Morgenausgabe 3lr. 69
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47. Jahrgang
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Dienstag 11 Februar 1930 Groß-Äerlin 1© pf. Auswärts 15 pf. Sie«Intpotttg» Nonparewezeii« 80 Pfennig. Reklome eile S— Reichs»- mark.„Kleine Anzeigen' das etlge» druette Wort 25 Pfennig(zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. HjeUengejuche das erst« Wort IS Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über IS Buchstaben ihlen für zwei Wolle. Arbcitsmaitt eil« SO Pfennig. Familienonzeigen Ze la
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Heute$ Beratungen! Im Reichstag beginnt heute um 12 Uhr mittag die erste Lesung der Gesetze zur Ausführung des Joung-Plans. Sie wird mit einer Rede des Reichsaußenministers Dr. Cur- t i u s beginnen. * Die sozialdemokratrsche Rerchstagsfraktion hiell am Man- tag eine mehrstündige Sitzung ab. die sich mU der gegen- wältigen politischen Lage, insbesondere mit den Gesetzen zur Durchführung des Joung-Planes und der F.nanzlage des Reiches beschäftigte. Bei Beginn der Verhandlungen wid- mete der Vorsitzende Genosse D i t t m a n n dem so plötzlich aus dem Leben geschiedenen Genossen Paul L e v i Worte tiefempfundenen Gedenkens. An einleitende Referate der Genossen B r e i t s ch e i d und Hertz schloß sich eine eingehende Diskussion. In ihr wurde zum Ausdruck gebracht, daß die Hauptaufgabe auch fetzt in dem völligen Ausgleich der Haus- h a l te d e s R c i ch e s, der Länder und der Gemeinden, und der Aufrechterhaltung ihrer sozialpolitischen Verpflichtungen besteht. Wenn zur Erreichung d.eses Zieles S t e u e r e r- höhungen unvermeidlich sind, so darf bet ihnen der soziale Gesichtspunkt Nicht außer Acht gelassen wer- den. und es müssen alle Schichten des Volkes je nach ihrer Leistungsfähigkeit herangezogen werden. Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob es notwendig fei, im Jahre 1930 die Rsichsschuld um 600 Millionen zu senken, ob nicht vielmehr die Abdeckung von 450 Millionen nach der Vorschrift des Schuldentilgungsgesetzes genüge. Die Deckung der Fehlbeträge der Arbeits- losenoersicherung sei am besten durch die Erhöhung der Beiträge auf 4 Proz. und durch die Gewährung eines festen Reichszustbusies zu erreichen. Eine Zwangs- a n l e i h e des Reiches bei der Sozialversicherung für die Arbelslosenversicherung führe zu einer Verknappung der Mittel für den Baumarkt, und zu einer Gefährdung der Sozialleistungen. der ohnedies in schwierigen Verhältnisien sich befindenden Sozialversicherung und begegnet deshalb den cillerschwersten Bedenken. Von Beschlüssen zu den Zoung-Ge'etzen und zu dem Etat wurde abgesehen. Zu Unterhändlern für die am Dienstag beginnen- den interfraktionellen Verhandlungen über die Gestaltung des Etats 1930 wurden die Genossen Graßmann, Hertz und Keil bestimmt. Beschluß des Zentrums. Vorherige Klärung der Etatsfragen verlangt. Die Zentrumsfroktion des Reichstags beschäftigte sich ln ihrer Sitzung am Montag in erster Linie mit dem Problem der
