Vellage Sonnabend, 8. März 1930
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A f r i k a s i l vi e Ijcficn mir in den letzten Jahren genug ge- sehen. Das Gute an ihnen waren die Tiere. Kein anderes Land der Erde weist diesen Reichtum an Großwild aus. Mit einer ge- wissen Erschütterung betrachteten wir die ungezählten Herden, die da im Film an uns vorüberzogen. Hier blieb ein« Art Paradies, inmitten dessen der Mensch fast als Störung wirkt. Der Gewinn dieser Filme: uns die asnkanische Tierwelt, ganz anders als Buch und Zoo es vermögen, nahegebracht zu hoben. Hier zeigt sich: der Film ist«in Kulturträger ersten Ranges, ein Lehrmeister, der es einem zur Freude niacht, zu lernen. Könnte es immer sein, wenn er nicht im Durchschnitt dank der Filmindustrie und des Filmkapitals im weitaus größten Teil ein Bolksverbildungsmittel wäre... Die Afrikasilmc sind also zu loben und doch: eines fehlt ihnen allen. So sehr sie uns«inen Begriff von der Tierwelt Afrikas geben, sie geben uns keinen oder einen falschen Begriff vom afrikanischen Menschen: dem Reger. Gewiß, da sah man in- tsresiante und sehr schöne Regerköpse, man sah Tanzszenen von hjnrsißendem Schwung, man sah anstürmende Krieger— aber nein, da fängt die Sache schon an. unecht zu werden. Das war nicht mehr Afrika , das war eine sehr gestellt« und sehr bestellte Angc- legenhest, es war eine Borspiegelung falscher Tatfachen: Afrika , wie es nicht ist. Wie ist nun das Afrika des arbeitenden Negers? Da ist— ausgerüstet von der Tierhandlung L. Ruh« in Alfeld — in den Jahren l 927/28 eine Expedition durch Süd- abessinien und die angrenzenden Galla- und Sudan -Regergebiete gestreift, ist in Gebiet« vorgestoßen, die vorher kaum eines Weißen Fuß betrat, lind dies« Leute haben gefilmt, sehr fleißig gefilmt. Ein Verdienst der vom sozialdemokratischen Partei- vorstand eingerichteten Film- und L i ch tb i l d st e l l e ist es, jene Teile der Aufnahmen angekauft zu haben, die den Reger
SlsgorskI v»n beim— Pflügen! Die Grabetöcko müssen als Pflugschar dienen. Mit Ihnen wird der Boden aufgebrochen. Ole Neqer sind vollkommen nackt Aber das ist sn sich kein Zeichen von Armut Den meisten Sudannegern Ist der unbekleidete Zustand der natürliche. an der Arbeit und in seiner Häuslichkeit zeigen. Hier sehen wir zum erstenmal das Afrika des arbeitenden Negers. Der Film wie ihn Genosse Heinrich Cunow. der Ethnologe der Berliner Universität, und Jäm Borgstädt, der Photograph der Expe- dition, zusammengestellt haben, ist«in Kulturdoktunent: hier haben wir zum erstenmal, frei von allem filmischen Hokuspokus, ohne den bisher auch die ernsten Kameraleute nicht ganz auskommen zu können glaubten, das Leben primitiver Völker im Film und— wer von uns konnte sich bisher«in rechtes Bild von dem Leben unserer Urväter in der Steinzeit und in der Bronzezeit machen? Wenn wir diesen Zlbessiniensilm gesehen hoben, wisien wir es. als ob wir selbst dabei gewesen wären. Denn die Negerstämme, die wir hier bei der Arbeit sehen— es handelt sich vor allem um die Gruppe der Sudannoger— leben so wie in diesen Urmenschzeiten. Da gibt es einen Stamm, der zur Verfertigung von Hausgerät und Waffen kein anderes Material als Bambusrohr kennt. Beim Ackerbau, das gilt ganz allgemein für dieses Gebiet, benutzt man (von einzelnen Gallastammen abgesehen) noch nicht einmal den Holz- pflüg. M't zwei angespitzten Pfählen bewaffnet, zieht man aufs Land, stößt die Pfähle ins Erdreich und bricht es auf diese Weis« um. Di« Zerkleinerung der ungefügen Erdklumpen �ge- schieht dann mit sehr primitiven�H o l z h a ck e n oder mit Hacken aus dem Geweih der Antilopen. Sensen werden bei der Ernte nicht verwendet E i s e n s i ch e l n und E i s« n m e s s« r sind die Helfer. Der Ernteertrag entspricht der primitiven Methode. Dabei entbehren diese Neger durchaus nich: der Handfertigkeit. öhn« Drehscheid« und Spachtel formen sie ihre Tongefäße, und die Baumwolle verarbeiten sie auf rohen hölzernen Webstühlen zu Leinwand. Am interessantesten ist die Art der Erzgewinnung und Crzverorbeitung bei den Sudannegern. Mit unbearbeiteten Steinen klopfen sie das Eisenerz aus dem Gestein und zerlleinern es auf dieselbe Weis«. Der Schmelzprozeß geht in manns- hohen Toniöpfen vor sich. Als Feuerung wird Holzkohle benutzt. Ebenso originell wie einfach ist die Lustzufuhr. Di« Wandung der Schmelzwpfe hat in Höhe der Feuerung Löcher, die mit kleineren
