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Sonnig 2. März 1930
Unterhaltung und Wissen
Beilage des Vorwärts
Äol 3)er Sehloffer Qamain
Ms«r in der 2Jkrtftntt seines Vaters seine Lehrlingszeit antrat, hätte wohl niemand der Prophezeiung Glauben geschenkt, der rußige, ktcine Junge werde einmal dem Throne der sronzö- fischen Könige den Todesstoß versetzen, das Schicksal seines Herrschers in der schrundigen Arbeiterfaust holten, und den Enkel des Sonnen- konigs dem Henker in die Arme schleudern. Die Gamains hatten immer in Versailles   gearbeitet, dankbar für jedes kunstvoll»er. schlungen« Gitter und jedes feinziselierte Türschloß, das sie liefern dursten. Jahrhunderte lang behilflich, ihre sehr katholischen Ma- jestäten vor Zudringlichkeit«md Neugier der Außenwelt zu schützen, bis dann eine neue Weltordnung Tore und Türen mit der Hacke einschlug, und die Könige hinter Schloß und Riegel setzte, nicht um sie selbst, um Land und Volk vor ihrer Herrschaft zu sichern. In seinen jungen Jahren war auch Frangois Gamain königs- treu, wie alle fem« Ahnen, er hatte sogar allen Grund, dem 5)ause Bourbon besonders zugetan zu sein, durfte er doch seinen zu- künftigen König togtäglich in den innersten Appartements aufsuchen und in der Kunst, seine Schlösser zu schmieden, unterrichten. Auch als er schon längst aus dem Throne faß, zog Ludwig XVI.  «s bei weitem vor, die Führung der Staatsgeschäste seinen Ministern zu überlassen und selbst lieber in seiner Werkstatt zu basteln, wobei er von Zeit zu Zeit immer wieder seinenlieben Meister Gamain" zu Rate zog, und wie ein Kind erröten konnte vor Stolz, wenn ein be­sonders geschickt konstruiertes Schnappschloß, oder sonst eine streng sachgemäß ausgeführte Arbeit ihm das Lob seines gestrengen Lehrers eintrug. vierzehn Locke geschossen. Man kennt heute das Tagebuch, in das Ludwig XVI.   allabend- lich die Ereignisse eintrug, die ihm der Aufzeichnung wert erschienen, uich weiß, daß über den 14. Juli 1789, den Tag. der die Bastille stürzt« und zum erstenmal die abgeschlagenen Köpfe von adligen Dienern des Thrones, auf Picken gespießt, der kommenden Zeit vorantrug, der König nichts anderes aufzuzeichnen wußte, als daß«r ay diesem Tage vierzehn Rehböcke geschossen hatte! Sein Lehrmeister in der Schlosserei hätte ihn auch über die Be- deutung der Zeitereignisse besser unterrichten können, lebt« er ja mitten unter dem Volk, dessen Stimmung immer mehr Vcraniasiung gab. den Verkehr mit seinem gekrönten Schüler viel eher als Gefahr, denn als Ehr« zu werte». Konnten die kurzen Besuche bei Hofe ihn für das feindliche Mißtrauen feiner Mitbürger«nt- schädigen, und hatte der König noch die Macht, ihn vor den Folgen der kompromittierenden Intimität zu schützen? Di« Nacht von dem S. auf den 6. Oktober 1791 gab verneinend« Antwort auf diese bange Frage, denn der General Lafayett« führte vergebens die ganze Pariser National. Garde im Laufschritt nach BerfaUles, die Hökerinnen der Holle  , und ihr« mit Picken und Hacken oewaff- veten Männer drangen dennoch in das Schloß ein, metzelten die diensttuenden Kammerherren nieder und zwangen die Königin, nur «in Nachthemd auf dem Leibe, zu ihrem Manne hinüberzuflüchien. Die Revolution wäre in jener Nacht um dos seierlichste Schauspiel ihrer Raserei, um die ösfenllich« Hinrichtung der verhaßten Oesterreicherin* gekommen, ohne einen kleinen Korporal, der