Der Abend
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Nr. 110
B 55 47. Jahrgang
66 anzeigenprets: Die einfaltige Nonpareillezeile
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Die Hakenkreuzler als Mörder.
Der Arbeiter Kubow seinen Verletzungen erlegen.
Der Ueberfall von Röntgental.
Tirpitz gestorben.
Das Kaiserreich stirbt aus! Als einer seiner leßten Paladine ist nun, nicht lange nach dem Fürsten Bülow, der 81jährige Alfred v. Tirpig dahingegangen.
Der feige Feuerüberfall der National. München , 6. März. fozialisten auf das Reichsbanner in Röntgental, worüber wir heute früh berichte. Großadmiral v. Zirpik ist in der letzten Nacht ten, hat in dem stillen Vorort an der Berlin - hier in einem Sanatorium an den Folgen einer Bernauer Strede helle Empörung ausgelöst. Bronchitis gestorben. Reiber ist auch ein Todesopfer zu beklagen. Der Arbeiter Kubow aus Röntgental, ein jung berheirateter Mann, ist an den Folgen des schweren Bauchschusses im Kreiskrankenhaus Ber. non bald nach seiner Einlieferung gestorben.. Ueber diese neueste Schandtat der nationalsozialistischen Rowdys werden noch folgende Einzelheiten bekannt: Das Tam. bourforps des Reichsbanners hielt, wie in jeder Woche, om Mittwoch in dem Lokal von Meißel, in der Bahnhofstraße 76, feinen
lebungsabend ab. In berselben Gaststätte tagte zu gleicher Seit der Mieterverein der Prifchaft. Eta gegen 10 Uhr erbinden in der Nähe des Lotals mehrere langgezogene Pfiffe. Es mar, wie fich später herausstellte, das Angriffssignal per nationalsozialistischen Strolche. Der Mietervérein hatte als Bersammlungsraum ein hellerleuchtetes Zimmer, das mit den Fenstern nach der Straße zu liegt. Draußen frachten plötzlich mehrere Schüffe, die Scheiben zersplitterten und den Anwesenden des Mietervereins sausten die Kugeln nur jo um die Köpfe. Offen bar hatten die Angreifer geglaubt, Mitglieder des Ortsvereins des Reichsbanners vor sich zu haben, die sich aber in einem anderen, hinten gelegenen Zimmer befanden.
Im Augenblid war das ganze Lotal alarmiert. Die Reichsbannerleute und einige Mitglieder der Mieterversammlung eilten auf die Straße, um zu sehen, mas es draußen gäbe. Auf diesen Augenblid hatten die Nationalsozialisten offenbar nur gewartet. Sie eröffneten ein wütendes Schnellfeuer auf die Ahnungslosen; als erfter fiel der Arbeiter Kubom von zwei Kugeln in Bauch und Rücken schmer getroffen. Die beiden nächsten Opfer waren der Reichsbannermann Wertmeister Erich Uhlig und ein der fommunistischen Jugend angehöriger Kurt Seifert . Beide erhielten mehrere Schüsse in die Beine. Seifert hatte sich auf dem Heimweg befunden und wollte in dem Lokal noch einen Schoppen trinken. Ihn hatte dasselbe Schicksal ereilt, als er mit den anderen auf die Detonation der Schüsse auf die Straße hinauseilte. Das rierte Opfer war ein völlig unbeteiligter, der Kaffenbote Gebauer. Dieser fam vom Dienst nach Hause und wollte gerade die Gartentür zu feinem Grundstüd aufschließen, als er schon von zwei Kugeln in den Bauch und den Oberarm getroffen, blutüberströmt zusammenbrach. Gebauer gehört der Sozialdemo fratie an. So schnell wie die nationalistischen Attentäter aufgetaucht waren, verschwanden sie auch wieder im Dunkel der Nacht.
In erster Linie bemühte man sich um die Berlegten und forgte für ihre sofortige Ueberführung ins Krankenhaus. Das von Weißensee zu Hilfe gerufene Ueberfallkommando durchstreifte ganz Röntgen tal, ohne von den Rowens noch eine Spur zu entdecken. Die politische Polizei hat meitere Nachforschungen nach den Teilnehmern an dem blutigen Ueberfall aufgenommen.
