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BERLIN Dienstag 4. März 1930

Der Abend

Erfdeinttaglio außer Gonnteg& Bugleich Abendausgabe des Vorwärts Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 m. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin SW68, Lindenstr.3

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Spalausgabe des Vorwärts"

47. Jahrgang

Anzeigenpreis: Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Vf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Boffcheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37 536. Fernsprecher: Donboff 292 bis 297

Sintflut über Frankreich .

Wolkenbrüche und Wirbelstürme.

Paris , 4. März.

Der Süden und Westen Frankreichs werden von einer wahren Sintflut heimgesucht. Seit mehr als 50 Stunden folgt ein Wolfenbruch dem anderen, löst ein Wirbel­fturm den anderen ab. Alle Berbindungen sind unterbrochen. Bis Montag abend hat das Unwetter bereits mehrere Todes. apfer gefordert. Das Tal des Tarn ist vollständig über. schwemmt. Die Cage in der Stadt Montauban wird von Stunde zu Stunde kritischer. Der Kraftwagen eines dortigen Fabrikbefizers ist in einen zu einem reißenden Fluß verwandelten Bach geschleudert worden. Jwel Jafaffen ertranten, Aus fast jedem Dorje werden Eritantene gemeldet. Ein Schäfer mit seiner gesamten Herde ist von den Fluten fortgeschwemmt worden, wobei der größte Teil der Herde umkam. Zahlreiche Häuser und Fabrit­gebäude sind eingestürzt. Telephon- und Telegraphenleitungen sind zerstört. Der Berkehr ist größtenteils lahmgelegt.

Ein weiteres Telegramm meldet:

Die Ueberschwemmung der Tarn hat außerordentliche Ausmaße angenommen. Die Stadt Mantauban ist von allen Seiten von jedem Berlehr abgeschnitten. Jn mehreren Stadtvierteln find Häuser eingestürzt. Etma zehn. Soldaten, die bei den Rettungs- und Dergungsarbeiten mitgewirkt hatten, fehlten beim Appell. Zeugen mollen gesehen haben, wie zwei, von ihnen bei den Rettungsarbeiten ertranten. Die Stadt Montauban hat zur Zeit weder Trinkwasser noch Gas, noch elektrischen Strom. Das Elektrizitätswert ist voll. fommen überschwemmt. Man befürchtet den Einsturz der neuen Brücke, denn das Hochwasser steigt weiter. Ein Rettungsboot zerschellte an einer Mauer; einer der Infaffen ertrant. Infolge der fritischen Lage follen die Behörden sogar eine vorläufige Aus

jegung der Rettungsarbeiten angeordnet haben, um nicht weitere Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Auch die bei Toulouse gelegene Drischaft Billemur am Tarn ist außerordentlich schwer heim gesucht worden. Sie ist ebenfalls durch das Hochwasser vollkommen vom Verkehr abgeschnitten. 600 Arbeiter fißen in einer Fabrik fest, die überschwemmt ist. Auf den Straßen in der Nähe von Toulouse steht das Baffer teilweise bis zu 5 Meter hoch. 3wei Hängebrüden find weggeschwemnu worden Man hat Borkehrungen getroffen, auf funtentelegraphischem Wege mit den Bewohnern von Billemur in Berbindung zu treten. Das Elettrizitätsmert bei Isles.Tarn ist ebenfalls überflutet. Aus Albi wird gemeldet, daß in der Umgebung drei Brüden eingeftürzt sind; drei Personen sind ums Leben gekommen. Bei Carcassonne ist der Berriac Tunnel an der Strecke Bordeaur- Cette infolge der anhaltenden Regenpüffe eingestürzt. Die Reisenden werden mit Postautos weiter. befördert.

Bei den Ueberschwemmungen im Tarngebiet follen nach einer im Detit Journal" veröffentlichten Aufstellung mehr als zehn Personen ums Leben gelommen fein, und zwar follen in Montauban im ganzen fleben Todesopfer festgestellt worden fein, zwei in Mazamet und eines in Cahuzac. Nach dem Echo de Paris" soll die Zahl der Toten fogar bereits auf 20 ge­flegen fein.

Die Waffen von Leipzig .

Gamilich wiedergefunden.