mit sechs Mami tapfer die Menge zurückhielt, und zwei Jahre später schon der General Hoch« hieß. Für den Weitblick Meister Gamains genügte die Warnung dieses ersten Massenbesuches in den königlichen Gemächer». Als am nächsten Tage der König, dem Befehle seines Volkes gehorchend, von Versailles   nach Paris   übersiedeln mußte, hinter den Köpfen der ermordeten Kammerhcrrcn. die auf Stangen gespießt dem Zuge voranschwebten, da dankte Gamain gerührt für die ehrende Auf- forderung, seinem Schüler nach Paris   zu folgen, berief sich auf die Ilnmöglichkeit, feine Werkstatt im Stiche zu lassen, und fchickie als Ersatz seinen tüchtigsten Gesellen Durey mit. die Untreue schlau hinter der Schmeichelei bergend: Seine Majestät sei selbst schon Meister, und benötige nur einen Gehilsen, keinen Lehrmeister mehr.-- Wie groß und peinlich war sein« Ueberraschung, als nach einem halben Jahr« der Ruhe, gerade da man schon anfing, sein« Verbindung mit dem Hofe zu vergessen, und ihn als Patrioten voll zu nehmen, derselbe Dureq als königlicher Reitknecht verkleidet vor seiner Werkstatt aus dem Sattel sprang und ihm den Befehl des Königs überbrachte, nach Paris   in die Tuillericn.zu kommen, »aber durch den Dienerschastseingang, um keinen Verdacht zu erwecken!" Eine vorzüglich gearbeitete Tür. Gamain versuchte zunächst allerhand Ausslüchte, mußte aber einem Handschreiben des Königs schließlich doch Folge leisten, und schlich also am 22. Mai 1792, gegen Abend, als«s schon dunkelte, durch den Kücheneingang in die Tuillerien, von Durey durch den Dienerschaftstrakt in die Werkstatt Ludwigs XVI. geleitet. Dort lag eine vorzüglich gearbeitete Tür aus Eisenplotten, mit einem be­sonder» raffiniert konstruierten Geheimschloß, das der Meister mit Anerkennung betrachtete, als der König eintrat und ihn mit den Worten apostrophierte:Run, mein lieber Gamain, was sagst du zu meiner Leistung? Türe und Schloß habe ich in elf Tagen unter Assistenz Dureys gemacht, ober nun soll die Platte«ingemauert werden, da» bringe ich nicht fertig, und rechne darum auf deine Hilfe und dein Stillschweigen!" In einem dunklen Korridor, zwischen dem Schlafzimmer des Königs und des Dauphins, war in der Mauer das Loch vorbereitet. Ludwig XVI  .. erzählte Gamain, er selbst und Durey hätten jeder zehnmal bei Nacht an die Seine hinunterschleichen müssen, um den herausgeschlagenen Schutt in kleinen Säcken aus dem Schloß zu schmuggeln. Angeblich sollte der geheime Wandschrank der Aus- bewahrung von drei Millionen Dukaten dienen, und der König er- suchte auch den Schlossermeister, den Inhalt von drei bereitstehenden Ledersäcken nachzahlen zu Helsen  . �Aber die besonder« Sensation, ein« Million in Gold durch die Finger gleiten zu lassen, konnte Gamain nicht so ganz überwältigen, daß er daneben nicht beobachtet hätte, wie Ludwig XVI.   heimlich große Bündel Akten herbei­schleppt« und in dem Mauerloch verschwinden ließ. Nachher mußte Durey einen Armleuchter hochhalten, während der König mit seinen geübten, griffigen Handwerterfäusten Gamain bei dem Einmauern der Tür» hals. Der Hammer sollte dabei möglichst nicht gebraucht werden, bei jedem lauteren Schlag zuckte der König erschrocken zu. sommen, ermahnte zur Vorsicht, wodurch die Arbeit arg erschwert wurde, die erst gegen Morgengrauen beendet werden konnte. Und dann?-- Was nachher geschah, oder in Wirklichkeit nicht geschah, wird Niemals mehr mit Sicherheit ergründet werden lömisn, auch die
