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trt. Unterhaltung unü AAtssen

Andreas Xafako: S)rei grauen der ffiemlution

Wer nach Paris kommt, kann un Keller des«instigen Klosters der Karmeliterinnen immer noch ihre Namenszüge lesen, verblaht -reilich nach fünf Vierteljahrhunderten, aber einwandfrei zu ent- -iffern, und merkwürdig gelblich, denn die Damen hatten nur einen Nagel als Feder, und ihr Blut mußte die Tinte ersetzen, die in der Schreckenszest viel eher«in ganz besonderer Saft war, als das 'chasfweise vergeudete rote Nah. Ueber den Unterschriften liest man:Heute sind es 47 Tage, daß man uns hier gesangen hüll.' Dann folgen die drei Namen. in streng revolutionärer Reihenfolge, die höchstgeborene Herzogin von d'Aiguillon zuletzt, über ihr die beiden anderen, die einige Jahre früher nie gewagt hätten, einer Herzogin zu nahen. An der Keller- wand des Klosters vereiitt ein« Klammer die drei so verschiedenartigen Namen, und vor jeden einzelnen ist vorsichtig die zeitgemäße Be- Zeichnung gesetzt:Bürgerin '(Citoyenne '). In der Mitte des feuchten, unterirdischen Kellerloches diente ein breiter, aber sehr dünner Slrohiack den drei Damen als gemeinsames t!ag«r, die Herzogin von d'Aiguillon lag als Vornehmste in der Mitte und hatte den gräheren Schutz vor Ratten und Ungeziefer mit der beidseitigen, wenig standesgemäßen Stachborschaft der auch moralisch nicht einwandfreien Bürgerinnen zu bezahlen. Di« ein«, die links von ihr lag, hatte als Mädchen Josefine Tascher de la Pagerie geheißen und war die Tochter eines einfachen Kolonialbeamten auf der Insel Martinique , von der Mutter Seite dunkles Blut in den Adern, ein« Kreolin, mit der hemmungslosen Sinnlichkeit und kindischen Putzsucht ihrer Raste behaslet. .M ö g l i ch' war sie überhaupt erst durch ihre Ehe mit einem hohen Offizier aus gutem französischen Adel, dem General von Beauharnais geworden, einem braven, der harten Wirklichkeit nicht ganz ge- wachsenen Mann«, den wir heute«inenSchleinihl' nennen würden. Aon den vielen, die verliebt um die Gunst der putzigen Kreolin >varben, mußte er gerade seinen Namen ihr und ihren Kindern geben, und der Lohn für seinen Ueberttitt aus Diensten Sr. katho- tischen Majestät Ludwigs XVI. in den Dienst derNation' war scine öffenttiche Hinrichtung auf dem Platz« der Revolution. Wertvoller als das Märtyrerblut des Gatten war für die drei Gefangenen die Verbindung der Bürgerin Beauharnais mit einem anderen siegreichen General: dem noch nicht ganz 26jährigen Stall- t-nechtsfohn Lazare H o che der die Engländer aus Dünkirchen binausgcprügelt und den besten, ältesten Fcldherrn der Österreicher, den General Wurmser, bei Weißenburg aufs Haupt geschlagen hatte. Mutzte man nicht hoffen, daß die Geliebte eines Mannes, dem die Republik so entscheidende Siege dankte, sich und ihre Freundinnen i-or dem Aergsten werde beschützen können? Freilich wußte die ätemde Herzogin nicht, daß der 28jährige Kriegsgott die- sMtdr- Erstes Kreolin mit seinem Reitburschen überrascht und sofort vor die Türe gesetzt hatte aber war nicht auch der populär« Volts- beauftragte und Befreier Toulons, derci-devant'. Graf Barras, in glühender Verehrer der dunklen Schönheft? Würde«in Mann, ler so viel auf seine Ritterlichkeit hiell, zu feig« sein, sich für seine Freundin einzusetzen?... Mit der rechten Bett- oder richtiger Matratzennachbarin stand es chon schlimmer. Geboren war sie als die