Sonnavend 6. Februar 1930
Unterhaltung und Wissen
Beilage des Vorwärts
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Sfermann 9Com: ZJltt füi
Am Morgen kxgami schon die PafmtarbeU. Die Mannschaft kletterte mit Töpfen, in denen Farbe und brauner Teer waren, die Strickleitern hinauf, um die Rcchen zu streichen und das stehende Gut und die Wanten mit dem saftigen Teer zu streichen, desten starker, herber Dust das ganze Schiss durchdrang. Sie wußten, das war das erste. Dann mußten die Stengen mit Glas und Eisen non alten Rückständen reingeschabt und irisches Ool ausgetragen werde:». War dann alles oben fertig, wurde das Schiff neu ge- stricheir, und zuletzt kam das Deck dran. Man sang das Lied von ..Sand und Steinen" urd schob, aus den Knien liegend, die schweren vierkantigen Steine über den kmrschendcn Sand, bis die Planken weiß blühten. War diese Arbeit vollbracht und das Schiff im neuen Klsrdc. war auch der Passat bald zu Ende. Der Segelmachcr und der Zimmermann gingen keine Woche nrehr mit. Der eine nähte aus dem Deck der Kajüte feine Segel. der andere stand wichtig vor zwei Böcken und haute aus Maha- gonibretter» einen Spiegelschrank für den Kapitän. Das Meer behielt sein unergründliches, dunkles Blau, aus dem rings um das gleitend« Schiff der schneeweiße Schaum m verzweigtem Geädcr austauchie, um sich hinter dem Heck zu einem stillen, breiten Kielwasser zu vereinen, dos wie eine Schlange hinterdrein zog. Nichts lag zwischen dem ewig blauen Wasser und dem Himmel, als der Sonnenschein und der Wind, die Racken, Gesichter und Arme bräunten. Zuweilen, daß ein Bündel fliegender' Fische wie ein.Hagel silberner Pfeile über das Meer prasselte. Die Arbeit lastete nicht, denn sie ward nach wenigen Stunden immer wieder von der anderen Wache übernommen, und es war ein ständiges Scherzen der Gewohnheit, wenn die eine Ablösung der anderen vorroars, wie wenig sie hinter sich gebrocht. In den freien Stunden saßen sie uird schnitzten Schiise aus Holz und Spänen, nähten aus silbern blinkenden Manilafasern und grauem Hanf künstliche Ornamente und Streifen auf Segeltuch, oder flochten Matten und Taschen. Das Blau des Meeres, der lachende Himmel, das Dunkel der Nacht mit seinem Sternengcslimmer, die stillen, wcißgeblähten Segel, die«ine wundersam« Zuversicht gaben in ihrer steten, stolzen Rundung, das alles schwamm!n ihnen und eint« sie, wie die samten« Luft, in der Wörme und Kühle sich durchdrangen. Und jeder hatte Stunden tiefer Einsamkeit allein an Deck. Ehrfürchtigen Staunens voll, als auf«in Wunder blickte der Leichtmatrose Albrecht auf dieses Erlebnis, das die Unendlichkeit ganz m feine Röhe gebracht und in chm versenkt hatte. Ihm schien alles zu gehören, alles meint« er besitzen zu können. Man brauchte es nur mit guteu Absichten anzufassen, und«s mußt« sich einem erschließen. Einmal sahen sie«?« großes Schiff, das mit sonncngebleichten, schneeweiße« Segeln still wie ein Gestirn vorüberzog, und sie wechselten Grüß « mit bunten Flaggen. Das war das einzige Fahrzeug, das sie in diesen Wochen nahebei passierten, sonst sahen sie nur dünne Stäbchen mit weißen Wölkchen oder den schwarzen Flor eines in wester Fern« rauchenden Dampfer». Erst al» sie au» dem Rordostpassat in die Stille des Aequator» «amen, gab es Schiffe ringsum, die alle nicht wester koraiten. Hier brannte die Sonne, daß das Pech zwischen den Planken hervorran». und sie mußten mit Wasser kühlen. Bunte Quallen triebe» gleich Scharen von Kinderschiffchen über den glitzernden, glasten Ozean, und vorn« am Lug sah man tief unten in der See blau« Punkte schimmern. Das waren Fische, die sie Delphine nannten. Der Matrose Peter stand stundenlang mst dem neunzackigen Elker auf der Lauer, und als einmal einer der Fische wie ein Wunder in Purpur glänzend und mit goldenen Flößen im blauen Wosier zu ihm heraufschwebte, schleuderte er den Speer und traf. An Deck umstanden sie den heftig Schlagenden lange und sahen, wie die glänzenden Gold- und Purpurfarbe» sich in Silber ver- wandelten, durch dos es erst wie ein Sonnenumergang leuchtete. bis all die Pracht in einem düsteren Grau verschwand. Nur die großen Fischaugen glänzten noch hell und unergründlich Dmrn verschwanden die blauen Punkte am Bug in der Tiefe, und über dem Wasser ragten kleine graue Dreiecke, und der Zimmermann zeigte sie Paick. dem langen Jungen mst weit. gestrecktem Arm. Kannst sehen?