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Beilage

Montag, 10. März 1930

Der Abend

Salausgabe des Vorware

GETRIEBENE DES LEBENS

OSKAR WOHRLE:

MARZGEFUHL

Wir, die Galeerenknechte dieser ungeheuren Stadt,

wir, die Gefangenen der rasenden Fabriken,

mir, Berkstatttuli, Sklaven der Kontore, schicken

- des Eingesperrtseins und des grauenhaften Frondiensts fatt zu dieser Zeit oft unfre Augen fenfterwärts,

wir atmen tief und spüren:

draußen ist es März!

-

3war sehn wir nicht den Sonnendampf im schwarzen Feld, wir hören nicht den Wellenschlag der Ströme, der vom Wintereis O nein, durch unire aufgescheuchten Sinne gleiten [ befreiten. gang andre Manifestationen dieser Welt!

Der Arbeit Kammern, drin wir schuften, sind voll Lärmen und Ge­Das Eisen schreit. Dumpf dröhnen die Turbinen.

In ihren schwarzen Schläuchen tobt der eingeschloffne Dampf, toll mit sich selber in Gefeuch und Kampf, genau wie wir,

[ ſtampf.

[ empören.

und ist doch schließlich ausgeliefert unbarmherzig den Maschinen. Für uns Proleten gilt der Glanz des Frühlings nicht, uns halben immer noch die Winterkönige in Pflicht. Uns füßt fein Atemhauch aus Märzenmund. Kein Wirbelwind von draußen tann uns hier drinnen treffen und Nein, was wir durch die Absperrmauern unfrer Kerter braufen hören, das ist kein Frühlingssturm, das ist nur Stahlgeheul der Untergrund. Der tausendfache Arbeitslärm, schlägt es in Fezzen und verzerrt's. Und dennoch atmen unfre Lungen tief und alle Adern spüren: draußen ist es März!

Ja, draußen ist es März, und draußen unaufhaltsam zerfällt das Alte und Gewesne, quillt ein neues drängend Werde. Da, wo das Neue zu beengt ist, sprengt's gewaltsam

mit Reim und Knospenwucht den Schoß der Erde! Myriadenfach entflettert es den aufgebrochnen Schollen. Myriadenfach erneut bas Sein sich. Barum sollen gerade wir in Gruft und Grube bleiben,

statt faftgedrungen neuen Bluft und neuen Trieb zu treiben, ftatt willensmächtig uns ins Sommerland zu retten? Warum denn nur? Warum? Warum? Auf diese Fragen bleibt das Herz nicht stumm. Berbrecht, Gefesselte, die bösen Winterfetten! Bald tönnt ihr euch in Frühlingsblumen betten! Die Aenderung der Welt wird ungeheuer! Schon wühlt im Blut das Sonnenfeuer! Nur wenige Wochen nur, dann blüht es allerwärts! Drum, rotes Herz, sprüh auf! Spür:

draußen ist es März!

ALEXANDER VON SASCHER- MASOCH:

EIN PAAR SCHUHE

Heute sah ich im Schaufenster eines Trödlers ein Paar Meine Mädchenschuhe, alt, verstaubt und schiefgetreten. Ein Paar fehr fleine Schuhe. Hier, in einem Laden der großen Stadt, die ich so gut fenne und die ein großes und gefährliches Raubtier ist. Diese Schuhe tönnten eine Geschichte haben.

-

Zimmer ein Licht angezündet. Kleider, Wäsche, hastig abgestreift, fallen achtlos über einen Stuhl. Dann wird es dunkel. Ein Paar tleine Schuhe stehen allein in der pulsenden Dunkelheit und ruhen sich aus.

-

Treppauf, treppab, durch die Straßen, über das Herbstlaub, durch den Schnee. Diese Lebensweise ist nichts für Schuhe. Erst recht, wenn sie so zart und flein sind wie Puppen­ftiefel. Man wird nicht alt dabei. Treppauf, treppab. Der Morgen tommt brüllend in der großen Stadt, brüllend, polternd und trachend. Wie Kanonendonner einer Schlacht. Ein kurzer, todestiefer Schlaf wird erbarmungslos abgebrochen und diese fleinen, heldenhaften Schuhe sind bereits unterwegs. Und die Stadt brüllt, stinkt und faucht. Die Betriebe arbeiten.

