Der Ursprung dieser anonymen Zuschrift erscheint einigermaßen verdächtig. Jedenfalls wird es angebracht sein, einechemische Untersuchung darüber anzustellen/ ob wirklich die Mar-garine Schwefelsäure enthält.—— Die oberschlesischen Grubenarbeiter wollenan die preußische Regierung eine Petition richten, um die Berg-werksgesellschasten gesetzlich zur Anlage fahrbarer Roth-wetterschächte, sowie zur Anlage elektrischer Allarmvorrichtungenin den Gruben zu verpflichten, damit die ganze Belegschaft imHalle einer Gefahr sich rechtzeitig flüchten kann.Nach den schrecklichen Grubenkatastrophen, deren Schauplatzerst jüngst Schlesien gewesen, sollte man wohl erwarten, daß dasGesuch der oberschlesischen Grubenarbeiter nicht auf die langeBank geschoben wird. Freilich, dem Unglücke von Kattowitz istdas auf der Antonienhütte und andere vorausgegangen und nianhat trotzdem alle anderen, so vor allem die politifch-polizeilichenRücksichten höher gestellt, als die Sicherung des Bergwerksbetriebsgegen menschenvernichtende Unglücksfälle.—Oesterreich.Wie», 15. März.(W. T. B.) Ein Zug von etwa20 000 Arbeitern und Arbeiterinnen sowie ungefähr 50 Studentenbegab sich heute Nachmittag zum Zentral-Friedhof, wo an demObelisk für die M ä r z g e f a l l e n e n 61 Kränze mit rothenSchleifen niedergelegt wurden. Mehrere Redner hielten mitgroßem Beifall aufgenommene, aus die Feier bezügliche An-sprachen, theils in deutscher, theils in czechischer und italienischerSprache, deren letzte mit einem Hoch auf die Arbeiter in Karwinund Ostrau schloß. Nachdem ein Trauerlied gesungen war, er-folgte der Abmarsch vom Friedhose. Die Kundgebung verliefohne Zwischenfall._"Frankreich.Paris, 16. März. Der internationale Eisenbahnkongreßtrat heute Vormittag zusammen.—— I» Marseille war am Sonntag ein Bürger-»n e i st e r t a g versammelt. Dreißig Bürgermeister(Maires) vonsüdfranzösischen Städten waren zugegen und faßten u. a. eineResolution zu gunsten der Abschaffung des Senats.—Belgien.— Unser Genosse Vandervekde ist, nebst feinemWiderpart in dem vielberusenen Duell, von dem Gerichtshof inBrüssel am vorigen Sonnabend zu 2 Monaten Gefängniß ver-urlheilt worden. Die Strafe wird, auf grund des Gesetzes über„bedingte Freilassung" nicht vollstreckt werden. Aber GenosseAaiidervelde wird sich nicht wieder duelliren.—-Italien.— Ueber die Friedensverhandlungen wirdgemeldet, daß es aus beiden Seiten an gutem Willen nicht fehlt.Der Negus Menelik hat sich an den Köiug von Belgien um seineIntervention zum Zweck des Friedensabschlusses gewandt. Manist in Italien von dem Bevorstehen des Friedensabschlusses trotzaller Hetzereien der crispi'schcn Presse überzeugt.—Rom, 15. März. Die„Agenzia Stefani" veröffentlicht einvon dem Ministerpräsidenten di Rudini an die Präfekten ge-sandtes Rundschreiben, in welchem es heißt, die gestern gewährteAmnestie sei ein Akt der Beruhigung und habe den Zweck, jedenBorwand zu Agitationen zu beseitigen. Die Regierung müsseaber um so wachsamer und entschlossener sein, jede Verletzungdes Gesetzes hintanzuhalten. Der Ministerpräsident fordert diePräfekten aus, in nachdrücklicher Weise seinen Intentionen zuentsprechen, welche die einer wirklich freisinnige», entschiedenkonservativen Regierung seien und fügt hinzu, die Präfektensollten die Neubildung von verbecherische» Vereinen verhindern, in dieser Hinsicht auf der Hut seinund die eventuellen Gründer solcher Gesellschaften den G e r i ch t sdeHörden anzeigen.