Juristischer Unfug.
Richtverbot der Abtreibung durch den Ehemann gleich
Anstiftung?
Tatbestand: Die Frau des Telegraphenarbeiters Karl G. in Aschersleben fühlte sich im Sommer 1929 guter Hoffnung und ging auf Anraten einer Freundin zu einer weisen Frau, der Witwe Anna H. in Aschersleben , das erstemal ohne Erfolg, das zweitema! mit dem traurigen Ausgang, daß sie sich niederlegen mußte und starb. Die Freundin, die ihr die Adresse der weisen Frau vermittelt hatte, nahm sich aus Kummer das Leben. Die Witwe Anna H.
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wurde im Dezember 1929 wegen Abtreibung in Lateinheit mit 2219 fahrlaffiger Tötung zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.
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Damit hätte diese Frauentragödie erledigt sein können. Aber die Justiz wolte es anders: Sie stellte auch den Ehemann der Bersiorbenen, den Telegraphenarbeiter Karl G., wegen Anstiftung zur Abtreibung. unter Anflage. Die Verhandlung ergab im Sinne einer Anstiftung gemäß§ 48 des Strafgesetzbuchs nicht das mindeſte.arblow Im Gegenteil, das Urteil stellte fest, daß der Angeklagte semner Ehefrau, als sie das erstemal die Abtreiberin aufsuchte, angeraten hatte, ie folle es Theber bleiben lassen". Das zweitenial hatte er ihr erklärt: Benn sie es durchaus wolle, fönne er auch nichts daran ändern. Damit wollte, wie das Urteil feft. stellt, der Angeflagte ausdrüden, daß er zur Arbeit gehen müsse, also nicht die Möglichkeit habe, seine Frau an ihrem Vor
baben zu verhindern. Bericht au clier Beru
Troßdem gelangt das Gericht zu einer Berurteilung des Angeklagten wegen Anstiftung zur Abtreibung! Es ertlärt, daß der 86 Angeklagte
teine besonderen Anstrengungen gemacht habe,
feiner Frau die Abtreibung zu verbieten. Daraus folge, daß er die Abtreibung durchaus gebilligt(!!) habe. Für den Angeklagten aber habe eine Rechtspflicht bestanden, seine Frau von der Abtreibung der von ihm erzeugten Frucht abzuhalten. Er sei auch zur Erfüllung diefer Rechtspflicht in der Lage gewesen, da bei seiner allgemein als sanft und fügsam befannten Frau ein energisches Berbot genügt haben würde, sie von der Tat abzuhalten". Dem Angeklagten fei auch ohne Zweifel" befannt gewesen, daß Abtreibungen nicht selten zum Tode führen.
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Es sei daher auch dieser Erfolg von ihm vorauszusehen gewesen, weswegen er nicht nur wegen Anstiftung zur Abtreibung, sondern auch in Tateinheit damit wegen fahrlässiger Tötung infolge schuldhafter Unterlassung einer Rechtspflicht zu bestrafen sei. Im Strafmaß geht das Urteil noch über die Strafe hinaus, die der Witwe Anna H. wegen Bornahme der Abtreibung auferlegt worden war: der Angeklagte G. wurde zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt.
Das Urteil, an dem die Halberstädter Amtsgerichtsräte Dr. Lippert und Dr. Büchner als Berufsrichter mitgewirkt haben, ist juristisch wie menschlich gleich ungeheuerlich.§ 48 Abs. 1 des ist juristisch wie menschlich gleich ungeheuerlich.§ 48 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs lautet:
Ats Anstifter wird bestraft, mer einen anderen zu der von demselben begangenen strafbaren Handlung durch Gea schente oder Bersprechen, durch Drohung, durch Mi: brau des Anfehens oder der Gewalt, durch abfichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines 3rrtums ober durch andere Mittel vorsätzlich bestimmt hat.
Asbestimmen" bezeichnet ein anerkannter Kommentar: den Entschluß zur Begehung einer fontreten Tat bei einer anderen Berfon hervorrufen Niemals tann also die Duldung des bereits gefaßten Entschlusses eines anderen Antiftung sein. 3m Dorliegenden Falle hat die Ehefrau den Entschluß zur Abtreibung selbständig gefaßt. Ob der Ehemann diesen Entschluß -auf teinen Fall hat er ihn hervorgerufen, auf keinen Fall hat er also feine Chefrau im Sinne des§ 48 zu ihrer Tat bestimmt.
bulbete oder nicht,
Der Abg. Rutiner, juristischer Referent der sozialdemokrati. fchen Frattion im Preußischen Landtag, hat eine Kleine Anfrage eingebracht, die sich mit diesem Urteil des Erweiterten Schöffen gerichts in Halberstadt beschäftigt. Das Staatsministerium soll era lären, ob es bereit fei, die Staatsanwaltschaft zu veran Taffen, gegen dieses Urteil die zulässigen Rechtsmittel zugunsten des Verurteilten einzulegen und über die Konstruktion des Urteils eine höchftinstanzliche Entscheidung herbeizuführen.
Hafenkreuz- Zeitungspläne. Hitler will eine Tageszeitung in Berlin aufmachen.
