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BERLIN  Montag 10. März 1930

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Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts

47. Jahrgang

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Reichskanzler will Entscheidung

Ergebnislose Verhandlungen der Großen Koalition am Sonntag. Heute Besprechungen ohne Volkspartei.

Die für Sonntag nachmittag 4 Uhr unter dem Vor­fit des Reichskanzlers anberaumten Verhandlun gen der Regierungsparteien mußten bereits nach halbstündiger Dauer ergebnislos abge. brochen werden. Die politisch- parlamentarische Lage hat dadurch eine außerordentliche Verschärfung erfahren.

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Im Verlauf der kurzen Berhandlungen erklärten alle Frattions­vertreter auf die Frage des Reichskanzlers, daß sich an dem Stand­punkt ihrer Fraktionen nichts geändert habe. Der Reichs= tanzler erflärte daraufhin, die Regierung fönne die Verab= fchiedung der Young- Gesetze nicht länger von der Aus­tragung der in der Finanzfrage zwischen den Regierungsparteien bestehenden Differenzen abhängig machen,

sie werde vom Parlament eine eindeutige Entschei­dung verlangen und damit die Verantwortung für

das Schicksal der Young- Geseke klarstellen. Man tam schließlich, um Zeit für weitere Verhandlungen zu ge­winnen, überein, die ursprünglich für Montag in Aussicht ge­nommene Abstimmung über den Young- Plan in zweiter Lesung auf Dienstag zu vertagen.

Als äußerster Termin für die dritte Beratung und Schlußabstimmung über die Young- Geseke wurde der Mittwoch festgelegt.

Die Mörder vom Hakenkreuz.

Ein Teil der Röntgentaler Mordbanditen festgenommen.

Die Untersuchung der Politischen   Polizei in der Rönt-| Haftbefehls bereits zugeführt worden find. Die weiteren Ermiff­gentaler Mordaffäre geht seiner Klärung entgegen. lungen dürften auch zur Festnahme des Schüßen führen, der den Acht Nationalsozialisten, die in den dringen- tödlichen Schuß auf Kubow abgegeben hat. den Berdacht stehen, an dem feigen Feuerüberfall auf das Reichsbanner beteiligt zu sein, wurden fest genommen. Es handelt sich um Mitglieder der Röntgentaler und Berliner  Ortsgruppe der NSDAP  .

Zwei der rechtsradikalen Verbrecher fonnte bereits die aktive Teilnahme an der nächtlichen Schießerei nachgewiesen werden. Den anderen Tätern, unter denen sich in der Hauptsache Berliner   Nationalsozialisten befinden, ist die Polizei auf der Spur. Sie dürfte sie noch im Laufe des heutigen Tages fassen und hinter Schloß und Riegel setzen. Im übrigen haben die bisherigen Er­mittlungen ergeben, daß der Ueberfall bis in alle Einzel­heiten vorbereitet war und von etwa 50 Nationalsozialisten ausgeführt wurde.

In Ergänzung unserer bisherigen Ermittlungen gibt der Po­lizeipräsident heute mittag noch folgende Erklärung: Am 5. März d. 3. hatte das Reichsbanner in Röntgental einen Musik­übungsabend in dem Lokal von Meisel. Beim Aufsuchen des Cotals wurden zwei Reichsbannerleute von einigen Angehörigen der NSDAP  . angerempelt, ohne daß es jedoch hierbei zu tät­lichen Auseinandersetzungen fam. Hiervon machte einer der Betei­Obwohl auch in dieser Besprechung Zentrum und Bayerische   Volks- ligten den im Lokal Edelweiß tagenden Angehörigen der NSDAP  . partei für den Fall, daß keine Verständigung über die Finanzfragen Mitteilung. Es wurde befchloffen, Berstärkung aus Berlin   heran­erfolgt, Stimmenthaltung ankündigten und die Demokraten sich zuholen, um dem Reichsbanner eins auszuwischen". dem Vorgehen des Zentrums anschließen wollen, rechnet die Re Nach Eintreffen der Verstärkung nach 21 Uhr nahmen die mit­gierung damit, daß die Young- Geseze vom Reichstag angeglieder der NSDAP  . an einer Straßenede in unmittelbarer Nähe nommen werden und die Verständigung über die Finanzfrage des Corals Aufstellung und empfingen die Reichsbanner­nachher gesucht wird. leute, die nach Hause gehen wollten, mit einigen Salven Schüssen, ohne daß es vorher erneut zu Streifigkeifen gekommen ist. Hierbei wurden drei Angehörige des Reichsbanners durch Schüsse. verletzt und der unbeteiligte Arbeiter Kubow, der gerade aus einer in dem gleichen Cotal stattgefundenen Mieter­versammlung fam, durch einen Schuß tödlich verlegt. Kubor soll der KPD. naheftehen. Die durch Beamte der Landes friminalpolizeiftelle Berlin   in enger Zusammenarbeit mit der Orts­acht an dem Ueberfall beteiligten Personen geführt, von denen fieben dem zuständigen Amtsgericht Bernau   zum Erlaß eines

Berhandlungen ohne die Volkspartei. Im Anschluß an die interfraktionellen Besprechungen mit der Reichsregierung fanden Besprechungen zwischen den Bertretern der Sozialdemokratie, des Zentrums, der Demokraten und der Bayerischen Volkspartei   statt. Sie dienten der klärung der Frage, ob zwischen diesen Parteien unter Aus­schluß der Deutschen   Boltspartei über die Finanzfragen eine Berständigung möglich ist. Wie der Soz. Prefsedienst" erfährt, find über die Vorschläge zur Sanierung der Arbeitslojen­verficherung nennenswerte Differenzen nicht vorhanden. Dagegen findet die Vorlage der Regierung über die Ausgabendedung und die gesetzliche Festlegung der Steuersenkung im Jahre 1931 nach wie vor bei der Sozialdemokratie und der Bayerischen Bolkspartei Widerstand. Auch in den einzelnen Steuerfragen find Gegensätze vorhanden, die z. B. bei der Biersteuer recht erheblich find. Diese Verhandlungen find am Montag vormittag fortgesetzt worden, aber noch nicht zum Abschluß gekommen.