Nach den bisherigen Feststellungen haben sich an der gemeinen Tat offenbar nur ortefremde Elemente beteiligt. So beobachtete ein Einwohner, der mit dem um 10 Uhr in Röntgental aus Berlin eintraf, wie aus demselben Zuge etwa 15 bis 20 uniformierte Haken. freuzler ausstiegen und in die Ortschaft marschierten. Unter ihnen find wahrscheinlich auch die Haupttäter zu suchen. Festgestellt fonnte bisher werden, daß die Täter aus der Gegend des Schönhauser Tors In Berlin stammen. Wie aus vorgefundenen Kugeln und Patronenhilsen festgestellt wurde, waren die Täter sämtlich mit großfalibrigen Waffen ausgerüftet.
Alem Anschein nach handelt es sich um einen Racheatt, der jedoch in feinem Berhältnis zu dem Borgefallenen steht. Vor etma vierzehn Tagen nämlich weilte in dem Lokal von Meißel ein Nationalsozialist, der wegen feines Betragens an die frische Luft gefekt wurde. Mit der Drohung, daß man wiederkommen und blutige Rache nehmen werde", entfernte er sich. Diese Drohung, die niemand für ernst nehmen fonnte, ist gestern wahr gemacht.
Es hat wohl feiner in der Kaiserzeit eine größere, feiner eine unheilpollere Rolle gespielt als er. Denn er war der Bater jener Flottenpolitit, die Deutschland in ganz finnloser und nutz lofer Beife in Gegenjaß zu England gebracht und die Isolierung Ernennung zum Staatssekretär der Reichsmarine am Jahre 1897 Deutschlands im Weltkrieg verschuldet hat. Schon lange vor seinar hatte der Flaggoffizier in unverantwortlicher Stellung durch seine
hemmungelole Flottenpropaganda deu perantwortlichen Stellen ins
Handwerk gepfuscht. Da es ihm gelungen war, Wilhelm II. mit seiner leichtentzündlichen Phantasie für sich gefangen zu nehmen der Dreizad gehört in unsere Faust!" Deutschlands Zukunft liegt auf dem Wasser!" gab es bald fein Halten mehr., Tirpig gewann alle möglichen Ehrenstellen und fühlte sich in hemmungslosen Ehrgeiz als der fünftige Seeheld des Deutschen Reiches .
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Eine Verständigung mit England über das Flottenbauprogramm der englischen Liberalen und der im Kaiserreich gänzlich einfluß. war unter folchen Umständen trotz aller Bemühungen Haldanes, lofen deutschen Sozialdemokraten unmöglich. Nach dem Ausbruch des Weltkrieges forderte Tirpitz ein sofortiges Einsetzen der deutschen Flotte und die Uebertragung der strategischen Leitung an ihn selbst. Da ihm dieser Wunsch abgeschlagen wurde, ging er in die Fronde, intrigierte er gegen Bethmann And schrieb ein Tagebuch, in dem er alle Würdenträger des Reiches, die nicht nach seiner Pfeife tangen wollten, schonungslos herunterriß. Aus der U- Bootfrieg im März 1916 gegen feinen Willen vorläufig eingestellt wurde un den Krieg mit Amerifa zu vermeiden nahm er seine Entlassung, um im Dunkeln weiter zu wühlen. Die Wiederaufnahme des U- Bottrieges, der Krieg mit Amerifa und die annegionistische Propaganda der Baterlandspartei waren zum großen Teil sein Bert. Im übrigen war feine Propaganda für den unbeschräntten U- Boottrieg um fo grotester, als er den rechtzeitigen Ausbau dieser Baffe zugunsten der Großtampfschiffe versäumt hatte.
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Für solche Verdienste wurde er 1924 als Deutschnationaler in den Reichstag gewählt, dem er bis 1928 angehörte. Die Deutschnationale Partei ernannte ihn fogar zu ihrem Ehrenvorsitzenden. Eine politische Rolle spielte er zuletzt noch nor fünf Jahren, als er feinen persönlichen Einfluß dafür einfegte, den Generalfeldmarschal D. Hindenburg zur Annahme ber Präsidentschaftsfandidatur zu übernehmen. Ob er mit dem Erfolg dieser Action zufrieden war, ist nicht bekanntgeworden.
Die Erinnerungen des Großadmirals, die noch zu feinen Lebzetten veröffentlicht wurden, enthalten viel Material zur Beurteilung des Raiserreichs und zur Erklärung seines Zusammenbruchs. Denn so untritisch Tirpiß gegenüber sich selber mar, so sehr war er allen
anderen gegenüber ein scharfer, oft ins Schwarze treffender Kritiker. Sein Wort vom Weltkrieg, in den wir hineingeschlittert" sind, hat Flügel bekommen. An anderen Stellen versichert Tirpitz, das Bolf fei herrlich, nur der Kopf fei faul und er wolle nach dem Krieg unter die Cozzen gehn" und sich Laternenpfähle aussuchen". Nach diesen Broben darf man noch allerhand erwarten, falls fidy in seinem Nachlaß noch Unveröffentlichtes befinden sollte..
