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Kr. 95-47. Jahrgang 1. Beilage des Vorwärts

Mittwoch, 26. Februar 1930

Baracken verschwinden, Kleinwohnungen entstehen. Neues Angebot an Berlin  .

Immer näher rückt der Räu­mungstermin für die zum Abbruch bestimmten Baracken am Bahn­hof Papestraße  . Nicht me­niger als 68 Familien reichsdeut­scher Staatszugehörigkeit wohnen derzeit noch in diesen schwärz­lichen, schon recht verwahrlosten Wohnbaracken. Die noch bis vor einigen Wochen hier wohnhaften Russenfamilien wurden bekannt­lich zwangsreise ausgemietet und zogen in die von der Stadt Berlin  zugerviesenen Quartiere in der Jüdenstraße. In den Monaten März oder April werden die Ba­racken, letzte Zeugen der schlimmen Nachkriegswohnungsnot, endgültig abgerissen und die jetzt darin hausenden Familien in Ersatz­wohnungen( Alt- und Neubau­wohnungen) untergebracht. Schon umschließen die neuen im Rohbau fertiggestellten Wohnblocks der Tempelhofer Feld- Heimstätten­Gesellschaft die dem Untergang gemeihten Baracken. 400 Woh­nungen, in der Hauptsache zu und 2 Zimmern, werden im Laufe dieses Jahres bezugsfertig. Damit versdiroindet auch immer mehr die freie Fläche, die zwischen dem Hauptversor­

Auftakt zur Bauausstellung.

Durchführung vom 9. Mai bis zum 9 August 1931.

Nach ausführlichen Diskuffionen in der Preffe fowohl wie in den städtischen Körperschaften hatte man vor einiger Zeit den Be­schluß gefaßt, die Bauausstellung 1931, allerdings in einem start verminderten Maße als zuerst vorgesehen, doch durchzuführen. Die große deutsche Bauausstellung wird nunmehr vom 9. Mai bis 9. August 1931 abgehalten werden. Gestern wohnten Vertreter der Presse einem Empfang im Sihungssoal des ehemaligen Herren­hauses bei, um die erften näheren Angaben über das Programm der Ausstellung zu erfahren.

Im Auftrage des Ausstellungs, Messe- und Fremdenverkehrs­emts der Stadt Berlin   begrüßte Baurat Dr. Ing. Riepert in feiner Eigenschaft als Borsitzender des Berwaltungsrats der Deut fhen Bauausstelling die Gäste. Man fei entschloffen daran gegan sen, fo führte er aus, den ursprünglichen Plan auf das Maß ein zuschränken und einzustellen, das der bedrängten Lage der Gegenwart Rechnung trägt und doch die Erfordernisse er fillt, die bei einer in erster Linie wirtschaftlichen 3iel fegung daran zu knüpfen sind. Die Deutsche Bauausstellung merde in einer eindrucksvollen Schau einen Querschnitt über Das auf vielerlei Gebieten des Bauwesens bisher Erreichten ver­mitteln und versuchen, bei der kommenden Entwicklung im Bau­und Wohnungswesen wegweisend zu wirken. Nach der Rede des Vorsitzenden nahmen die einzelnen Sachbearbeiter aus­führlich zu dem Programm und der Zielsetzung der Ausstellung Ctellung. Es sprachen Architekt Prof. Dr. Wilhelm Kreis  Dresden  , Verbandsdireftor Dr. Schmidt Essen, Brof. Dr. Otto Bartning  , Prof. Dr. Ing. Siedler, Prof. Dr. Garboz

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gungsamt und der Siedlung Neu- Tempelhof   bestand. Es ist zu hoffen, daß durch ausreichende Park- und Grünflächen der Siedlungscharakter dieses neuen Wohnviertels erhalten bleibt.

und für die Sonderausstellung Bandwirtschaftliches Bauwefen

Architekt Bruno Ahrens.

Das Programm der Ausstellung gliedert sich in der Haupt­fache in folgende Abteilungen: 1. Internationale Ausstellung für Städtebau und Wohnungswesen, 2. das Baumert unserer Zeit, 3. Die Wohnung unserer Zeit, 4. Das neue Bauen mit den Unter­gruppen: Baustoffe und Bauweisen, Baubetriebsführung und Muster Die letzte Abteilung bildet die werfstätten des Bauhandwerks Sonderausstellung für landwirtschaftliches Bauwesen. Die Aus. stellungsanlage umfaßt acht bereits fertiggestellte Hallen mit etwa 55 000 Quadratmetern überbautem Hallenraum und ein Frei­gelände von über 200 000 Quadratmetern, das eventuell noch er.

weitert werden kann.