Tochter eines spanischen Bankiers, der später in den Grafenstand erhoben und sogar Finanz- minister des Königs von Spanien wurde, zu jener Zeft aber, wie u ine Tochter im Kerker saß, der spanischen Gerichtsbarkeit aus- beliefert, die wohl bedeittend langsamer, aber nicht viel gewissen- ljafter als das Pariser Rcvolutionstribunal arbeitete. Der zärtliche Pater hätte im übrigen nur gerade das gesetzlich« Aller abgewartet, um die Aussicht über seine allzu lebhafte Tochter einem französischen Diplomaten aus allem Geschlecht zu übergeben. Dennoch schrieb die schöne Frau sich mit chrem MädchennamenTheresa Cabarrus ' an Re Gefängniswand, benützte die gelockerten Ehestandsbegriff« der Revolution zur Eroberung ihrer vollkommenen Selbständigkeit, ver­leugnete'chren Gemahl und wurde in Bordeaux die Geliebte des allmächtigen Dolksbeaustragten lallten. Der unbeschränkte Herr über Loben und Tod der ganzen Stadt, vor dessen Füße toglich Dutzende abgeschlagener Köpfe rollten, kniete selbst verrückt vor Glückseligkeit zu Füßen der engelschvnen Theresa, er ließ sie als Göttin der Freiheit freigebig ihr« Reize zeigen, und es hietz. der tätige Engel fordere für jeden Kuß eine Begnadigung von Tallien und rette so mit ihrer Schönheit zahllose Unschuldige vor der Guillotine. Aber di« Verleumdung, zu jener Zeit der einträglichst« Beruf in Frankreich , wollte es anders wtssen. fteß Preisliften zir- 'ulieren, die für jede Berufsart. jedes Vergehen und jede Ber» mögenslage eine genaue Summe auswiesen, abzusühren zu Händen der schönen Theresa, die sodann bei Tallien die Befreiung des Höft- l ngs durchfetzte. Unter dem Verdacht, einen Volksbeaustragten zur laxeren Aus- ilbung seiner Pflichten verführt zu haben, war die Cabarrus ins Gtsängnis geworfen worden, und der verliebte Tallien wagte nicht, 'iir sie einzutteten, saß er doch selbst im Konvent unter den stechenden klugen Rvbespierres und fühlte von Tag zu Tag die Hand des Henkers Samson näher an sich heranrückten.. Mit den ersten l eihen Sommertagen de- Jahres 1794 wurde die Stimmung der drei schönen Frauen im Klosterkeller immer verzweifelter. Die Bürgerin Beauharnais erfuhr, daß auch der Zöjährige Hoch« trotz etiles glänzenden Sieges bei Wcißenburg aus Befehl des genau rleichaltrigen Volksbeaustragten Saint-Just nach Paris gebracht und in die Conciergerie, dieses Vorzimmer der Guillotine, gesperrt worden war. Und am 8. Thermidor, am Morgen, betrot der Ge- iängniswärter mit dem gesürchteten Schristenbündel in der Hand die Belle, und die drei Frauen erbleichten in schlotternder Erwartung, ivelcher von ihnen di« Anklage ausgehändigt werden sollte. Dies« Zustellung ging um 24 Stunden der Verhandlung vor dem Revolutionstribunal voraus, und von dort ging es unfehlbar n die Conciergerie und am folgenden Ztachmittag auf den Karren. Der Wärter kostete erst grinsend die Todesfurcht der drei Grazien �us.«h« er das Bündel der Cabarrus überreichte Aber die ön« Theresa nahm sich nicht die Mühe, in das Gewäsch Fouquier Tinoilles auch nur hineinzuschauen. Wozu? Sie kannte den Bc? ieb w gut. um an eine Verteidigung zu denken Sie holte einige Blöttchen verborgenes Papier hervor, stach sich mit dem bewußten Ragel ins Fleisch und schrieb mit chrem Blut einen Abschiedsbrkef an Tallien . Er enthielt nur zwei Zellen tWäre Tallien kein Feiglinz, Robespierve wäre nicht mehr. So muß ich morgen zum -�rlounal und übermorgen aufs Schaf ort. Theresa."

