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BERLIN Mittwoch 12. Februar 1930

Der Abend

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Nr. 72

B 36

47. Jahrgang

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Baukatastrophe in Weißensee .

Unter der Kellerdecke begraben.- Drei Arbeiter getötet.

Auf dem Karstadt Neubau in der Charlotten burger Straße 115 in Weißensee trug sich heute ein folgenschwerer Bauunfall zu, dem neuu Personen zum Opfer fielen. Während der Frühstückspause, als sich die Arbeiter im Keller versammelt hatten, stürzte plötzlich die über ihnen befindliche Decke ein und begrub alle Personen unter sich. Drei wurden durch die Trümmer auf der Stelle getötet, während drei mehr oder minder schwere Verlegungen da. vontrugen. Die Feuerwehr war mit entsprechenden Rettungsgeräten sofort zur Stelle und machte sich euer. gisch an die Bergung der Verunglückten. Es handelt sich hauptsächlich um Rohrleger und Zimmerleute, die in den Kellerräumen des Neubaues beschäftigt waren, als plöklich gegen 9 Uhr die Kellerdecke infolge Ueber. lastung mit gefüllten Zementfäden in einer Ausdehnung von etwa 16 Quadratmetern einstürzte.

Der Karstadt . Neubau in ber Charlottenburger Straße liegt in dem sogenannten Weißenseer neuen Biertel" Der um fangreiche quadratische drei Stockwerte hohe Bau ist bereits feit längerer Zeit im Rohbau fertiggestellt und ein Heer von Hand­merkern ist im Innern des Gebäudes mit den Arbeiten beschäftigt. Eine Gruppe von sechs Rohrlegern hatte sich in einem Keller

einen Frühstücsraum eingerichtet, in dem sich ein Tisch und mehrere Bänke befanden. Wie alltäglich begaben sich die Ar beiter um 29 Uhr zu Beginn der Frühstückspause in den Keller hinab. Genau 5 Minuten vor 9 Uhr um 9 Uhr wäre die Pause ohnedies zu Ende gewesen gab es plöglich einen ohren­betäubenden Krach.

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Die Kellerdede zwischen Erdgeschoß und Keller war in einem Ausmaß von 3 X 3% Meter eingestürzt und hatte die sechs Arbeiter unter fich begraben.

Die Kunde von dem Unglück durcheilte den Bau und wenige Augen­blide später war die ganze Belegschaft alarmiert. Inzwischen war die Feuerwehr und das Rettungamt alarmiert worden, die wenige Minuten nach dem Deckeneinsturz an der Unfallstelle eintrafen. Da teine weitere Einsturzgefahr mehr bestand, tonnte die Bergung der Verschütteten verhältnismäßig schnell vorgenommen

werden.

Die Untersuchung.

Nach der sofort eingeleiteten Untersuchung über die Ursache des furchtbaren Unglüds, das bisher drei Arbeitern das Leben gekostet hat, scheint eine Fahrlässigkeit des aufsichtsführenden Maurer. poliers vorzuliegen. Ueber dem Frühstücksteller befand sich ein fleiner 3x3 Meter großer Raum, der mit etma 150 bis 200 3ementfäden, die fast bis zur Dede dort aufgestapelt lagerten, vollgepact war. Dieser ungeheuren Belastung hielt die Dede auf die Dauer nicht stand und stürzte ein. Bon einem Fach mann wird die Ueberbelastung als einzige Ursache des Unglüds be zeichnet. Es handelt sich um eine sogenannte feuerbeständige Hohl. steindede, die ordnungsgemäß ausgeführt war. Die Kon struktion war derart, daß die Hohlsteine auf Rundeisen, die quer zu den Trägern gespannt waren, aufgemauert waren. genauen Besichtigung der Steintrümmer wurde jogar die über­raschende Feststellung gemacht, daß die Decke nicht einmal in den Fugen, sondern daß die Steine in sich geriffen waren.

Bei einer

Wie wir weiter erfahren, wird dieses Wohnhaus errichtet an Stelle der Wohnhäuser, die sich auf dem Grundstück des Karstadt . Barenhauses am Hermannplay befanden und die seinerzeit abge­riffen werden mußten. Die Karstadt - Gesellschaft wurde damals ver­pflichtet, an Stelle der abgeriffenen Wohnhäuser neue zu errichten.