— Das sind Haiel— An der ofrikanischen Küste, wie uns die Elsflether Bork unter die Füße weggesackt war. und wir aus'nem Floß längs trieben, da wimmelte es vo» dem Aaszeugs. Daß du fast drübergelien konntest, drängten sie durcheinander. Wir schlugen mit Riemen und Planken drauf, und der Alle schoß msttenmang Junge, da gingen sie mit die spitzen Nasen hoch und jumpten übereinander, und dos Blut machte sie wie toll." Sie fingen auch einen Hai am eisernen Haken mit Kette. Aber der Schiffer ging unruhig auf Achterdeck hin und her und wollte es nicht dulden, daß der Gefangene an Deck käme.„Ich— ich— ich will das nuh-- das tut kein gut.— Er schlägt leicht einem den Arm kaputt." Da führten sie den Fisch an der Leine nach vome. Er schlängelte sich gleich einem Aal, ließ unter seinen Schwanzschlägen das Wasser schäumen, und als er mit dem. spitzen Kopf« bis an die Verschanzung hochgezogen war, schlug er donnernd gegen die Außenkanten. du Aas/ machte der Zimmermann und bohrt« ihm das scharfe Stecheisen hinter die Kiemen. Dann säbelten su dem Feind« den Kops ab und zogen später auch noch den toten Körper an Bord. Aber in seinem langen, jackartigen Magen hotte das Tt«r«inen kleine», klaffenden Kinderstiefel und einen dieser schöne» Fisch-, dessen Augen noch leuchtend und klar wie Edelstein dos Licht schauten. Vorne an die äußerste Spitze des Klüverbaumes wurde die Schwanzflosse genagelt. Die Haut zogen sie ab. und vom Gebiß schäste man die Haut von d«n Änorpelmoflen. in denen der Räuber m einer Scheide die dreizackigen, gesägten, wie die spitzen weiß«» Zähne gleich Katzenkrallcn getragen hatte. * Das war am Vormittag. Gegen Abend zog von Backbord eine schwarze Wand auf, die die Sonn« verdüsterte und fahl«, unheim. Lch« Dämmerung auf das Weer legt«. Die Mannschaft drängt« sich zusammen und sah noch dem Kapitän, dessen eines schielende» Aug» SnglUlH hervortrat___-..........
Als durch die Luft lange Schauer zitterten, di« durch das Schiff seufzten, gab er ihnen das Wort, und sie stürzten mit gellendem Jauchzen an die Arbeit, daß di« Rahen knatterten, die Stachsegel rauschten und Berge von Hansgut das Deck füllten. Der Segelmacher und der Zimmermann schleppten wie Bauern vor dem Gewitter ihr« Arbeit von Deck, und alles enterte die Waitten hinauf, wo dos zerknüllte Segeltuch an den Rahen hing und die Stengen kahl standen. Sie fühlten in der Luft die schwere, prickelnde Ladung, und oben sahen sie blaue Flämmchen mit hellen Strahlcnbündein die Rahen entlang gleiten. „Höhol" schrie Peter in die schwarze Dämmerung,„der Äla- bautermann!" Plötzlich hielten sie in der Arbeit inne und sahen nach dem Zimmermann, dessen Antlitz sohl erleuchtet war, und Flammen zuckten um seine abstehende alte Mütze. Sein Bart war gesträubt, und er griff bänglich verzogenen Gesichts mit der.Hand nach feinem Kopf«. Dann stürste warmer Regen herab, gutmütiger Donner rollte, und kugligc Blitz« glitten durch iue Wolken. Aber die Segel schlappten kaum, und der Schisser rief sie an Deck, wo sie im Regen pat-slbten, Segel auft'pannten, um Süßwasser zu sangen, und alle ihre Wäiche an Deck warfen, um das harte Salz auszuspülen. In der Nacht kam dann Wind, und morgens paisierten sie den Aequator. „.Hast du nicht gemerkt, wie das Schiff einen lüttjen Sprung machte?" sagte einer zu dem langen Paul.