Ar. 101* 47. Jahrgang
± Beilage des Vorwärts
Sonnabend, 1. März 1930
exbUche Ijllzel'
Die weibliche Polizei nahm ihren Ansang in Amerika . Die erste„Polizei malronc" stellte N e w P o r k im Jahre 1843; den Au?- gangspunkt bildete die Fürsorge für die Frau in, Gesängnis. Die erste„Patrolwoman" für den Außendienst lieferte Chitago; sie war dem Detektivbüro angegliedert imd hatte die Aufgabe, Frauen und Mädchen zu überwachen. Aber erst im Jahre ISOS erhielt in Port land (Oregon ) die Leiterin einer Schuggesellschast Polizei- zwangsgewalt. In England machte London Im Jahre 1905 den Anfang mit Polizeimatronen: den Anstoß zur weiteren Entwick- Imtg gab aber erst der Krieg: Ordnung und Sitte an Bahnhöfen, in militärischen Lagern und Munitionsfabriken rnußten überwacht werden. Das Jahr 1923 brachte der weiblichen Polizeibeointin den Titel eines weiblichen Sonstablers und Polizeizwangsgervoit. Augen- blicklich verfügt London über 2 weibliche Znspektorinnen. 5 Sergean- kiunen und 40 Sonfiableriuneu. zum Teil in Uniform. Aber schon im Jahre 1915 entstand in« internationale Bereinigung der Polizei- beamtMlien, und eine Enquete des Völkerbundes stellte fest, daß weibliche Polizei im Jahre 1927 in Aegypten , Argentinien , Austra- Ä«n, Dänemark , Danziz, Estland , Fümland. Großbritannien , Irland, Tkorwegen, Neusselariil, Madsrlande. Rumänien , Schweden , Schweiz , Tfchechvflonxrkei, Varmmgte Staaten, Belgien , Island , Polen � und Deutschland existierte Die Aufgaben dieser Polizei fallen im großen und ganzen mit denen der deutschen zusammen. Anlaß zu ihrer Entstehung bot die englische Okkupation in Köln : englisch « und deutsch « Frauen fanden sich zusammen, um als Frauenooltswoh!- fahrtspolizei im Streifendienst gefährdete Mädchen und Frauen zu erfassen. In Deutschland . Polizeisürsorgerinnen. die eine Art weibliche Gefährdcteusür. sorge darstellten, gab es in Deutschland schon früher. Stuttgart stell?« als erst« Stadt im Jahre 1903 eine Polizeifürsorgerin ein: es folgten Bielefeld im Jahre 1995, Berlin im Jahre 1999, Altona im Jahre 1917. In Berlin war es die Fra-uenhilfsstclle. als Bestandteil der
Wohljahrtsstelle am Polizeipräsidium, die sich der von der Sitten- polizei ihr Überwieseiren gefährdeten Mädchen annahm. Die Frauen- wohlfahrtspolizei in Köln wies aber den Weg zur weiteren Entwick- lmrg der weiblichen Polizei. Im Jahre 1926 begann die früher« Leiterin der weiblichen Polizei in Köln , Fräulein Josephine Erkens , ihre Tätigkeit in Frankfurt a. M.. Augenblicklich befitzen in Pren- ßen, außer Frankfurt a. M.(7 Beamtinnen) noch Königsberg (3), Köln (9), Essen (7), Hannover (3), Magdeburg (4), Breslau (6>, Altona , Elberfeld , Halle, Recklinghausen und Berlin weibliche Polizei, im ganzen sind es 98 Beamtinnen; Stettin und Kiel sind an der Reihe. lieber eine straff organisierte weibliche Kriminalpolizei, deren Aufgabenkreis demjenigen der preußischen weiblichen Polizei ent- spricht, oerfügt auch Hamburg : in Dresden und Baden ist sie der unisormierleu angegllederi und beschränkt sich in der Hauptsache auf den Außendienst. Welches ist aber der Ausgalenkreis der preu» ßischen und Hamburger weiblichen Polizei? In B e r l i n, um an einem Beispiel Entwicklung und Aufgaben- kreis der weiblichen Polizei aufzuzeigen, wurde nach Inkrafttreten de« neuen Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankhelten die früher« Leiterin der aufgelösten Frauenhilfsstelle am Polizeipräsi- dium, Fräulein W Icking, zum ersten weiblichen Kriminalkommissar ernannt. Im Mai 1927 unterstanden ihr nur 6 Beamtinnen, im Augenblick sind es 39. Die weibliche Kriminalpolizei(Inspektion G.) zerfällt in 3 Dienststellen. Jede