—Rom, 16. März. Der Deputirte Cavallotti erklärt im„DonChisciotte", daß zwischen ihm und dem Ministerpräsidenten Rudinikein Vertrag irgend welcher Art über dieHaltung der Radikalen im Parlament g«schlössen worden fei.—Spanien.— Demo nst ratio nen gegen die VereinigtenStaaten finden trotz der Bemühungen der Regierung, die«selben zu unterdrücken, ununterbrochen statt.—Rußland.— Truppensendungen nach Ostasien sindhier an der Tagesordnung. Am 14. d. Mts. wurden in Odessawieder 1000 Mann nach Wladiwostok eingeschifft.—Amerika.— Vom kubanischen Kriegsschauplatze wirdaus New-Iork gemeldet: Nach einem hier aus Havannah eingegangenen Telegramm hielt die Garnison von Cano bei Havannah ein spanisches Bataillon, das gegen Cano zu marfchirte,irrthümlich für eine Abtheilung Aufständischer und feuerte aufdasselbe. Die Spanier wurden dadurch in den Glauben versetzt,daß die Aufständischen die Stadt eingenommen hätten und machte»ihrerseits einen Anariff. 12 Soldaten wurden getödtet und5 Offiziere nebst 27 Mann verwundet.Wie ferner gemeldet wird, hat Maceo die Stadt Batabanoverbrannt; später wurde Maceo geschlagen und zog in west-I icher Richtung weiter. Die Verluste der Aufständischen sollenbedeutend sein.—Washington, 14. März. Das Repräsentantenhaushat heute«ine Bill angenommen, durch welche das Gesetz betr.die Befreiung solcher Schiffe von den Tonnengeldern,deren Heimathländer ben amerikanischen Schifferl ähnliche Ver-günftigungen gewähren, ausgehoben wird. Durch dieselbeBill werden die Tonnengelder für Schiffe, welche zwischen denBereinigten Staaten und den fern abliegenden Inseln verkehren,von 3 auf 2 Cents per Tonne herabgesetzt.—Ncw-Hort, 14. März. Nach einer Depesche der„New-IorkWorld" aus Washington hat sich Venezuela bereit erklärt,euren Schiedsspruch über die I u r u a r i- F r a g e un-abhängig von der Grenzfrage seitens einer Kommission anzunehmen,in die England und Venezuela je zwei und die VereinigtenStaaten einen Vertreter entsenden.—China.Peking, 16. März.(Meldung des„Reuter'schen Bureaus".)Der Kaiser unterzeichnete heute die Verordnung, durch welchedie Eröffnung des Si-Kiang für den Handel genehmigt wird.—Afrika.— Auf den Sklavenhandel in Oftafrika weistdie„Christliche Welt" hin. Es sei Thatsache, daß in Ostafrikader Sklavenhandel ans der unmittelbaren Nachbarschaft derdeutschen Küstenstation noch lebhaft nach Pembaund Sansibar hinüber betriebe» wird; mindestens 5000bis 6000 Sklaven werden jährlich dort verfchifft.Ferner ist es Thatsache, daß Sklavenhändler di« 0 st-afrikanische Dampferltnie sogar zur Sklaven-ausfuhr benutzen, indem sie frank und frei Fahrscheinefür etliche ihrer Sklaven beuutzen, um sie nach andere» Ortenzu bringen. Die„Christliche Welt" beschuldigt ferner diekatholischen Misstonen direkt des SklnvenkaufS zum Zwecke derMissionserziebung; im Bismarck- Archipel überfielen die Ein-geborenen lediglich deshalb in nächtlichen Raub- und Beutezügendie Nachbardörfer, um die erbeuteten Kinder der katholischenMission zum Sklavenkaufe anzubieten. Bagamoyo sei auch nureine große Sklavenhandlung unter christlicher Kulturfiagge,„los"-gekaufte Sklavenkinder bildeten die Hauptmasse der Misstons-angehörigen.