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Vor zehn Jahren.
Die Aengste der Kappisten.
Man schreibt uns: In der Notiz in Nummer 96 des ,, Abend" über das Berhalten der Kappisten wird u. a. gesagt, daß die Kappisten vor allem die Arbeiterschaft fürchteten, ebenso die Sicherheitswehr, vor allem die Abteilung Lichtenberg . Der Schreiber wußte nicht, womit das zusammenhängt. Es dürfte folgende Bewandtnis haben:
In der Konsum- Genossenschaft Berlin und Um gegend verlangten im März 1920 die Rappisten, daß die Genossenschaft ihre Automobile abliefern solle. Der Geschäftsführer Genosse Mirus weigerte sich, die Automobile abzuliefern. Am Mittwoch, 17. März, wurde. von einer Truppe Rappisten unter Mithilfe von Angehörigen der Technischen Nothilfe versucht, die Automobile in Lichtenberg abzuholen. Als sich auch jetzt noch Genosse Mirus weigerte, die Automobile herauszugeben, wollten die Kappisten die Türen zur Autogarage sprengen und sich mit Gemalt die Automobile aneignen. Mirus machte den Führer der Gruppe, einen Leutnant Sanio, nachdrücklichst auf das Ungehörige seines Berhaltens aufmerksam und drohte ihm an, ihn für alle entstehenden Schäden haftbar zu machen. Die Auseinandersetzungen hatten zur Folge, daß mirus berhaftet wurde und in die Reichskanzlei abgeliefert werden follte.
Während dieser Auseinandersehung alarmierte der Sohn des Genossen Mirus, die Situation überschauend, die Sicherheitswehr in der Möllendorfstraße, Lichtenberg , die in geschlossenem Zuge anrüdte, Mirus enthaftete und die Rappisten einschließlich der Angehörigen der Technischen Nothilfe ver haftete. Auf dem Revier wurden die Herren entwaffnet und als Gefangene mit ihrem eigenen Auto nach der Pionierfaserne in der Köpenicker Straße transportiert. Dieses Lastauto wurde von der Zivilbevölkerung begleitet, und man hat sich später in Lichten berg erzählt, daß die Einfahrt in die Pionierfaserne nicht ganz reibungslos vonstatten gegangen sein soll.
Bielleicht haben die Erfahrungen dieser Truppe mit dazu bei getragen, jene Angst zustände zu erzeugen. Die Konjum Genossenschaft blieb jedenfalls von weiteren Besuchen verschont. Die Sicherheitswehr in Lichtenberg hatte sich tatsächlich als gut- republitanische Truppe gezeigt; das bewies nicht nur der hier geschilderte Borgang, das ließe sich auch an anderen Beispielen erhärten.
Ein Kommunist friecht zu Kreuze unft triecht zu Kreu .. und bereut seine Febler.
Bei den Kommunisten herrscht Freude. Ein Unterzeichner des gestern von uns veröffentlichten Aufrufs hat sich zum Widerruf pressen lassen. Wir zitieren einige Säße seiner in der Roten Fahne" veröffentlichten Erklärung, weil sie ein treffliches Porträt tommunistischer Charaktergröße ergibt. Emil Ludwig man verwechsele den Wackeren nicht mit seinem bekannten schriftstellerischen wimmert folgendermaßen um Gnade:
Namensvetter!
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Polizeipräsident
Die Polizeipräsidenten von Ber lin , London und Paris haben zur jchärferen Ueberwachung der internationalen Verbrecher ein engeres Zusammenarbeiten der Polizei der drei Städle befchloffen. Franzöfifche und deutsche Polizei offiziere werden der Londoner Scotland Yard, englische und deut fche Polizeioffiziere der Parijer Polizei und franzöfifche und eng lifche Polizeioffiziere der Berliner Polizei allachiert werden.
Tardieu läßt für sich demonstrieren.
Die Rechtsregierung im Werden.- Briands Verbleiben zweifelhaft.
sicherte der Bresse, daß er sein Kabinett am Sonntagabend oder Tardieu scheint plötzlich feine Zeit mehr zu haben. Er ver Montag früh beisammen haben werde; er habe sich jetzt die not. wendige Mithilfe gesichert; nur verscheigt er, welcher Art sie iſt. Nach der offiziösen Bresse soll es Tardieu gelungen sein, den Raditalen Difola einzufangen, der als einziger gegen das Kabinett Chautemps stimmte, sowie den ehemaligen Radikalen Lautier. Weiter würden Péret und de Monzie im Kabinett mitmachen, de Monzie als Innen- und Péret als Budgetminister. Der bisherige Bostminister Martin soll das Finanzministerium erhalten. Im übrigen würden Maginot als Kriegsminister, Piétri als Kolonialminister, Flandin als Handelsminister, Hennessy als Ackerbauminister und Manaut als Kultusminister beibehalten.