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Ein Reichswehrangestellter

verhaftet.

Ceipzig, 4. März.( Eigenbericht.)

Die aus einer Reichswehrfaserne geffohlenen Waffen find nun­mehr sämtlich wiedergefunden worden. Die Ermittlung der Diebe ist jedoch noch nicht gelungen, obwohl inzwischen zahlreiche Berhaf­fungen vorgenommen worden sind. Das Publikum beteiligt sich nach wie vor außerordentlich start an den polizeilichen Nach­forschungen Die Reichswehr hat für die Auffindung der Waffen und die Ermittlung der Täter eine Belohnung von 15 000 m. aus­gesetzt.

Wie das Reichswehrministerium mitteilt, ist ein Ange­flellier des Standortkommandos Ceipzig ver. haftet worden, der mit der Lagerung und Justandhaltung der Waffen zu tun hatte Angeblich hat er schon im Januar Berbin­dung mit der kommunistischen Partei gehabt und die Borbereitungen getroffen, durch die der bekannte Waffendiebstahl ermöglicht worden ist.

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20 Personen ertrunken.

Die Börse oberste Instanz.

Tardieus finanzielle Expansionspolitik.

Paris , 4. März.( Eigenbericht.) Tardieu hat für seine Regierungserklärung schon eine Reihe neuer glänzender Schlagworte erfunden. Er will nicht nur feine alte Politit der prosperität mit den neuen Mitteln des Programms der Regierung Chautamps fortsetzen, sondern er will darüber hinaus die 3wingburg der Steuerverwaltung ein­reißen. Die Steuer foll jeht in gleichem Rhythmus wie die Bro­duftion majchieren, ja sie soll der Wirtschaft ,, einen neuen Sprung nach vorn ermöglichen. Sie fol fich modernisieren und vor allem auf Budgetüberschüsje verzichten.

Praktisch verbirgt sich hinter diefen Formeln lediglich der eine Bunjch Tardieus, das Budget rechtzeitig bis zum 1. April unter Dach und Fach zu bringen, und zu diejem 3wed alle, von ber Finanztommiffion vorgeschlagenen Steuerermäßigungen zu ratifi. gleren. Darüber hinaus will aber der neue Finanzminister Reynaud , der in dem Bariser Börfenviertel beheimatet ist, der Bärie ihren ersten Plah als internationaler Geld- und Sapital marti wiedergeben. Er will deshalb eine Politit finanzieller Expansion unterstützen, die Frankreichs Geltung und Einfluß im Ausland start erhöhen foll".

Tardieus Wochenende mit Macdonald.

Paris , 4. März.( Eigenbericht.) Tardieu und Außenminister Briand haben am Montag mehrere längere Besprechungen mit dem amerikanischen Botschafter Flottenkonferenz geführt. Briand und die übrigen Mitglieder der in Paris und dem italienischen Delegierten auf der Londoner französischen Delegation werden am Donnerstag nach London ab­reisen. Tardieu will vorläufig nur für zwei Tage Paris ver lasjen, und zwar erst am Sonnabend nachmittag, um das Wochenende zusammen mit Macdonald in Chaquers zu verbringen.

Alliierte" Bankdirektoren.

Eine Einheitsfront gegen Schachts Quertreibereien.

Paris , 4. März.( Eigenbericht.)

Der Konferenz der Notenbankgouverneure in Rom , die dem Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht als Schauplah für eine neue Quettreiberei gedient hat, soll, wie der Ercelfior" berichtet, Ende

Auszug aus dem Bauernparadies.

FORAT

שמים

Es gibt eine sozialistische Wirtschaft und eine fapita listische Wirtschaft."" Und was ift die Sowjetwirtschaft, Bäterchen?" Gine Mißwirtschaft, mein Zäubchen."

dieser Woche in Paris eine Sonderverhandlung der alliierten Notenbankpräsidenten folgen. Auf die störende An­wesenheit Schachts werde keinen Wert gelegt. Man will sich ohne ihn über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates und des Direk­foriums der Internationalen Zahlungsbank einigen.