Die neuen AgrarzSlle Rat fi'lervng des EchwedenabkommenS/ Die neuen Zölle treten in Kraft. Di« im Dezember vorigen Jahres vom Reichstag verablchted. ten neuen Agrarzöll« konnten bisher nur gegenüber denjenigen Ländern in Kraft treten, mit denen Deutschkond nicht im Handelsverträge- Verhältnis steht. Das Hindernis war der bicherigc deulsch-schwe- dische Handslsvertrag, der gegenüber den Dertrag-läitdern die deutsch -schwedsschen Dertragszölle in Kraft erhielt. Das Iusatzad- kommen zum schwedischen Handelsvertrag, in dem diese Bindungen aufgehoben werden, ist am Sonnabend vom schwedischen Reichstag angenommen worden, danach steht einem In- trajttreten der neuen Zölle nunmehr nichts mehr im Wege. In erster Linie werden hiervon die Getreide zölle be- trösten. Wöhrend bisher die neuen Zölle von Dezember 192» nur gegenüber Australien und Kanada galten, werden setzt für Roggen und Welzen allgemein die Gleitzölle in Kraft treten. Für den Augenblick bedeutet das eine Erhöhung dieser Zölle um 2 auf V M und 9,50 M.. für spätere Zeiten aber auch«inen Verbraucher- schütz durch Zollermäßigung bis auf 3 M, wenn die Preist anziehen. Für Hafer und Braugerste treten ebenfalls erhöhte starre Zö''e oon 8 und» M in Kraft, da es der Sozla'demokroti« nicht gelungen ist, im Zollkompf auch für dies« Produkt««inen(Ä-itzoll durchzu- setzen. Für RI n d v I« h treten ebenfalls die erhöhten Zölle von 21,50 Mark st Doppelzentner in Kraft, jedoch erhalt Schweden «in Äontin- »est von 5000, später 0000 Rmdom. die zmn olstn Zoll von 16 M.
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er Fraktionen. Sanierung der Reichsfinanzen. In Uebereinstimnumg mit dem Frak- tionsvorstand ist die Fraktion der einmütigen Auffassung, daß die mit dem Aoung-Plan zusammenhängenden Gesetze erst ver- abschiedet werden könn?n, wenn �!e mit der Sanierung der Reichs- finanzen In Verbindung stehenden Fragen geklärt sind. Die Mobilisierung der ersten Tranche. Paris , 10. Februar. lGigenbericht.) Ter Pariser.Korrespondent des»,S o z. Presse- d i e u st" erfährt aus gut informierten Pariser Finanz- kreisen, daß bereits umfassende Vorbereitungen im Gange sind, um die Mobilisierung der ersten Tranche der deutschen Reparationsschuld sofort«ach der Einrichtung der Internationalen Neparatiousbank vornehmen zu können. Tiefe Mobilisierung sollte in der Form einer internationalen Reparations» anleihe in der Höhe von 300 Millionen Dollar er- folge«, von denen 100 Millionen Dollar für Deutschland , die restliche« 200 Millionen für die Befriedigung der Reparatiousgläublger bestimmt sind. Die i n t e r» essierten Banken in den Vereinigte« Staaten solle« sich bereit erklärt haben, nicht nur die für Deutschland bestimmten 100 Millionen Dollar aufzubringen, sondern darüber hinaus auch«och an der Auflegung des für die Gläubiger bestimmte» Teiles mitzuwirken. Der franzö» sische Finanzmarkt dürfte gleichfalls etwa 100 Millionen Dollar zeichnen, während der Nest sich auf Italien , Eng» land und vielleicht auch auf einige neutrale Staate» ver- teilen dürfte. Organisationsfragen der BLZ. Alakland, 10. Februar. Der erste Ausschuß des Ovganifationskomitees der Bank für Internationale Zahlungen, bestehend aus Q u e s n o y, Frankreich , L i e p m a n, England, und van Z« e l a n d, Belgien , hatte heute in Mailand Besprechungen mit dem Generaldirektor der Bank von Italien über die Zusammensetzung des Verwaltungsrates der BIZ.. und über technisch« Organisationsfrogen. Die Be-lreter der Notenbanken Englands, Frankreichs und Belgiens reisten heute abend wieder nach G e n f. wo sie mit den Delegierten Deutsch - lande zusammentreffen wollrn. Oeuische Voifchast in Warschau ? Umwandlung noch dem Handelsvertrag.. Warschau , 10. Februar.(Eigenbericht. Warschauer Blätter berichten, daß man hier mit der bevor- stehenden Umwondlung der deutschen Gesandtschast in«ine Botschaft rechnet. Die Umwandlung soll, wie es heißt, sofort nach dem Abschluß der Handelsvertrags- Verhandlungen erfolgen.
