Der Abend
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B 57 47. Jahrgang
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Um Schachts Nachfolge.
Generalratssitzung am Dienstag.- Börse ruhig.
Rechsbankpräsident Dr. Schacht hat die Mitglieder des Generalrats zu einer außerordentlichen Sitzung auf Dienstag, den 11. März, nachmittags 4 Uhr, einberufen, in der über die Wahl seines Nachfolgers Beschluß gefaßt werden soll.
Wie wir hören, wäre es durchaus möglich, daß der General. rat der Reichsbant schon am Dienstag zur Neuwahl des Reichsbankpräsidenten sich äußern oder gar die Wahl schon herbei führen tönnte. Es ist aber taum anzunehmen, daß der Generalrat, felbst menn die: ausländischen Mitglieder nicht gegen eine Wahl nach dem alten Gesez protestieren würden, eine Entscheidung gegen die Reichsregierung fallen fönnte. Eine Wiederwahl Schachts fei vollkommen ausge schlossen. Weber die inländischen noch die ausländischen Mit glieder dürften daran denken. Auch in den provinziellen Bant und Industrietreisen hat man von Schacht genug. Wir hören aus München , Franffutt, Stuttgart , Hamburg und auch aus Essen über. einstimmend die Hoffnung, daß fein Reichsbantpräsident fommen möge, der Politit macht! Damit sind auch die Aussichten für Dr. Luther. der jeßt wie immer von einer bc, stimmten Seite genannt wird, wenig günstig.
Die Berliner Börse hat ihre gestrige Erschütterung sehr schnell überwunden. Das allgemeine Aufatmen, das nach dem Rücktritt Schachts durch alle ernsthaften Wirtschafts- und Banffteise ging, hat sich auch bei der Berliner Börje, nachdem Frankfurt geffern schon vorangegangen war, in einer ft arten Berbesserung des kursniveaus ausgewirkt. Die Reichsbantanteile haben ihren Verluft von gestern voll wieder aufgeholt. Sie sind von 270 auf 281 Proj. geffiegen.
Haag Debatte im Reichstag.
Der Quaatschismus endet mit Ausweisung.
3m Reichstag begann heute vormittag 10 Uhr die Fortfegung der zweiten Beratung der Haager Abkommen mit einer Rede des deutschynationalen Abgeordneten Dr. Bang, der vor zehn Jahren zu den Mitgliedern der Kapp Regierung gehört hat und dementsprechend redet: Feindbund, Tributbant, ausgebluteter Stave Frankreichs ujm. Der Rüdtritt Shachts sei eine Bestätigung der Befürchtungen, die man gegen den Young- Blan hegen müßte. Die Reichsbant mind fortan verpflichtet, die Raten in Goldmüngen
Noch feine Einigung.
Die Besprechung der Parte führer.
Die Besprechung der Parteiführer, die heute vormittag um 10 Uhr begonnen hatte, dauerte in den Mittagsstunden noch fort. Sie dürfte auch nicht so rasch beendet werden, da man dazu übergegangen ist, ben gesamten Finanzplan der Regierung, sowie die einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen in ausführ licher Weise zu erörtern. Dabei ergibt sich wiederum, das eine Uebereinstimmung in den Finanz fragen zwischen Sozialdemokratie und Volkspartei noch nicht erzielt ist und faum erzielt werden kann. Das Zentrum nimmt in den Finanzfragen eine mitt. Iere Stellung ein, vertritt aber, was die Taktik der par lamentarischen Verhandlungen betrifft, weiter mit gro. her Zähigkeit und Schärfe den Standpunkt, daß eine Berabschiedung des Young Planes nicht in Frage komme, solange nicht auch in den Finanz fragen eine Einigung erreicht worden ist. Vorläufig fann man nur sagen, daß man in stundenlangen Debatten einander um keinen Schritt näher gekommen ist.
monoch Ganz allgemein liegt jetzt bereits schon das Kursniveau um 3 bis 4 Proz. höher. Siemens find von 239 auf 243 Proz., AEG. ift von 156 auf 160 Pro3. geffiegen, und auch 3.6. Farben hat fich um 5 Proz. wieder verbessert. Auf dem Geldmarkt gingen heute die 31nsfäße bereits unter 5% Pro3. 3urid. Eine weitere erhebliche Berbilligung ist noch heute und in den nächsten Tagen zu erwarten. Wenn es gestern nach einem schwarzen Freitag auf der Börse ausgesehen hat, so tann man heute schon sagen, daß diefer schwarze Freitag fich im wesentlichen auf die Miedriger bewertung des ehemaligen Reichsbantpräsidenten beschränkt hat.
Schacht als Zuwachs Hugenbergs.