Geschichtsschreibung ist auf Vermutungen angewiesen, und kann nur die wenigen noch zweifelhaft feststehenden Tatsachen registrieren, ohne Folgerungen oder gor ein Urteil zu wagen. Fest steht nur: das wenige Tage nach der Einkerkerung Ludwig XVl. der Minister Roland eine schriftliche Anzeige des Schlossers Gamain aus Versailles   erhielt, und auf Grund dieser das Geheimfach des Königs fand und öffnen ließ. Mit diesem Verrat hat Gamain nicht nur seinen früheren Zögling, dessen Frau und Schwester dem Henker überliefert, er brachte auch Barnave unter das Beil, dessen Briefe au Marie Antoinette   so ans Licht kamen, und die sterblichen Ucber- reste des Grafen Mirabeou, unter Assistenz von ganz Paris   im Pantheon beigesetzt, wurden aus demTempel der Nation" ent- fernt, um auf dem Berbrecherfriedhof bei Nacht verscharrt zu werden, da neben den Geheimberichten des großen Revolutionärs an den König auch feine eigenhändig unterzeichneten Quittungen aufgefunden worden waren über die vom Hof« erhaltenen Bestechungsgelder! Dem royalistifchen Urteil über den Undank Gamains, der aus Angst um die eigene Haut den gestürzten Herrn verraten hatte. steht ein Dekret des Konvents gegenüber, welches im Namen der Ration bestimmt, daßDem Schlossermeister Gamain, der am 22. Mai 1792(alten Stils) von Ludwig Capet   vergiftet worden ist, eine jährliche, lebenslängliche Rente von 1290 Livres, zahlbar vom Tag« der Vergiftung an, bei den Staatskassen angewiesen wird." In dem Berichte, der diesem Dekrete zugrunde lag, hieß es. dem erhitzten Gamain fei mit den Worten:Eine Erfrischung wird dir gut tun, mein lieber Gamain!" von dem König selbst ein Glas Wein angeboten worden, dos er auch getrunken habe. Als Folge sei er auf dem Heimwege nach Versailles   von furchtbaren lieblich- leiten befallen, nach Stunden rasender Qual von einem zufällig vorbeisahrende» reichen Engländer sterbend ausgesundcn, und aus Menschlichkeit in seiner Wohnung abgeliefert worden. Gamain selbst war mit dieser Version, di« der Zeitstimmung entsprechend denTyrannen" Ludwig als Giftmischer bloßstellte, nicht ein- verstanden. Er erzählte immer, es sei, als die Arbeit beendet war, Mar!» Anloinette plötzlich durch eine Tapetentür eingetreten, und habe ihm eigenhändig Wein und zwei Biscuits angeboten. Eines dieser Biscuits Hobe er in der Rocktasche mit heimgcnommen, dort sei es nach seiner langen Krankheit wieder ausgefunden worden, inmitten häßlicher, schwarzer Flecken, die es in den Kleiderstoff ge> fressen hatte. Ein Hund, den man diese Reste verschlingen ließ, sollte unter surchtbaren Krämpfen verendet sein. Allerlei Geheimnisvolles. Es wäre einfach, beide Versionen als«ine nachträgliche Er- findung zu werten, die den Undank in gerechte Rache verwairdeln sollte. Dieser Auffassung stehen aber wieder die Tatsachen gegen­über. daß: Gamain tatsächlich am 22. Mai 1792 gesund sein Haus oeAieß, und am nächsten Morgen sterbend heimgebracht wurde. Neun Monate lang schwebte er zwischen Leben und Tod, vegetierte dann noch zehn Jahre lang, ohne jemals wieder seine halbgelähmten Glieder zur Arbeit gebrauchen zu können, bis er im Jahre 1800,