—Neichskag.61. S i tz u n g v 0 m 16. M ä r z 1896. I Uhr.Am Tisch» des Bundesraths: v. Bötticher, v. Marschall. Direktor K a y s e r.Die Berathung des Kolonialetats wird fortgesetzt.Abg. Werner(Reform.-P.): Die Anklagen gegen HerrnPeters sind nicht entkräftet, sondern zum theil vom DirektorKayser bestätigt worden. Die Agitationen des HerrnPeters können der Kolonialpolitik nicht förderlich seinHerr Wehlan wird mir von einem Herren, sder diezweifelhafte Ehre hat, ihn zu kennen, als ein Scheusalgeschildert, das ebenso mit Knütteln todtschlagen werden müßte,wie er Kriegsgefangene hat todtschlagen lassen. Mit solchenLeute» sollte man etwas kürzeren Prozeß machen. Aus solcheneinzelnen Vorgängen aber kann man nicht Stimmunggegen die Koloinalpolitik machen. Es giebt auch Lichtbildet in der Kolonialpolitik; ich erinnere an die Helden,welche ihr Blut gelassen haben auf dem Felde derEhre. Auch Herr von Wißmann ist unbefleckt geblieben.Allerdings sind die Verhältniffe in Afrika anders als bei uns;aber dadurch kann Herr Peters nicht entschuldigt werden. Ichfreue mich, daß Herr Hammacher ihn von den Rockschößen seinerPartei so kräftig abgeschüttelt hat. Redner tritt dafür ein. daßder Branntwein aus den Kolonien möglichst fern gehalten werde»soll. Ein Lichtpunkt ist auch die Depesche des Kaisers an denPräsidenten Krüger; das waren echt deutsche Kaiserworte; siehaben Begeisterung erregt. Wir wollen eine vernünftigeKolonialpolitik und keine uferlosen Pläne. Bei Auswahlder Beamten für die Kolonien sollte aber die Regierungvorsichtig sein, damit die christliche Kultur wirklich gefördert unddas Ansehen des Deutschen Reiches gewahrt wird.Abg. v. Manteuffcl(k.): Ich glaube, daß selbst meinböswilligster Gegner mir nicht Kolonialfchwärmerei wirdvorwerfen können; ich habe immer die Meinung gehabt, man hätte sich einschränken sollen. Wir sindeinen Theil unserer Kolonien losgeworden durch denAustausch von Sansibar gegen Helgoland. Ich binaber auch kein trocknet, phantasieloser Budgetmensch.Ich stehe der Frage vollständig objektiv gegenüber und da mußich doch sagen, daß ich die Angriffe gegen dieKolonialverwaltung als berechtigte nicht an-erkennen kann. Eine vollständige Aufgabe der Kolo-nien würde ich als eine capitis aiminuiio(Enihauptung) betrachten.(Beifall rechts.)— Die Angriffegingen immer dahin, daß der Militarismus zu starkvertreten sei. Die drei Leute, über welche der Stab gebrochenwurde, Leist, Wehlan und Peters find keine Berufssoldaten. Aberdie Berusssoldaten Wißmann, v. Bülow, v. Framwis werdengerühmt. Die Herren werden also wohl in Zukunft dieKolonialverwaltung unterstützen, wenn sie mehr Berufssoldaten verwendet. Der Eindruck der Verhandlung vom Sonnabend ist doch der, daß der Sturm der Entrüstung vom Freitagsich etwas gelegt hat, daß eine kühlere Erwägung platz greift.In erster Reihe steht das vom Direktor 5iayser vorgeleseneProtokoll. Ich verurtheile wie meine Freunde v. Massow undSchall das Verhalten des Herrn Peters. Er