Der Reichskanzler beim Reichspräsidenten  

Der Reichspräsident empfing heute den Reichs­tanzler zum Vortrag über die politische Lage. Ferner nahm Der Reichspräsident heute einen Bortrag des Reichsministers des Auswärtigen   Dr. Curtius, des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft Dr. Dietrich und des deutschen   Gesandten in Barschau, Rauscher, über den deutsch  - polnischen Handelsvertrag entgegen.

Abmarsch nach rechts!

Der Weg der Volkspartei.

Die Bolkspartei treibt zur Krise. Sie besteht auf dem Abbau der Arbeitslosenversicherung und verwirft deshalb bas Programm ihres Finanzministers Moldenhauer. Einst maßgebende Kreise der Volkspartei sagen offen, daß die Fortjeßung auf der 2. Seite.)

Eine Protestfundgebung

gegen die nationalsozialistischen Morbbuben, die das Reichsbanner gemeinsam mit der Sozialdemokratischen Partei zum Sonning mittag nach Röntgental einberufen hatte, war überfüllt. Land­tagsabgeordneter Erich Ruttner fand die Zustimmung der ge­samten Versammlung, als er dieses politisch mastierte Berbrechertum brandmarkte. Politik ist Dienst am Staate, Dienst am Bolte. Die Taten dieser Verbrecher dürfen nicht länger als politische Taten verherrlicht werden. Vom Staat müssen wir verlangen, daß er für Ruhe und Ordnung sorgt. Die Landjäger haben in Röntgental versagt. Obgleich das Reichsbanner den Landjäger bat, in der Nähe des Lokals zu bleiben, hat er sich um diese Aufforderung nicht gefümmert und ist erst dann wieder er­schienen, als aus Berlin   das Ueberfallkommando eingetroffen war. Die sozialdemokratische Landtagsfraktion hat außerdem eine An­frage an das Staatsministerium gerichtet und verlangt, daß endlich einmal den uniformierten Banditen das Handwerk völlig gelegt wird. Der nachweisbare Besiz von Waffen genügt, um diese Orga­nisation aufzulösen. Bei den Nationalsozialisten läßt sich außerdem mit Leichtigkeit nachweisen, daß derartige Ueberfälle häufiger unter­nommen wurden. Der Parteivorsitzende Goether teilte noch mit, daß die sozialdemokratischen Mitglieder der Gemeindevertretung be antragt haben, daß die Bestattung des erschossenen Kubom auf Ge­meindekosten erfolgt. In der Versammlung wurde auch für die Witwe, des Erschossenen gesammelt.

Bon den Opfern des 6. März ist der Arbeiter Erich Frisch mann aus der Schillerstr. 28 an den Folgen eines Bauchschusses im Westendkrankenhaus gestorben. Die übrigen Opfer des ver­brecherischen Treibens der Kommunisten dürften mit dem Leben davonkommen, obwohl ein Teil nach wie vor außerordentlich schwer daniederliegt.

polizeibehörde geführten Ermittlungen haben zur Festnahme von Das Rätsel der schwimmenden Inseln.

W

Rivalen.

Schacht

N

Hugenberg

Hugenberg:" Wollen Sie etwa auch Diftator werden? Hüten Sie sich! Noch halte ich den Reford an unbegreiflichtesten!"

Mit Erde und Begetation bedeckte Eisberge.

Kopenhagen  , 10. März. Wie aus Oslo   gemeldet wird, ist es dem augenblicklich im nörd lichen Eismeer befindlichen Expeditionsschiff Norvegia  " gelungen, das Geheimnis der Inseln aufzudecken, die bei verschiedenen Ge­legenheiten in der Antarktis   entdedt, trotz genauer Orts­angabe aber nie wiedergefunden werden konnten. Zu diesen ge­heimnisvollen Inseln gehört auch die Thompson- 3nsel, die ebenfalls nicht wiedergefunden werden konnte, Als im Vorjahre die Bouvet   Insel entdeckt wurde, kam die Ver­mutung auf, daß es sich hierbei um die Thompson- Insel handele. Die norwegische Expedition selbst hatte im vorigen Jahre eine Infel entdeckt, ohne sie in diesem Winter wiederfinden zu können. Da­gegen wurden mehrere Inseln in Gegenden entdeckt, wo im vorigen Jahre nur freies Meer war. Daraufhin von der Expedition vor­genommene Untersuchungen ergaben, daß die Inseln nichts anderes als ungeheure mit Erde bedeckte Eisberge find. Bei einer späteren Expedition follen genauere Nachforschungen in diefer Richtung angestellt werden.

Trauertag in Frankreich  .

Paris  , 10. März.

In ganz Frankreich   war gestern Nationaltrauertag wegen der Ueberschwemmungstatastrophe. Alle öffent= lichen Gebäude haben halbmaft geflaggt. In den Theatern und Konzerten wurden Sammlungen veranstaltet. Die Aufräumungs­arbeiten im Ueberschwemmungsgebiet schreiten fort, werden jedoch infolge der Größe und der Ausdehnung der zerstörten Gebiete noch Wochen andauern. In den Departements Tarn und Garonne fonnten bisher 132 Leichen identifiziert werden.