„Das war. als wir die Linie passierten! Da ist'n großes Tau rund im» die ganze Erde gespannt." Einmal stand der Leichtmatros« am Ruder, und als er hinter sich einen fremden Lufthauch spürte, sah er einen großen Vogel di« Flügel zusammenschlagen. Er war ganz mit sich selbst beschäftigt, ordnete die Federn mit seinem grünen Schnabel und duckte sich behaglich Er wurde erst aufmerksam, als der Leichtmatrose eine Bewegung machte. Da reckt««r den Kopf schief in die Höhe, guckle mißtrauisch erhob sich aus seine Beine und stieß mit dem Schnabel nach dem wollenen Hemde des Rudergastes. Er hielt das Kartenhäuschcn für seinen eigenen Besitz und bekam böse, schillernde Augen, als einer»ach dem anderen ihn betrachtete und näher kam. Gegen jeden ging er zum Angriff vor. Er blieb den ganzen Tag, und als ihn der Koch mit der Fcuer zange ins Wasser warf, schüttest.' er zornig die Federn, flog auf und stand gleich danms wieder bösartig und hartnäckig auf seinem entdeckten Eiland, das er für seinen Besitz hi«st. Ader er kam bös an, denn der Koch b«kam auch seinen Zorn und schlug ihn mit der Feuerzange wieder über Bord, daß er mit zerbrochenem Flügel im Wasser davontrieb. So endet« seine Bekanntschaft mst den Menschen.
•Der Mexeniehufi
Es gibt im Menschenleben Augenblick«, da der„Eine" das Dasein verflucht, indes der„Andere", der Zuschauer, jeglichen Mst- leids bor, lächelt, mal mehr spöttisch, mal mehr ein wenig verächt- lich. Aber aus alle Fälle lächelt, obwohl der„Eine" vor Schmerz kaum sich bewegen kann. So geht's eben dem vom.Hexenschuß Betroffenen, dessen Kummer von seiner Ilmgebung nicht recht ernst genommen wird. Weiß doch der„Andere" aus Erfahrung, daß liese Erkrankung längsten- in vier bis fünf Tagen wieder spurlos verschwunden sein wird. Zudem niacht der von der Hexe Geschossene meist eine tragi-- komische Figur. Und doch hat da? plötzliche, blitzartige Austreten dieser Krankheit ohne recht erkennbare Ursache etwas Gruseliges an sich. Kein Wunder, wenn im grauen Mittelalter der Aberglaube herrschte, eine spukhafte, tückische Hexe sei es, die unsichtbar aus verborgenem Versteck heraus den Ahnungslosen mit einem Pfeil hinterrücks anschieße. Daher dar Name. In unserer nüchternen Zeit verweist die moderne Medizin den.Hexenschuh in das prosaische Reich des Muskelrheumatismus: womit im übrigen hinsichtlich Eni- stehungsursache und Wesen der Erkrankung auch noch nicht viel g?- wonnen ist. Bielleicht spielt eilte Erkältung, eine plötzliche Ab- kühlimg, ein Zug, eine Entblößung im Schlaf oder der gl. ein« ursächliche Rolle: vielleicht auch eine ungeschickt« Bewegung: möglicherweise kommt auch eine gewisse Disposition in Frage, Mit einem Worte: genaues weiß man nicht. Und das Dunkel rund um den Hexenschuß herum erscheint auch deshalb um so schwärzer, als keine aitsgesprochenen Beränderurrge« in den schmerzha tatt Rückenmuskeln fühl- oder sichtbar sind. Mol findet sich zwar ein« kleine Anschwellung,«ine Verhärtung, aber keineswegs tnim-r. Also wo man hinsaht, nirgends etwas recht Grcikbares Nur der Schmerz, der ist für den Kranken und.'streitbar vorbanden, zumal beim Bücken, Sitzen, Wenden, Ausstehen. Alle Sünden büßt �or". wenn er den Hosenträger hinten an der.Hose befestigen muß. Na. und„sie" ist verzweifelt, wenn das Handtäschchen zu Boden fällt und kein galanter Kavalier zum Ausheben in der Nähe ist. Selbst auf der Chaiselongue und im Bekt kommen die Acrmst«n nicht gleich.zur Rohe. Nachdem die böse Hexe ins Reich der Fabel verbannt worden ist,«nffällt auch die früher übliche Behandlung durch Austreiben des Hexcngeschosjes mittels Beschwören und Besprechen. Heut.zu- tage hält man mehr von Hitze in jeglicher Form. Elektrische He'Z- kissen, feucht« heiße Umschläge. Thermophore, Schwitzkuren. he:ße Bäd«r und dergleichen stehen in hohem Ansetzen. Auch schmerz- stillende innere Medikamente und äußere Mittel zum Einreiben mst leichter, aber auch mst kräftig massierender Hand erfreuen sich ver- breiteter Beliebtheit. Unzweifelhaft biist all dies die Schmerzen lindern. Aber auch ohne Behandlung schwindet der lästig« Sch'.nerz in längstens einer Ü&ochc— so und so geht der Schmerz-™>, jedoch mitunter kehrt er auch wioder, manchmal früher, manchmal später und schließlich zum Glück manchmal auch gar nicht. i)r. weck. S. dl-iiSdacber.