flachen Tongefäßen verbunden werden, lieber diese Tongefäß« spannt man Tierhäute und— der Blasebalg ist fertig. Es ist «in poetisches Bild, wenn die Neger inmitten der osrikanischen Buschlandschaft rund um den rauchenden Schmelztopf sitzen und die Häute — fast macht es den Eindruck, als ob sie Kuchenteig kneten— auf- und niederdrücken. Den schwitzenden Negern allerdings ist olles
Ein achwaTer Kumpel. Allerding«, von Bergwerken hat er keine Ahnung. Er„schürft" da» Eisenerz im Tagbau. Als Schlägel und Spitzeisen dient ihm ein gewöhnlicher Feldstein. ander« als poetisch zumute und gierig greisen sie zum Labetrunk, der ihnen von Frauen und Kindern von Zeit zu Zeit kredenzt wird. Sicherlich atmen sie erleichtert auf, wenn n ä ch~J 0—3 5 Stunden der Schmelzprozeß beendet ist. Ist der tönerne Schmelzofen erkaltet, s» klettert'em Reger�htzi?ii�il!tö reichk''daS' gSschnMz«n« Erz her- aus. Aber von diesem Roherz bis zum fertigen M« I s« r und bis zur fertigen L a nz e n f p i tz«ist noch�ein weüer, mühseliger Weg. Hämmer und Zangen kennt man nicht. Die Zange vertritt dos elastische Bainbusrohr, das am Ende gespalten das heiße Eisenerz umklammert. Mit einem unbearbeiteten Stein wird das Erz so lang« geschmiedet, bis es die gewünscht« Form hat. Erstaunlich, was für Kunstwerke mit diesen Werkzeugen, die eigentlich gor nicht als solche bezeichnet werden können, zustande kommen und der kindliche Stolz des Negers ist verständlich, wenn er das fertige Produkt feines Fleißes den Slanmieszugehörigen zeigt. Die Legende von der Faulheit des Negers wird in diesem Filmstreifen gründlich zerstört. Der Neger macht seine Arbeit wie irgendeiner und hat es mit seinem primitiven Handwerks- zeug bedeutend schwerer als der Weiße. Es ist seltsam, daß auch klug« und ethisch hochstehend« Kolomalmenschen zu der Ansicht neigen, die schwarze Rasse sei nur mit der Rilpferdpeilsche zur Arbeit zu bewegen. Hier scheinen tragisch« Mißoersiändnisse vorzuliegen. Darin, daß der Weiße in den Tropen zu grober körperlicher Arbeit unfähig ist, stimmen all« überein. Aber man macht sich kein« Ge- danken darüber und will es wahrscheinlich auch gar mcht. daß das fubiropisch« Klima auch Arbeitstempo und Arbeitsmechod« der Schwarzen diktiert. In Südafrika zum Beispiel, das dem Aequator ja ein wenig entrückt ist, ist der Reger heut« schon«in« Arbeitskraft, die dem Weißen kaum Nachsicht, ja selbst in jenen Aequatorialdistrikten, in denen der Neger die Möglichkeit hat, selbständiger P l a n ta g e n b a u« r zu werden, zeigt sich der Schwarz« durchaus als ein williger und fleißiger Arbeiter. Das Märchen von der Arbeitsunlust des Negers konnte wohl nur durch den Gegensatz entstehen, in den die koloniale Ausbeutungs- Methode den Schwarzen zum Weißen bringt. Man begegnet dem
Ldhmeiscfe> aus Ton, In dem das Eisenerz geschmo'zan wird Die flachen TongefäBe, die mit einer Tierhaut überspannt— später- alt Blasebalg dienen sollen, stehen schon bereib Schwarzen mit einer Verachtung, die. es müßte denn mit dem Teufel zugehen, im Neger Widersatzlichkeiten hervorrufen muß. Man oerlangt von ihm die schwerst« und mörderischste Arbeit und be- trügt ihn obendrein noch um den Lohn seiner Arbeitskrast. Das Ai 'werbesystem allein schon zeigt, daß der Weiße und nicht der Schwarze der schuldige Teil ist. Die V ö l k c r b u n d a k t e n wissen von diesen schmachvolle« Kolsnialmethoden zu erzählen und wir