Die Namen der Toten.

Die Namen ber tödlich Berunglückten sind: Friedrich Kaesler, 62 Jahre, Köpenid, Flemmingstraße 1. Walter Osbahr, 22 Jahre, Strausberg .

Erwin Krüger, 25 Jahre, Neuföln, Pflugstraße 39.

Die Schwerverletzten find: der 34jährige Arbeiter Baul Beyrisch aus Effen und der 40jährige Frig Kirsch aus der Schloßstraße 126 in Steglitz . Benrisch liegt mit einem doppelten Schäbelbruch besonders schmer danieder. Die beiden Leichtverletzten, ber 24jährige Klempner Alfred Banz aus der Berliner Str. 17 in Botsdam und der 21jährige Kurt Klopper aus der Hobrecht. ftraße 73 in Neukölln, die nur unerhebliche Verlegungen erlitten haben, fonnten ihre Arbeitsstelle bald wieder aufsuchen.

Ueberfall auf die Opel - Werke.

Ein fommunistischer Handsfreich. Rüsselsheim , 12. Februar.( Eigenbericht.) kommunistischen Landtagsabgeordneten Müller etwa Heute vormittag besetzten unter der Führung des 700 Stommunisten in Rotfrontkämpferuniform die Opel Werke. Nach vorliegenden Meldungen sollen sie die Maschinen angehalten und zum Teil zerstört haben. Die Polizeiaftion gegen die Eindringlinge ist bereits im Gange.

Rüftungstricks in London .

Wie die französische Rechtsregierung ihre Aufrüffung bemäntelt.

Paris , 12. Februar.

Der Sonderberichterstatter der Agentur Havas in London macht über die von Frankreich geforderte Tonnageziffer folgende Angaben: Frankreich hatte infolge der Kriegsnotwendigkeiten fein Flottenprogramm von 1912, das ihm eine Flotte von etwa 1 150 000 Tonnen gegeben hätte, aufgegeben. Nach dem gegenwärtigen Flotten­bauprogramm würde der Wiederaufbau der franzöfifchen Flotte erft 1943 auf der ungefähren Grundlage von 800 000 Tonnen vollendet fein. Frankreich hat also praktisch gefehen bereits eine beträchtliche Herabfehung seiner Flotte vorgenommen.(!) Nach dem vorgesehenen Bauprogramm( jährlich 40 000 Tonnen) würde die franzöfifche Flotte 1937 etwa 750 000 Tonnen betragen. Diese Ziffer scheint die Min­daran denken müffe, große Linienfchiffe zu bauen, um den deutschen deffgrenze der Bedürfnisse Frankreichs darzustellen. Jm Echo de Paris" erklärt Pertinag, daß Frankreich auch Schiffen gegenübertreten zu können.

Zu den Borgängen in Rüffelsheim erfahren wir noch folgende Einzelheiten: Vor kurzem sind in den Opel - Werten fommunistische Betriebsratsmitglieder entlaffen worden, well fie Sabotage an der Arbeitsfähigkeit des Betriebes übten. Um heutigen Bormittag erschienen etwa 200 kommunisten von außer halb, zum Teil in Roffrontfämpferuniform, auf Lastwagen abgeordneten Müller und des heifischen Landtagsabgeordneten und Motorrädern unter Führung des preußlichen Landtags Stumpp. Ihnen gefellten sich weitere Arbeiter aus Rüffelsheim und Umgegend zu, die den Hof der Opel , Werke befehten und gemein­fam verfuchten, die etwa 1000 Mann zählende Berüstung Frankreichs zur See. Frankreich hat zur Zeit nicht Dies französische Flottenprogramm bedeutet die Auf­legfaft gewaltsam an der Arbeit zu verhindern. ganz eine halbe Million Kriegsschifftonnage, jetzt verlangt Es wurde beobachtet, daß die Eindringlinge durch Motorrad- feine Rechtsregierung dreiviertel Millionen: das ist eine staffeln mit einer auswärtigen Zentrale in Dauerverbindung ftanden. Seeaufrüstung um die Hälfte! Das hessische Minifterium hat Polizeifräfte eingesetzt, um die Ein­dringlinge zu vertreiben und den Fortgang der Arbeit zu sichern.

Die Brandstifterin" begnadigt.

