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BERLIN Dienstag 11. Februar 1930

10 Pf.

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Der Abend

erfdefuttaglio enter Sonntags. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beibe Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 m. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin SW 68, Lindenstr. 3

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Spätausgabe des Vorwärts"

47. Jahrgang

Anzeigenpreis: Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Vf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Boffchedkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37 536. Fernsprecher: Dönhoff 292 bis 297

Reichstag und Young- Plan.

Nachruf auf Paul Levi.- Curtius über den Haag.

Explosion in Faschistenredaktion.

Jn Triest - vier Verletzte.

Rom , 11. Februar.

Wie der Meffaggero" meldet, ist aus bisher noch nicht auf­geflärten Gründen am Montagabend in Triest ein Attentat auf die Redaktion des Popolo di Triesti" verübt worden. Um 22.50 Uhr, als die Redaktion und die Setzerei bel voller Arbeit

waren, erfolgte im ersten Stockwerk des Gebäudes eine furchtbare Explosion, der der Einsturz von Türen, Fenstern und Deden folgte. Bald darauf wurden vier Berlebte, und zwar der Redakteur Neri, zwei Korrektoren sowie ein Bote ins Krankenhaus geschafft.

An der Unglücksstelle traf sofort die Feuerwehr ein, um die Aufräumungsarbeiten vorzunehmen. Die Spizen der Behörden, der Präfeft, der faschistische Bundessekretär und der Regierungsbürger meister trafen in Begleitung des Polizeimeisters unverzüglich in der Redaktion ein. Die ersten Untersuchungen haben zu der Bermutung geführt, daß es sich um die Explosion einer großen Granate handelt. Nach den Messaggero" ist bisher über die Ursache der Explosion nichts Bestimmtes festgestellt worden, jedoch herrscht die Meinung vor, daß es sich um einen Terroraft der Drjuna, Der bekannten nationalistischen füdslawischen Organisation, handele.

Räumung beginnt! Marschbefehl für Anfang April.

Paris , 11. Februar.( Eigenbericht.) Wie die Radio- Agentur" aus Kaiserslautern berichtet, haben die Vorbereitungen zur Räumung der dritten Rhein­landzone begonnen. In allen Garnisonen habe man bereits cine Juventur der der Reichsvermögensverwaltung zurüd­zugebenden beweglichen und unbeweglichen Güter aufgeftellt. Die Artillerie- und Kavallerieregimenter, die als erste zurückkehren jollen, haben marschbefehl für Anfang April erhalten.

Aussprache über den Etat. Moldenhauer und die Sachverständigen der Fraktionen. Reichsfinanzminister Dr. Moldenhauer hatte am Dienstag vormittag mit den Etats- und Steuerfachverständigen der Regierungsparteien im Reichstage eine erste Aussprache über den Reichshaushaltsplan für 1930. Nach Be­fprechung der allgemeinen Probleme murde namentlich die Sanie­rung der Arbeitslosenversicherung erörtert. wurde, wie wir hören, die sogenannte Gefahrengemein­fchaft zwischen den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung von allen Seiten abgelehnt. Bei der Erörterung dar­über, wie das Defizit der Arbeitslosenversicherung auf andere Weise gedeckt werden könne, stand im Vordergrund der Vorschlag, im Besitz des Reiches befindliche Vorzugsaktien der Reichsbahn zu ver äußern.

Dabei

Die anderen Probleme der Etatsgebarung wurden heute noch nicht erörtert. Die Besprechungen werden in den nächsten Tagen fortgesetzt.

Eingeborener Soldat schießt auf General.

Baris, 11. februar.( Eigenbericht.) Gegen den franzöfifchen Oberkommandierenden von Süd Marotto, General Marquis, hat am Montag ein Eingeborener ein Attentat verübt. Der General befand sich cuf einer Inspektionsreise. Zu seinen Schuß war die Straße von Eingeborenen und französischen Truppen start bewacht. Als tas Auto des Generals vor einer Eingeborenen Bachabtet. Iung vorüberfuhr, schoß einer der Eingeborenen zwei Schüsse ab, die den General nur um haares brette perfehlten. Die übrigen Eingeborenen rührten feinen Finger, um den Attentäter zurüdzuhalten. Ebenso passio ließen sie es auch zu, daß er von französischen Soldaten festgenommen wurde.