veröffentlichten erst kürzlich die furchtbaren Berichte L o n d r e S über sein« Erlebnisse in Französisch-Äongo. Sind schon Sklaverei und Zwangsarbeit an sich ein System, das ungeeignet ist, Arbeits- l-ust zu erwecken, so muß der Widerstand gegen die erzwungene Arbeit doppelt stark sein, wo Grausamkeit und menschenunwürdig« Behandlung sich dazu gesellen, Die Weißen vermeiden zwar das Wort Sklaverei und der Sklavenhandel ist sogar offiziell verboten, in der Praxis aber ist diese Methode der Arbeitserpressung nichts anderes als das. Da ist man in Abessinien ehrlicher. Hier herrsch! die offene S k la v e n w i r ts cha f t. Die Südabessinier, Bewohner � der Provinz Schon, stammen von den alten Aethiopiern ab, haben sich aber im Lause der Jahrhunderte mit den Somali und Galla und auch mit Arabern vermischt. Sie sind Christen und weisen mit beson- derem Stolz auf ihr Urchristentum hin. Das verhindert sie aber nicht— sie selbst lieben die Arbeit nicht und ziehen Handel und leichtes Gewerbe vor—, eine ausgedehnte Sklavenwirtschaft zu be- treiben, wobei die westlichen und südwestlichen Ziegergebiet« das Menschenarsenol bilden. Es gehört mit zu den«rgreisendsten Teilen des Films, wenn Scharen dieser Reger mit ihren primitiven Grabstöcken und Holzhacken von Aufsehern ange- trieben den Boden„umpflügen", während der ,�Herr" geruhsam auf dem Baden hockt und sich seine Pfeife und die Arbeit der Sklaven gut schmecken läßt. Es ist bezeichnend, daß die heidnischen, zum Teil von ihnen unterworfenen Negerstümme der Galla, aus die der Abessinier als Leute einer tieferen Kulturstuf« verächtlich herab- sieht, in ihrem Ackerbau bedeutend weiter sortgeichritlen sind als die Abessinier. Hier benutzt man zum Teil sogar schon«isenbeschlagen« Holzpslüge, im Vergleich zu den sonst dort herrschenden landwirtschaftlichen Arbeitsmethoden ein großer Fortschritt Neben Weizen, Gerste, Hafer, Mais, Sorghum(Mohrenhirise) und Flachs, die mehr dem eigenen Bedarf dienen, werden Zuckerrohr, Bäum- wolle, Kaffee, Tabak, und Bananen«gepflanzt. In der' BichtyitV
Töpfer bei cer Arbeit Die Tongefäße werden ohne Werkzeuge nur mit der Hand hergestellt An den großen Tongefäßen arbeiten zwei Menschen und mehr, schaff sind vor allem Rinder-, Maultier- und Schafzucht vertreten. In der Provinz Scbaa beschäftigt man sich zum Teil auch mit Kamelzucht. Die Galla ziehen auch kleine Schweine auf. Eigent- liche Nontoden sind sie jedoch nicht mehr. Wie die Somali, sind sie in Stämme, Geschlechtsverbände(Clanschaften) und Sippen(Manäs) getellt. Nur die letzteren ziehen innerhalb des ihnen gehören:«n Weidegebiches mit ihren Herden umher, und zwar nur zu bestimm- ten Zeiten. Zu anderer Zeit leben sie in ihren Hüttendörfern. Das Familienleben der Galla ist ziemlich locker. Zwar legen sie einen gewissen Wert darauf, daß die Frau sich bis zur Verheiratung ihre Jungfernschaft bewahrt, und bei den mohameda- nischen Galla werben daher die Töchter möglichst dem Verkehr mit Männern ferngehalten, aber dennoch haben die ineistcn Mädchen längst vor der Ehe ihre Jungfernschaft verloren. Gewöhnlich wer. den sie schon im elsten, zwölfien Jahr« geschlechtsreif und heiraten bald darauf, oder richtiger: sie werden von ihren Vätern in die Ehe verkauft. Das Mädchen wählt sich nämlich nicht nach eigenem Belieben selbst den Gauen: sondern ihr Vater bestimmt, wen sie zu heiraten bat. und er gibt sie nicht umsonst weg. sonidern verlangt von dem Manne, der sie bcoehrt, einen Brautpreis, oft inehr als ein Dutzend Kühe und Maulkere. Dafür muß— wenigstens ist das in reichen Gallafamilien Brauch— der Vater seiner Tochter eine Ausstattung mit in die Ehe geben, doch erreicht diese Mitgift nie den Wert des Brautpreises. Einen Ehebruch des Mannes kennt das Recht der Galla ebensowenig wie das der Abessinier. Er kann sich mehrere Frauen nehmen, auch Konkubinen(Sklavinnen) halten oder außerhalb der The Verkehr suchen. Hingegen ist die verheiratete Frau zu ehe- licher Treu« verpflichtet: aber auch von ihrer Seit« wird es iamtt oft nicht allzu strenge genommen. Ertappt ein-Mann seine Frau beim Ehebruch, kann er sie körperlich strafen und oerstoßen. Ihre Mitgift braucht er in'ölchem Fall nicht zurückzugeben. So zieht in diesem Film das orbcilcnde Afrika an uns� vor- über. Der Film, der den Titel„Ohne Auto durch Afrika " führt, wird zum erstenmal am Sonntag, 16. März, vni 11MI Uhr, im Phöbus palast(Europahous am Anhalter Bahnhof ) vorge» führt werden. Der Eintrittspreis beträgt 40 Pfennig.