Das Urteil im Prozeß Jacob.

In der Beweisaufnahme des Prozesses gegen den rumänischen Kaufmann 2e on Jacob vor dem Schoffengericht Berlin  . Mitre   befundete der Treuhänder der Gläubiger, daß der Rechts­anwalt und Notar Dr. Braß in der Gläubigerversammlung erflärt hätte, er müsse feine Wechselunterschriften geradezu unter Hypnose gegeben haben. Nachdem übrigens über das Vermögen von Dr. Braß wegen seiner Wechselverbindlichkeiten der Konturs eröffnet worden war, ist er nach den Bestimmungen der Anwaltsordnung aus der Liste der Anwälte gestrichen worden. Nach Schluß der Beweis­aufnahme beantragte der Staatsanwalt gegen Leon Jacob eine Ge­samtstrafe von 2 Jahren 6 Monaten Zuchthaus  . R.-U. Dr. Pindar verwies darauf, daß der Hauptschuldige der frühere Prokurist Lehrer sei und beantragte eine mildere, durch die Untersuchungshaft verbüßte Strafe. Das Schöffengericht verurteilte Jacob zu 7 Monaten Gefängnis, die durch die Untersuchungshaft als verbüßt erklärt wurden. Der Haftbefehl wurde aufgehoben.

zu bezahlen und das Feuer im Herd nicht ausgehen zu lassen. Uebrigens verlange ich ja nichts von dir."

So zankten sie sich bei ihren Stelldicheins. Eines Sonn­tags wartete und wartete Firmo, aber Rita tam nicht. Die Sonne brannte heiß, und fein Lüftchen wehte in dem übel­riechenden, stickigen Zimmer. Er hatte ein Paket mit ge­2bratenem Fisch und einer Flasche Wein mitgebracht, damit sie zusammen essen fönnten. Stunden vergingen, und Firmo lief in dem engen Raum wie ein Löwe im Käfig auf und ab. In seiner But nahm er sich vor, Rita, wenn sie jetzt zur Tür hereinfäme, zu erwürgen. Der Anblick des Pakets mit Essen   machte ihn rasend, und unter einem Hagel von Flüchen schmiß er es in den Eimer. Dann setzte er sich aufs Bett, wartete noch eine Weile, schlug die Beine übereinander und löste sie wieder, schlug mit der Faust auf die Kissen und schwor Rache.

Seltsam, daß er daran noch nie gedacht hatte. Und er lag wach und rang mit dem Problem. Es wurde ihm flar, daß er während all dieser Jahre, die er in enger Berbindung mit der Negerin gelebt hatte, niemals darauf gekommen war, in seinen ehrgeizigen Zukunftsplänen mit ihr zu rechnen.

Bis zum Morgengrauen wälzte er das Problem hin und her, ohne jedoch zu einer Lösung zu kommen. Als er dann aufstand und sie wie gewöhnlich Fische aufschlißen und ihnen die Gebärme ausnehmen jah, formulierte er all seine Ge­banken im stillen in dem Satz: Wenn sie doch nur sterben mollte."

14.

Während der drei Monate nach dem Kampf, in dem er mit dem Rasiermeffer auf seinen Gegner losgegangen war, fuhr Firmo fort, sich in dem schmußigen Zimmer der Rua Baptista mit Rita Bahiana zu treffen, aber fie fam nur m'derstrebend und benahm sich immer fühler und gleich gültiger.

Es läuft dir wohl jemand anders nach!" murmelte der eifersüchtige Mulatte, aber zu eurer beider Heil hoffe ich, daß ich mich irre."

Bei ihren Rendezvous fam fie immer zu spät und er zählte regelmäßig, fie fei in furchtbarer Heße und fönne n'cht lange bleiben. Auf Firmos Einwände erklärte fie, fie fei mit ihrer Arbeit zurüd: Wäsche für eine Familie, die morgen abreise und die sie unbedingt noch am Abend ab­liefern müsse. Sie hätten schon zweimai danach geschickt.

Du haft jetzt immer so furchtbar viel zu tun", bellagte fich der Liebhaber.