Wir berichteten vor einigen Tagen über einen Fall geheim nisvoller inderentführung". Eine Frqu namens Ro­maschta aus der Altmart, die einen ehemaligen russischen Ariegsgefangenen geheiratet hat, wurde wegen angeb. licher Brandstiftung zu Zuchthaus verurteilt und ging flüchtig, weil fie fich zu unrecht verurteilt fühlte. Als diese Frau ihre fünf Kinder in einem Kinderheim unterzubringen versuchte, wurde fle der kinderentführung beschuldigt. Auf Vorschlag des preußischen Juffizminifters hat das preußische Staatsministerium auf dem Gnadenwege das Zuchthausurteil in eine einjährige Ge­fängnisstrafe mit Bewährungsfrist umgewandelt.

Nach SEINER Rede.

KLIO

GESCHICHTE

Sugenberg: Moltte nennt die Geschichte den großen Schweiger und wie wird mi dermaleinst fühn die Geschichte nennen?"

Klio : Einen fleinen Schwäger!"

Selbst eine französische Rechtsregierung hat dabei ein schlechtes Gewissen. Das Laster der Aufrüstung macht eine Berbeugung vor der Tugend der Abrüstung. Das Aufrüstungsprogramm soll zu einem Abrüstungs­programm umgeschminkt werden! Aber es ist nicht mehr als ein Taschenspielertrid, der hier vorgeführt wird. Ein angeb liches Vorfriegsprogramm von 14 Million Tonnen wird hervorgeholt, damit man jetzt von einem Verzicht auf seine Ausführung, von Abrüftung" reden kann. Aber seitdem haben sich die Verhältnisse gründlich geändert: die deutsche Schlachtflotte von 600 000 Tonnen ist nicht mehr. Also ist der Bergleich mit einem Bauprogramm in der Vorkriegszeit leer und sinnlos.

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Tonnen nimmt an der Londoner Konferenz der fünf Deutschland mit einer Flotte von unter 150 000 großen Seemächte mit Recht nicht teil. Das bedeutet aber nicht, daß die Verhandlungen in London Deutschland nicht sehr angingen. Die deutsche Marine ist bis auf sechs Linienschiffe und sechs Kreuzer abgerüstet worden, um ,, die Einleitung einer allgemeinen Rüstungsbeschränkung. aller Nationen zu ermöglichen". Einzig in bezug auf die schweren Seerüstungen ist 1921/22 in Washington etwas Ernst ge­macht worden mit der Einlösung dieser Zusage. Die großen Seeschlachtflotten der anderen Marinemächte sind damals fräftig vermindert worden. Deutschland hat die Londoner Konferenz in der Erwartung begrüßt, daß nun der zweite Schritt der Seeabrüstung getan wird. Die Abschaffung der großen Schlachtschiffe und die Abschaffung der U- Boote war von den beiden größten Seemächten auf die Tages­ordnung der Konferenz gestellt worden: beides ist von der französischen Rechtsregierung bereits jetzt sabotiert worden. Nun tommt hinzu, daß sie ihre Gesamtflotte nicht nur über den jezigen Stand hinaus, sondern sogar über den Stand der Vorfriegszeit hinaus steigern will. Dabei hat sich weder der französische Kolonialbesitz und das Bedürfnis, ihn zu schützen, gesteigert, noch hat die Größe der italienischen Flotte zugenommen, noch ist die große taiserlich deutsche Schlachtflotte vorhanden. Allein vom Marineftandpunkt aus ist Frankreich nicht berechtigt, eine Aufrüftung zu verlangen. Politisch tommt hinzu, daß seit Locarno England vertraglich verpflichtet ist, Frankreich gegen einen deutschen Angriff zu schüßen: Dieser vertragliche Schuß durch die englische Flotte stellt eine zufägliche Sicher heit dar, die in der Borfriegszeit nicht vorhanden war. Das alles beweist, wie politisch unberechtigt, wie unnötig Frank­ reichs Aufrüftungsforderung in London ist. Die jetzige französische Regierung muß davor gewarnt werden, daß ihre Marinepolitit sie in den Ruf bringt, eine Aufrüstungs­politit so finnlos wie einst das faiserliche Deutsch­ land zu treiben.

Hinzu kommt, daß auch Frankreich Deutschland die See­abrüftung zugesagt hat und an dies Bersprechen auch dann