Kr. 77 47. Jahrgang 1. Beilage des Vorwärts
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Sonnabend, 15. Februar 1930
Die Weiterführung der
Lindenstraße über die Kommandantenstraße hinaus zur Beuthstraße und zum Spittelmarkt ist so weit gediehen, daf jetzt der Häuserblock zwischen Kommandantenstraße und Beuthstraße durchbrochen ist. Die Durchbrucharbeiten hatten in der Kommandantenstraße begonnen, wo das der Stadt gehörende und an die Firma Sklarek vermietet gewesene Haus fiel, und sind dann in der Beuthstraße fortgesetzt roorden. Unser Bild zeigt den jetzt freigerbordenen Einblick von der Beuthstraße aus über die Durchbruchstelle hinweg in die Lindenstraße hinein. Mit dieser Lindenstraßenverlängerung wird der direkte Weg Halleschen Tor zum Spittelmarkt wiederhergestellt, der schon einmal vor Jahrhunderten bestanden hat.
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Die Durchbruchstelle der Lindenstraße
Seit Jahren Höhlenbewohner.
Der Mann mit den vielen Namen.
megen Diebstahls verurteilt. Wie er mun mirklich heißt und was er in den mehr als breißig Jahren, die feit seinem Berlaffen der Heimat verstrichen find, getrieben hat, wird noch Gegenstand einer Untersuchung sein.
Sm vergangenen Jahre wurde im Walde bei Toppers ( Kreis& roffen) eine höhle gefunden, bie von menschlicher Hand
hergestellt mar. Der Bemahner hatte dori allerhand Beute zum Kohlenschacht eingeschlossen.
fommengetragen, die aus Diebstählen in der Umgegend herrührte. 15 Bergerbeiter von der Außenwelt abgeschnitten. Er selbst war verschwunden und tauchte erst später wieder im Streise Reppen in Pinn now auf. Wieher baute er eine Höhle im Balde und wurde von einem Förster darin ertappi. Der Beamte nahm dem völlig verwilderten Manne eine Pistole cb. Sturze Zeit darauf wurde der Boldmensch bei einem Einbruch in Reppen ermischt. Er flüchtete und sich einen Rudsad mit Beute im Stich, wurde jedoch eingeholt und festgenommen. In der Höhle im Balde hatte man einen 3ctief gefunden mit den Worten: hier ist mein Vaterland, hier habe ich täglich mit den Fliegen gefämpft. Obwohl ber Festgenommene durch Hand fchriftenvergleichung überführt ist, diesen sonderbaren Zettel ge schrieben zu haben, bestreitet er alles. Nach seiner Darstellung will er im Jahre 1898 aus Plüschewenzen ausgewandert sein. In der Seit um 1900/1901 will er in Berlin gewesen und sich hier als Gelegenheitsarbeiter burchgeschlagen haben. Eine Semester von ihm foll in Charinttenburg nerheiratet sein, Genaues will aber der angebliche Bruder nicht missen. Seine Angehörigen mill er feit jener Seit nicht mehr gefehen oder gesprochen haben. Im Jahre 1916 mill er als Golbat in russische Gefangenfchaft geraten fein und am Schwarzen Meer in einem Lager Unterkunft gefunden haben., Ob diese Behauptungen der Wahrheit entsprechen, hat sich frog der angestellten Nachforschungen bisher nicht ermitteln laffen. Auf Grund eines Ausschreibens ist jedoch festgestellt, daß der Höhlenbewohner fich im Jahre 1911 Czichon nannte. Ein Jahr darauf wurde er in Striegau unter dem Ramen& alinomsti megen Diebstahls abgeurteilt. 1916, also zu einer Zeit, als er am Schwarzen Meer gemesen fein mill, faßte mau einan gewissen Rarpinsti beim Diebstahl ab und führte ihn dem Gericht vor. Unter dem gleichen Ramen wurde der Mann in enftein zu einer Gefängnisstrofe
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Jegt war der Kampf gleich, da der Bortugiese seine Keule geschickt führte-vergebens versuchte der Schloffer, feinen Rivalen zu treffen, ohne eins mit dem Knüttel zu befommen. Schon hatte er einen Schlag auf den Kopf und einen auf den Rörper erhalten und blutete heftig. Die Meuge atmete er leichtert auf, als sie jah, daß fich die Schlacht zugunsten des Hausbewohners wandte. Seronymos brutale Kraft mar mirf fam. Unermüdlich schwant er seinen Bflod, mährend Firmo sichtbar erlahmte. Die Kräfte des Schloffers ließen nach, und er tangie nicht mehr mit der früheren Munterfeit. Blöglich traf ihn ein Schlag in die Hüftgegend, und er fiel unter gedämpftem Geschrei der Zuschauer zu Boden. Aber feine Behendigkeit ließ ihn noch immer nicht im Stich, und sein gefchmeidiger Körper fchoß unter der schwingenden Reule vor wärts. In seiner rechten Hand bliste etwas auf, und der Bortugiese fühlte über dem Unterleib einen scharfen Stich von links nach rechts
Während der Steinbrecher zu Boden sant, eilte der schlante Mulatte zur Hintertür der Siedlung und verschwand im Feld. Die Rufe: haltet ihn! Badt ihn!" waren umsonst er mar fort.