Stichard 3)ehmel mum QedäcMnis SZu feinem sehnten Todestage am 8. Sebruar
Sein Lebenswerk ist nicht groß.'Seine Lvrik ist zumeist von persönlichsten Erlebnissen durchtränkt. Sein Jnterefle für die großen Fragen der Zoit und die Gewitterwolken, die sich da auftürmten, war indirekt: er sah sie durch das Auge des Dichters, ciwas fern und abgeblaßt, nicht unbeteiligt, aber doch festen selbst auf's tiefftc mit- gerissen. Sein Menschenttun war aber echt und wahr. Seine Fähigkeit, zu erleben und die Schicksale der Natur und des Menschen in einer neuen Art msteinander zu verbinden, war groß. Und aus diesen Gründen hat er sich die Achtung und Bewuitderung der meisten erworben: sie glaubten an ihn als den größten Lyriker der Borkriegsgeneratton. Haben wir Menschen eines härteren Zeitalters noch Verständnis für einen Lyriker, je, für die Lyrik überhaupt, die die menschlichen SeelensUnuttungen zergliedert?„Technik, nicht Lyrik", sagt einer der Propheten der heutigen rauhen Wirklichkeit, Oswald Spengler . Und er wird darin recht haben, daß wir eine Lyrik, die im Ge- nießcrischen steckeitbleibt, nicht mehr schätzen können. Wir wollen eine, di« sich dem Leben und seinen Neuerungen verpflichtet weiß, die mit in der Erschütterung der leidenden Massen steht und dadurch Ausruf zum Kampf um die Freihest wird. Wie Ist es da mit Richard Dehme!? Dehme! ist immer zunächst und vor allem der Dichter, der die Erlebnisse seiner Leidenschast in dichterische Form gleht. Er hat studiert, war in der Stellung eines leitenden Sekretärs im Ber - sicherungswesen tätig(wie übrigens auch Thomas Mann ), schrieb seine Doktorarbeit und mannigfache Auffätzc gegen die Sozialisierung der Feuerversicherung, entsagt« dann nach langem Hin und Her diesem Brotberuse, da seine Frau eine Erbschaft gemacht hatte und lebte dann als freier Mann. Die Sorge hat er also nicht gekannt. Und doch kam er mit der Arbeiterbewegung in Berührung, und zwar auf zwiefachem Wege. Bei seiner wissenschaftlichen Arbeit wurde er doch an dem reinen prioatwirtschaftlichen System unsicher: er sprach schließlich deutlich aus, daß das Ziel doch di« Berstaat- lichung der Versicherung sein müsie. Und von daher gewann er Berständnis für die sozialistischen Forderunge» der Massen, die eine gemeinsame Verantwortung im Wirtschaftsleben haben wollen. Dazu tritt aber seine große Weltoffenhoit. Seine Lyrik ist immer durchzogen von dem heimlichen Willen, nicht nur im Persönlichen stecken zu bleiben, soitdcrn den ganzen Umkreis des Lebens zu be- schreiten. Da er selbst den Weg einer inneren Befreiung zu wahrer Menschlichkeit ging, stieß er gan.) von selbst auch aus die tragende innere Krast der Arbeiterbewegung: und die heißt: Wille zur neuen und reineren Menschlichkeit. Der feinsinnige Biograph Dchmels, der ihm persönlich nahestand, Justus Bab, sagt von seinem Verhällnis zur Arbeiterbewegung der Sozialdsmukrettie:„Er ist niemals ihr gruitdsätzlicher Parteigänger gewesen, aber immer ihr respektvoller, oft ihr ergriffener Zuschauer und in vielen Einzellöllen' ihr praktisch Verbündeter." Er sieht mit dem tief dringenden Blicke des Dichters das Elend der Zeit, und er dichtet: „Und durch die Brust schlich mir ein Bangen. Als sei ich auch schuD an all dem Jammer."