umsaht einen streng um- grenzten Aufgabenkre's, sowohl m selbständiger Arbeit als auch in Erfüllung der Austräge anderer Kriminaldienststellen. Diese be- dienen sich ihrer weiblichen Kolleginnen nach Bedarf, indem sie ihnen Vernehmungen jugendlicher Zeugen und in gewissen Fällen er- wachseire weibliche Angeschuldigte überweisen. Auch sämtliche Straf- taten von Kindern nnd weiblichen Jugendlichen unter IS Jahren (sosern Erwachsene nicht mit hineinspielen, wie solch« von Knaben, die noch nicht das Alter von 16 Jahren erreicht haben) find der weiblichen Polizei zuständig. Die weiblich« Polizei bearbeitet auch Straftaten erwachsener Frauen, sofern diese als Geschlechts- wesen in Frage kommen, oder wenn in besonderem Maße sozial« Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind.
Kinder als Zeugen und Geschädigte. Eins der wichtigsten Betätigungsgebieie der weiblichen Polizei ist die Vernehmung von Kindern und jugendl'chen Mädchen, Opfern von Sikllichkeitsdeliklen. Ist das Revier zuständig, so wird der Bor - gang unmittelbar an die Inspektion G. woitergemeldet; bearbeitet eine Kriminaldienststelle am Polizeipräsidium den Fall, so wird mit der Vernehmung fast ausnahmslos die weibliche Polizei beauftragt. Das Befragen der Kinder-gestaltet sich mitunter äußerst schwierig. Es ist nicht leicht auseinanderzuhalten, was bei den Mädchen im Entwicklungsalter Produkt überreizter Phantasie, was Wahrheit ist. Nicht selten, belasten sie den Beschuldigten in ganz ungerechtfertigter Weise, insbesondere, wenn sie eine Entschuldigung für ihr Fori- lausen aus dem Eliernhause brauchen. Eine entscheidende Rolle spielt bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit die Gesamtpersänlich- keit des jugendlichen Zeugen. Eingehende Recherchen durch das Jugendamt oder mitunter auch auf eigene Faust sind hier unaus- bleiblich. Mädchen auf der Straße. Der Außendienst, der in Dresden und Baden fast das einzige Tätigkeitsfeld der weiblichen Polizei bildet, stellt in Preußen Und Hamburg nur einen geringen Teil innerhalb der Gesamlaufgabeir dar. Die Vormiltags- und Abendstreifen besuchen Rummelplätze. Bahnhöfe, Lokale, beslimmle Slraßenznge und machen Stichproben in Absteigequartieren. Reicht die Zahl der Beamtinnen für diese
Sächsische Frauenpolizei auf der Straße.
Verhör auf der Dienststelle. Aufgab« auch noch nicht aus, so sind trotzdem gute Erfolge zu oer- .zeichnen. Einige Beispiele: Die Streife stößt auf dem Potsdamer Platz auf ein Mädchen im Alter von 16 bis 17 Jahren. Mit dem Thsatertextbuch in der Hand erweckt sie den Eindruck, als«rwarte sie jemand vor dem Cafe, Die Kleine wird aufgefordert, mit zur Wachs zu.kommen. Zunächst macht'sie über ihre- Persönlichkeit sglsstje Angaben. Im Einwohnermeldeamt wird festgestellt, dost sie ihten Eltern entlausen ist und seit drei Monoieu vermißt wird. Ävfasigs hielt sie sich beim Onkel auf, dann war sie ohne Wohnung. Jetzt ist sie froh, daß man sie aufgegriffen hat. Sie findet Aufnahme im Pstegeamt. Eine 22jährigs Holsteinerin wird in einem Hotel in Begleitung eines zweifelhaft aussehenden Mannes angetroffen. Das junge Mädchen hat verweinte Augen. Sie hatte ein halbes Jahr lang Stellung in einem Haushalt, fand daran f für 14 Tage«tue andere, war seit zwei Wochen arbeitslos und feit 4 Wochen mit dein Manne zusammen. Ihr Bruder ist Stadtverordneter. Auch dieses junge Mädchen war zufrieden, Hilfe zu finden. Die Frühstreise greift zwei Mädchen auf. Die«ine war hier in Stellung; sie ließ ihre Schwester kommen: auch die dritte war gerade nach Berti?? unterwegs. Die beiden Schwestern waren seil vielen Tagen obdachlos. Das Pflegeamt nahm sich der drei an und schickte sie heim.
