Morgenausgabe
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Freitag
21. Februar 1930
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Zollerhöhung für Kaffee und Tee. Deckung und Houng- Plan.
Bom Reichskabinett beschlossen.- Ab 5. März in Kraft.
Das Reichskabinett hat in feiner gestrigen Situng| verträge werden durch die Erhöhung des Kaffee und Teezolles nicht entsprechend einer gesetzlichen Ermächtigung vom 8. April 1922 den Reichsfinanzminister mit der Erhöhung des Kaffee und Teezolles beauftragt. Die ent sprechende Verordnung des Reichsfinanzministers wird fofort nach ihrem Erlaß veröffentlicht. Die Zollerhöhung tritt am 5. März in Kraft.
Diese Ermächtigung des Reichsfinanzministers hat zur Folge, daß die Einfuhr von rohen Raffeebohnen statt mit 1,30 m. pro Stilo mit 1,60 m., die Einfuhr von gebranntem Kaffee statt mit 1,75 m. mit 3 M. und die Einfuhr von Tee statt mit 2,20 m. mit 3,50 m pro Kilo verzollt werden muß. Im vergangenen Jahre brachte der Kaffeezoll dem Reich 183 Millionen und der Teezoll annähernd 13 Millionen.
Durch die Zollerhöhungen find bestenfalls 45 Millionen bei Kaffee und 7 Millionen bei Tee an neuen Reichseinnahmen zu erwarten.
Dieser Mehrertrag fann durch einen eventuellen Verbrauchsrüdgang natürlich auch fleiner werden, nachdem feit 1924 die steigenden Einnahmen aus diefen Zöllen nur durch die allmählich sich bessernde Lebenshaltung erzielt werben fonnten.
berührt, da es fich um autonome und nicht um Bertragszölle handelt. Das Reichskabinett schafft durch diese Maßnahme, wenn auch nur für einen sehr kleinen Teil der für das Reich erforderlichen neuen Einnahmen, vollendete Tatsachen.
Die entscheidenden Kämpfe um den Hauptteil der erforderlichen neuen Reichseinnahmen stehen noch aus. Da es sich auch beim Raffee und Teezoll wieder um stärkere Berbrauchsbelastung handelt, ist das von der Sozialdemokratie geforderte besondere und einmalige Opfer aus der Einkommensteuer um fo berechtigter.
Moldenhauers Absichten.
Die Berhandlungen des Reichsfinanzministers mit den Sozial politikern der Regierungsparteien über die Dedungsoor schläge für die Sanierung der Arbeitslofenver ficherung sind am Donnerstag abgeschlossen worden, ohne daß eine endgültige Berständigung erzielt worden wäre.
Der Reichsfinanzminister wird nunmehr dem Reichs. fabinett die erforderlichen Borlagen zur Dedung des Defigits unterbreiten und vor allem von sich aus Borschläge darüber machen, wie die Arbeitslosenversicherung vom Standpunkt des Etats aus zu regeln ist und wie der zur Deckung der Ausgaben erforderliche Reft betrag aufgebracht werden fann. Es verlautet, daß der Reichs finanzminifter plant, der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung felbst die Aufgabe ihrer Sanierung aufzuerlegen.
Ein grundsätzlicher 3rrtum.
Das Reichstabinett wird am Beginn der nächsten Woche die Dedungsvorlage beraten, die im Finanzministerium ausgearbeitet wird. Als erste Maßnahme hat Das Kabinett den Reichsfinanzminister ermächtigt, die 3ölle auf Kaffee und Tee zu erhöhen. Es scheint ferner, daß ein Berkauf von Reichsbahnvorzugsaktien an die Sozialversicherung erfolgen wird, wenn auch in erheblich ge= ringerem Umfange, als das Reichsfinanzminifterium zunächst beabsichtigt hatte. Mit beiden Maßnahmen jedoch sind die Schwierigkeiten feineswegs behoben die großen Fragen der Abdeckung des Defizits find nach wie vor offen.