,, Schreiben Sie, Fräulein!" befiehlt die Stimme aus dem Klub fessel. Und in ein gequältes, müdes Menschengehirn springt, alle Geräusche der Stadt übertäubend und frönend, das Hämmern der Schreibmaschine, die Melodie der Knechte.

-

Ein Paar Meine, schiefgetretene, tapfere Schnthe im Schau­fenster. Ihr seid so verbraucht, daß euch niemand taufen wird. Nun dürft ihr lange, lange ausruhen.

DAVID JOHANNSEN:

bis an die Knie im Waffer matend. David, dessen Stiefel nicht wasserdicht waren, mußte mit nassen Füßen weitergehen. Nach vier Stunden famen wir glücklich in K. an. K. ist eine Eisenbahn­fnotenstation mit vielen Fabrikanlagen und es verkehrte damals, eine große Seltenheit, ein Arbeiterzug. Wir übernachteten bei Be­tannten, trockneten die nassen Sachen und fuhren am Morgen mit diesem Arbeiterzug nach der Station G., wo wir auch noch vor­mittags anfamen.

Es war für uns und für die Eltern ein trauriges Wiedersehen. Lag doch unser lieber Bruder Heinrich tot und talt auf dem Korridor. Seine Ermordung geschah folgendermaßen: der 21. Fe bruar 1921 begann mit einem nebligen Sonntagmorgen. Die große Dampfmühle in der Nachbarschaft war geschlossen. Heinrich hatte nach dem Frühstück wie die anderen Familienmitglieder auch seinen Sonntagsstaat angelegt. Um neun Uhr sollte der Gottesdienst bea ginnen. Er stand an der Straße und bemerkte etwa 100 Reiter, die auf die Mühle zukamen. Er rief den Jungen auf dem Hofe zu, um die Angehörigen zu warnen, und blieb ruhig stehen.

Die Reiter hatten nun das Tor erreicht und fragten ihn aus, nach seinem Namen, nach seinem Beruf usw. Sie ritten in den Hof und verteilten sich. Viele Banditen, denn solche waren es, ver­langten von den Leuten Geld und Wertsachen. Drei Söhne des Mühlenbesizers stellten sie an die Wand, um sie zu erschießen. Da, im letzten Augenblic, fam einer von den Banditen und sprach etwas mit seinen Blutgenossen; sie ließen die Gewehre sinken und fort

EINE ERINNERUNG en fle.

Es war am 21. Februar 1921, als die in den russischen Süd­steppen entfesselten Banditen aus den Reihen unserer Familie das erste blutige Opfer holten. Ein starker Wind heulte in den hohen Pappelbäumen vor unserer Tür, tobte und klapperte mit den Fensterläden und pfiff, von Zeit zu Zeit sich steigernd, durch das alte Schindeldach unseres Hauses. Doch er fegte dieses Mal nicht den Schnee spielend über die Steppen, er tam von Südwest und hatte die Schneemassen in Pfützen und Bächlein verwandelt, die zu sammengeflossen und stellenweise weit die Ufern des Kleinen Flusses 3. überschwemmten.

Schön war es, dieses Wasserrauschen zu hören. Die Verkündung des Frühlings hob die Stimmung im Dorfe, die Herzen der Bauern wurden bewegt, ohne daß sie es wußten. Neue Hoffnung zur Aus­faat und Liebe für die schwere Arbeit füllten die Brust. Und der Wind, der mittlerweile zum Sturm geworden war, tobte under­drossen weiter. Tobte er allein? Nein, es tobte noch ein anderer Sturm und hinterließ, besonders in den deutschen Kolonien, viel Tränen, Schmerzen und blutige Spuren. Von den umherstreifenden Banden wurden die Häuser ungehindert geplündert, die Pferde geraubt oder zu tagelangen Transporten genommen. Der Bauer konnte sich des schwer und mit Schweiß erworbenen Eigentums nicht mehr freuen. Der Neid herrschte und verfolgte und vernichtete auch damals in den unendlichen Steppen den Fleiß.