Paris , 8. März.( Eigenbericht.) Der Rücktritt des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht hat in Baris ebenso große Sensation wie Befriedigung hervor gerufen. Allgemein gibt die Presse der Ansicht Ausdrud, daß nach all feinen Quertreibereien gegen die Reparationspoliit der Reichs. regierung und gegen den Young- Plan Schachts Position nicht zu halten gewesen sei. Nicht minder allgemein ist sich die Presse dar über klar, daß mit der Demission Schachts Kampagne nicht zu Ende sei, sondern in anderer Form fortgelegt werde. Insbesondere die Rechtspresse sieht ihn schon als neuen Mann der Deutsch nationalen in den Reichstag einziehen. Der Avenir" fieht fogar voraus, daß er dann wegen seiner unbestri tenen Fachkennt niffe bald zum Finanzminister aufsteigen und in dieser neuen Eigenschaft den Young- Blan noch wirksamer bekämpfen werde. Der Matin" befürchtet, daß die Demission Schachts schon jetzt der Opposition gegen die Ratifizierung des Young- Blans neue Nahrung geben und dadurch die Gefahr einer Regierungsfrise erneut atut werden lassen könne.
New York : Rücktritt bedeutunglos.
New Yort, 7. März. Der Rücktritt Dr. Schachts fam den hiesigen Banffreifen nicht besonders überraschend. In diesen Kreifen wurde der Vertreter des MIB. erklärt, der Umstand, daß Schach's Rücktritt zu einem Zeitpunkt erfolgte, wo die Regierung über eine sichere Majo rität verfüge, und zu einem Zeitpunkt, wo die Annahme des Young- Blanes als völlig gesichert angesehen werden dürfe, bringe es mit sich, daß dem Rücktritt Schachts nicht die Be deutung beigemessen werde, die ihm etwa während der Haager Besprechungen beigemeffen worden wäre Der Rüdiri't Schachts wird unter persönlichen Gesichtspunkten vielfach bedauert, da er von feinen Besuchen her viele Freunde besiẞt; irgendein schädlicher Einfluß auf die finanziellen Beziehungen zwischen den deutschen und den amerikanischen Banken dagegen wird als ausgelatos fen betrachtet. Man erwartet, haß auch der Nachfolger Schachts ein Mann sein wird, der das volle Vertrauen der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzkreise genießt.
einzulösen, das ist doch nicht eine bloß formale Nenderung. Sie
treiben die Politit ,, nach uns die Sintflut".( Beifall rechts.)
Abg. Jadafch( Komm.) wirst den Regierungs- und anderen Par. teien Dor, ihre Bersprechungen an die Liquidationsopfer vergessen zu haben; die Entschädigungsfrage wird nicht neu aufgerollt. Das opferreiche Bolenabfommen dient dem Koalitionstrieg gegen Somjet rußland, wobei der Kettenhund Bolen" zuerst gegen den roten Bären vorgehen foll. Dazu darf Polen feinen Feind im Rücken haben und deshalb befiehlt der internationale Rapitalismus deutschpolnische Versöhnung.
Abg. Dr. Schetler( 3.) protestiert gegen die völferrechtswidrigen Liquidationen überhaupt. Erstaunlich ist das plöglich Ein. treten der kommunisten für das liquidierte Privateigentum. Die Haager Berhandlungen haben uns schwere Enttäuschungen gebracht. Wieder einmal hat Macht. bewußtsein über Recht und Moral gefiegt, von Völlerversöhnung war gar teine Rede. Mit größter Rücksichtslosigkeit aber verteidigte Snowden diefe Politit. Nur eine Minderheit im Interhaus ist gegen diese rücksichtlose Machtausnuzung auf getreten, die durch eine Arbeiterregierung betrieben wurde. So unbefriedigend und ungerecht die Liquidationsverträge sind, nehmen wir sie doch im Intereffe der Bölferversöhnung an.
Abg. Dr. Schnee( DBp.) fündigt für einen Teil seiner Fraktion bie Ablehnung der Liquidationsablommen an, besonders des Bolen- Bertrages. Mit der Agrarpolitit, der Bestrafung wegen Bergebens und dem Konglomerat von Vereinbarungen, Briefen und Erflärungen, die diesen Bertrag bilden, fann und wird Bolen die deutschen Siedler weiter enteignen und vertreiben, und unsere Opfer an deutschem Staatsbesitz und deutschen Entschädigungsansprüchen werden umsonst gebracht sein. Zum englischen Abkommen sagt der Redner: Es ist leicht, dem Mann, dem man die Börse aus der Tasche genommen hat, zu sagen, nun fei wieder gut und die Bärfe zu behalten.( Sehr gut! rechts.) Derartige Abkommen schaffen dauernde Berstimmung und versperren den Weg zur Berständigung. Zum Schluß( pridt Abg. Dr. Schnee von der Liquidation auf dem ehemaligen Deutsch - Guinea. Dort war vereinbart, daß die deutschen Beamten nach Hause fahren, die Pflanzer aber im ungesperrten Besitz des Eigentums bleiben. Der erste Teil diefes Ber trages murde gehalten, der zweite schnöde gebrochen. Jest ner. zichten mir jogar auf Ansprüche zugunsten der Schuhgebietsanleihe
gläubiger. 3mar bestehen ihre Rechte gegen die Länder weiter, aber da die Mandatsmächte mit Gläubigerregierungen identisch sind, ist die Geltendmachung bedeutend erschwert.