Ahtiw*&*£***(&
Pataca meinte, etwas Bier könne jetzt nicht schaden. „Für mich nicht, aber trink du nur welches", redete ihm Jeronymo zu. Ze Carlos meinte, Weißwein wäre ihm lieber. „Was ihr wollt", ermunterte sie der Steinbrecher.„Ich werde auch etwas Wein trinken. Wir geben nicht das Geld eines Messerstechers aus, das ist ehrlich bei Regen und Sonnenschein im Schweiße meines Angesichts verdientes Geld. Also trinkt beruhigt und ohne schlechtes Gewisien." Die anderen stimmten dieser Rede beifällig zu und ließen sich nicht weiter zureden. Sie tranken auf das Wohl ihres freigebigen Freundes. „Auf den Chef Jeronymo"— eine Bezeichnung, die der Steinbrecher gnädigst quittierte und worauf er die Gläser noch einmal füllen ließ. „Auf Dona Piedade de Jesus"— worauf der Gatte der Dame ein kurzes„danke" murmelte, auf die Uhr blickte und bemerkte, es sei Zeit, ans Werk zu gehen. Seine beiden Kumpanen leerten die Gläser und standen widerstrebend auf. „Es ist noch mächtig früh", murmelte Ze Carlos, spuckte durch die Zähne und wischte sich den Mund mit dem Hand- rücken ab. �„Aber wir könnten aufgehalten werden, mahnte ihn sein Gefährte und langte nach dem Paket vor den Fässern. „Wenn wir warten müssen, können wir es da ja genau so tun. wie hier." „Also los", drängte Jeronymo, der plötzlich zu fürchten begann, die Nacht könne entweichen, ohne daß er fein wichst- ges Vorhaben ausgeführt hätte. Er zahlte die Rechnung, und sie brachen auf-und liefen langsam und schweigend nebeneinander her. Mit unter- drückter Aufregung gingen sie die Rua Sorocaba entlang zum Strande und blieben erst dicht vor Guarnizes Lokal stehen. „Du bist derjenige, der reingeht, nicht wahr?" redete der Steinbrecher an. Statt aller Antwort reichte ihm
letzterer das Paket mit den Keulen und verschwand, Hände in den Hosentaschen, mit niedergeschlagenen Augen und Be- trunkenheit heuchelnd in der Taverna. IS. Guarnizes Lokal war an diesem Abend sehr gut besucht. An allen mit Wachstuch bedeckten Holztischen saßen Gruppen von drei oder vier Männern, fast alle in Hemdsärmeln, die sich rauchend und trinkend geräuschvoll unterhielten. Bestän- dig wurde einheimisches Bier, Wein, Paraty und Orangen- schnaps bestellt. Auf dem mit Sand bedeckten Boden lagen Käserinden, Stücke gebratener Leber. Fischgräten und so weiter, die zu erkennen gaben, daß Guarnize auf jede Art von Hunger und Durst vorbereitet war. Seitlich auf der Bar stand ein Teller mit Roastbeef und Kartoffeln, ein Schinkenknochen, von dem das meiste Fleisch schon wegge- schnftten war, und eine Schüssel mit gebratenem Fisch. Auf einem Regal dahinter befand sich ein reichliches Sortiment von Flaschen. Zwei große Azetylenlanmpen erleuchteten den Raum, und ihr Rauch schlängelte sich zu der rußigen Decke empor. Durch den Kattunvorhang vor einer Tür im Hinter- gründe drang gedämpftes Stimmengewirr, dem es jedoch nicht gelang, die dicke schwere Luft im Lokal zu durchdringen. Pataca blieb einen Augenblick am Eingang stehen, simu- lierie starke Betruntenhest und trat ein. Seine Augen wan- derten von Tisch zu Tisch, aber Firma war nicht zu sehen. Er erblickte jedoch ein vertrautes Gesicht und wandte