In den Besprechungen der Finanzsachverständigen ist vor allem ein Punkt nicht entschieden worden: sollen einmalige Anforderungen gedeckt werden durch Erhöhungen von Massen steuern, die in einem späteren Zeitpunkt nur mit Schwierigkeiten und mit dauernden Verlusten für die Maffen abgebaut werden könnten? Der Widerstand gegen folche Steuererhöhungen es handelt sich vor allem um die umfassteuerbeschränkt sich nicht allein auf die Sozialdemokratie. Insbesondere der Reichsverkehrsminister Dr. Stegerwald vertritt die Auffassung, daß die Neuregelung der Reparationsverpflichtungen dazu benutzt werden müsse, um eine wirtschaftspolitit auf fangere Sicht zu treiben. Im Gegensatz zu der Meinung der Unternehmer verweist er darauf, daß ein erheblicher Teil der jetzigen Wirtschaftsschwierigkeiten zurückgeführt werden muß auf die dauernden Preissteigerungen, die immer wieder von Lohnbewegungen begleitet sein müßten. Kartelle und Konventionen haben in Verbindung mit der deutschen Steuerpolitik die durch Rationalisierung
Die Reichsregierung verdankt die Möglichkeit, von sich aus eine fofortige Erhöhung der Kaffee und Teezölle vorzunehmen, einem Gesetz aus der Inflation, das damals init Rücksicht auf die steigende Geldentwertung eine Anpassung der Reichseinnahmen an den finfenden Geldmert wollte. Dieses Gesetz besteht heute noch zu Recht und ift die rechtliche Grundlage der vom Reichsfinanzminister jeẞt zu erlaffenden Berordnung. Es handelt sich beim Kaffee und beim Die Reichsregierung beschloß am Donnerstag, es bei ihren erzielte perbilligte Produktion den Konsu Teezoll um reine Finanzzölle, deren Ertrag reftios der früheren Entscheidungen über die gemeinsame Berabschie.menten nicht im ausreichenden Maße zugute Staatstaffe zugute tommt, d. h. nicht um Schußzölle, deren 3wed bung des Doung Planes und des deutsch - point es ist, die Einfuhr der verzollten Waren zu verringern. Handelsschen Liquidationsabtommens zu belaffen.
Young- Plan und Liquidationsabfommen.
Chantemps erklärte, nachdem er dem Präsidenten der Republik über seine Verhandlungen Bericht erstattet hatte, daß er die Kabinettsbildung endgültig über. nehme. Er hoffe, daß er sein Ministerium im Laufe des morgigen Tages bilden fönne.
Handelsmarine: Rolin( Linksrepublikaner) Bostminister: Germain- Martin( radikale Linke) Luftfahrt: Laurent Eynac
Benfionen: Bounsfou.
fommen lassen. Würde man jetzt den Fehlbetrag der öffentlichen Haushalte lediglich durch Massensteuern zu decken suchen, so müßte bei den Arbeitern und Angestellten. zwangsweise die Stimmung ausgelöst werden: Was man den Massen an neuen Steuern auferlegt, muß von den Gewerkschaften wieder mehrfach an Lohnerhöhungen herausgeholt werden. Damit aber würden die Wirtschaftsschwierigkeiten nur noch vergrößert werden. Stegerwald wendet sich deshalb in einer Dentschrift gegen alle einfeitigen Sanierungspläne. Diese Denkschrift enthält folgende positiven Vorschläge:
Da bereits im verflossenen Dezember bie deutsche Wirtschaft durch Agrarzölle und Tabatsteuern mit mindestens 350 Millionen Mart neu belastet ist, sei es unmöglich, den ganzen Fehla betrag des Etats von 700 Millionen mittels Meuer Steuern aufzubringen.
In dieser ersten Liste hat das Kabinett Chautemps eine starte Bintsneigung und würde auf die Unterstützung der Sozia Der Borschlag der Dedung des Fehlbetrages der ArbeitslosenDiesem Entschluß war eine Abfage von Tardieu voran listen angewiefen fein. Troßdem auf der Liste der Name des Links gegangen, dem Chautemps einen Ministerposten im Interesse der republikaners Rolin figuriert, bedeutet sie noch nicht, daß versicherung durch eine Anleihe bei der Sozialversiche gegangen, bem Chautemps einen Ministerposten im Intereffe der die Linksrepublikaner einer solchen Regierung ihre Unterstüßung rung dürfte deshalb taum zu umgehen sein. Die Kontinuität der Außenpolitit auf der Londoner Konferenz angegeben würden, ganz im Gegenteil, sie hielten zwar heute abend eine dagegensprechenden wohnungspolitischen Bedenken seien zwar start, Sigung ab, faßten jedoch auf Wunsch Tardieus teinen Bedürften aber im ganzen nicht so schwer zu bewerten sein, als wenn fchluß. Es wurde bestimmt, daß tein Mitglied ihrer Gruppe ohne auch diese 250 Millionen durch Steuern aufgebracht werden müßten. vorherige Parteizustimmung der Regierung Chautemps beitreten fönne.
boten hatte.
