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Nr. 79» 47. Iabrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag,-16. Februar 1930

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Jn dtn MiHagstiunden eine» düsteren, naßkalten Februartages gehen zwei M inner durch Berlin . Abgeritten und herunter­gekommen. wie sie anstehen, (irüdct der Koffer, den sie mit­schleppen, besonders schwer. Sie kommen oon der Steinmetzstraße, wo sie kaltblütig eine K l a o ier- lehrerin um 30 M. und ein paar Sachen getötet haben, und wollen zur Aekertiraße. Jedesmal, wenn ein Passant sie ansieht, erschrecken sie; um Poli- msten machen sie einen großen Bogen. Nach zweistündigem Marsch stehen sie vor der Wdrme- halle de» Bezirksamt» Mitte. Sie zögern einen Moment hineinzugehen, zumal oorbei- kommende Obdachlose sie stäUß nend mustern: nanu, mit den beiden haben wir doch heule früh in der IP lesen bürg zusammen die Suppe ausgelöffelt, keinen Groschen hatten sie in der Tasche. und jetzt der schwere Koffer, die acheinen ein Ding gedreht zu haben. Der 27 Jahre alte Kellner Alfons Gansky und der nur ein Jahr jüngere Arbeiter Martin Opitz merken diese auf sie ge­richteten argwöhnischen Blicke, aber wohin»onst, denken sie, in diesem ehemaligen Bahnhof VII de- Großen Berliner Straßenbahn ist e» noch am sichersten. Da Ist es so dunkel, daß man keine Teilung lesen kanr. wer soll im» da sehen, da ist es so voll, daß man nicht vorwärts kommt,

Die Wirmehalle in der AckerstraCe,

mferu Gesprächs:Wenn die Sonne man erst»teder Bortonmen würde, aber gleich bin ich raus au» Berlin. Sem neben chm sitzender, tiefäugiger Kolleg« mst dem stopplige» San und den krebsroten Backen, einem uralten Raglan und der speckigen Strickweste, stimmt chm bei dieser Hoffnung auf die Sonne

soll uns da finden, und da ist es so laut vom Schachern.| sofort zu..Vch bw auch in der Kesfelstrab-«ingetragen, a b�e r

Rufen und Pfeifen, wer soll uns da hören. Außerdem i Pollen die Kerls dodrin die Schnauze halten, die haben selber ihre Sachen auf dem Kerbholz. Bis um fünf Uhr sind die paar Brocken an den Mann gebracht; diesen Abend gehen Gansky und Opitz nicht in die Wiescnburg, sondern in die Kneipe und vertrinken den Mörderlohn.

Ein Totschlag. 1 Der Zufall will es, daß sich an demselben Nachmittag ein Reporter aus eine Speckjäger quetschtSage mal, Kollege, worum sind denn jetzt die Weider hier, als die Wärmehalle noch in der Dirckjenstraste war, da durften doch nur Männer herein.-Ja. da» fragen wir uns auch. warum die Weiber hier sind, dadurch kommt bloh Mord und Tot- schlag.-Mord und Totschlag?-Na, weiht du denn nichts oon dem Krach, den der Stiefelputzer mit dem Schweizer hatte?-Nee, wann war denn das?-Paul, wie lange ist das her, w o s i e Ach so. das,

wenn der erst» Bauer kommt, und Lgut« verlangt, dann mache ich mit weg. Damit man mal wieder Mensch wird und von der Wiesenburg wegkommt. Jeden Abend ausziehen, baden. Suppe essen, schlafen, nächsten Morgen wieder Suppe, dann Volksküche, Wärmehalle, auszieher. baden, stelle dir doch das mal vor mit dem Geb ad« erst in das. heiße Wäsier, dann onter die kalte Dusche, da muh mar ja den Schnupfen kriegen.- Dieser Mann ist etwas über sünszig. im Osten Berlins geboren, wo er i» der Oange- strah« Schlächter gelernt hat. Hat drei Schwestern und einen Bruder. u««up i.u,»n i zwei Schwestern U'ben noch und stno w Nüdersdors gut verheiratet. der Bänke zwischen müde, zusammengesunkene �eben lang Berlin umkreist, als er älter wurde, wollten ihn dl« Schlächtermeister nicht mehr haben, deshalb sah er lich bei der Bauern um. wo es was zu tun gab. Seine geladene Patrone, da» ist feine Scknapsflafche, hat er immer bei stch gehabt, schöne Gelchichten kann«v erzählen, wo» sie betrunken alle» angestellt haben, sein Borstrafenregister zusammengerechnet ergibt ein halbes Jahr Knast, man kann ihr fragen, was man will, immer endet er b«. dein Baden:Junger Freund, das hält kein Mensch aus.- Borsichtig tippe ich an:.Könnt ihr denn nicht in einem Altersheim unterkommen?- Beinahe wären alle Speckfäger