vor der Zeit, mit 50 Jahren schon längst zum Greis geworden, endlich starb. Der Bersailler Arzt, Dr. Lameiron, der ihn vor seinem Unglück gut gekannt, dann während seiner neun Monate langen schweren Krankheit behandelt, und bis an sein Lebensende gepflegt hatte, lebte noch im Jahre 1832, zu einer Zeit also, als die wieder- geborene Macht des Hauses Bourbon schon wieder gestürzt war, der Sohn des Philipp« Egalite, der gewesen« Revolutionsgeneral, auf dem Thron« Frankreichs   sah. Und dieser Dr. Lameiran zauderte nicht, unter der Herrschaft desBürgsrkönigs", jedem, der es hören wollte, zu wiederholen, ja es sogar unter Eid noch einmal zu Protokoll zu geben, daß Meister Gamain schwer vergiftet aus den Tuillerien zurückgekehrt, und nie wieder ganz gesund geworden sei!--- Aber es gibt noch mehr des Geheimnisvollen! Die amtsärzi- lichen Zeugnisse, die protokollierten Aussagen der Nachbarn Gamains, olle Schriftstücke, auf deren Grundlage der Konvent die Lcbensrente bewilligt hatte, das ganze Faszikel über den Fall Gamain, ist aus den königlichen(jetzt nationalen) Archiven ver- fchwunden. Ja, selbst jener Band der amtlichen ZeitungLe Moniteur", aus welchem Neugierige den Sitzungsbericht mit der genauen Begründung des betreffenden Dekretes hätten abschreiben können, war von der Restauration ausrangiert worden, und auch unter Napoleon III.   noch war ein englischer Geschichtsschreiber, der mit den besten Empfehlungsschreiben hoher englischer Würdenträger versehen, sich an die Ausklärung dieser mysteriösen Episode der Revolutionszeit gemacht hatte, so lange von den Pariser   Behörden schikaniert und in seinen Forschungen behindert worden, bis er den Versuch aufgab und heimreist«!-- Wie erklärt sich das Geheimnis? Dennoch wird man kaum annehmen können, Ludwig XVI.  , der bigotte Mann, der Gottes Zorn tausendmal mehr als die Guillotine fürchtete, oder die Tochter Maria Theresias habe m! Borgia  - Lächeln dem Schlossermeistcr den Tod serviert. Wie sonsr ober soll n um das Geheimnis klären? Man hat versucht, die Möglichkeit einer zufälligen Koinzidenz vorzuschieben,«ine schwer« Erkrankung, vielleicht auch infolge des Genusses verdorbener Speisen auf dem Heimwege. Derselbe Ansall. heißt es, nur einen Tag früher erlitten, wäre ruhig als natürlicher Schicksalsschlag hingenommen worden! Wer aber in jene Zelt sich zurückversetzt, an den Hos, dem täglich« Geheimberichte die wachsende Entschlossenheit der Vorstädte meldeten, auch die Tuillerien, wie früher das Versailler   Schloß zu erstürmen, wer in Haß. Zorn und Angst der wenigen Getreuen sich einfühlt, die statt zu emigrieren in Paris   geblieben waren, um mit ihrem Leibe ihren Herrn zu decken, der wird es wohl nicht entschuldigen, aber begreiflich sinden, daß einer, der bereit war, sein eigenes Leben hinzuwerfen für seinen König, keine Bedenken hatte, dag Leben eines Schlossermeisters zu opfern, damit das Geheimnis des gesährlichen Schrank es gewahrt bleibe. Aar Gamain, als er heimging, auf die Einladung eines Unbekannten zu einem kleinen Trinkgelage hereingefallen, so war es für ihn naheliegend� König und Königin der Milwisserschast zu verdächtigen, und seiner Roche  zu Liebe den Hergang«in wenig zu retuschieren... Schlimmer als er haben immer noch die übereifrigen Unter- beamten der Restauration an Ludwig XVI.   gesündigt, als sie aus Byzantismus alle Dokumente über den Fall Gamain ous den Archiven entfernten, und mit der geschafsenen Lücke für immer den Perdacht verewigten, das Haus Bourbon habe Gründe, in dieser Angelegenheit die Wahrheit zu scheuen.