eingeführt werden können. Wieweit diese Vergünstigung eines Ein- fuhrkontingents zum Zollsatz von 16 M auch anderen Ländern, insbesondere Dänemark , zugestanden w»rd, läßt sich heute noch nicht sagen. Reben den Rmdviehzöllen sind auch die Schafzölle aus 22,50 Mark erhöht worden. Für Schweine, deren Zoll im schwedischen Handelsvertrag zukünftig nicht mehr gebunden ist, tritt der Gleitzoll oon» bis 27 Mark in Kraft, solange«r nicht durch einen neuen Handelsvertrag aus 8 bis 24 M. ermäßigt wird. Für den Augenblick werden die Schwcinezölle von 16 auf 18 M. erhöht. Reu ausgenommen in den schwedischen Handelsvertrag wird eine Bindung des Leberzolles mit 16 M. gegenüber 32 M bisher. Durch das Schwedenabkommen dürfte sich gegenüber den bis- herigen Prcisverhältnissen nicht sehr viel ändern. Für Weizen ist eine gewisse Preiserhöhung möglich, während für die anderen Getreidearten auch die erhöhten Zölle kein« Preis- steigcrung, sondern nur«ine Sicherung des deutschen M a r k te s für den deutschen Erzeuger bringen. Di« Erhöhung der Viehzölle dürft« zu einem großen Teil von der ausländischen Land- Wirtschaft getragen werden: die Ermäßigung des Leberzolles ist für die Herstellung billiger Massenleberwurst von Bedeutung.
Di« deusich-polnische Grenze soll Milte Februar für die pol- nischen Saisonorbeiter gcS'fnet werden. Schon heute lagern Tausende von Arbeitern in der Grenzstadt Wielum, um am Tage der Erössnuna der Grenze nach Deutschland einreisen.zu können. DI« Mehrzahl dieser Arbeiter lagert trotz großer Kälte unter freiem Himmel.
Prag und Haag. Außenminister Äenesch und die Äefreiungstaxe. Von Rudolf Illovy. Prag , im Februar. Die Prager sind seit dem 20. Januar aufgeregt. Patrio- ten und Hüter der Ration schimpfen von früh bis in die Nacht und können es nicht begreifen, wie die Großmächte iin Haag der Tschechoslowakei eine Reparationszahsung unter dem Titel Befreiungstaxe auferlegen konnten. Das ist ja eine unerhörte Beleidigung! Der Benesch, der hat es auf dem Gewissen, nur der Bsnejch ist daran schuld. Er war es, der als Haupt der tschechoslowakischen Delegation diese Demütt- gung ruhig hingenommen hat, ohne den Engländern ins Ge- sicht zu fahren Ja, der Benesch, so säest der Herr Sektions» rat, und die gnädige Frau Ministerialober'ekretärsgemahlin. Es schimpft die ganze Tafelrunde in dem altberühmten Prager Bräuhause..Bei Flek"— die sogenannte Fle k- nation— und die dicken Prager Selchermeister, Zucker» bäcker und Hausbesitzer fangen nach dem zehnten Glas Bier zu jammern an, diese vom Benesch unterschriebenen Zahlung?- Verpflichtungen werde sie an den Bettelstab bringen. Die von allen diesen Herrschaften wegen der zahlreichen Morde und Vergewaltigungen so sehr geliebte Boulevardpresse des Faschisten Stribrny. die in der Politik bloß ein Programm: Kampf gegen Benesch! kennt, ergeht sich in Orgien und ver» langt dreimal täglich in roten Lettern das Haupt des Außen» Ministers. Die nationaldemokratische Kramarsch-Presse hat es gleich» falls scharf auf ihn. Ja. wenn statt Benesch Kramarsch im Haag gewiesen wäre, da wäre die Sache ganz anders ausge- fallen! Kramar'ch hätte den Nacken nicht gebeugt, er hätte stolz gesagt:„Wir haben am 28. Oktober 1918 uns selbst befreit und zahlen keinen