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BERLIN Montag 24. Februar 1930

Der Abend

Erfdetattagliester Countega. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts Bezugspreis beide Ausgaben 85 Vf. pro Woche, 3,60 m. pro Monat. Redaktion und Ervedition; Berlin SW68, Lindenstr. 3

Spalausgabe des Vorwärts

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Nr. 92

B 46

47. Jahrgang

66 unsetgenpreis: Die einfaltige Nonpareillezeile 80 Vf.. Reklamezetle 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Bonichecktonte: Vorwärts- Verlag G. m. b. H. Berlin Nr. 87 536. Fernsprecher: Donboff 292 bis 297

Ein Berliner Industrieskandal.

Abwürgung eines blühenden Werkes.

Die im Aufsichtsrat fizenden Großaktionäre, die infolge einer gänzlich ziellosen Geschäftspolitik in den letzten Jahren nicht mehr die goldenen Zeiten aus

für die seit Jahrzehnten im Dienst des Unternehmens stehenden Arbeiter und Angestellten ist aber natürlich nichts da.

In der deutschen Kugellagerindustrie hat es in den letzten drei|| chwindet, erscheint der im§ 4 der Demobilmachungsverordnung, reftor mit dem ansehnlichen Vermögen von 70 000 Mart abzufinden, Jahren eine ganze Serie von Standalen gegeben. Sie haben vorgesehene behördliche Einspruch gegen diese Aktion durchaus an­nicht allein unter den Belegschaften, auf deren Rüden diese Affären gebracht. ausgetragen wurden, größ e Erregung hervorgerufen, sondern auch in der breiten Deffentlichfeit viel Staub aufgemirbelt. Bereits im Herbst 1927 brachten wir einen Rotschrei Berliner Be triebsräte, die gegen die Stegung des Riebe Rugellager­mertes in Berlin - Wittenau Protest einlegten. Dieses Wert, das als Außenseiter des Kugellager- Kartells zu hoher Blüte gelangt war, wurde von dem Kartell aufgetauft und still gelegt. 600 Mann wurden damit auf das Pfaster geworfen. Zwei gleiche Fälle hatten sich zu fast derselben Zeit in Hessen ereignet. Damit hatte das Kugellagerkartell die ,, Sörenfriede", die der

rüdsichtslosen Preisdiktatur der Kartellmagnaten

im Wege stanben, auf die bekannte Art taltgemacht.

Rennzeichnend für die internationale Solidarität der durchweg scharf national eingestellten Industrieführer ist es, daß in dem deu'schen Kugellagerfartell die S. K. F. Norma ,, ein Tochterunternehmen des Schwedentrusts, die erste Beige spielte. Diefer Schweden trust arbeitet mit den gleichen Methoden wie fein größerer Bruder, der schwedische Zündholztruft. Mit mächtigen Rapitalen ausgerüstet, gründet er in den einzelnen Ländern Tochter­unternehmen, deren Hauptaufgabe darin besteht, die einheimischen. Werke aufzufaugen, und für das schwedische Stammunter­nehmen ein internationales Monopol zu schaffen. Im Sommer 1928 legte der Schwebentrust nach Beendigung des fenfationellen Werkspionage- Prozesses Norma gegen Riebe Weißensee, ber

einen der tollsten Industrieffandale

Der letzten Zeit darstellte, seine Hand auf das große Kugellager wert von Riebe, in Weißenfee und faßte damit in der Berliner Industrie festen Fuß. Zu einem ganz großen Schlage aber holte der Schwedentrust im Frühjahr vergangenen Jahres aus. Die beiden größten deutschen Kugellagerfabriken, die beiden weltbe­fannten Schweinfurter Unternehmen von Fichtel u. Sachs und Fries u. Höpflinger wurden gleichfalls von der mit Hoch­drud arbeitenden Saugpumpe des Schwedentrusts aufgeschluckt. Da­mit war die gesamte deutsche Kugellagerindustrie bis auf drei Unternehmen in den Besitz des Schwedentrusts gelangt. Bon diesen frei gebliebenen Werten konnte aber für die Kugellagerfabri­tation nur einem einzigen, der Berlin Karlsruher 3n dustriemerte 2.-G. mit ihrem großen Bitenauer Betrieb, größerer Einfluß zugesprochen werden.