den Schweizer totgeschlagen haben? warte mal. so kurz nach Neujahr, ich kam gerade vom Mittagessen. Da krieg, sich doch der Schweizer , ein stramm-r war mit �nk gefallen, um chimmelswillen. Altersheim, da herrscht dem Stiefelputzer>n die Haare, wegen der Frau. Es ging noch mal IJC ssAiSA»., r« J.«A�.i....CL ;JiAm!rt.n vtfwr tm* ein voer i in Ordnung, und de' alte vom Alkohol zerfressene Schlachter fangt sofort«ine Geschichte an zu erzählen, wie fern bester Freund, mit dem «e mal in Schmöckwitz den Garten des Polizeisergeanten rnnge-

so ab, der Schweizer wurde rausgeschmissen. Aber nach ein paar s Minuten kommt er wieder herein und fängt von neuem Krach an. Da stürzen gleich zwanzig, dreißig Mann auf ihn zu. greifen ihn und schmeißen ihn in die Türscheibe. Dabei muß er stch ausge« rechnet die Putsadern aufschneiden. Er kam noch bi- an die Linien» straße, dort brach er zustimmen, na,«».hat nicht mehr viel gesehen und gehört, entweder ist er schon auf der Unfallstation in der Lothringer Straße verstorben oder gleich darauf im Krankenhaus. Alle« wegen den Weibern.-Mann, hier kann man was erleben. Don dem Stehlen schon gar nicht mehr zu reden. Bis in den Friedrichshain sind sie mir nachgekommen, haben mir Pfeffer in die Augen gestreut und mir meine letzten Groschen gestohlen. Das ist ja das schlimme, ein Kunde beklaut den anderen. Am besten Ist, man hat gar nichts.- Ernst von Czinda und seine Kollegen. Der bleich«, kleine Mann mit den eingefallenen Wangen und de»«mzündeten Augen, der diese Dinge berichtet, heißt Ernst o. Ezinda, ist 1880 in Langfuhr bei Danzig geboren, sein Groß» vater war Gutsbesitzer, sein Vater Oberlehrer. Der Jung« taugte nicht», aber aus dem werden wir schon einen ordentlichen Menschen machen, denkt der Dater, und bringt den Jungen zu einem Dorf» schmied in die Lehr«. Bei der ersten Gelegenheit ist der Junge natürlich ausgerückt...Backpfeifen hauen lassen?-«eint er heute noch nach fünfunddreißig Jahren. Geht zum Bauern, und trudelt nun ein Menschenalter zwischen Tilsit und Emden umher. Sommer» auf dem Lande und Winters in der Stadt. Während des Krieges steckt man ihn zu den ZSern nach Brandenburg , aber die haben auch nichts mit ihm anfangen können, als er<7 Jahre ist. schafft er sich ein Weib an..LSeitzt ja. wie das ist. ein Schnitter muß ein Weib haben, ich nehme sie mit nach Berlin , achtzig Mark hatte ich in dem Sommer gespart, wir hause» zusammen, da rückt sie mir mit einem anderen au». Sie soll jetzt s-ho« tat fein, ober ich Hab, mir bei ihr die schlimmen Auge» geholt, vier Wochen lag ich d-ewegen im Fröbel- Der Mimi ist auf dem Nachweis für landwirtschaftliches Personal in der Ackerstraße eingetragen.'geht zweimal die Woche stempeln, schläft nachts in der Wiesenburg , und meint am Schluß

Beim Friseur. graben hat, worauf sie ein« Pulle Korn austranken und der Freund in den Seddins«« fiel, wie«r ihn damals mit einem Knüppel heraus- gefischt hat und wie der dann später in dem Stall ein«-».Bauernhofe« unweit Zossen verreckt ist. So stirbt«in Speckjäger, oachte er sicher bei dieser Erzählung. lfabefatmi verstorben. Diesen Schrecke«, den«ingefleischte Landstreicher ver dem Altersheim empfinden, bestätigt übrigens aus seiner ZVjährigen Er- fahrung der alt« Kassierer oon der Kaffeeküch«.Ein Adliger hier.