. ffiürovorfteher Xemke Eigentlich wollte er ja heute sofort nach Dienstschluh nach Hause iahren und sich mit einem kleinen SpätnachmittaISschläschen auf den Besuch der Oper am Abend vorbereiten. Es gab da irgend- «in« Wagneroper und die dauerte sicher mehrere Stunden. Wer weiß der Teufel, er hatte auf einmal keine Lust, gleich noch Hause zu fahren. Ach was, mochte seine Frau warten! Cr entschloß sich, einen kleinen Spaziergang durch den nahen Park zu machen. Der Portier setzte ein erstauntes Gesicht auf, als er den Büro- Vorsteher entgegen aller feststehenden Gewohnheit statt durch das breite Hauptportal durch den nscki der Partseite liegenden Reben- ausgang verschwinden sah..Fomisch!" dachte er;ob er vielleicht krank ist?"-- .Komisch!" dachte anrti der Bürovorsteher Lemke selbst;was ist mit mir los? Nerven?" Ihm wurde es beim Laufen unier seinem dicken Ueberzieher warm Gut. daß er setzt in den Park ein- biegen konnte. er öffnete den Mantel, nahm den Hut ab und wischte sich di« breit« Glatze.Komisch!" dachte er noch einmal; diese verflixten Borsrühlingstage, die schießen ins Blut und machen einen ganz wirr!" Dabei war's hier noch ganz öde im Park die Bäume streckten chre kahlen Aeste armselig in die Luft, auf dem zerfurchten Boden machten' sich hier und da noch einige schmutzige Klumpen zusammengeschmolzenen Schnees breit, der Weg war auch feucht und schlüpfrig... Einen Augenblick schwankte er, sollte er doch umkehren? Grade blieb er unschlüssig stehen, da bog ein junges Pärchen um die Wegecke, was mochten die denken?-- Er ging langsam weiter. Was war nur in ihn gefahren? Er wunderte sich über sich selbst.'Ach was, ich muß mich zusanmiennehmen!" schloß er seine Gedankenreihe ab. Da» Pärchen ging kichernd mit einem Seitenblick auf ihn vor- über. Etwas reizte ihn daran. Er sah sich um, das Mädel drehte sich im gleichen Augenblick eben falls un und blickte ihn mit ihren dunklen Augen fragend an. ,Hm, nicht übel!" empfand er;an- nehmbares Gesicht! Nett angezogener kleiner Käfer!" Was hatte sie nur an diesem grünen Bcngel da mit den weiten Hosen und dem herausfordernd frechen Milchgesicht?Schnösel!" sagte er lzalblaut nor sich hin er hatte aus einmal eine richtige Wut aus den Jungen da.Zum Teufel i Was geht's mich an!" versuchte er sich abzu- lenken, aber seine Gedanken verfolgten eigensinnig den einmal ein- geschlagenen Weg. Er versetzte sich im Geiste an die Stelle dieses Grünschnabels, versuchte sich seine Empfindungen vorzustellen, wenn er das Mädel da am Arm hätte-- Nervös wischte er sich wieder die Glotze. Verrückt!" dachte en er. der Bürovorsteher Lemke, verheiratet. Vater von zwei wohlerzogenen Kindern, pflichtbewußt und auch sonst in Anspruch genommen--- er gieperte hier hinter irgendeinem kleinen Mädel her, das kichernd am Arme eines ausgesprochenen jungen Lasten durch den Park schlenderte...Ich muß doch mal mst meinem Arzt reden!" beschloß er be! sich;irgendetwas ver- schreiben lassen, werden wohl doch die. Nerven sein." Aber alles Beruhigen half nichts, seine Gedanken.«Mich einmal obge- lenkt von Aktenwust. Dienstvorschristen und Büroolltöglichkest, gingen mutwillig kreuz und quer.
