kleinen Frau" ginge. Sie haben ganz recht getan, Dona Rita, absolut recht. Sie haben damit bewiesen, daß Sie eine Dame mit gütigem Herzen sind" Ah, mein Freund, wir müssen doch in dieser Welt gütig sein, denn wir wissen nie, ob wir nicht selbst einmal jemandes Güte brauchen werden. Rita teilte dem Steinmetz mit. sie hätte di� Frau des Schmieds erst bei«in paar befreundeten Waschfrauen in der Rua Cattete untergebracht und ihr später eine Stelle als Kinderpflegenn bei einer Familie besorgt, für die sie früher gewaschen hatte. Und jetzt hatte Leocadia eine noch besiere Stelle in einer Mädchenschule. ..Fein, ausgezeichnet!" meinte Isronymo beifällig. ..3a. so geht's", erklärte die Mulattin.  Die West ist weit und hat Raum für Dicke wie für Magere. Rur   ein Narr begeht Selbstmord." Jeronymo nahm nie seine Gltarr« zur Hand, ahne zu versuchen, die Melodien zu spielen, welche die Bahianerln iang. 3n Nächten, in denen sich alle zu einerSamba" vor- sammeston. kam er als Erster und ging als Letzter. Dann stand er versmiken wie am ersten Abend und sah. jeder anderen Regung unfähig, der Mulattin beim Tanz zu. Und
sie, die wohl merkte, was für einen Zauber sie auf chn aus- übte, tanzte für ihn und vor ihm und berührte ihn sogar mit ihrem wirbelnden Rock. Und sie lachte. Es war kein Zweifel, Jeronymo war in Ritas Banden. Piedade suchte in ihrer Verzweiflung die Hexe auf und flehte sie an. ihr zu helfen. Die aste Negerin schloß sich mit der Bittstellerin ein, zündete Wachskerzen an und verbrannte aromatische Zauberkräuter. Dann schlug sie Piedade die Karten, und nach einem komplizierten Verfahren mit Köni­gen. Damen und Buben, bei dem die Haxe jedesmal kabba- listischs Formeln murmelte, erklärte sie mit äußerster Ruhe und Feierkichkest, und ohne die Augen von den Karten zu erheben, sein Kopf sei von einer dunklen Frau verdreht worden. Rita Bahiana!" rief Piedade aus, die von den Künsten der Hexe überzeugt war.3ch habe es die ganze Zell   im Herzen gefühll. Oh, mein armer, lieber Mann; mein armer. lieber Mann!" Und sie weinte, wischte sich die Augen mit dem Schürzenzipfel ab und bat die Hexe um der Liebe zu den armen kleinen Seelchen im Fegefeuer willen, ihr ein Heilmittel für das unerträgliche Leiden zu geben. Wenn ich diesen Mann verliere. Dona Paula", schluchzte das unglückliche Wesen,weiß ich nicht, was aus mir wer- den soll. Geben Sie mir etwas, das ihn zu mir zurückführt ich kann einfach nicht ohne ihn leben." Nach einigem Nachdenken und weiterem Befragen der Karten riet die Negerin der unglücklichen Frau, etwas von dem Wasser, in dem sie sich wusch, aufzuheben und es jeden Morgen in den Kaffee zu mischen, den sie Ihrem Manne zu trinken gab. Wenn das noch nichts half, mußte ein stärkeres Zaubermittel angewandt werden. Dann mußte sie eine Locke chres Haares abschneiden, sie verbrennen und unter sein Essen mischen. Piedade lauschte diesen Anordnungen mit tiefem, an­dachtsvollen Schweigen und mit der kummervollen Miene eines Menschen, dem der Arzt eine entmutigende Diagiysse für einen geliebten Kranken stellt. Dann legte sie eine Silber- münze in' die Hand der Zauberin und versprach, falls sich chre Rezepte ctfs wirksam erwiesen, eine noch höhere Belvh- nung. Aber nicht nur die Portugiesin war durch Zeronymös Leidenschaft für die Mulattin erbittert. Auch Firmo hatte di« Flamme entdeckt, die seine Freundin im Herzen eines
Rivalen entfacht hatte, und beäugte den Steinmetz m.tt her­ausfordernden Blicken. Er arbeitete jetzt regelmäßig und wohnte nicht in der Siedlung, obwohl er seine Nächte in Rstas Haus zubrachte und Sonntags von früh bis spät in ihrer Gesellschaft blieb, während des ganzen lärmenden Festes, das die Arbetter regelmäßig an ihrem Ruhetag feierten. Eitles Tages kam er unerwartet schon mittags an und sah gerade, wie sich der Portugiese mit Rita unterhielt, die an ihrer Wanne arbellete. Er ging ohne ein Wort zu sprechen vorüber nach Nummer neun, wohin sie ihm bald folgte.(St erwähnte nichts von seinen Besorgnissen, machte aber auch kemerlei Anstallen, seine Mißstimmung zu ver- bergen. Den ganzen Nachmittag wqr er reizbar und übel gelaunt und blieb so bis nach dem Essen: dann schlürfte er Paraty" und fing an von Schlägereien zu erzählen, von den Heldentaten, die er in seiner wilden Jugend mit dem Rasiermesser vollbracht hätte, und gab schließlich der Meinung Ausdrucks daß solche Methoden die einzigen seien, um private Rechnungen zu begleichen. Unter seinen früheren Ruhmes­taten waren auch zwei Angelegenheiten mitdämlichen Ein- Wanderern", die zähste er aber nicht mit. denn solche Leute sah er nicht als menschliche Geschöpfe an man konnte sie aufschlitzen, wie man ein Schwein schlachtet. Mita verstand, worauf er hinzielte, und versuchte seine Eifersucht zu bc- schwichtigen- Früh am nächsten Morgen gingen die beiden Männer über den Hof, und die Blicke, die sie austauschten, kannten nur als offene Herausfardermig gedeutet werden. Aber keiner sprach ein Wort. Rita beschloß, den Steinmetz zu warnen, da sie genau wußte, daß Firma in einer seiner Elfersuchtsanwandlungen vor nichts haltmachte- Aber als Jeronymo mittags vom Steinbruch zurückkam, war im Hause bereits ein neuer Skandal im Gange, diesmal in Nummer 12, zwischen der alten Marcianna und ihrer Tochter Florinda. und so vergaß sie die Gefahr, in der der Portugiese schwebte. Marcianna hatte sich schon lange wegen ihrer Tochter Sorgen gemacht. An diesem Tage nun hatten die beiden bei Tisch gesessen, und Florinda war vor Ende der Mahlzeit auf- gestanden und ins Schlafzimmer gelaufen, wo Marcianna sie fand. Was ist mit dir los?" forschte sie und sah dem Mädchen fest ins Gesicht.» Nichts, Mama", war die Antwort. .Llber wie ist dir denn, was fühlst du denn?" Nichts, Mama; nichts."(Fortsetzung folgt)