Bei der Sigung der Notenbankpräsidenten in Rom hat es sich Bosten der Franzose Quesney fandidiert. Es dürfte zutreffen, vor allem um die Wahl des Weltbantpräsidenten gehandelt, für dessen Daß ichon vor langen Monaten, bei den Pariser Verhandlungen, Schady und die anderen Bonfpräsidenten fich inoffiziell auf Quesnen geeinigt hatten, dellen Qualitäten allgemein anerkannt find. Benn jeßt Schacht gegen Quesnen, Stellung nimmt, so ist das nur ein neues Beispiel für seine bereits altbekannte Neigung zu2 Quertreibereien. Das neueste, äußerst unerfreuliche Ergebnis feiner Haltung scheint das zu sein, daß sich eine ,, alliierte" Einheitsfront gegen ihn gebildet hat.

Grüßner ausgeschlossen.

Einstimmiger Beschluß des Parteivorstandes.

Der fozialdemokratische Parteiporstand hat in seiner Sigung vom 4. März einstimmig beschlossen, den Senats. präsidenten beim Oberverwaltungsgericht Grügner aus der Bartei auszuschließen. Er erflärt, daß die Behaup gehen gegen den Genossen Grzesinski freie Hand erhalten", auf tung Grüßners, er habe vom Parteivorstand für sein Vor­unwahrheit beruht.

Waentigs Amtsantritt.

Begrüßung durch die Beamten des Minifteriums.

Am Dienstag, 10 Uhr, versammelten fich unter Führung des Staatssekretärs Dr. Abegg die Beamten, Angestellten und Arbeiter des preußischen Innenministeriums, um den neuen Innenminister Dr. Waentig zu begrüßen. Staatssekretär Dr. Abegg führte un gefähr aus:

Noch erfüllt uns alle der Abschied, den wir vor drei Tagen vom aften Minister nehmen mußten. Zwei, bedeutende Männer haben an dieser Stelle das preußische Innenministerium in den letzten zehn Jahren geleitet: Severing und Grzesinski . Sie haben beide Her vorragendes geleistet, beide sind niedergebrochen durch die schmutzigen Angriffe persönlicher Art, die mit sachlichem politischem Kampf nichts zu tun hatten. Das Innenministerium hält beiden Männern bie Treue, weil wir wissen, daß sie Bestes gaben im Dienst der Arbeit für Boll und Staat. Beide Männer haben stets die Sache über die Person gestellt. Als Gevering aus dem Amte schied, wurde er darauf aufmerksam gemacht, daß er nach wenigen Tagen eine weit höhere Bension erreichen würde. Seine Antwort war: Ein Grund für mich mehr, schon heute aus dem Amte zu scheiden. Grzesinsti ging in dem Augenblid, als er befürchten zu müssen glaubte, fein Verbleiben im Amt könnte für die von ihm vertretene Politik eine Belastung erscheinen. Ihnen, Herr Minister, tommen wir mit offenem Herzen und mit Vertrauen entgegen. Minister sein bedeutet heute, Opfer zu bringen, ein doppeltes, preußischer Innenminister zu sein. Ich habe die große Hoffnung, daß Ihnen Ihre Ministerzeit nicht nur eine opferreiche Zeit, sondern auch eine Zeit der Leistungen und der erfolgreichen Arbeit sein wird. Wir sind der Ueberzeugung, daß Sie sich dant Ihrer Stärke und energischen Person durchsetzen werden, daß Sie Aufbauarbeit leisten werden am Bolt und Staat.

Minister Waentig antwortete mit einem Dank für die herz­lichen Worte. Er wisse, daß das Scheiden von seinem Vorgänger dem Ministerium schwer geworden set. Er habe dieses hohe Amt nicht gesucht, er habe sich nur auf höheren Wunsch in eine Bresche gestellt, meil der tapfere Streiter diese Bresche habe räumen müssen. Er verspreche, dem Borbild der beiden Männer nachzuleben und nachzuarbeiten. Er sei überzeugt, daß er als Chef nichts werde tun fönnen, wenn er sich nicht auf seine Mitarbeiter voll verlassen könne. Bertrauen gegen Vertrauen: Er werde stets offene Tür, Ohr und auch auf Wunsch Herz für jeden seiner Mitarbeiter haben. Er bitte nur um vertrauensvolle Mitarbeit um der gemeinsamen Sache willen.