hat geschlechtliche»Umgang mit dem schwarzen Mädchen gehabt; er mußte alsLeiter ein tadelloses Verhallen beobachten. Die Situationmag allerdings harte Maßregeln erfordert haben. Auchin Europa werden im Kriegszustande die Spione nichtsehr glimpflich behandelt. Der bedenklichste Punkt istder Brief an den Bischof Tncker. Ist der Brief sogeschrieben, wie Herr Bebel vorgetragen, dann gebe ich HerrnPeters preis, dann ist kein gutes Haar an ihm, dann Hai er ausdas allerschimpflichste gelogen, dann hat er seinen christlichenGlauben abgeschworen und ist ein gemeiner Mörder. Aber mansollte erst die Untersuchung abwarten, man sollte Peters, derdoch gewiffe Verdienste hat, erst höre». Die Ehre eines deutschenMannes einfach tödten, ohne ihn zu hören, das nenne ich un-erhört und dagegen muß ich prolestircn.(Beifall rechts.)Direktor Kayser: Herr Bebel hat die beklagenswerthenVorgänge als typisch für die Kolonialverivaltung bezeichnet. DieFolgerung, welche er in bezug auf meine Person gezogen hat,lassen mich kalt; sie haben von der zuständigen Stelle des Hausesihre Sühne gefunden. Herr Richter bemerkte, daß das VorbildPeters' zur Nachahmung anreize. Ich habe bereits auf de»Erlaß des Reichskanzlers verwiesen. Wir haben angeordnet,daß von allen schweren Strafen in den Kolonien hierher Nach-richt gegeben werden muß. Es sind infolge der Un-ruhen mehrere Rädelsführer hingerichtet worden, derenHandlungen Menschenopfer gefordert habe»; in anderenFällen sind die Todesstrafen in Geld und Gesängnißstrafenumgewandelt worden. Solange mich das allerhöchste'Vertrauenaus diesem dornenvollen Posten läßt, muß ich Anklagen gegendie Kolonialverwaltung zurückweisen und ich werde mich nichteinschüchtern lasse» durch irgendwelche Drohung. Die Zuständein den Stationen des inneren Afrika sind schwieriger als einKriegszustand in Europa. Der Europäer steht allein den Ein-geborenen oder den auf einer niedrigeren Bildungsstufe stehen-den Untergebenen gegenüber. Ueber diese Männer darfman nicht, ohne sie zu hören, generell den Stabbrechen.(Ist auch nicht geschehen!) Wie kommt HerrBebel dazu, diese Einzelfälle als typisch zu bezeichnen?Ich mußte annehmen, daß Herr Bebel sich auf das stützte, wasHerr v. Vollmar im vorige» Jahre vorgebracht hat. Die vor-getragenen Einzelheiten sind untersucht worden. Wir haben kreuzund quer gefragt nach dem Kolonialbeamten, der seinemuhamedanischen Diener, gezivungen haben soll Schweinefleischzu essen. Wir haben nichts ermitteln könne». Ein Eisendahn-bauunternehmer sollte die Hütten der weggelansenen Arbeiter ge-stürmt und niedergebrannt und aus die Arbeiter geschossen haben.Es hat sich herausgestellt, daß er die Arbeiter durch die Polizeizur Arbeit zurückbringen ließ, wobei diese sich widersetzten. Rednerführt einige weiterer Fälle an, welche Herr v. Vollmarvorgetragen hat, die sich als unrichtig erwiesen haben.Der Gewährsmann für diese Erzählungen ist Herr Hosmeister,ehemaliger Lieutenant, der wegen Verbreitung sozialdemokratischerGedanken den Dienst quittirt hat und nach Ostafrika gegangenist, wo er sich vier Monate lang aufgehalten hat. Ueber seinenCharakter haben wir Nachforschungen angestellt: er war Sozial-demokral, sehr nervös und überreizt. Er war bei de»Arbeitern verhaßt und wurde nur Bana Hapa genannt.denn seine Kenntniß des Suaheli beschränkte sich aufdas Wort Hapa---- Bier.