Das Bittenauer Wert, das weit mehr als 1000 Mann Belegschaft beschäftigte, gehörte in der Nachkriegszeit zu den blühendsten Abteilungen der Berlin - Karlsruher Industries merte. Die Ueberschüsse, die dieses Wert für das Gesamtunter­nehmen abwarf, beliefen sich in den legten vier Jahren auf durch schnittlich etwa 600 000 Mart. Auch 1929 hat sich an der guten Be­schäftigung dieses Betriebes nicht das geringste geändert und allein der Auftragsbestand, der Anfang Dezember vorhanden war, sicherte für die gefantte Belegschaft Bollarbeit

bis zum Spätsommer 1930.

Um so unerwarteter traf die Arbeiter und Angestellten daher ber Stillegungsantrag, den die Werksleitung Ende vorigen Jahres gestellt hatte. Was war geschehen? Die Berlin - Karlsruher Industriewerke A.-G. hatte ihr Wittenauer Kugellagerwerf zum Preise von etwa 8 Millionen an den Schwebentrust ver tauft, der an der Weiterführung des Betriebes natürlich kein Intereffe hatte, fondern den hohen Kaufpreis für die Ausschal. tung seines legten großen Ronkurrenten in Deutsch­ land zahlte. Hier soll also ein Werf nicht aus Rationalisierungs­gründen, oder weil es zahlungsunfähig geworden ist, ftillgelegt werden, sondern

ein blühender Betrieb foll abgewürgt werden, damit der Schwebentrust ungehemmt seine Monopol. peitsche über den Abnehmern in Deutschland schwingen kann. Es erhebt sich hier die dringende Frage, ob auf Grund der Demabilmachungsverordnung von den zuständigen Behörden gegen Die beabsichtigte Stillegung des Wittenauer Wertes nicht Ein. ( pruch erhoben werden soll. Es werden in diesem Fall rund 1400 Arbeiter durch brutale industrielle Machtpolitif auf die Straße geworfen, ohne daß auch nur die geringste Spur non, Arbeitsmangel vorhanden mare. Für den unter schwersten Drud stehenden Ber Liner Arbeitsmarft bedeutet das eine weitere fühlbare Be lastung. Da außerdem durch den Berkauf des Mittenauer Kugel. Lagerwertes an den Schwedentrust die hohe Gefahr besteht, daß bie Malalagerfabrikation überhaupt aus Deutschland Der.

den Kriegsjahren mit 30prozentigen Dividenden fahen, find natürlich nur darauf bedacht, tlingende Münze zu er­halten. Das Schicksal der 1400 Mann starten Belegschaft, der er grauten Arbeiter und Angestellten, fümmert sie nicht im geringsten. Die Gesellschaft hat wohl Geld genug gehabt, den früheren Ge neraldirettor Gontard mehrere hunderttausend Mark zu zuschanzen und einen erst zwei Jahre(!!) im Betrieb tätigen Di

"

Die Gesellschaft hat bereits mit einem scharfen Abbau eingesetzt. Sie hat sich auch um die Bestimmungen der Stillegungsverordnung nicht gefümmert und bereits einen Teil der Betriebsfub­stanz an das Riebewert in Weißensee( Schwedentruft) überführt. So wurden unter anderem weit über 10 000 Kugellager halbfertig aus dem Bittenauer Betriebe herausgenommen und zur Weiter= verarbeitung in das Werk des Schwedentrusts geschickt. Es ist also höchste Zeit, daß die zuständige Behörde hier in den Gang der Er. cignisse eingreift und unter Anwendung der ihr zustehenden Machtmittel diese brutale Abdrosselung eines durchaus lebensfähigen Betriebes verhindert.

Friedenstreffen in Frankreich .

Beteiligung französischer Minister zugesagt.

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Paris , 24. Februar.( Eigenbericht.) Der kriegsverlette Abg. Dormann erklärt im Ggcelsior", daß die für Juli- August geplante Frie denskundgebung am Chemin des Dames eine gewaltige Demonstration für die Verbannung des Krieges aus dem menschlichen Gewissen" sein werde. Heber 10 000 Mitglieder des Reichsbanners wür den sich mit ehemaligen französischen Soldaten treffen. Briand , Heriot und Kammerpräsident Bou= isson hätten ihr Erscheinen schon zugesagt.