Chautemps erklärte nach Schluß der Beratungen der radikalen Rammerfraftion, in der er über den Verlauf seiner bisherigen Ber. handlungen Bericht erstattet hatte, er werde seine Besprechungen in Der bisherigen Richtung fortsetzen, d. h. er wolle versuchen, ein weitgehendes Ronzentrationstabinett zu bilden, das die Linksrepublikaner und die fatholischen Demokraten einschließt. Chautemps hat dann noch Brian d einen furzen Besuch abgestattet. Beim Berlaffen des Quai d'Orsay erklärte er, die Krise nehme einen normalen Berlauf. Er bedauere, daß Tardieu ihm nicht seine Unterstügung geben.tönne, aber die Unterstüßung Briands bleibe ihm ficher.
Eine Wandelhallen- Lifte".
Paris , 20. februar. Die erste voraussichtliche Ministerfifte foll folgendermaßen zu fammengesett fein:
Ministerpräsident und Innenminister: Chaufemps( radifal) Außenminister: Briand ( republikanischer Sozialist) Finanzminister: Dumont( radikal)
Schahminifter( neues Ministerium): Bonnet( rep. E03.) Juftizminister: Steeg( radikal)
Kriegsminister: Painlevé ( republikanischer Sozialist) Marineminister: Dumesnil( radikal)
Unterrichtsminister: Delbos( radikal)
Arbeitsminister: Coucheur( radikale Linke)
Deffentliche Arbeiten: Paganon( radikal)
Handelsminister: Daniélou radikale Linte)
Rolonien: Albert Sarrauf( radikal) Aderbau: Queuille( radital)
Deutsche Handelskammer in Paris . Deutschland zweitftärtster 3mporteur nach Frankreich . Paris , 20. Februar.( Eigenbericht.)
Die in Paris ansässigen wirtschaftlich tätigen deutschen Staatsangehörigen haben in einer großen Bersammlung eine„ Deutsche Handelskammer in Paris " gegründet. Dem Vorstand der Kammer gehören neben sieben gewählten Mitgliedern der Leiter der Konfulats und Wirtschaftsabteilung der deutschen Botschaft und der deutsche Vertreter der Internationalen Handelstammer in Paris an. Das neue Institut hat den Zwed, die deutsch franzöfi fchen Handelsbeziehungen, die sich in den zwei Jahren nach dem Abschluß des Handelsvertrages start entwickelt haben, weiter zu fördern. Schon jetzt hat Deutschland hinsichtlich der Höhe Jeines Imports nach Frankreich den zweiten Plaz hinter Amerita inne; im Export steht es an dritter Stelle hinter Eng land und Belgien - Luxemburg .
Telephonverbindung England- Auffrallen! Wie der Daily Herald meldet, wird London in nächster Zeit eine direkte tele phonische Berbindung mit Australien erhalten. Tele. phonische Verbindungen mit Westafrita. Indien und Neuseeland be finden sich bereits im experimentellen Stadium.
Gefandter Ulrich Rauscher ist von Barschau nach Berlin zur Berichterstattung abgereift.
Allerdings erscheine es dann steuerpolitisch und fiskalisch zwar einfach, politisch aber nicht vertretbar, daneben und gleichzeitig auch noch die Umfaß steuer um ¼ Broz. zu erhöhen. Jede andere Steuerfombination sei gegenwärtig vertretbarer als Die Umfagsteuer. Da sie nicht befristet eingeführt werden könne, fei fie eine dauernde Belaftung der Konsumenten und wirtschafts hemmend.
die mittleren und höheren Einkommen zu einem ein Im Hinblick auf die Gesamtlage müffe man deswegen entweder die Fest. maligem Rotopfer heranziehen oder aber befoldeten mit 1% bis 2 Broz des Gehaltes."
Der Gedanke des Notopfers, den die Sozialdemokratie vertritt, findet in dieser Dentschrift eine merivolle Unterftüßung. Indessen ist die Frage völlig ungeklärt, wieweit die Stellungnahme von Stegerwald von der Reichstagsfraktion des Zentrums gebilligt wird; ebenso ungeklärt ist die Frage der Inanspruchnahme der Sozialversicherung, und zu allem hinzu kommt, daß die Gedankengänge der Steuerfenfungspropheten wieber stärker in den Bordergrund geschoben werden. Auch die Ausgabenseite des Etats enthält wesentliche ungeklärte Differenzpunkte zwischen den Regierungsparteien.
Bei dieser Sachlage stößt die vom Zentrum er hobene Forderung, daß der Young- Plan nicht verabschiedet werden dürfte, ehe die Finanzfragen geflärt sind, auf sehr