(Heiterkeit.) Ein englischesFräulein hat über feinen Aufenthalt in Sansibar undDar- es- Salaam Aussätze veröffentlicht und sich beklagt überdas Arbeilen der Kettengefangenen. Sie hat den Splitter inDar-es-Salam bemerkt, aber nicht den Balken in Sansibar, dennvon dort haben wir diese Einrichtung übernommen. In einerholländischen Missions»Zeitschrift ist über diese Frage ein un-parteiischer Bericht veröffentlicht worden von einem Pater va»der Burg, der sich 6 Monate in Deutsch- Ostafrika aufgehaltenhat. Er schildert, daß Ruhe und Sicherheit her-gestellt ist, die Karavanen haben nichts mehr z» befürchten;die schweren Wegegelder sind abgeschafft. Die Sklavensngdenfind beseitigt, die 5triege zwischen den verschiedenen Neger-stammen vermindern sich immer mehr. Er lobt auch das außer-ordentliche Entgegenkommen der deutschen Beamten für dieMissionäre. Sind das nicht große Segnungen der deutschenHerrschast? Auf diese Auslassungen kann ich stolz sein.(Beifallim Zentrum.) Es sind in Ostafrika schon große Anlagen ge-macht, Pflanzungen angelegt, deren erste Produkte hierher ge-kommen sind, die auch hohe Preise ergeben haben. In Kamerunund Togo haben wir eine ähnliche gute Entwickelung, überallsind Gesellschaften zur Ausbeutung des Grund und Bodens gebildet.12 protestantische und 7 kaibolische Missionsgesellschaflen sind inThätigkeit, die Zahl der Missionäre ist im Wachse» begriffen.Das ist ein erfreuliches Bild, ein Zeichen, daß die Arbeit er-gebnißreich gewesen ist. Es ist davon die Rede gewesen, daß derRausch der Kolonialpolitik verflogen sei. Den Rausch überlasseich anderen; statt der Begeisterung wünsche ich lieber Vertrauenund Zuversicht. Trotz alle» Achselzuckens verwirklichen sich dieHoffnungen der Männer, welche die Kolonialpolitik unter-stützt haben, und ich will hoffen, daß die Kapitaliengut augelegt sind und gute Ergebnisse zeitigen werden.(Bcisallrechts.)Abg. v. Kardorff: Bezüglich de? Herrn Peters stehe ich ausdemselben Standpunkt, den Graf Arnim eingenommen hat. HatHerr Bebel den Brief des Herrn Peters richtig wieder-gegeben, dann können wir Peters in keiner Weise mehrhalten. In Deutsch- Ostafrika handelt es sich darum.daß dort durch die Sklavenjagden hunderttausende von Menschendem Elend preisgegeben waren in einem Gebiete, wo die srud-liche Arbeit herrschen könnte. Herr Richter stellt es so dar, alswenn die Neger friedlich lebten; sie beschäftigten sich mit derPlünderung der Karavanen und mit den Sklavenjagden. Demgegenüber haben die Stationen keine leichte Aufgabe. Deshalbsind die strengen Maßregeln zitr Aufrechterhaltung derStationen anders zu beurtheilen; oder man muß ganzauf die Kolonialpolitik verzichten.(Sehr richtig! links.)Gegen den Abg. Peters(Heiterkeit) gegenüber Herrn Peters hatHerr Richter sehr wenig geleistet; nur die Negation und werternichts.(Lachen links.) Aber seine Opposition wird nicht dazuführen, die Kolonialpolitik todt zu machen. Im Reichstage wirdsich immer für eine vernünftige Kolonialpolitik eine gute Mehr-heit finden.