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Der Ring der Alkoholfchmuggler.

flmfah 60 Millionen Dollar jährlich.

Chicago , 11. Februar. Ueber eine große Alkoholfchmuggelorganisation, der die Polizei auf die Spur gekommen ist, berichtet die Zeitung Herald Examiner": schmugglern, die feit der Prohibition aufgedeckt worden ist. Die Es handelt sich um die umfangreichste Organisation von Alkohol­Schmuggler bildeten einen Ring oder ein Syndikat vom At­lantischen bis zum Stillen Ozean . Ihr Hauptquartier war Chicago . Es find über 150 personen in die Angelegen­hell verwidelt. Die Organisation befaßte fich damit, den für legitime Handelszwede denaturierten Alkohol Alkoholfchmugglern in die Hände zu spielen. Die Bundesagenten stellten fest, daß allein vier Millionen Gallonen nach Chicago und zwei Millionen nach New Bort verschoben worden sind, was bei einem Preis von zehn Dollar je Gallone einen Um jag bou 60 millionen bedeutete. Aus einer Gallone laffen sich nach chemischer Behandlung über zwei Gallonen Whisky, Genever oder Brandy herstellen.

New York , 11. Februar.

Zu den bereits gemeldeten massenverhaftungen von Angestellten des großen Hotels Manger megen Berlegung der Prohibitionsvorschriften erklärte der Leiter der Prohibitionspolizei Campbell, das Borgehen seiner Beamten sei sorgfältig vorbereitet worden. 25 Agenten in Zivil wohnten seit 14 Tagen in verschie­denen Teilen des riefigen, 2000 3immer umfassenden Hotelgebäudes und besuchten als Gäste vor allem die Speisesäle und Restaurations­räume des Hauses. Nach Aussage der Agenten haben sie sich um die Erlangung verbotenen Altohols niemals besonders zu bemühen brauchen, da ihnen die Hotelangestellten ohne Aufforderung welchen

anboten.

Zardieu der Flugzeugfatastrophe entgangen. Paris , 11. Februar. Die Nachricht, daß das fahrplanmäßige Flugzeug Paris - Lon­ don bei seiner Notlandung auf englischem Boden durch Brand ver nichtet worden ist, hat hier tiefen Eindruck aus dem Grunde gemacht, daß Ministerpräsident Tardieu ursprünglich die Absicht hatte, dieses Flugzeug zur Rückkehr nach London zu benutzen. Nur der Umstand, daß der gestrige Ministerrat fich länger hinzog, als ur­fprünglich angenommen war, hat diese Absicht vereitelt. Minister­präsident Tardieu hat dann den fahrplanmäßigen Bug benutzt.

EW

Bur Young- Plan- Debatte.

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Der deutschnationale Abgeordnete Egon Nimmerlein zu Umfallshausen übt zu Hause sein ehernes Nein" ein.

Sugenberg wird sprechen.

Der Reichstag ist heute mittag bei sehr starkem Besuch wieder zusammengetreten. Auf dem Plaz des verstorbenen Abg. Baul Levi steht eine schwarzumflorte Base mit einem Flieder­Strauß.

Präsident Löbe

eröffnet die Sigung mit folgendem Nachruf:

In verhältnismäßig jungen Jahren ist unser nun verstorbener Kollege Paul Levi 1920 in den Reichstag eingetreten. Ihm ging schon damals der Ruf eines ersten Juristen voraus. Und in den zehn Jahren seiner Tätigkeit in diesem Hause hat er durch seine Levi einen ihrer begabtesten und eifrigsten Mitarbeiter. Aber auch feit errungen. Seine Fraktion, die ihn betrauert, verliert in Baul Beredsamkeit und Begeisterung in steigendem Maße Aufmerksam­der Reichstag hat seine besonderen Gaben nicht nur in den großen Debatten, sondern in der Kleinarbeit der Ausschüsse oft be­evi ein vornehmer, selbst den Gegner verföhnender Politiker, wundern können. Bei aller Schärfe der Dialektik blieb Paul deffen Handeln getragen war von einem starten und unbestechlichen Drang zur Berechtigteit. Trauer Ausdruck, daß diese große Kraft und dieser seltene Mensch Wir geben unserer tiefsten fo rasch ausgelöscht wurden.