Neben diesen Brief steckte fcr rasende Tallien am nächsten Morgen einen Dolch, den er vor versammeltem Konvent gegen die Brust Rvbespierres zückte, bereit, wie er brüllte, denTyrannen' zu erdolchen, so die Vertreter der Ration nicht den Mut fanden, den Verräter unter Anklage zu stellen. Der Rest ist aus der Geschichte bekannt, in derselben Nacht stoben die spärlichen Anhänger Robes- pierres vor den Truppen Barras' auseinander, Robespierre wurde mit zerschossenem Unterkiefer dem Wohlfahrtsausschuß eingeliefert, und am nächsten Tag, dem 10. Thermidor, nachmittags 5 Uhr, geköpft. Sein Tod öffnete sofort die Kcrkertür im Keller der Karmeliterinnen, und die drei schönen Frauen, monatelang auf einem gemeinsamen Strohsack vom gleichen blutigen Schicksal bedroht, gingen aus« einander. Der stegreiche Borras holte sich die schön« Kreolin , der feurige Tallien führt« seine Göttin, die mft ihrem Hohn den Sturz Robespierres zumindest beschleunigt hatte, vor den Altar, was die schöne Theresa nicht hinderte, der einstigen Zellengefährtin den schönen Barras abspenstig zu machen, als er, in das Direktorium ge- wählt, den Luxembourgpolast bezog. Die Bürgerin Beauharnais hatte nicht die Gewohnheft, ihren Freunden lange nachzutrauern, und da sie die Aussichtslosigkeit eines Wettkampfes mit Madame Tallien erkannte, begnügte sie sich mit einem Adjutanten Barras', der auch erst 26 Jahre all und schon General, aber durchaus nicht so schön wie Holl)«, sondern ein un- heimlicher Wildling mft unmöglichem korsischen Namen war. Ein« Zeftlang schien auf allen Linien die noch unverbrauchte Schönheft der Frau Tallien über den raffinierten Charme der armen, schon vom Zahne der Zeit benagten Jvsefine zu triumphieren, denn die

iv.-x.£ordt: 3)cr grüne Schlüpfer Otto! Otto!' Nanu, kann man denn noch nicht mal fein Frühstück in Ruhe essen? Ist es denn schon wieder so weft? Totfächljchl Wie schnell doch die Frühstückspause vergeht. Na, dann mal zu! Otto, du nimmst dir ein Stück Eisenblech und gehst zu Fabrik- direktor Heuerten in die Wohnung. Det nagelst« in der Küche vor 'n neugesctzten Herd, jrade unter't Feuerloch. Nu man los!" Wenige Minuten später klingelt Otto. Der jüngste Lehrling des Töpfermeisters Krulke am Hintereingang der vornehmen Villa des Fabrikdirektors Heuert. Sin Dienstmädchen, schon zum Aus- gehen gekleidet, öffnet. .Letzt kommen Sie?' fragt sie mürrischen Tons.Schöne Zeit ham Se sich ausgesucht!' Und geschwätzig fährt sie fort:..Die Herr- schatten verreist, die Mamsell zu eene Leiche, nur Fräulein Hilda un ick sin hier.':'.:- Das will ich so- genau ja gar nicht wisien.' brummt Otto, der das gesprächige Mädchen noch von früher her kennt. Nee Otto, wat sind Se heute bloß so kurz angebunden!' Friedas Schatz war nämlich untreu geworden und da Otto trotz seiner 17 Jahre schon ein recht stattlicher und dazu noch hübscher Bursche war, hätte Frieda ihn ganz gern als Lückenbüßer verwendet. Doch ihren Plänen wird vorschnell ein Ziel gesetzt. Sassen Sie den jungen Mann doch herein. Frieda!' ertönt plötzlich eine hell« Mädchenstimine. Otto steht kurz aus. In der Küche