Biedade hatte sich über die blutende Gestalt ihres Gatten geworfen, während Rita, hie jekt nicht mehr lächelte nieder Iniete und bem gefallenen Riesen bas Haar aus ber Stirn ftrich. Holt doch einen Arzt", bat fie.
In diesem Augenblid wurde heftig ans Tor geschlagen, und wiederholte Rufe: Deffnen, öffnen!" ließen sich ver nehmen. Die Tür war schwer und start und gab nicht nach. Joao Romas lief über den Hof wie ein General, deffen Kräfte zu erschlaffen drohen.
Die Bolizei darf nicht hinein, laßt sie nicht hinein. Haltet die Tür gefchloffen Rein, nein, fie dürfen nicht hineintommen", meinten die Hausbewohner einstimmig. Haltet die Tür, laßt sie nicht öffnen."
Jeronymo murde von den Männern in fein Bett getragen und lag dort stöhnend in den Armen von Biedade und Rita. Saltet das Tor- mir fommen, und von jedem intel
Gin Referentenentwurf des 3nnenministeriums.
Im preußischen Juncuministerium ist jetzt ein Refe rentenentwurf borläufig fertiggestellt, der eine Neugestaltung der Berliner Verwaltung außerhalb der bevorstehenden großen Reform der Städteprdnung vorsicht.
Der Entwurf hat jedoch die einzinen Ressorts und das Robinett noch nicht passiert. Der preußische Innenminister felbft hat seine Entscheidung über die Einzelheiten noch nicht getroffen. Es ist also müßig, schon jetzt über den Inhalt dieses Regierungsentwurfs zu histutieren. In der Presse bereits aufgetauchte Mitteilungen beruhen zunächst auf leeren Kombinationen. 20s sicher fann man jedoch ansehen, daß eine völlig neue Einteilung der Bezirke mit dem Ziel der Bereinfachung vorgesehen ist. Die einzelne Gliederung und Einteilung der Bezirke sieht der Entwurf nicht vor, er fest lediglich eine Höchstzahl feft. Beiter dürfte nach der bisherigen Fassung des Entwurfs der Magistrat in seiner heuti gen Form nicht meiler bestehen bleiben.
Gestern trat im Rathaus eine gemischte Deputation", Der Bertreter des Diagistrats, ber Stabperordnetennerjammlung und der Bezirksbürgermeister angehören, zu einer furzen Sigung zufammen, um zu dem Entmurf des Innenminifteriums Stellung zu nehmen. Da den Mitgliedern diefer Deputation aber gleichfalls der Inhalt des Entwurfs noch unbekannt ist, fand die Besprechung ein schnelles Ende. Die Sprecher aller Parteien äußerten den Wunsch, redt bold über die Absichten des Ministeriums unterrichtet zu merden.
Ein Strafanstaltsidyll.
Die Standalaffären eines Oberwachtmeisters. Ein Prozeß mit bramatischem Einschlag kam vor den erweiterten Brandenburger Schöffengericht zur Berhandlung. Angeflagt megen Betruges, schmerer Urfundenfälschung und versuchter Berleitung zum Meineid mar der 32jährige Strafanstaltsobermachtmeister Adolf Trümper von der Strafanstolt Brandenburg.