München , 4. Februar.( Eigenbericht.).
Hitler fündigt an, daß am 1. Oktober dieses Jahres ein ,, 2301fischer Beobachter für Groß Berlin " erscheinen soll, der in eigener Druderet und durch eine eigene Rebaftion in Berlin hergestellt wird. Für die Zwischenzeit wird dieses Blatt in München gedruckt und erscheint ab 1. März. Die Mittel für den Ausbau des Berliner Betriebes follen durch eine Steigerung der heutigen Auflageziffern des Bältischen Beobachters" gewonnen werden, die man durch eine viermonatige Werbeaktion zu erreichen hofft. Als Brämien für die Werber werden filberne und goldene Hitler- Nadeln in großem und fleinem Format in Aussicht gestellt, ferner Photoapparate, Motorräder und sogar ein Personen und ein Laft automobil.
Streicher vor dem Reichsgericht.
Rev.fion verworfen.
Leipzig , 4. Februar. Das Reichsgericht bestätigte heute durch Verwerfung der Revision das Urteil des Schwurgerichts Nürnberg vom 4. November 1929, das den Landtagsabgeordneten Streicher zu zwei und den Schriftleiter Karl Holz des Stürmer" in Nürnberg zu drei Monaten Gefängnis wegen Religionsvergehens verurteitt hat. 3m ,, Stürmer" mar seinerzeit im Zusammenhang mit der Mordaffäre Husmann- Daube
in verschiedenen Artikeln
( Streicher fommt nur für einen dieser Artikel in Beiracht) den Juden zur Last gelegt, daß es sich auch hier wieder wahrscheinlich um einen Ritualmord handle, wie sie in früheren Zeiten vielfach begangen worden seien. Das Schwurgericht erachtete diese Vorwürfe in einer Weise gegen die jüdische Religionsgemeinschaft erhoben, die wegen ihres beschimpfenden Charakters den Tatbestand des § 166 StrB. erfüllen.
Bergleich zwischen Sirche und Staat in Anhalt. 3wischen der enangelich- unierten anhaltischen Landestirche und dem anhaltischen Staat ist ein endgültiger Bergieich vereinbart worden, der noch der Suftimmung der gefeßgebenden Körperschaften bedarf. Danach be zahlt der Staat der Kirche rüdwirtend ab 1. April 1924 eine dauernde ente von 300 000 m. jährlich. Die Rüdstäände des Staates an Die Kirdje, bie: 760 000 m. betragen, werden in mehreren Raten
bezahlt.
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Aber der Platz ist völlig leer."
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berichten wir: Angesichts unserer eisernen Entschlossenheit wagte fein Schupo, fich sehen zu lassen."
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Französisch- italienische Annäherung
Neue Gruppierung auf der Flottenkonferenz.
Condon, 4. Februar. ( Eigenbericht.)
Ueber den Inhalt der von den Franzosen auf der heutigen Sigung der Flottentonferenz eingereichten Borschläge erfährt der Londoner Korrespondent des Vorwärts" folgende
Einzelheiten:
die Pflicht, bekanntzugeben, in welcher Art fie die Gesamtfonnage auf die verschiedenen Kategorien vorbehaltlich eines begrenzten Transferrechtes verteilen würde.
schen Borschlägen einverstanden und identifizierte sich aus Der italienische Delegierte erklärte sich mit den französidrücklich mit der französischen Forderung nach einer Festsehung der Gesamtlonnage. Auf der anderen Seite befiehen Engländer und Ametitaner nach wie vor auf der Festsehung der Högtonnage für jede kategorie
Die im französischen Memorandum vom Dezember niedergelegte Forderung nach einem beschränkten Recht auf Tonnage. verschiebung zwischen den verschiedenen Schiffsfategorien bleibt unverändert aufrechterhalten; fie wird jedoch durch einen neuen Gedanken ergänzt. Die Franzosen schlagen nunmehr die Damit ist mit dem heufigen Tage eine hochbedeuffome ReuFestfehung einer Magimattonnage vor, die theoretisch für gruppierung Frankreich 31alien einerseits und Engalle fünf Mächte Geltung haben soll und von feiner Macht über- land- Amerika andererseits auf der Flottenkonferenz in Erfcheinung getreten. Japan hat sich zu den Borschlägen bisher nicht fchritten werden darf. gedußert.
darüber abgeben, welche Tonnage fie tatsächlich auf die Dauer der Uber jede Macht foll von sich aus freiwillig eine Erklärung Sonvention für sich in Anspruch nehmen wird. Mit dem Vorschlag foll ganz offenfundig von franzöfifcher Selle den 3 falienern eine goldene Brüde gebaut werden, Italien hätte dann auf dem Papier volle Parität mit sämtlichen anderen Seemächten und besonders mit Frankreich ; es würde sich jedoch freiwillig zu verpflichten haben, während der Geltungsdauer der Konvention von der Marimaltonnage nicht Gebrauch zu machen. Jede Macht hätte| Abkommen zwischen den beiden Mächten finden wird.