da» ist gar nicht so etwas Auffallende», die feinsten Leute hoben an dieser Kasse schon gestanden und sich sür fünf Pfennig« zwei Schrippen gekauft. Da war zum Beispiel Aetherwilhelm, da» war ein ehemaliger Leutnant von den Z. Jägern, der war meist so blau, daß man ihn überhaupt nicht hereinlassen konnte. Aber wenn ich dem gesagt habe, Wilhelm, jetzt ist es aus, nun kommst du in die Anstalt, dann hat«r gemacht, daß«r wegkam und hat stch vierzehn Tage long nicht blicken lassen.-Zwei Töpfe Kosfee. einen warmen und einen kalten, ich kann keinen so heißen trinken- vertongt ein uraltes Mütterchen zwei Marken.Da brauchen Sie doch nicht gleich zwei Töpfe, lassen Sie sich doch in den «inen etwa» kalten Kasse« hineingießen.- Und zu uns gewandt fährt der Kassierer fort:Sehen Sie, das war nun eine Frau, die hat ihre Wohnung und«in wenig Rente, kommt aber hier für einen Sechser ihren Kaffee trinken. Ja, ja, na, dann war hier ein Edler Hans v. P u t l i tz, auch heruntergekommen, wie der Rittmeister Kutscher. Oder e» kam immer ein Schneidermeister aus der Dorotheenstraß«. auch dauernd besassen, da» sind so die Alten von drüben aus der virckfeirstraße, die existieren alle nicht mehr, irgendwo unbekannt verstorben.-Einen Topf Kasse«-.Noch fünf Pfennige dazu, als Pfand. Ach, wenn wir nicht Pfand nehmen würden, dann könnten wir uns die Töpfe abends sonstwo zufammensuchen.- Natürlich sind da» nicht alle« Säufer, die in unsere Wärmehalle komme«». Da drüben, der am Fenster, da» ist auch«in alter Berliner . sein Bater hatte«ine Stellmacher«! in der Rosenthaler Straße, der hat nun den Jungen Zigarrenmacher werden lassen. Der Jung« vertrug den Tobakstaub nicht, der ging ihm auf die Lunge, dann fing er an. Karten zu kolorieren, aber wer läßt heute noch Karten kolorieren, da» kriegt man doch alles fertig gedruckt. Dann bezog der Mann Armengeld, dummerweise ließ er sich das während der Inflation ir Erwerbslosenunterstützung umwandeln, hatte dann irgendwo woh' noch«ine Toilette, aber das Geschäft ging schlecht, da konnte er die Pacht nicht bezahlen. Verwandt« hat er auch nicht mehr, nun sitzt er hier. Und der Mann hat nun überhaupt nicht gesoffen. Wen es trifft, den trifft es eben, Schicksal...- » So sitzen die Schicksale gebündelt in der Wärmehalle. Vom gemeinen Naubmörder bi» zum rechtschassenen Arbeitsmann, der seinen Platz an der Sonne nicht behaupten konnte. Wärmehallev! und Volksküchen sind die notwendigen Ergänzungen der Obdachlosen� asyl«. Wir wollen nur eins bemerken: der Weg zum Asyl führt über eine Kontrolle durch die Kriminalpolizei,, Das wird sich auch� für die Wärmehalle nicht mehr umgehen lassen. Damit die Halls wieder eine Zufluchtstätt« für zerbrochene, überrannte Menschest, wird und nicht in eine Sämmelstell« aller Dieb« und, Hehle��V dunkelsten Berlin » ausartet.

Flugzeugabsturz in Staaken . Oer Pilot lebensgefährlich verletzt.

aus etwa 13 0 wurde bei dem zerstört. Nack«

vel elnem UebungSflug in Staaken stvrzte am Sonnabendnachmittag der 24jährige Pilot Heinrich N a et e aus Munzel, Kreis Minden , Meter Höhe ab. Der Apparat Anprall auf bem Erdboden völlig lebensgefahrlich verletzt. Der Pilot war gegen 13 Uhr in dem F l a m i n g o» U d« t 787 der Deusschen Lufssahrt G. m. b. H.. Zweigstelle Staaken , zu einem Platzflug gestartet. Nocke befand stch bereits 20 Minuten in der Luft, als der Apparat plötzlich aus beträchtlicher Höhe auffallend schnell niebergling. 3n einer höhe von etwa 150 Meter stellte sich da» Flugzeug plötzlich steil und sausfx mit rasender Geschwindigkeit in die Tiefe. Der Apparat prallte unweit der Hamburger Chaussee «ms dem harten Ackerboden aus und wurde völlig zertrümmert. Vom Flugplatz aus eilte in Automobilen sofort Hilfe an die Unfallstelle. Der Pilot Nocke, der in seinem Führersitz nach angeschallt war, wurde bewußtlos aus den Trümmern hervorgezogen. Man schasst« den' Schwerverletzten ins Spandauer Kreiskrankenhaus, wo die Aerzt«' neben einem Wirbelsäulen, und Schädelbruch schwere innere Verletzungen feststelllen. Es besteht kaum Hoffnung, den ab- gestürzten jungen Flieger am Leben zu erhalten. Die U rsa che des Absturzes konnte noch nicht einwandfrei ge- klärt werden: es wird bisher Motorschaden vermutet. Nocke hat vor »Iniger Zeit sein« Flugprüfung abgelegt und galt allgemein als mm sichtiger und sicherer Pilot.___ Großfeuer in GEG-Kabrik. Explosion loser Zündhölzer. eaoenburga. d. Elbe , 15. Zebrnae. 3n der hiesitze« Zündholzfabrik der Großeinkaufsgesell. scha f.« deutscher Konsumvereine entstand durch E x p l o- s i o a von losen Zündhölzern ein Feuer, das sich rasch ausdehnte und in kurzer Zeii das ganze Gebäude ergriffen hatte. Die leicht bteno- baren und zum Teil explosiven Stoffe sachten das Feuer Imme« wieder auf, neue an. Die Feuerwehren mußieu sich damit be­gnügen. den Brand zu beschränken und die stark gesährdet« benachbarten wohngebckude vor dem Uebrrgreisei der Fiammea zu ickica. Der angerichtete Schade« ist bedeutend.

Sine«eunilgsahrige Berlinerin. Am Dienstag, dem 18. d. Bt, »ollendet W( Muttec des in Tempelhos befannlen Genossen Geors Kayser dos 90. Lebensjahr.

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