steht ein Mädchen in hellem, kurzen Kleid, jung hübsch. Jawohl, gnädiges Fräulein!' knickst Frieda und verschwindet. Otto tritt ein. Er legt Hammer und Nägel auf den Fußboden und breitet das Blech aus: das Fräutem steht am Tisch und sieht zu. Otto beginitt das Blechstück geradezuklopfen. Fräittein Hilde setzt sich auf eine Ecke des Tisches und schlenkert die Beine in rhythmischen Bewegungen. Plötzlich knirscht Seide. Hilde hat die Beine kokett übereinander geschlagen. Otto klopft. Es ist schönes Wetter heute!' kommt es vom Tische her. Otto sieht in kniender Stellung auf. erblickt Leine, gelblederne Schuhe zwei seidenbestrumpfte Beine mtt wunderbarer Linienführung und darüber, darüber... darüber schimmert ein hauchfenrer, zart- grüner Schlüpfer. Mehr sieht Otto nicht, mechanisch fällt sein Hammer, doch vor seinen Augen tanzt der Ansatz eines grünen Schlüpfers. ,Lch heiß« Hilde!' sagt unvermittelt der Mund über dem grünen Schlüpfer. ..So,' sagt Otto und wundert sich, wie verändert seine Stimme jetzt klingt. Er schließt für einen Augenblick die Augen, aber da» Bild des grünsn Schlüpfers verschwindet nicht es wächst, wird größer, füllt die Küche aus. Nur die Küche? Nein, das ganz« Haus, die Stadt, di« Well, das Leben.Penk. Penk, penk' Singen Hammer und Blech. Das linke Bein schiebt sich ein wenig höher. Das Plisieeröckchen wird kokett herabgezupft. Und doch sieht Otto wieder ein Stück... Mehr! Mehr!? Penk, penk, penk... Dauert dieses langweilige Klopfen noch lange?' fragt ein roter, schöngeschwungener M»nd. Wieder sieht Otto aus. Zwei groß«, feuchtschimnwrnde Blau. äugen strahlen ihn an. Und Otto sieht, fühlt, wie schön dos Mädel da vor ihm ist Noch mft dem unbestechlichen Instinkt des Kindes begabt, erkennt er. daß dieses schöne, junge Weib vor ihm nur noch Begehren, Verlangen ist. Dieser prachtvolle Körper in Seide ge- hüllt will geliebt werden. Doch Otto schüttelt den Kops und klopft. Penk, penk, penk... Wieder knistert der grüne Schlüpfer. ..Penk, penk. penk,' klopft Otto rascher. Vor seinen Augen tanzen grüne Ringe, häufen, sammeln sich, bilden«inen grünen Schlüpicr. Penk, penk. petsch au! Das ging auf den Finger. Mit einem Satz ist Hilde vom Tisch herunter, kauert neben ihm. .Last du dir weh getan?' slüftert sie heiß. Nun!" Ottos Stimme klingt krächzend. Du hat sie gesagt, du!! Dann steht er aus, schwankt einen Moment wie trunken und sagt dann:..Ich bin jetzt fertig.' Sieht kurz in die Blauaugen. dreht sich um die Küchentür fällt ins Schloß. Langsam geht Otto durch den Garten. Zögert, schwankt. Nee.' murmelt er.nee. es gebt doch nicht. Wo ich«in so lächerlich dreckiges Hemde anhabe.?de«. nee.' Und er ichrettet Müde Detter.,