The tin
Das zweite Kabinett Tardieu würde also dem ersten wie ein Ei dem anderen gleichen und feineswegs die republikanische Konzentration bedeuten, sondern ein ausgesprochenes Rechtsfabinett sein. Unter diesen Umständen erklären es gewisse Blätter als recht zweifelhaft, ob Briand tatsächlich weiter am Quai d'Orsay bleiben
werde.
Wie Léon Blum im„ Populaire" mitteilt, hat Präsident Die von den Stadträten Leh, Raddaß und Luce und einer Doumergue sich auf den Protest der sozialistischen Partei hin Anzahl anderer unter dem Namen einer Erklärung heraus: Begebene Berleumdung gegen die Kommunistische Bartei träat start beunruhigt gefühlt und Tardieu zu möglichster Gile auf auch meine Unterfdrift. Ich habe aber diese Erklärung gefordert. Tardieu aber wolle nicht vor Sonntagabend fertig mer. im Wortlaut nicht getannt, sondern es wurde mir von den, denn für Sonntagnachmittag habe er sich in Paris von der Moltmann versichert, daß in der Erklärung nur eine Auspatriotischen Jugend, der Action Française" und dem Polizeisprache über verschiedene Parteimaßnahmen mit der Parteis präfeften Chiappe große Straßenfundgebungen leitung gefordert würden. Ich ziehe die von mir erschlichene Unter- arrangieren lassen, die seine Unentbehrlichkeit öffentlich be fchrift selbstverständlich zurück und gebe zu, daß es ein Fehler weisen" sollen. Außerdem beabsichtige er, sich erst am Donnerstag von mir war, meine Unterschrift auch nur zu dem verber Kammer vorzustellen, an demselben Tage also, an dem die meintlichen 3 med zu geben. Rommunisten Straßendemonstrationen zu Ehren der Sowjetrepublif vorhaben. Tardieu hoffe also, mit Hilfe der Straße das
Also nicht einmal eine Aussprache mit der Parteileitung dürfen die gehorsamen Knechte Mostaus von ihren Oberen verlangen. Und so etwas will die Welt befreien!
Gelbstmord eines Kaufmanns.
3m Büro erfchoffen und erhängt.
Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten nahm fich heute früh um 5 Uhr der 45jährige Kaufmann Alex M. aus der Uhland. traße in Charlottenburg das Leben.
In der vergangenen Nacht blieb M. feiner Wohnung fern. Als die besorgten Angehörigen nach seinem Berbleib forschten und das in der Potsdamer Straße gelegene Büro aufsuchten, machten sie eine schredliche Entdeckung. Man fand den Bermißten an der Türangel erhängt auf. Auf dem Fußboden neben dem Selbstmörder lag eine Pistole, aus der er sich vorher noch einen Schuß in die Schlafe beigebracht hatte. Die Leiche wurde von der Kriminalpolizei befchlagnahmt.
Universitätsprofeffor als Mörder.
Durch den elektrischen Stuhl bingerichtet.
New Bort, 1. März.
Unter ungewöhnlicher Unteilnahme der Bevölkerung voll. 30g fich am fpäten Nachmittag des Freitag die Hinrichfung des Professors James H. Snoot. Profeffor Snoot, der verheiratet und Bater mehrerer Kinder tft, hatte ein Verhältnis gehabt und während einer Autofahrt seine Geliebte getötet. Er versuchte seine Tat damit zu begründen, daß das Mädchen ihn habe veranlassen wollen, seine Frau zu verlassen. Schließlich habe er sich ihrer wütenden Eifersucht, die sogar in tödliche Bebrohung ausgeartet fet, nicht anders erwehren fönnen. Das Todesurteil wurde zwar auf Grund eines Indizien. beweises im Auguft v. J. gefällt, die Beweise waren aber so lückenlos, daß der Professor sich nicht mehr herausreden fonnte. Das Urteil und besonders die Hinrichtung selbst haben vor allem wegen der gesellschaftlichen Stellung des Berurteilten ein ungewöhn liches Aufsehen erregt.
Kommerzienrat Henkel gestorben.
In Rengsdorf verstarb heute früh furz vor 7 Uhr in feinem Bandhause nach furzer schwerer Krankheit der Gründer und Seniorchef ber Firma Sente! u. Cie, Düsseldorf , Kommergienrat rig hentel. Im Alter von nahezu 82 Jahren folgte er feinem am 4. Januar d. 3. verstorbenen Sohne Frig
im Iode nach.
Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion ist für Mittwoch nadanittag 8 Uhr einberufen. Lloyd George ist sehr wütend über die Liberalen, die nicht gegen die Arbeiterregierung gestimmt haben; er droht, die Bartel führung niederzulegen.