In der Strafanstalt mar seit einigen Jahren der 33jährige hat sich ein schweres Einsturzunglüd ereignet. passieren zu lassen. Mit dieser Frau, die heute an einem Berliner In der Kohlengrube von Rive de Giers bei St. Etienne Raufmann B. untergebracht, für den der Angeklagte zahlreiche Briefe an die Ehefrau in Stettin beförderte, ohne sie die Zensur In der Nacht zum Freitag stürzte ein Zeil eines Theater beschäftigt ist, trat dieser Hüter der Ordnung hinter dem Schachtes in ciner Länge bon 4 bis 5 Metern ein. Die Rüden des Gefangenen in Berkehr. Er empfing die Frau in Einsturzstelle ist 70 bis 80 Meter vom Schachteingang Brandenburg, mährend sie angeblich zum Besuch ihres gefangenen entfernt und hat 15 Arbeiter von der Außenwelt ab. Ehemannes die Reise von Stettin angetreten hatte. Eines Tages geschnitten. Zum Glück blieb die Zufträhre unbeschädigt. stellte ihr der Angeflagte über einen Besuch in der Anstalt eine die sur Einführung der komprimierten Ruft in den Quithung aus und unterschrieb diese mit einem falschen Namen. Auf Schacht dient, is dan die abgeschnittenen Arbeiter uker diese Quittung hin bezog die Ehefrau in Stettin Krantengeld, das halb jeder Eridungsgefahr sind. Es gelang die Sache ruchbar murde, den Cheinom zum Deineld zu verleiten auch, durch die Luftröhre Nahrungsmittel und Erfrischunnersucht haben. Statt vierzig bis fünfzig Briefe follte er bret bis gen in fleinen Quantitäten in den Schacht zu befördern vier mur beschwören. Es tam zu dramatischen Szenen, dis und die Röhre als Sprachrohr zu benuten, um sich mit der Gefangene den Berführer seiner Ehefrau miedersah. Dieser den Berschütteten zu verständigen und fte über die Fort Gefangene, ein hochintelligenter Menfch, beschuldigt den Angeflagien schritte der Befreiungsarbeiten zu unterrichten. R hartnätig der Meineidsverleitung und beschuldigt ihn ferner der Unterschlagung von Geldern, die die Schwester eines zum Lode verurteilten Fleischers Michael Wittfomiti zum Betreiben bes Wiederaufnahmenerfahrens gegeben haben soll. Der genasführte Ehemann ruft mit erhobener Stimme in den Gerichtssaal: Mit den Liebesnächten meiner Frau hat sich dieser Obermachtmeister im Schlaffaal der Gefangenen gebrüftet, so daß ich mir Hänseleien ge fallen lassen mußte." Auch der zum Tode verurteilte Wittkowski murde vernommen
Zehn Jahre Betriebsrätegejeh" behandelt Clemens törper als Vortrag auf der Deutschen Belle" am 15. Februar ( 17.55 bis 18.20 Uhr). Er mind den Werdegang der von der Are beiterschaft erstrebten und seit zehn Jahren geseglich gewährleisteten Mitmirfung im Betrieb: darstellen.
spricht Dr. Breitscheid, m. b. R, am Dienstag, 18. Februar, Heber, Die brifische Labour Barty und das Kabinett Macdonald 20 Uhr im llninerfitätsnebengebäude, Dorotheenftr. 6.
des Hofes eilten Männer, die mit Knütteln, zerbrochenen Rohren und allem möglichen anderen bewaffnet waren, das als Berteidigungsmittel dienen tonnte, herbei. Ein gemeinfamer nachbarlicher Geist trieb fie an, ihr heim zu schüßen. Für immer würden sie sich entehrt fühlen, wenn die Polizei täme und sich in ihre Angelegenheiten mischte, zu deren Regelung fie fich allein für zuständig hielten.
Solange es sich um einen Streit zwischen zwei Männern um eine Frau handelte, lag fein Grund vor einzugreifen der Gewinner befam die Frau, und der Berlierer mußte feine Ansprüche aufgeben. Aber jegt lag der Fall ganz anders. Eine feindliche Macht drohte in ihr gemeinsames Haus einzu bringen, und sie standen wieder wie ein Mann auf, um es zu verteidigen.
Außerdem war die Polizei sowieso der Gegenstand des Haffes aller Hausbewohner. Wenn jemals Unordnung herrschte und die Polizei zugelaffen wurde, um sie zu beheben, machte fie fich gewöhnlich aller Arten von Erzeffen schuldig. Die Beamten drangen in die Zimmer ein und zerbrachen alles, was in Reichweite war; jedes Haus, das sie besucht hatten, war nachher vollständig ruiniert. Es herrichte von jeher Fehde zwischen Bolizei und Bürgerschaft. und der feste Entschluß, ihr Eigentum zu befchüken beftärtte die Arbeiter in ihrem Widerstand. Während die Männer das Tor hielten. fchleppten die Frauen alles Schwere heran, das als Berstärkung dienen fonnte. Steine, Karren. Fäffer. Holz. leere Flaschen, jeder Gegenstand, der sich transportieren ließ, wurde hinter die schmere Tür auf einen Haufen geworfen, um eine Barrikade zu bilden, falls das Tor eingedrückt würde.