Chautemps' Regierungserflärung.

Inhaltsangaben der Presse.

Paris , 24. Februar( Eigenbericht.) Wie die Bresse ankündigt, beabsichtigt die Regierung möglichst meitgehende Steuerermäßigungen, andererseits aber die beim Schazamt liegenden Sparmillionen zur Herabjegung der schwebenden Schulden und zur Hebung der Produktionsfräfte des Landes zu benutzen. Der Landwirtschaft, namentlich dem Bein und Getreidebau will sie staatliche Hilfe gegen die Ausbeu tung durch den Zwischenhandel sichern. Die Beteranen­rente soll in der von der Kammer geforderten Form anerkannt werden, so daß alle Kriegsteilnehmer vom 50. Lebensjahre ab 500, vom 55. Lebensjahre ab 1200 Franken Bension beziehen. Das neue

Der falsche Pfiff

Fr

Wie Dadelbesitzer Pufice um ein Baar eine Revolution verursacht häite

| Sozialversicherungsgefeß folle entsprechend der schon von Tardieu gegebenen Zusage spätestens am 1. Juli in Kraft treten. Außerdem will die Regierung die Einheitsschule einführen und eine umfassende Amnestie erlassen, die nicht nur die vere Kommunisten umfaßt. In ihrer Antrittserklärung soll die Regie­urteilten elsässischen Politifer und Beamten, sondern auch die

Riefen- Pfandbriefbank.

Preußische Central- Bodentredits und Pfandbriefbant. 1 Miliarde Pfandbriefumlauf.

Durch Beschluß der vereinigten Verwaltungsräte der Preußen­Central- Bodenkredit- 2.- G. und der Preußischen Pfandbriefbank wrude der Verschmelzung der beiden Institute zugestimmt. Es hau­delt sich dabei um die beiden größten norddeutschen Hy­potheken- und Pfandbriefbanken, die vom Privat tapital beherrscht werden. Die neue Gesellschaft wird den Namen Preußische Central- Bodenkredit- und Pfandbriefbank führen. Das Kapital der beiden Gesellschaften wird auf 36 Millionen Mark zu­fammengelegt werden. Der gesamte Pfandbriefumlauf der ver­cirigten Institute wird die Summe von 1 Milliarde Mark über­steigen.

In der privaten deutschen Bankwirtschaft vollzieht sich damit, nach dem epochemachenden Zusammenschluß der Deutschen Bank und der Diskontogesellschaft, auf dem für die kapitalbeschaffung für Wohnungsbau und Siedlung so wichtigen Gebiet des Realkredits eine Fusion von ähnlich großer Tragweite. Nach den von den beiden Banken gegebenen Erklärungen liegt der Grund des Ja­fammenschlusses letzten Endes in der Erkenntnis, daß die bestehen­den 106 privaten und öffentlichen Realkreditanstalten einen zu großen und nicht rationell ausnutzbaren Apparat für die Erfassung des in Deutschland zur Verfügung stehenden Hypothekentapitals darstellen. Nur ein großes Institut werde in der Lage sein, auch den Auslandsmarkt für den Berkauf von Pfandbriefen nach haltig zu erschließen.

Das Staatsarchiv beslohlen.

Wertvolle Briefe und Bücher verschwunden. Warschau . 24. Februar.

Das hiesige Staatsarchiv, in dem die Dokumente aus dem alten Polen aufbewahrt werden, ist durch einen Ein­bruchsdiebstahl schmer geschädigt worden. Es sind Vapiere von großem historischen Wert entwendet worden, u. a. Privatbriefe des sächsischen Königs August von Bolen, Dokumente aus den Zeiten des Großherzogtums Warschau , und zwar Briefe des damaligen Innenministers Cufzczewski an Fürst Josef Boniatowffi, der von Napoleon I. sum Marschall ernannt worden war, und zwei wertvolle Wappenbücher. Haucsuchungen bei Warschauer Unflquaren führten zur Auffindung der beiden Wappenbücher . Ein früherer Bürodiener des Archivs wurde als mutmaßlicher Dieb ver­haftet. Die Suche nach den perfuvollen Papieren wird fortgefeht.