seine Schritte zu einem Tisch, wo eine dünne, magere, schlecht ge- kleidete Mulattin mit einer alten, fast blinden Frau und einem ältlichen Mann, der ganz kahl war und augenscheinlich an Asthma litt, zusammensaß., „Hallo, Florinda!" rief Pataca und gab dem Mädel «inen Klaps auf die Schulter. Sie wandte sich um, erkannte ihn, und erwiderte seinen Gruß. „Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt?" fragte er, „ich habe dich ja ewig nicht gesehen." „Oh, ich bin immer noch dieselbe wie früher. Seit ich mit Herrn Pento zusammenlebe, gehe ich selten aus." „Ah", sagte Pataca,„du hast einen Liebhaber?" „Immer gehabt." Und dann, von dem ungewohnten Glas Bier am Sonn- tagabend redselig geworden, erzählte sie ihm. wie sie nach ihrer Flucht aus dem Hause den ganzen Tag herumgestrolcht war und nachts in einem Neubau geschlafen hatte. Am folgen-
den Morgen sei sie von Haus zu Haus gelaufen und habe um Anstellung als Zimmer- oder Kindermädchen gebeten, bis ein älterer Junggeselle sie aufnahm: bei dem war sie mdhme Wochen geblieben. Er kaufte ihr gute Kleider, gab ihr reichlich zu essen und schenkte ihr sogar Geld und Schmuck. Aber sie machte sich nichts aus ihm und rannte mit allem, was er ihr spendiert halte, zu einem Kaufmann an der Ecke, der ihr bei ihren Einkäufen in seinem Laden immer den Hof gemacht hatte. „Und da bist du noch?" fragte Pataca. „3 bewahre. Dann wurde ich krank, und er wollte mich los fein und warf mich hinaus. Obendrein behielt er noch alle Sachen, die ich von meinem ersten Herrn mitgebracht- hatte. Als ich nun obdachlos auf der Straße lag, nahm sich Bento meiner an, und feit der Zeit bin ich bei ihm. Wir sind sehr arm, aber er ist gut zu mir: also habe ich keinen Grund, mich zu beklagen." Als sie bemerkte, daß Pataca sich umsah und jemand suchte, meinte Florinda. daß er gern Bento sehen wollte und fügte hinzu:„Er ist nicht hier— er ist drin. Wenn er spielt, hat' er mich nicht gern in seiner Nähe. Er sagt, ich bring' ihm Unglück." „Und deine Mutter?" „Armes Ding! Die fitzt im Irrenhaus." Das Mädel fing an von Marcianna zu sprechen, aber Pataca gab wenig acht darauf denn in diesem Augenblick wurde der rote Vorhang beiseite geschoben und Firmo er- schien schwankend und mit erhitztem Gesicht. Er versuchte eine Hand voll Kleingeld zu zählen, gab es aber bald auf und steckte alles in feine Hosentasche, „Porfiro , kommst du nicht?" rieft er nach hinten in das Zimmer, aus dem er gekommen war. Da er keine Antwort bekam, lief er weiter ins Lokal hinein. Pataca verabschiedete sich eilig von Florinda, bewegte sich wieder mit allen Zeichen stärkster Betrunkenheit vorwärts uftd brachte es fertig, gegen Firmo anzuprallen, den er lallend um Verzeihung bat. Firmo drehte sich ärgerlich um, als er aber den anderen erkannte. übersah er den Vorfall, und sie beschlossen, gemeinsam eins zu trinken, worauf sie sich in einen erhitzten Wettstreit ver- wickelten, wer zahlen sollte. Der Mulatte gab nicht nach und zog einen Geldschein heraus, und der Portugiese stellt« er- freut fest, daß Firmo so blau war, daß ihm das Geld, das er herausbekam, durch die Finger rann und zu Boden fiel. (Fortsetzung folgt.)