Horthys Jubiläumsamnestie schließt die politischen E mi granten wieder aus und ist auch sonst recht mager.
Gewerbsmäßige Abtreibung.
Zeuginnen verweigern ihre Aussage.
Vor dem Landgericht III steht heute morgen die Vor dem Landgericht III steht heute morgen die 56jährige Frau S., angetlagt, an einer großen Zahl Frauen 56jährige Frau S., angetlagt, an einer großen Zahl Frauen Abtreibung vorgenommen zu haben. Die Persönlichkeit dieser mehrfach vorbestraften Frau, die Art und Weise, wie fie ihren Patientinnen das Geld abgenommen, sowie ihre Arbeitsmethode ließ gerade diesen Fall besonders schwer erscheinen.
Bor dem Gericht steht eine vom Leben geprüfte Frau. Für fie spricht der Umstand, daß teine einzige der Frauen, benen sie im schweren Augenblid ihres Lebens Hilfe geleistet hat, zu Schaden getommen ist. Sie genoß in ihrer Umgebung den besten Ruf, war weit und breit bekannt und wurde überlaufen. Gegen sie spricht das verhältnismäßig hohe Honorar, das sie sich geben ließ, fie nahm auch Trauringe, Wäsche und
Schmuckstücke zum Pfand; blieb die Zahlung aus, so gingen die Pfänder verloren. Selbst mit 3 ahlungsbefehlen drohte sie. Die Frauen mußten ihren Namen und Adresse in kleinen Notiz büchern notieren auf diese Weise konnte die Polizei 35 Frauen feststellen, die sich demnächst vor dem Schöffengericht zu verantworten haben werden. Größtenteils waren die Namen und die Adressen falsch.
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Frau S. ist verhältnismäßig spät zu ihrem traurigen Gewerbe gefommen im Alter von 52 Jahren und man wird ihr glauben, daß Not und zunehmende Arbeitsunfähigkeit sie dazu geführt haben. Im Harzgebirge zu Hause, heiratete sie früh, hatte vier Kinder von einem Manne, der Trinker war und sie schwer mißhandelte. Im Jahre 1916 30g fie von ihm fort nach Berlin , nahm hier eine Portierstelle an, arbeitete schwer und ernährte recht und schlecht ihre Kinder... bis im Jahre 1918 ihr Mann ihr nach Berlin folgte. Er arbeitete ungern, fand er Beschäftigung, so Ihr Gesundheitszustand wurde zusehens schlechter, schwere Arbeit gab er ihr nur wenig Geld ab, mißhandelte sie aber nach wie vor. tonnte sie nicht mehr leisten, so nahm sie ihre Zuflucht zum Kartenlegen und Wahrsagen aus dem Kaffeegrund. Diese Methoden des Zukunftweissagens wandte sie auch gegenüber schwangeren Frauen an, die sich scheuten, ihren wahren Zustand zu offenbaren. So entstand in ihr der Gedanke, diesen Frauen auf andere Weise zu helfen. Ihre Großmutter und Muster waren Hebammen, bereits als Mädchen hatte sie in Hebammen- Lehrbüchern studiert, die erforderlichen Manipulationen waren ihr bekannt und geläufig. In ihrer Tätigkeit ließ sie auch die hygienischen Vorsichtsmaßnahmen nicht vermissen, vor ihren Eingriffen fäuberte fie tüchtig ihre Instrumente, wusch ihre Hände mit Lysol und hatte, wie gefagt, teinen einzigen Mißerfolg zu verzeichnen.
Die Angeklagte macht den Eindruck einer schwer franten Frau, die sich zudem in gedrückter seelischer Verfassung befindet. Von den 35 Frauen sind mir drei als Zeuginnen geladen. Sie sollen über die Art und Weise aussagen, in der Frau S. ihnen das Honorar abgefordert hatte. Die Zeuginnen machen aber von ihrem 3eugnisperweigerungsrecht Gebrauch, ebenso der Mann der
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| Barlament einzuschüchtern und ihm ein leichtes Vertrauensvotum zu entreißen.
Der Gaboteur des Zollfriedens.
Paris , 1. März.( Eigenbericht.) Wie Abg. Grumbach im Populaire" mitteilt, haben die Aeußerungen des französischen Sachverständigen Serruns in Genf sich gegen die Bemühungen zur Schaffung eines Zollfriedens im Parlament starte Entrüstung hervorgerufen. Weder das erste Kabinett Tardieu, noch das Kabinett Chautemps hätten Serruns da zu ermächtigt. Es handle sich also um das skandalöse Borgehen cines Mannes, der seit über zwei Jahren aus dem Staatsdienst ausgetreten und in die Verwaltung der Lazard Bank und der Citroen Automobil merte übergetreten ist. miniſter Bonnet habe ihn sofort nach Baris berufen.