Irgendwie mahnte die Begegnung von vorhin an etwas längst Dergesfencs aus seinem eigenen Leben. Er kramte und stöberte in seinen Erinnerungen um her... Ach richtig, jetzt hatte er'», cn Anna mußte er denken.Anna!" dachte er gerührt, Anna ein ganzes Heer von Empfindungen stieg in ihm auf... Er war ja damals auch so ein junger Fant wie der da vorhin Ganz ein- gesponnen von seinen Gedanken ging er weiter.Junge, Junge, das war ein Prachtmädel, die Anna. Wie sie chn immer ange- funkelt hotte mit ihren schivorzbraunen Augen und wie sie lachen kannte, so hell und frisch." Und wie töricht verliebt er selber war, ein richtiger dummer Taps. Wie sie sich abends im Dunkeln aneinandergedrückt und geküßt hotten Teufel, Teufel. küssen konnte dos Mädel. Und er, er hatte ihr Gedichte gemacht, richtige Gedichte fr wurde rot bei der Erinnerung ach ja, er wollte ja damals überhaupt Dichter, Schriftsteller werden. Was hatte er für schillernde Zu- kunstspläne vor ihr ausgebreitet, wenn seine Werke herauskämen, das muhte ja schon im nächsten Jahre geschehen alle sollten vorn aus der ersten Seite eine Widmung tragen:Meiner Gefährtin im Leben und im Geiste meiner lieben Anna!" In den Gruncwpld würden sie ziehen, von den Erträgnissen seiner Kunst würde er eine Villa kaufen, ihr teure Kleider schenken alles, was sie sich wünschen würde, sollte sie haben... Und er selbss würde an ihrer Seite glückselig den Ruhm und die Verehrung genießen, die man ihm, dem geseicrten Dichter entgegenbrachte... Straßenlärm schreckte ihn ans seinen Träumereien auf; er wnr, ohne es zu merken, an das Ende des Parkes gekommen. Anna!" dachte er abschließend,was ist aus dir geworden, Geliebt« eines großen Dichters?" Du hast einen fetten Kolonialwarenhändler geheiratet und bist selbst zicinlich in die Breite gegangen, Stamm- imitier eines Geschlechtes kleiner Kolonialwaren Händler nein, Anna, eine Dichter-Geliebte müßte anders aussehen-- Und er selbst?';,"j Blödsinn!" das alles, er schloß fröstelnd seinen Mantel und setzte den Hut auf.Quatsch! Iugendejelei!" knirschte er ingrimmig. .Kann man sich einen großen Dichter mit dem prosaischen Namen .Lemke" vorstellen?" Doch gut, daß ihm sein Vater damals so fest in die Kandare genommen und ins Danksach gesteckt hatte. Ein wenig gebockt und ausgeschlagen hatte er ja noch, wie ein junges Pferd, das man ins Geschirr spannt. Aber du lieber Gott, Dichter sind heute noch wie damals Hungerleider, während doch«in Büro- Vorsteher immerhin sein gutes Auskommen hat...'Nun ober Schluß mit dem Blödsinn!" raffte er sich auf und als er an- der Wegbiegung ein Schild entdeckte: Hier Ausgang zur Straßsnbahn-Haltestelle! ging er sich aufreckend zur Straße hinaus-- straff, würdevoll, jeder Zoll ein Bürovorsteher. Hinten im Park oerschwand ein Phantom» ein Gespenst, verächtlich Wüte er ihm nach der Dichter Hermann Lemke zerfloß ins Nichts---- Der Bürovorsteher Lemke aber antwortete beim Rachhaisse- kommen unwirsch auf die Frage nach seinem langen Ausbleiben seiner Frau:Ueberstunden mußte ich machen, daß du's weißt! Rem zum Halse heraus hängen sie einem schon, diese ewigen Kon­ferenzen und Besprechungen! Richtig kaputt wird man dabei! Na paß nur auß daß ich heute abend nickst in der Oper einschlafe!'