Aber die Belagerer hatten jest ebenfalls Berstärkung befommen, und der Drud von außen wurde immer gewaltiger. Die Tür zitterte, bog fich nach innen und fing allmählich an fich zu öffnen. Aber die Berteidigung der Hausbewohner war noch nicht am Ende. Aukenstehende die aus Neugierde hereingetommen waren, machten jekt mit den Verteidigern gemeinsame Sache, denn fie wußten genau. daß fie mit den Gefangenen abgefchleppt würden. falls die Bolizei die Schlacht gemann. Die Pflöde, die die einzelnen Gärten umgaben, maren bald in den Händen der Belagerer. Machona hatte die Röde bis über die Hüften aufgefchürzt und es war jeki flar, mas fie mit ihrem Ei'en tun wollte. Das Dores, mit der bei Kämpfen nie viel gerechnet murde, erwies fich als eine der fühnsten Amazonen.
Endlich gab die Tür nach und fiel mit großem Arach zur Seite. Bier Boliziften brachen damit ein und wurden mit einem Hagel von Steinen und Flaschen empfangen. Aber es
Der Anflagenertreter, Staatsanwaltschaftsrat Roether, führte aus, daß ihm eine derartige Gemeinheit, mie fie der Angeflagte
folgten noch andere, bis sich zwanzig innen versammelt hatten. Ein Sad mit Kalt, der über sie ausgeschüttet wurde, sprengte fie auseinander.
Jezt wurde der Kampf ernst. Die Brustwehr aus Blunder und Gerümpel lag noch vor der Angriffspartei, und ihre Säbel fonnten darüber hinweg noch nichts bewirken, während die gutgezielten Geschosse der Verteidiger in den Reihen von Geset und Ordnung manches Opfer forderten. Der Kopf des Sergeanten betam von einer zerbrochenen Flasche einen Schnitt, und zwei Bolizisten zogen sich aus dem Gefecht zu rüd. Unmöglich, das Haus ohne Berstärkung zu stürmen, aber noch hielt die Bolizei ftand und war entschloffen, sich nicht in die Flucht schlagen zu lassen. Wäre sie mit Pistolen bewaffnet gewesen, hätte fie zweifellos jest Feuer eröffnet. Einer von ihnen fletterte über die Barritade aus Schutt und wurde so verprügelt, daß seine Gefährten ihm zu Hilfe eilen mußten. Bruno, der über und über schmutzig war und blutete, hatte ein Gewehr ergattert, und Borfiro hatte sich zum Scherz einen Bolizeihelm aufgelegt.
Heraus mit den Banditen,' raus mit ihnen,' raus mit dem Bad!" Jedes Geschoß wurde mit Geſchrei begleitet:„ Da hast du einen Stein!- und hier' ne Flaiche!- ein bißchen Ralf in Kalt beine Augen!- ein Stüd Holz für deinen Kamin!"
Und draußen wurden die Pfiffe immer dringlicher. Aber in diesem Augenblid. als das Schicksal des Kampfes noch in der Schwebe hing, tam Nenem in heller Aufregung angeftürzt und rief, daß in Nummer zwölf Feuer ausge brochen sei, und daß aus diefem Teil des Hauses dider Rauch fäme.
Feuer!"
Jetzt entstand unter den Hausbewohnern eine Banit. Sie mußten genau, daß Feuer ihre Häufer innerhalb von ein paar Sefunden verrichten tonnte.
Es herrschte wildeste Konfusion. Jeder fuchte von seinen Habfeligteiten zu retten, was zu retten war. Die Bolizei nutzte die neue Situation aus, drang in den Hof ein und erteilte nach rechts und links Schläge. um die erlittene Schmach zu rächen. Die Hausbewohner liefen wie von Sinnen umher; manche veriuchten ihre Softbarteiten zu retten, und andere flohen vor der Bolizei
IInd die Beamten brachen in ihrer Raferei überall die Türen ein und ließen Zerfförung hinter sich zurüd.
Blöglich zudte ein greller Blig durch die Luft und hatte großenden Donner und ftrömenden Regen im Gefolge.
( Fortsetzung folgt.)