Der Reichstag und alle Anwesenden hatten diesen Nachruf stehend angehört. Nach Erledigung einiger Formalien leitete darauf

Reichsaußenminister Dr. Curtius

Die

die erste Lefung des Haager Abkommens und der in Verbindung damit zu beratenden Vorlagen ein: Das Schwergewicht der fachlichen Aufklärung wird in den Ausschüssen liegen. Reichsregierung hat in ihrer Erklärung vom 30. Juli 1928 an die Spizze ihres Programms die Befreiung der noch besetzten Ge­biete, eine befriedigende Lösung der Saarfrage und die endgültige Regelung der Reparationsfrage gestellt. Am Ende eines eineinhalbjährigen Ringens haben wir den

Räumungstermin bis 30. Juni und einen Reparationsplan er­reicht, der eine erhebliche Minderbelastung für Deutschland bringt. Der Beginn der Saarverhandlungen hat sich durch die Neubildung der französischen Regierung bis Ende November verzögert. Da hierbei sehr tomplizierie wirtschaftliche und völkerrechtliche Fragen zu lösen sind, haben diese Verhandlungen nicht so rasch geführt mer­den können als zu wünschen war. Es lag im deutschen Interesse, diesen Umständen Rechnung zu tragen. Wir führen diese Berhand­lungen selbstverständlich mit dem Ziel, sobald wie möglich die reft­lose Rückgliederung des Saargebietes zu erreichen. Wir haben keinen Anlaß zu einem Zweifel, daß auch die Gegenseite diose Verhandlungen mit dem pofitiven Willen zu einem baldigen

Abschluß führt.

Der Minister gibt darauf einen Rüdblid auf die Haager Berhandlungen.

Die gegenwärtige Reichsregierung hat schon zwei Monate nach der Regierungserklärung gelegentlich der Tagung des Bölkerbundes in Genf den Anspruch auf Räumung der noch besetzten Gebiete bei den Vertretern der Besatzungsmächte förmlich erhoben. Durch Beschluß der beteiligten Mächte vom 16. September 1928 wurden Verhandlungen darüber wie über den Wunsch der fran­zöfifchen Regierung nach Einsetzung einer Feststellungs- und Ver­föhmungskommission eröffnet.

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Die Revision des Dames Plans andererseits wurde in den vergangenen Jahren um so dringender gefordert, je höher die Belastung wurde, je flarer man die Unzulänglichkeit des Planes und die sich aus ihm ergebende Unsicherheit erkannte, und je stärker fich der Druck seiner politischen Fesseln fühlbar machte. Dieses deutsche Interesse begegnete fich mit der Auffaffung des Generalagenten.

Seine Anregung fiel auch bei den Gläubigermächten auf frucht­baren Boden. Der Minister bespricht nun die Pariser Arbeit der Sachverständigen und ihr Ergebnis. Er fährt fort: 3m engsten Zusammenwirten mit dem Minister für die besetzten Gebiete gelang es Stresemann , auf der Haager Auguftkonferenz die Berbindung mit der Reparationsfrage in die Form zu bringen, daß für den Fall der Annahme des Young- Planes und feiner In­ganglegung ein fefter Räumungstermin zugesichert wurde. Auch fonnten reparationspolitische Opfer neben der Tragung eines Teiles der Besatzungskosten und Besazungsschäden vermieden wer­den. Wenn die vorzeitige Räumung heute bebauerlich oft als nebensächliches Ergebnis der Haager Konferenzen behandelt wird, bie Bevölkerung des noch befehten Gebietes dentt darüber ganz