Heller. Kein Masaryk und kein Benesch, keine sogenannte, Auslandsrevolution und keine Ententemächte oder sonst irgend jemand haben die Tscheche»- slowakei geschaffen, nur wir, die wir ruhig im Lande ge- blieben sind, wir haben durch unseren eigenen Willen und gegen den Willen der Großmächte die Tschechoslowakei durch- gesetzt." Der Kramarsch-Presse pflichtet in gleichem Tone die agrarische Presse bei und beide befleißigen sich in ihren Morgenausgaben noch eines seriösen Tones, während sie in den Nachmittagsblättern, die mit der Stribrny-Presse weit» eifern, sich keine Zügel anlegen. Die Befreiungstaxe, welche die Gemüter der Bier- Politiker so sehr in Aufregung bringt, wurde von den ur- sprünglichen 750 Millionen Goldfranken auf ungefähr 200 Millionen Go'ifranken herabgesetzt und wird mit 10 Millionen Goldmark jährlich gezahlt werden. Die Zahlungen für die von Oesterreich-Ungarn übernommenen Sachgüter wurden gänzlich gestrichen. Die Kriegsschulden für die Ausrüstung der Legionäre werden statt in der Wäh- rung vom November 1918 in der jetzigen Valuta zurückge- zahlt, was eine namhafte Ermäßigung bedeutet. Wegen der Bodenreform wird die Tschechoslowakei an ungarisch « Magnaten und Habsburgische Erzherzoge nicht mehr aus eigenem zu zahleiz haben, als dasjenige, was ihre Gesetze vorschreiben. Die Tschechoslowakei erhält 1 Proz. aus den Ostreparationen. Lauter Erfolge, welche die Nationalisten nicht sehen wollen. Gegenüber der persönlichen Haßpolitik der tschechischen Bourgeoisie steht die tschechische und auch die deutsche Sozial- demokratie auf dem Standpunkt, daß im Haag alles?r- reicht wurde, was unter den gegebenen Verhältnissen mög- lich war. Dies erklärte auch der Sprecher der tschechischen Sozialdemokratie Dr. Winter im Abgeordnetenhause in der außenpolitischen Debatte. Er sagte, daß alle Angriffe gegen Benesch jedweder Unterlage entbehren, und es werde sieh schon ini Staatshaushalt eine Post finden, die g e- st r i ch e n werden könne, damit an ihre Stelle die jährlichen 10 Millionen Goldmark ohne Störung des jetzigen Gleich- gewichts gesetzt werden können. Für die deutsehc Sozialdemo- kratie sprach Pohl, der erklärte, daß die Tschechoslowakei im Haag einen Erfolg errungen hat, dem die deutschen So- zialdemokraten ihre Anerkennung nicht versagen koirnen und wollen. Mit Rücksicht auf die zu erwartende Besserung des Verhältnisses zu Ungarn müsse verlangt wer- den, daß die Haager Verpflichtungen durch Abstriche am Wehrbudget gedeckt werden. Der Spiehlzürger hat außer Benesch noch einen(Zegen- stand seiner Aufregung. Irgend jemand hat aus dem Hae:g nach Prag berichtet, der englische Schatzkanzler S n o w d e n hätte von den Tschechoslowaken wie von Straßenräubern und Taschendieben gesvrochen, er hätte sich der habsburgi chen Erzherzoge wärmstens angenommen, mit der Faust auf den Tisch geschlagen und verlangt, daß die tschechoslowakische De- legation — ohne Speise und Trank eingesperrt werde um ge- fügiger zu werden. Die bürgerlichen Blätter nützen alle d-e�e Unwahrheiten, die dem Sozialisten Snowden in den Mund gelegt wurden, zu Angriffen auf die Sozialdemokratie aus und die nationaldemokreltische, agrarische und Boulevard- presse tobte. Zille waren unsterblich blamiert, als Snowden