Wichtiger als der Gegensah zrolschen der englisch - amerikanischen und der französisch- italienischen Auffassung wird in London die Taifache betrachtet, daß sich mit den heutigen Berhandlungen die Ausficht auf eine Ueberbrüfung der franzöflich- italieniigen Flotten rivalität eröffnet hat
Man vermutet in London , daß die neue italienisch- franzöfifche Harmonie in nächster Zeit die Ergänzung durch ein politisches
Keine Kürzung der Beamtengehälter
Wiederholte Erklärung im preußischen Landtag.
Der Landtag hörte zu Beginn seiner Dienstagssigung den Nach| funft eine genügende Kontrolle. Der vom Abg. Simon( S03.) geruf des Präsidenten Bartels auf den am Sonnabend verstorbenen forderte allgemeine Härte paragraph im Besoldungstommunistischen Abgeordneten Dr. Ernst Meyer stehend an. Abg. gefeß sei wegen der Finanznot nicht durchführbar. Schulz- Neukölln brüllte während des Nachrufs des Präsidenten HochAn einen Abbau der Beamtengehälter dente das Finanzrufe auf die Revolution und die Sowjetmacht dazwischen. minifterium weder im Reich, noch in Preußen.
Hierauf wurde der Etat des Finanzministeriums weiterberaten.
Abg. Grebe( 3entr.) und Abg. Meyer( Herford )( DWP.) forderten Beseitigung von Besoldungshärten. Hierauf wurden die Abstimmungen zum Etat des Bolts wohlfahrtsministeriums vorgenommen.
Ein Untrag der Wirtschaftspartei zugunsten der Innungsfrankenfaffen wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt. Ebenso ein Antrag der Kommunisten, der Fahrpreisermäßigung für die Spartakus- Jugend fordert.
Abgelehnt wurde auch der Antrag der Deutschnationalen auf Einführung einer allgemeinen Arbeitsdienstpflicht für alle 18 bis 21jährigen Jugendlichen.
Der fozialdemokratische Antrag, die Fürsorgeerziehung den Jugendamtern zu übertragen, wurde von allen bürgerlichen Parteien abgelehnt.
Ein weiterer sozialdemokratischer Antrag, die Witwen- und Waisenrenten der Invalidenversicherung auch dann auszuzahlen, wenn der Versicherte vor 1912 gestorben ist, wurde an den Aus fchuß zurüdverwiesen.
In der fortgeführten Debatte zum Etat des Finanzministeriums erklärte Abg. Kasper( Komm.), die Kürzung der Beamtengehälter stünde trotz aller Dementis bevor.
Finanzminister Dr. Höpfer- Aschoff wendet sich gegen einen Antrag der Bauernpartei, den Leiter des Finanzamts in Coesfeld ju maßregeln. Die Darstellung Jeines Bar gehens im Antrag der Bauernpartei sei durchaus falsch. Aber es sei überhaupt finnlos, derartige Anträge im Preußischen 2 andtag einzubringen, statt sich an das Reichsfinanzminifterium oder den Reichstag zu wenden. Der Finanzminister bittet, von der Cinfeßung eines linterfuchungsausschusses über den Zusammenbruch der Beamtenbanken abzusehen. Man tönne über diese pripaten Gründungen sehr verschiedener Meinung fein; die Staatsregierung habe, jebenfalls ihre Geschäftsführung nicht zu verantworten. Der Anschluß aller Beamtenbanken an die Preußentasse sichere in 3u
Die Bermehrung der Zahl der Angestellten sei nur scheinbar; es handle sich um die Etatisierung von Angestellten, die z. B. bei den Landräten schon immer vorhanden gewesen seien. Auf dem Boden des Berufsbeamtentums stünden alle Parteien und vor allem die Regierung.
Abg. Len( Nat. Soz.): Der Abbau der Beamtengehälter wird unter dem Young- Plan doch tommen.
Ein Schlußantrag wird angenommen. Nächste Sizung Mittmod vormittag 10 Uhr: Erste Lesung des Landwirtschaftskammergefeges, hamburgisch- preußische Polizeigemeinschaft.
London , 4. Februar.( Eigenbericht.) Wie aus Madrid gemeldet wird, hat der neue spanische Minifterpräsident Berenguer den bekannten republikanischen Schrift. steller Unamuno , der unter Primo de Rivera Verfolgungen ausgesetzt war und ins Ausland flüchtete, amnestiert.
Der Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Heimerich, der in letzter Zeit viel im Zusammenhang mit dem Berliner Oberbürgermeister poften genannt wurde, erfiärt in einer Zuschrift an die neue Ba dische Landeszeitung", er beabsichtige feinesfalls eine etwa in Frage tommende Kandidatur für die Berliner Oberbürgermeisterſtelle an zunehmen..
Das fichechoslowakische Abgeordnetenhaus hat den Bericht des Außenminifters Dr. Benesch über die Haager Konferenz mit den Stimmen der Mehrheitsparteien zur Kenntnis genommen.
bildung der Regierungskoalition in Lettland ist Außenminister Der lettische Außenminister zurüdgetreten. Infolge der UmBalodis zurüdgetreten. Ministerpräsident Ceimin hat das Ministerium des Aeußeren übernommen. Heußere