(Beifall rechts.)Abg. Fürst Nadziwill(Pole): Die weitgehende Erregungüber einige, hoffentlich vereinzelt bleibende Vorfälle in uiiserenKolonien ist ein Zeichen der sittlichen Gesundheit unseres Volkes.So viel ist festgestellt worden, daß wir berechtigt sind zu demSchluß. daß große sittliche Schäden bei der Verwaltung unsererKolonien im einzelnen z» tage getreten sind. Wenn ideale Zielsund wahre Kultur in den Kolonien verfolgt werden. so muffenwir auch bei uns für bessere Zustände sorgen. Ich erinnerean die zunehmenden L u st m 0 r d e, die unentdeckt bleiben.Gegen die zunehmende Verrohung muß eine Abhilfe gesuchtwerden, wie sie durch die lex Heintze beabsichtigt war.Abg. Haffe(natl.) weist darauf hin. daß das SultanatWitn nicht entsprechend dem Sansibar-Vertrage selbständig ge-worden ist._Direktor Kayser; Wir sind der Meinung, daß der Sansibar-Vertrag der englischen Regierung nicht das Recht giebt, das Witu-land einzuverleiben; sondern es kann nur ein Protektorat bestehen.Abg. Bebel(Soz.): Ich bin selbst nachträglich zu der An-ficht gekommen, daß ich Herrn Direktor Kayser vielleicht amSonnabend zu hart angefaßt habe, daß ich ihn für Dingeverantwortlich gemacht habe, für die er die Verantwortungnicht im vollen Maße trägt, weil et in seiner Stellungnicht selbständig zu handeln vermag. Er hat behauptet, ichhätte in, allgemeinen eine Verurtheilnng aller Offiziereund Beamten kundgegeben und hätte die Fälle Leist,Wehlan. Peters typisch genannt. Er benndet sich in einerschweren Täuschung. Ich habe mich für meine Beschuldigungenstets auf Zeugen berufen, auf offiziöse oder offizielle Aeußerunge»oder auf staatlich angestellte Beamte in den Kolonien; daß ichmich auf diese und zum theil auch aus Beamte bezog,beiveist, daß ich nicht sämmtliche Beamte und Offiziere inunseren Kolonien angegriffen habe. Weiter habe ich nurangeführt, daß in der protestantischen Synode im November derSynodale�Dr. Borwerck ausgeführt hat bezüglich des Falles Lein,„die Vorgänge, um welche es sich handele, wären geradezutypisch". Ich habe mich thatsächlich nur auf Aeußerungen vonGeistlichen und von Männern bezogen, die zum theil in den Ko-lonieu anwesend waren, zum theil es noch heute find und dieDinge aus eigener Wahrnehmung kennen gelernt haben.Man versuche doch nicht einen Mohren weiß zu waschen.wo so viel Material vorliegt. Ich will mich für meine Beweisemöglichst auf meine Gegner berufen. In der„ChristlichenWelt" wird offen ausgesprochen, daß Peters nur derPrügelknabe ist, während es� in Afrika alle anderenEuropäer ebenso machen. Das ist eine Behauptung, die ichnicht aufzustellen wagte. Ich habe mich aber für verpflichtet ge-halten, alles was mir zu Ohren gekommen ist, vor unser Forumzu ziehen trnd wenn das nicht von dieser Seite geschähe, dannwürde eS überhaupt nicht geschehen.