In Dehme ! schlug also das böse Gewissen des bürgerlichen Menschen. Und er erkennt als Motiv der sozialistischen Bewegung das Streben nach Anerkemtung, nach Mens ch. sei n-dü r sen. Vom Müggelsee bLckt er einmal aus den„Wold der Schlo'e und der Esten", und da regt sich in ihm das Verständnis für die Kollektive. heraus aus dem Genießerischen, hin zum Willen eines Volkes: „Nicht sickert einsam mehr von Brust zu Brüsten Aus stiller Tiefe nur der Sehnsucht Quell: Heut' stöhnt ein Volk nach Liebe wild und grell— Und du kannst schwelgen noch in Wehmutslüsten?" Am eingehendsten hat sich Dehme! mit dem Wesen des Goziaiie- mus auseinandergesetzt, als der bekannte italienisch? Dichter-Poliriker d'Anraincio eine eitle Rede zum„Volke" gehalten hafte, die l>«r jüngst verstorbene Dichter Hugo von Hofsmannschal übersetzt und als die endliche„Ucberwindung des Zwiespalts von Denken und Tun" gepriesen hatte. Die Rede verherrlichte den Eigentumsbegriff, der doch auch bei der ttalienischen Laiidbevölkerung kaum im eigent- lichen Sinne vorhanden war, und sie war ausgesprochen gegen den Sozialismus gerichtet. Da griff Dehme! ein mit einem leider fast unbekannten Prosastück, b et stell:„Der Wille zur Tat, ein Mahnruf an einsame Geister." Dort wird in einer sehr«chtcn und wahr- hastigen Form dem Geschrei vom„Materialismus" der Boden>ent- zogen und der materialistischen Seite sein Recht gegeben: „Wie kann der geistige Mensch zur Herrschaft kommen, wem, er Hingeben bleibt von Menschen, die nicht einmal der Pflege des Körpers freie Zeit genug widmen können. Kann denn das geistige Dasein sich steigern, wenn jedermanns«inne von leiblicher Unlust sind, und kann der Geist des einzelnen wachsen, wenn kein gemein- samer Boden sich bildet, der sein« Seele zum Wachstum anreizt?" Das ist wahrhastig vom Masscnschicksal aus gedacht, und es wird noch schärfer ausgedrückt in den Worten des gleichen Stückes: „Was dem Geiste recht ist. das ist dem Körper billig. Zu d«n Bedingungen des höchsten geistigen Daseins gehört vor allem der höchste Wohlstand des Leibes: und was der leibliche Arbeiter ernst- lich will, das mußten von je auch die geistigen wollen." So hat Dehme! umner mehr gegen eine Welt der Brutalität. der Dummheit und der Ungeistigkest Scllung genommen. Isilä ging er mst in den Krieg, mit 5t Jahren. Es litt ihn nicht zu.Hause, wenn alle leiden muhten. Und es war ein Stück Romantik dabei, die im Kriege etwas Besonderes sah, so wie es fein Freund Liliencron fein Leblag geschildert hatte. Und ein Drittes:«s war in Dehme ! eine persönliche Unrast, eine Sucht nach Abwechslung, die ihn wi« so viele in den Krieg trieb. Mer er genas bald vom Äriegswahit. Als Unteroffizier uitd dann Leutnant im Schützengraben gingen ihm die Augen ouft und so sehr er sich vielleicht imterlich wehrte, so sehr kam er dahin, daß er sagt:..Der Widersinn des Krieges zwischen gesitteten Menschen, die doch zumeist dos Gut« wollen. Werwältigte uns mit seiner ganzen gottverhäntzteu Unergründlich- kest. so daß wir schließlich laut lachten, um nicht Zit weinen." So grüßen wir Dehmels reine Menschlichkeit. Man wird ihn nicht so bald oergejsen. Hans Hartinann.