,, Natürlich. mein Junge. Wenn ich mich hinlege und fchlafe. tann ich meine Miete nicht bezahlen

Endlich hielt er es nicht mehr aus. Er verließ laut trampelnd das Zimmer und tat den feierlichen Schwur, das Mulattenmädchen werde für diese Art, mit ihm umzugehen, teuer bezahlen müssen. Ein wahnsinniger Wunsch, sich un­verzüglich an ihr zu rächen, trieb ihn in die Nähe ihres Hauses, aber er wagte sich nicht hinein. Er beschloß daher, bis zum Abend zu warten und ihr dann eine Botschaft zu fenden. Er lief verzweifelt in der Stadt umher und landete endlich in einer Taverna am Strande, wo er und Porfiro  oft zusammen faßen und tranten. Sein Freund war nicht da, aber Firmo warf fich auf einen Stuhl und bestellte ein Glas Paraty. Er zündete sich eine Bigarre an und über legte. Ein junger Mulatte, der im Kagentopf wohnte, sekte fich an seinen Tisch und teilte ihm ohne jede Vorrede mit, daß Jeronnmo heute aus dem Krankenhaus entlassen sei. Firmo stredte sich.

Verkauf von Aktien an die Gesfürel?

Die früheren Gemeinden Schöneberg  , timersdorf und Schmargendorf   haben mit dem Elektrizitätsa mert Südmest bis zum Jahre 1950 Monopolperträge über die Versorgung ihrer damaligen Gemeindebezirke mit Elettri­zität abgeschlossen und im Verlauf der Verhandlungen Aktien dieses Bertes erworben. Die Stadt Berlin   als Rechtsnachfolgerin der Einzelgemeinden besitzt heute etwa 46 Broz der Attien, während die übrigen 54 Proz. Eigentum der Gesellschaft für elektrische Unternehungen( Gesfürel) find.

Die Gesfürel tritt nun an die Stadt mit dem Antrag heran, das gesamte Attien patet der Stadt täuflich zu er­merben und bietet dafür der Stadt einen Kurs von 135 Proz Außerdem erklärte sich die Gesfürel bereit, die Kämmerei abgabe, die sie alljährlich zu leisten hat, bis zum Jahre 1944 schon jetzt zum erheblichen Teile zu tapitalisieren, und zwar der gestalt, daß die Stadt für die Jahre 1930 bis 1935 überhaupt feine Abgaben mehr erhält, für das Jahr 1936 die Abgabe auf ein Zehntel des Betrages mindert und daß dann alljährlich eine Steigerung der Abgabe um ein Zehntel eintritt, bis sie im Jahre 1944 wieder den vollen Betrag erreicht. Die Gesfürel verlangt aber dafür eine Verlängerung der Konzession für ihre bisherigen Gebiete bis zum Jahre 1960. Als Entgelt für den Gesamtvertrag bietet Gesfürel neben dem eigentlichen Kauf­preis von 25 millionen Reichsmart eine einmalige Abgabe von 32 Millionen Reichsmart. Es set aus­drücklich betont, daß die Lieferungsbedingungen durch den neuen Bertrag in feiner Weise geändert werden, daß also Südwest nach wie vor verpflichtet ist, gemäß dem Stromabnahmevertrage die Bemagals Lieferanten zu benutzen und den Strom für den in Berlin   gültigen Preis abzugeben. Die Gesfürel hat bereits früher der Stadt einen Kredit von rund 23 Millionen gewährt, der nach den früheren Bedingungen Ende März fällig fein würde. Es [ oll nun das gegenwärtige Geschäft zur Abwickelung des Kredites benutzt werden, während der darüber hinausgehende Betrag zur Entlastung des Haushaltes 1930 verwendet werden foll. Die fozialdemokratische Stadtverordneten frattion hat sich eingehend mit dem Borhaben beschäftigt und sich dahin entschieden, daß nur die Vorauszahlung der Kämmerei­werden soll. In diesem Falle würde allerdings der größte Teil des abgabe in Verbindung mit der Verlängerung bis 1960 angestrebt aufpreises zur Abdeckung des Kredites verwandt werden müssen. Es wird aber vom Standpunkt unserer Partei Wert darauf gelegt, einen möglichst hohen Barbetrag für den Haushalt 1930 zur Ver­fügung zu haben, damit die sozialen Aufgaben feine Schmälerung erleiden, ohne daß zu einer Erhöhung der die breiten Massen belastenden Steuern geschritten werden muß.