Aus beinahe allen deutschen   Dörfern kamen die schrecklichsten Nachrichten. Unter dem Vorwande, Gewehre zu suchen, wurden die Häuser durchstöbert, es wurde alles Wertvolle mitgenommen, große Geldsummen erpreßt und viele Bauern, die schon alles gegeben hatten, gequält oder auch ermordet. Immer und immer wieder wurden Pferde verlangt, um die Banden zu transportieren. Und an den Frauen und Mädchen wurden Greueltaten verübt, die jeder Beschreibung spotten. Die Natur war wild und heulend, und so war es auch unter den Menschen in jenen Frühlingstagen.

Wir wohnten damals in L. im A.- Kreise. Es war vormittags. Ich stand auf dem Hofe und blickte besorgt auf die vielen Waffer­pfützen. Nur zu gut wußte ich, wie verhängnisvoll es sein müßte, ießt Fuhrwerte zu geben. Ich hatte, trotzdem ich schon mehrmals geplündert worden war, ein Paar gut erhaltene Stiefel gerettet. Ich durfte sie nicht anziehen, der erste Bandit hätte sie mir von den Füßen gezogen. Und in Strümpfen und Holzpantoffeln die

,, So, Fräulein", sagte die Stimme aus dem Klubfeffel, Sie Soldaten tagelang fahren, wäre nicht angenehm gewesen. Während fönnen jetzt gehen..

Die Schreibmaschine hämmerte nicht mehr.

Ein Paar kleine Schuhe rieben sich unter dem Schreibmaschi Mentisch vergnügt aneinander. Schwarze Wildlederschuhe. Oben schnappte der Maschinendeckel zu. Schwarze Stoffärmel wurden abgestreift und sorgfältig gefaltet. ,, Guten Abend", sagte jemand. Dann ging leise die Tür, ein Paar fleine Schuhe flapperten 45 Treppen hinunter, hinein in das strahlende Goldgrau des Herbst­

abends.

Ein Paar fleine Schuhe liefen durch eine Allee des Tiergartens: leber hingestreute Kastanienblätter, die aussahen wie goldbraune Hände und bald darauf von der schnellen Dämmerung verschluckt wurden. Immer schneller, leichter liefen sie und es war ihnen deut­lich anzumerken, daß sie das Fahrgeld sparen wollten. Die zarten Fesseln über den Haltriemen bogen sich elastisch, vorwärtsschnellend durch den Abend, getrieben von Freude.

Es brannte fein Licht in einem Hausflur in Alt- Moabit und fie sto perten die Treppen hinauf, 65 Treppen. Sie stolperten immer wieder, aber sie merkten es nicht, die närrischen Kleinen, und die dunkle, knarrende Holztreppe erschien ihnen wie eine goldene Leiter, wie eine richtige Himmelsleiter. Ganz oben, unter dem Dache, er­flang die Stimme des jungen Mannes, als sie behend über die Schywelle sprangen. Natürlich fagte die Stimme dies: Ich habe dich schon so sehnsüchtig erwartet. Endlich bist du da."

Das war nicht sehr geistreich. Aber diese beiden Menschen waren nicht geistreich, sondern jung. Dieser junge Mann besaß auch eine alte Schreibmaschine. Er ging in der Stube auf und ab und diftierte Geschichten. Und die Maschine tapperte die halbe Nacht hindurch. Zwei gehorsame fleine Schuhe preßten sich fest aneinander unter dem wadeligen Holztisch, so fest, daß es fdmmerzte, um die Müdigkeit zu bekämpfen.

Nachts, gegen 1 Uhr, liefen die Schuhe durch das Branden­ burger Tor  . Nicht mehr so leicht, wie vor einigen Stunden, aber immer noch fleißig und ergeben. O, sie waren müde geworden. Biele elettrische Bogenlampen funkelten Unter den Linden  . In den Schaufenstern der Friedrichstraße waren Kleider, Hüte und weiche Bezmäntel ausgestellt: Die neue Wintermede. Mädchen mit be­malten Gesichtern standen wie geröhnlich an den Eden, seltsame Männergestalten streiften vorbei. Cilig liefen die Schuhe.