(Abg. Schalt: Oho!)Ja, was haben Sie denn vorgebracht? Sie habenden Fall PeterS, trotzdem er Ihnen genau bekannt war,nur gestreift. Sie haben Ihre sittliche Entrüstung aus-gesprochen, ich habe aber die Dinge beim rechten Namen genannt, weil Sie und Ihre Freunde sich doch etwas dazu geinrlhaben würden. Das sind stadt- und landkundige Dinge für ein-geweihte Kreise. Wir haben für gut befunden, das vorzudringen,damit es nickt so weiter geht, damit derartige nichtswürdige Dingeaushören. Dadurch allein ist die Möglichkeit gegeben, daß Sie diebessernde Hand anlegen können, dann allein können Sie aus IhrenKolonien das machen, was sie bisher noch nicht machen konnten.Der Herr Direktor Kayser hat dann elegisch von der dornenvollenThätigkeit der Offiziere und Beamten in Afrika gesprochen.Sämmtliche Beamte und Offiziere, welche nach Ostafrika gehen,gehen freiwillig dorthin, zum theil aus wahrem, aufrichtigemJntereffe für die Kolonien und ihre Entwickelung. vieleaber mich, weil sie des europäischen Lebens müde sind und vonder Ungebundenheit des Lebens bort angezogen werden, weil siespäter davon erzählen wolle», daß sie einige Jahre in Ost-afrika gewesen seien, und daß sie dort manche schöne und im-schöne Dinge erlebt haben. Gezwungen geht niemand dorthin.Daher haben wir auch keinen Grund, mit besonderer Extase fürdiese Leute einzutreten, sie als Märtyrer für eine heiligeSache hinzustellen, damit wird der Kolonalpolitik einMäntelchen umgehängt, das sie absolut nickt hat.Ich habe mich gewundert, daß der Herr Direktor Kayserheute am dritten Tage der Debatte erst auf alle die einzelneuFälle zu sprechen kommt, welche mein Freund von Vollmar voreinem Jahre gestützt auf die Hofmeister'sche Broschüre hier zurSprache gebracht hat. Hätte er das gleich am ersten Tage der Debattegethan, so hätte Vollmar erscheinen und die entsprechende Aul-wort geben können. Nun, er wird das bei der dritten Lesungja noch thun können.— Daß Hofmeister Sozialdemokrat ist, dasmußte natürlich wieder eine Rolle spielen. Bei der Untersuchungwegen des Trucksystems wollte man mehr beweisen, als manthatsächlich hat beweisen können. Das mag sich der Herr Direktorauch für alle andern Fälle gesagt sein lassen. Wenn ichüberhaupt die drei Reden des Herrn Kayser vergleiche.so widersprechen sie sich nach ihrem Inhalt, Geist und Gedanken-gang. Was er aus den Akten gegen Peters vorgetragen hat amFreitag, ist so kompromittirend nicht blos für Dr. Peters, sondernauch für die ganze Kolonialpolitik und deren Leiter, daß alleBeredsamkeit der Welt dagegen nichts Helsen kann. Er und derAbg. von Kardorff rühmten die Entwickelung unserer Kolonien.unsere Errungenschaften dort und die Beseitigung der innerenKämpfe. Es ist garnicht wahr, daß diese beseitigt sind. Durchunsere sog. zivilisatorische Thätigkeit haben wir es nur dahingebracht, daß die Eingeborenen die Streitigkeiten unter sich aus-gaben und sich gemeinschaftlich gegen uns wandten. Auch Wiß>mann, der tüchtigste, der jetzt im Reichsdienst thätig ist, der mitdem friedlichsten Programm nach Ostafrika ging, konnte dieses nichthalte», weil der von früher anfgesammelte Haß gegen die Deutschen sichgeltend machte. Die Eingeborenen haben uns ja gar nicht ge-rufen, wir kommen als Eroberer, Unterdrücker und Ausdeuterund die Völker dort üben gegen iws nur das Recht der Selbst-vertheidigung aus und wir dürfen uns nicht wundern, iven»sie uns die Antwors geben, die sie von ihrem Kultlirstandpnnktaus für die richtige halten. Man rühmt die ivirtbschastliche Eni-Wickelung, und doch was machten die lumpigen 30 Mill. Mark, dieunser Handel nach den Kolonien beträgt, aus, gegenüber den