Volksschule muß geschont werden! Gozialdemokratischer Antrag zu den Eparmaßnahmen. Die Jozialdemorati[ he Stadtverordneten. fraftion bringt im Rathause folgenden Antrag ein:

Die Stadtverordnetenversammlung hälf Sparmaßnahmen auf dem Gebiete des Schulwesens nur für tragbar, wenn unterrichtliche und gesundheitliche Schädigungen der Schulkinder vermieden werden. Sie hält daher die nach dem Magiftratsbeschluß geplanten Erhöhungen der Klassen­frequenz in den Volksschulen auf 36 für unfragbar."

Sechs Todesopfer bei einem Fabrikbrand.

Beim Brand einer Hutfabrif in Luton   in der Grafschaft Bed­ford tamen sechs Arbeiterinnen in den Flammen um. Die nahezu aus 200 Arbeitern und Arbeiterinnen bestehende Belegschaft fonnte sich nur mit größter Mühe retten.

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heute- Sein Gesicht wurde gelb vor eifersüchtiger Wut. ,, Aber ich werd's ihr schon beweisen. Ich werd's ihnen beiden beweisen. Neulich hat es noch nicht tief genug ge­sessen. Aber laß mich ihn nur wiedersehen. Und das wird. noch heute der Fall sein."

Er goß die brennende Flüssigkeit mit einem Schluck hin­unter, sprang auf und starrte seinen Gefährten einen Augen­blick an.

,, Kein Wort davon zu diesen verdammten Stodfischen, verstanden? Wenn du dein Mundwerk nicht hältst, bekommst du's mit mir zu tun. Du weißt doch, was das heißt."

Der junge Mulatte beeilte sich, zu versprechen, daß ihm kein Wort entfahren werde.

Seine Aussagen entsprachen den Tatsachen. Jeronymo war an jenem Morgen aus dem Krankenhaus gekommen. Er war dünn und blaß und lief an einem Bambusstock. Haar und Bart waren während seiner Krankheit lang gewachsen, und er hatte geschworen, fie nicht abschneiden zu laſſen, ehe er nicht ein Gelübde erfüllt hätte, ein Bersprechen, das er feinem Stolz und seiner Selbstachtung gegeben hatte Seine Frau hatte ihn vom Krankenhaus abgeholt. Sie lief schweigend und deprimiert neben ihm her. Die Nachbarn be­grüßten ihn freundlich, aber es war fein stürmischer Empfang. Im Gegenteil, als sie den Invaliden sahen, verharrten sie in gedämpftem Schweigen

Alle senkten die Stimmen. und Rita Bahianas Augen füllten sich mit undergoffenen Tränen. Piedade führte ihren Mann nach Hause.

Willst du ein bißchen Bouillon haben?" fragte sie. Sicher mußt du dich doch in der nächsten Zeit noch sehr schonen." ,, nein, ich darf mich schon bewegen", beruhigte er sie, ,, Der Arzt hat mir gesagt, ich soll soviel als möglich laufen, ,, Ja. er ist heute morgen wieder nach Hause gekommen." um meine Beine zu üben und wieder Kraft zu gewinnen. Ich ,, Moher weißt du das?"

, Jeronymo?"

Bataca hat es mir erzählt.

,, Das erklärt mir alles. Berdammi!" murmelte Firmo durch die Zähne und schlug mit der Faust auf den Tisch. ,, Ertlärt mas?" fragte der andere.

,, Ach, nichts, weiter. Ich hab bloß nachgedacht. Trint

2lber sog nicht etwa, daß ich dir nichts gebe. Wer hat doch was." Dir das Kleid gekauft, das du heute anhaft?"

Es wurden zwei Gläser gebracht, und nach einer Bause Ich habe ja nis gejagt, daß du mir nichts gibit. berurmelte Firmo wieher: Das ist bestimmt der Grund. bas, was du mir gibst, genügt doch nicht, um meine Miete Darum war sie in lester Zeit jo fonderbar. Und jetzt

war fo lange im Bett ich bin ja erst vor einer Woche aufgeftanden."

Nachdem er ein paarmal im Zimmer auf und ab gelaufen war, blieb er stehen und bemertte: Was ich haben möchte. ist eine Tasse Kaffee, aber guten. wie ihn Rita macht. Frag' fie mal, ob sie mir nicht welchen machen mill."

Piedade seufzte schmer und ging unwillig nach Nummer neun, um d'e Bestellung auszurichten, sie war tief beleidigt, daß er den Kaffee der anderen bevorzugte.

( Fortsetzung folgt.)