Tallien verdreht« sogar einem richtigen Herzog den Köpf, und als Tallien später mit dem Gemahl Josesinens, dem General Bonaparte, nach Aegypten ging, ließ sie auch ihren zweiten Mann im Httch und folgte dem Herzog von Chimay tn seine Heimat Belgien . Welcher Triumph über Losesine, Herzogin zu werden! Aber mitten im Rennen schlug dos Schicksal um. Als Theresa, nach allen Regeln getraut, wirklich Herzogin von Chimay wurde, hieß die einstige Strohsacknachbarin bereits Kaiserin von Frank- reich, ihr Sohn war Vizekönig und starb als königlicher Prinz von Bayern , und ihre Tochter trug eine Königskron« und schenkte Frank- reich einen zweiten Kaiser... Die schöne Theresa war ins Hinter- treffen geraten denn was konnte es gegenüber solchen Resultaten bedeuten, daß sie ihre einzige Tochter aus der Ehe mit Tallien in eines der ollerfeudalsten Häuser Frankreichs hineinheiraten ließ? Streng kirchlich gesinnt, wie es sich für eine belgische Herzogin gehört, konnte sie nicht umhin, den Vater der Braut zu der Hochzeit einzuladen, und einRegicide', ein Mann, der sür die Hinrichtüng Ludwigs XVI. gestimmt hatte, verunreinigte mit seiner Gegenwart eine Hochzeit in den höchsten, königstreuesten Adelskreisen! Augen- zeugen erzählen, daß nicht nur kein Gast und natürlich die Braut­mutter, sondern selbst die eigene Tochter dem Vater kein Wort und keinen Blick schenkte, bis er gedemütigt aus dem Palast schlich... Die einzige von den drei Gefangenen, die das Leben sang- und klanglos in sich einschlug, war die Trägerin des stolzen Namens der Herzöge von d'Aiguillon, eine Großnichte des Herzogs von Richelieu und Schwiegertochter des Ministerpräsidenten Ludwigs XV. Sic folgte ihrem Gatten in die Emigration, und daß sie nicht spurlos versunken und vergessen ist. verdankt sie nur der blutigen Klammer, die im Keller der Karmeliterinnen ihren so glanzvollen Namen mit den Unterschristen der beiden Plebejerinnen verbindet: Bürgerin Beauharnais Bürgerin Cabarrus Bürgerin d'Aiguillon.

3l jf. tränest- Sin Vogel als Schneider Das Spinnen ist eine uralle Handbeschäftigung der Menschheit. Die bei uns Deutschen immer noch übliche Ueberschätzung des Fremden, besonders wenn es aus dem klassischen Lande der Griechen kommt, hat auch den Ursprung der Spindel nach Athen verlegt: aber die Tatsache, daß schon in vorgeschichtlichen Zeiten in Deutschlanc» der Flachs ganz allgemein angebattt wurde, hat es»ohl wahrschein- lich, ja, sicher gemacht, daß unsere Vorfahren das Arbeiten mit der Spindel auch ohne Vermittlung Griechenlands gekannt haben. Während man heute in ländlichen Gemeinden immer noch häufig gemig die Hausmutter zur Winterszeit am Spinnrade sitzen- sehen kann(auch das Spinnrad ist eine deutsche Erfindung aus dem 16. Jahrhundert), wird die Verarbeitung der Rohstoffe im großen selbstverständlich durch Maschinen ausgeführt, die, erstmals 174! in England auftauchend, durch zahlreiche Verbesserungen un Lauf« von fast zwei Jahrhunderten Ihren heutigen Stand der Vollkommenheit und Kompliziercheft erreicht haben. Wir haben gewiß recht, auf die Entwicklung unserer Technik stolz zu sein. Aber wir haben kein Recht, die Technik nun als etwas zu betrachten, das nur den Menschen oder gar nur den sogenannten .Kulturmenschen' vorbehatten sei. Denn es ist durchaus nicht so, daßTechnik' erst da anfängt, wo man sich komplizierter Maschinen bedient. Vielmehr ist Technik ,chie Schafstmg von Mitteln zür.Er­tragung, Benutzung oder Aenderung der Umwelt": und freilich ge- hört die Verarbeitung von Hans, Leinen