Todesurteile in Tonking.
Handels
Paris, 1. März.
Nach einer Untersuchung, die nur wenige Tage gedauert hat, wurden 15 Personen abgeurteilt, die an den Kämpfen von Denbai bebeiligt gewesen sind. 3 wölf, darunter ein Arzt, ein Lehrer, drei Offiziere und drei Schüßen, wurden zu Tode verurteilt, die übrigen zu lebenslänglicher bzw. 20 Jahren 3wangsarbeit.
Die Streiffrawalle auf Guadeloupe .
Paris , 1. März. Nach einer Mitteilung des Kolonialministeriums ist auf Guade loupe eine sieben Mann starte Gendarmerieabteilung unter Führung eines Leutnants von Streibenden mit Eisenstäben und Brechstan en angegriffen und fast alle Gendarmen verlegt worden. Von den Streifenden wurden zwei Mann getötet und einer schwer verlegt.
Angeklagten. Der Staatsanwalt, in der Ansicht, daß die Art der Geldforderung für das Strafmaß von Bedeutung fei, beantragt bie Bertagung der Verhandlung, damit er gegen eine Anzahl von Frauen die Anklage vor dem Landgericht erheben tönne; er hofft, daß fie in diesem Falle als Mitangeklagte der Frau S. ihre Aussage machen würden. Der Verteidiger widerspricht diesem Antrag, die Angeklagte gebe ja zu, gewerbsmäßig abgetrieben zu haben.
Das Gericht lehnte bis auf weiteres den Antrag des Staatsanwalts auf Bertagung ab. Der Anfläger beantragte darauf in feinem Plädoyer zwei Jahre Zuchthaus. Rechtsanwalt Dr. Mendel plädierte für mildernde Umstände.
105 Konfumbezirke wählen.
Nur Lifte Genossenschaftsaufbau fommt in Betracht.
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Die Mitglieder der Konsum Genossenschaft Berlin und umgegend werden noch einmal darauf hingewiesen, daß am morgigen Sonntag, dem 2. März, in der Zeit von 9 bis 14 Uhr in 105 Wahlbezirken die Wahlen der Abgabestellen Delegierten stattfinden. Für 159 Wahlbezirke finden überhaupt feine Bahlen statt, da für diese Wahlbezirte entweder keine gültigen oder nur eine gültige Vorschlagsliste eingereicht wurde. Als Abgabestellen, in denen eine Wahl zu erfolgen hat, fommen nur in Betracht:
1., 2., 4., 6., 7., 8., 11, 15, 18, 19, 22, 25., 28., 29., 30., 31., 33, 34, 36, 37, 43., 44, 45., 47, 48, 49, 50, 51, 55., 58, 59, 60, 61, 62, 63., 65, 71., 74, 76., 78, 81, 82., 85, 87., 88, 94, 95, 101, 104., 105, 106, 107, 108, 110, 111, 113., 114., 117, 120, 121, 123, 124, 126., 129, 130, 132, 133, 134., 135., 136, 137, 138, 139., 141, 144, 149., 156., 158., 159, 161, 164, 169., 174, 177., 181, 183., 185, 186, 187., 188., 189, 190., 192, 193, 194., 197., 202, 215, 220., 225., 227., 233., 240., 257., 264. Abgabestelle.
Das Wahlrecht darf nur im Bezirk derjenigen Abgabestelle ausgeübt werden, die der Wohnung des Wahlberechtigten am nächsten liegt. Auf keinen Fall dürfen Mitglieder eines Abgabestellenbeziris, in dem feine Wahl statfindet, in einem anderen Wahlbezirk das Wahlrecht ausüben.
Die Tatsache, daß die Kommunisten nur in 105 Wahlbezirken Kandidaten aufgestellt haben, tennzeichnet die Schwäche ihrer Position. Dem entspricht auch der höchst flaue Angriff der Rosen. Fahne" gegen die Geschäftspraris der KGB. In wirklich findischer Weise wird behauptet, die Geschäftspolitik der KGB. sei nur auf die Befriedigung der Arbeiteraristokratie eingestellt. Und wenn die Rote Fahne" den Borwurf erhebt, daß die Konsum- Genossenschaft Hamburg , die nur die Hälfte Mitglieder zähle, bis vor kurzem einen höheren Umsatz als der Berliner Konjumperein gehabt habe, so wird diese Bemerkung das herzhafte Gelächter aller Konjum genossenschafter erregen, denn sie beweist die absolute Unkenntnis.. des Schreibers auf dem Gebiet des Konsumgenossenschaftsmesens. Mögen die Wähler der Liste Genossenschaftsaufbau die Blamage der Kommunisten zu einer vollkommenen machen,