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Tirpih hielt fich seit etwa vier Wochen zur Erholung megen feines Herzleidens in dem großen Sanatorium Ebenhausen im fartal auf. Seine Gattin meilte bei ihm. Der Tod ist, wie jetzt genauer befannt wird, heute vormittag, 7 Uhr, eingetreten. Die Nachricht wurde in München erst mittags bekannt. Nachricht wurde in München erst mittags bekannt.
Abstimmung über die Houng- Gesetze.
Arbeitsplan des Reichstags.
Der Weltestenrat bes Reichstags beschloß, daß die 3 meite Cefung des Boung- plans und der dazugehörigen Gesetze moglift in dieser Woche zu Ende geführt werden fall. In der allgemeinen Aussprache soll das gesamte Bertragswert einschließlich der Liquidationsabkommen zufammengefaßt werden, nur das Reichsbant- und das Reichsbahn. gefeh werden in einer Spezialdebatte gesondert behandelt. Die Rede zeit für das gesamte Bertragswert, also auch das Reichsbant- und Reichsbahngefeh, foll 2% Stunden für jede Fraffion betragen.
Für die Abstimmungen ist die Montagsihung der nächsten Woche in Aussicht genommen, die um 3 Uhr beginnen foll. Am Dienstag tönnte dann die dritte Lesung des Young- Plans in Angriff genommen werden.
Wer hat gefiegt?
Und was tut das Zentrum?
Ein Teil der Rechtspresse bemüht sich, das Ergebnis der finanze politischen Berhandlungen des Kabinetts als einen großen sozialdemokratischen Erfolg auszuposaunen. So schreibt die„ Deutsche Zeitung":
Der eigentliche Sieger ist wieder einmal die Sozialdemokratie.. Sie hat abermals eine Reform der Finanzen, insbesondere der Arbeitslosenversicherung, verhindert, und der Wirtschaft die Kosten für die margistische Ausgabenwirtschaft auf= geladen.
Die schwerindustrielle ,, Deutsche Allgemeine Zeitung" überschreibt ihre erste Seite mit den Worten: ,, Der Sieg der Sozialdemokratie" und äußert sich dann folgendermaßen:
Man mag den Finanzplan der Reichsregierung drehen und menden wie man will, er ist und bleibt ein Sieg der Sozialdemokratie. Bor wenigen Tagen erst, am letzten Sonntag, hatten die maßgebenden Instanzen der Deutschen Volks partei , Reichsausschuß und Reichstagsfraktion in Uebereinstimmung mit dem Parteivorsitzenden und den Parteiministern, sich feierlich darauf festgelegt, daß eine neue Erhöhung der direkten Steuern, gleichviel unter welcher Bezeichnung, mit den Notmendigkeiten der Finanzreform unvereinbar sei. Heute stehen die Wähler der Deutschen Boltspartei und mit ihnen das gesamte Bürgertum vor der Tatsache, daß doch eine neue dirette Belastung der Wirtschaft zugestanden worden ist, die fich auf rund 100 Millionen Mart beläuft.
Dem gegenüber fönnen mir verfichern, daß in der sozialdemo fratischen Reichstagsfraktion von„ Siegesstimmung" nicht das allergerinste zu bemerken ist. Vielmehr bestehen zum mindesten gegen einzelne Teile des Programms allerschwerste Bedenken. Diese Bedenten müssen sich noch verschärfen, wenn man sieht, wie die Zentrumspresse bestrebt ist, die unbesehene Annahme des Gesamtprogramma non der Sozialdemokratie durch einen unzulässigen Druc zu erzwingen. So schreibt heute morgen die ,, Germania ":
Bon der Haltung der Regierungsparteien insgesamt wird naturgentäh die Entscheidung des Zentrums gegenüber dem Young Plan abhängig sein. Die Einigung des Kabinetts ist ges mi wichtig und erfreulich. Aber sie wird ihre Ergänzung in einer unzweideutigen Bindung der Regierungsparteien finden müssen, die vor der Young- Entscheidung eine Sicherung für die Durchführung des Finanzprogramms gibt. Es wird Sache der Reichsregierung sein, diese Bindung zu schaffen und zu verhülen, daß die im Kabinett mit Mühe und Not überwundene rife nun von den Barreien her droht. Die Mittel hierzu hat sie in der Hand.
Wie es scheint, identifiziert sich das Zentrum in solchem Maße