In der Mittagsstunde sprach Abg. Cufft- Königsberg( S03.) mit durchschlagenden Argumenten für die Annahme des Polen vertrages, die eine Vorbedingung für die Besserung des Vere hältnisses zu unserem öftlichen Nachbar und zur träftigen Entwic fung der deutsch polnischen Wirtschaftsbeziehungen sei.
Danach fetzte sich der Demotrat Dr. Dernburg mit den Deutsch nationalen auseinander wegen der Aeußerung Dernburgs in der vertraulichen Ausschußßigung. Es fam dabei zu lebhaften Auseinandersetzungen.
Duaat randaliert und wird ausgeschlossen.
Nach der vortrefflichen Rede des Sozialdemokraten Lufft über das deutsch polnische Liquidationsabkommen, die mit großen Beifall aufgenommen worden war, tam es bei der Rede des Demofraten Dernburg zu einem 3 wischenfall. Der deutsch nationale Abgeordnete Qua at stürmte mit den Händen in den Hosentaschen und in der offenbaren Absicht, Standal zu verüben, in den Gaal und begann den Redner zu provoa zieren, indem er ihm zurief, er arbeite im Bunde mit Frank reich
Von der Linten her ertönte die Antwort ,, Lump" und der
Zwischenrufer, ebenso aber auch Herr Quaazz wurden zur Ordnung gerufen. Als Quaazz deffemungeachtet weiter randatierte und durch fortgesezte Zwischenrufe den Redner zu überschreien versuchte, erfolgte ein zweiter Ordnungsruf. Herr Quaaß reargierte auf diesen, indem er über die Geschäftsführung des Präsidenten zu schimpfen begann. Dafür erteilte ihm Präsident Löbe einen dritten Ordnungsruf und drohte ihm mit der geschäftsordnungsmäßigen Folge einer Verweisung aus dem Saale .
Als Herr Quaat darauf provozierend antwortete:„ Das mürbe mir nur eine Ehre sein", forderte Löbe unter stürmischem Beifall der Linken den Abgeordneten Quaaz zum Verlassen des Saales auf. Quaaz kam munmehr der Anordnung des Präsidenten nach. Man hatte den Eindruck, daß sein, gelinde ausgedrückt, auffälliges Auftreten auch in den Reihen feiner eigenen Parteigenossen nicht allgemein ge billigt wurde.
Renefte Berärgerungspolitif des Zentrums.
Hindenburg , 8. März.( Eigenbericht.) In der gestrigen Stadtverordnetenverfammlung, die bis spät nach Mitternacht dauerte, kam der durch die Wahl des sozialdemokratischen Bürgermeisters Franz zum Oberbürgermeister hervorgerufene Konflikt mit der Zentrumspartei zum vollen Ausbruch. Da das Zentrum wieder einer geschlossenen Front aller anderen Parteien mit Ausnahme der Kommunisten gegenüberstand, gab es gleich zu Beginn eine zentrümlich. tommunistische Einheitsfront, die so weit ging, dass das Zentrum tommunistischen Entschließungen gegen die Gummifnüppelpolitik der Bourgeoisie" und gegen die Richtbestätigung fommunistischer Kommunal. beamten bedingungslos juftimmte! Selbst ungefehliche Anträge der Kommunisten, die etwa 8 Millionen Mart für Sonderunterstützung für Erwerbsloje usw. verlangten, erhielten mit Zentrumshilfe eine Mehrheit.
Da der Antrag der Zentrumspartel, aus formellen Gründen die bereits vorgenommene Oberbürgermeisterwahl für angültig zu erflären und die Wahl noch einmal vorzunehmen, im Berlaufe der vielftündigen Beratungen teine Aussicht auf Erfolg hatte, gab schließlich die Zentrumsfraktion ihre Stimmen einem tommunistischen Antrag, die Stelle des Oberbürgermeisters überhaupt zu streichen Diefer ebenfalls ungefehliche Antrag wurde mit den Stimmen der kommuniffen und des Zentrums gegen alle anderen Parteien angenommen.