oder Baumwolle im Spinnereibetviebe mft dazu, denn es werden ja Erzeugnisse der Um- well verwertet, um zur Ertragung der Umwelt Schutz gegen Witterungseinflüsse Dinge herzustellen, und Spimtereltnaschinen sind Mittel dafür. Aber ebensogut ist esTechnik', wenn ein Kind einen Stein ergreift, um mft seiner Hilfe die harte Schale der Haselnuß zu zertrümmern und zum süßen Kern zu gelangen. Kurz: jedes Lebewesen, das die ihm in seiner Umwell gegebenen Mfttel benützt, um daraus für fein Dasein einen Vorteil zu erreichen. führt eineTechnik' aus. Die Bewußtseinsfrage spielt dabei keine Rolle. Es gibtunbewußte' Technik ebensogut wie bewußte. So­viel wir wissen, ist bewußte Technik uns Menschen vorbehalten. Ader wir wissen nicht, wie weit anderen Lebewesen außer uns Bewußtsein' zuzuschreiben ist. Unser Innenleben ist so beschafsen, daß wir alles, was uns umgibt, nur mit menschlichen Maßstäben messen können: ein wirklichobjektives' Wissen, ein Wissen um das Wesen der Dinge gibt es für uns nicht. Wir können nie erfahren, wie die Dinge wirklich sind: wir wissen nur, wie sie sich uns dar- stellen. Es gibt nun aber im Tierreich Erscheinungen, die es in hohem Grad« wahrscheinlich machen, daß auch das Tier eine Art vonbc- wußter' Technik besitzt. Taucht diese Frage schon auf, idonn Man den Nestbau der Vögel im allgemeinen betrachtet, so wird Man, wenn man die Leistungen des Schneidervogels bettachtet, geneigt fein, sie zu bejahen. Diel« Techniker un'er den Vögellt ist in Indien hsimijch. Brehms Gewährsmann berichtet, daß die Wände feines Nestes aus zwei kleinen Blättern oder einem großen Blatte bestehen: im einen Falle legt der Vogel zwei am Zweige benachbarte Blätter mft den Rändern aufeinander, im anderen fallet er das große Blatt der Länge nach zusammen, so daß die Ränder aui- einander liegen. Nun und das ist das Erstaunliche durchbohrt er die Blätter den Rändern entlang in gewissen Abständen mit dem Schnabel und heftet sie zusammen, wozu er wohl auigeiundenc Bind- sadenreste verwendet, i» der Hauptsache jedoch die Fäden selbst aus roher Baumwolle dreht. Ueberlegen wir, was hier vorliegt Ein Vogel arbettci wie ein Schneider! Er näht er vollführt eine.Handfertigkeit", die- und, beim Menschen eine gew sse Höhe der geistigen Entwicklung voraus­setzt. Ferner: er stellt sich den Faden selbst technisch aus Baum- wolle her. Dazu gehört einmal wieder eine gewisse.Handisrhg- feit", dann aber auch die Erkenntnis der Materialqual itäte». Der Bogel muß beurteilen können, daß gerade die Rohbaummolle, die er aus den Samenkapseln der Baumwollpflanze pflückt, sich zum Spinnen des Fadens eignet, und ebenso muh ihm eme gewisse ilnteilskraft darüber zukommen, daß Fadenreste, wie er sie in der Nähe menschlicher Siedlungen leicht findet, zu leincin R' bm taugen, nicht aber etwa weiche Grashalme, die er gewiß edmso häufig liegen sehen kann Ueber diese zwei Arundsorderungen Erkenntnis der Materialqualitä' und Handfertigkeit kömmt auch unser« menschliche Technik nicht hinaus.

Die erste Zeitung entstand im Jahr« 911 nach Chrsttt tn S-e hieß-King Pas'(Hauprstädttsche Rachrichte»).