-- Oben im Norden wird in einem ganz Meinen

ich so dastand und nachdachte, tam ein Fuhrwert auf den Hof, über­rascht erkannte ich Konstantin, meiner Gattin Bruder, und Jafob, einen Jüngling aus G., dem Wohnorte unserer Eltern. Ich merkte gleich, daß ein Unglück passiert sein müsse. Als wir uns begrüßt hatten, sagte Konstantin:

"

Wo ist Anna?"

,, Sie ist im 3immer", sagte ich.

Wir müssen sie etwas vorbereiten, denn es ist ein Unglüd passiert."

Nachdem wir das Pferd in den Stall geführt hatten, gingen wir in die Stube, wo meine Frau mit unserem einjährigen Töchterchen war. So schonend wie möglich berichtete Konstantir, daß unser Bruder Heinrich nicht mehr am Leben sei. Am 24. Februar folle die Beerdigung fein. David, der Bruder meiner Frau, wohnte in N., einem Dorfe, das etwa drei Kilometer von unserem Gute ent­fernt ist, und war schon benachrichtigt. Wir hatten einen Weg von 60 Kilometern vor uns. Das war eine beschwerliche Reise und die Gefahr bestand, daß wir von den Banditen überfallen wurden. Bevor ich das Pferd anschirrte sah ich am gegenüberliegenden Hang eine große Bande vorüberziehen. Sie zogen nach jener Rich tung, nach der auch wir wollten. Etwa 200 Mann waren beritten, die Munition und viele geraubte Sachen waren auf Wagen ver­pact, die von den Bauern gelenkt werden mußten.

David war nun auf unserem Gute eingetroffen und wir be­schlossen, mit einem kleinen Schlitten unsere Reise anzutreten. Meine Frau, das Töchterchen und Konstantin, welcher in Filzstiefeln war, fanden im Schlitten mit Mühe und Not gerade Plaz, wir anderen mußten gehen. Unser Pferdchen war abgemattet, der Schlitten war nur ein fleiner Raften, wie ihn die Bauern zum Stallausmisten brauchen, also es war fein großer Anreiz für die Banditen. Ein anständiges Fuhrwert aber hätten sie sofort beschlagnahmt. Bir fuhren ab und famen bald an das Flüßchen J., über das ein 50 Meter langer Damm führte, durch den zum Ablassen des Waffers drei dice Röhren gelegt waren. Da aber Hochwasser war, faßten die Röhren nicht die Flut und sie schwemmte gurgelind und schäumend über den Damm.

Guter Rat war nun teuer. In der Mitte war der Damm aus­gefahren und das Wasser zu tief, auf den Seiten war der Damm mohl höher, aber die Gefahr des Umfippens war dafür größer. Ich ergriff den Schlitten und steuerte ihn durch die seichten Stellen,

Bruder Heinrich war achtzehn Jahre alt und hatte einen schönen Sonntagsanzug an. Das war sein Verderb. Denn als die Banditen wegritten, mußte der Jüngling vor ihnen herlaufen und sich beim Laufen die Kleider ausziehen. Als er ungefähr 200 Meter von dent Hause entfernt war und sich gerade das Hemd über den Kopf 30g, schoß ihm einer der Banditen von hinten eine Sprengtugel in den Kopf.

ELSE MOBUS:

( Mitgeteilt von M. B.)

ZWEI MINISTER

Die Welt ist zu allen Zeiten moralisch gewesen, wenn es sich um die Beurteilung des Verhaltens der anderen handelte. In diesen Tagen ist der preußische Minister des Innern zurückgetreten, meil er den Mut hatte, sich zu einer Frau zu bekennen, mit der er aus bestimmten Gründen den Weg zum Standesamt nicht gehen tonnte.

Bor mehr als 140 Jahren wäre einem anderen Minister wahr= scheinlich das gleiche passiert, wenn er inmitten der Moralisten unserer Zeit gelebt hätte. Vor eineinhalb Jahrhunderten wirfte in Weimar   der Finanzminister des Großherzogs Karl August von Sachsen- Weimar  , Herr von Goethe, der seinen Zeitgenossen reichlich Anlaß zu Klatschgeschichten aller Art bot. Monatelang sprach man am meimarischen Hofe von nichts anderem, als von dem ,, Sfan­dal", den der Minister durch sein Zusammenleben mit Christiane Bulpius hervorgerufen hatte. Ein großherzoglicher Minister, der seine Geliebte in den untersten Ständen wählt und sie in aller Deffentlichkeit bei sich wohnen läßt, von ihr ein Kind hat, dem noch weitere folgen das war immerhin ungewöhnlich und zweifellos ein dankbarer, nie versiegender Gesprächsstoff. Und so wurde jeder Borgang im Ministerhaus eifrig ausspioniert, jedes Wort weiter­getragen. Das fleine, 6000 Seelen zählende Nest hatte seine Sen­fation, und es gab feinen besseren Anlaß, als sich auf diese Weise die Langeweile der gleichmäßigen Tage zu verkürzen.

-

Der Mittelpunkt aller Gespräche aber, der Minister selbst? Seit über 100 Jahren forschen und streiten die Literaturhistorifer, Philo.. sophen und Psychologen miteinander, um zu erfahren, wie es in seinem Inneren aussah. Sie haben festgestellt, daß er zuweilen mit seinen Freunden über die Geliebte sprach, sie gelegentlich sein ,, ge­wisses fleines Erotifon" nannte, manchmal aber auch in Worten herzlicher Liebe über sie urtetite. Auch sein Brief ist veröffentlicht worden, den der Minister nach Monaten des Zusammenlebens mit Christiane an eine andere Frau richtete, die er seiner Zuneigung versicherte, sie um Gegenliebe bat und fragte: Wer macht Anspruch auf die Empfindungen, die ich dem armen Geschöpf gönne? Wer wird dadurch gefürzt?" Wir wissen aber auch, daß Goethe fich um alles andere mehr fümmerte als um den Klatsch um ihn her. Er nahm das volle Recht für sich in Anspruch, nach eigenem Gewissen und Gutdünken handeln zu dürfen. Er wußte, daß seine illegale Ehe weit über den Verbindungen fürstlicher und adeliger Herren stand, die feine Gewissensbisse darüber empfanden, die Töchter ihrer Untertanen zu verführen und sie dann ihrem Schicksal zu überlassen. Er forgte für Mutter und Kinder, bot ihnen seinen Schutz und sein Haus und handelte frei und offen vor aller Welt, weil er nichts z1 verbergen hatte. In wenigen Monaten würde man sich selbst in den Reihen der. ärgsten Moralphilister Weimars mit seiner Handlungs­weise abgefunden haben, davon war er überzeugt. Und er behielt das war selbst­recht. Nicht nur, daß er Minister blieb verständlich und wurde niemals in Frage gestellt man fam ihm auch überall mit dem gleichen Respett entgegen und würdigte seine Arbeit wie bisher. Auch die Wogen höchster Erregung, unein­gedämmten Klatsches glätteten sich schließlich und verebbten.

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Die

Fast eineinhalb Jahrhunderte sind seitdem vergangen. französischen   Revolutionen von 1789 und 1830 find vorübergebraust, die Revolution von 1848, der Weltkrieg, der Zusammenbruch und der Umsturz von 1918 haben unser Weltbild umgeformt. Wir sind freie Menschen geworden. Man denkt nicht mehr daran, das Standes. amt als Gradmesser für die sittliche Höhe der Beziehungen zwischen Menschen zu betrachten. Oder ist das eine Täuschung, eine der schönen Illusionen unserer Zeit, denen wir uns hingeben, aus dem Wunsche heraus, daß es so sein möchte? Sit die Zeit nur äuberlih um 140 Jahre fortgeschritten, und sind die Vorurteile, ist alles Ricin­liche und Beschränkte so unlösbar eng mit der menschlichen Natur verknüpft, daß es ganz anderer Zeiträume, ganz anderes, inner­licher Revolutionen bedarf, um es abzuftreifen?

Ein preußischer Minister ist zurückgetreten. Nicht aus fachlichen Differenzen, aus politischen Gründen. Ein preußischer Minister ist zurüdcetreten, weil

Wohl Goethe, daß er vor 140 Jahren Minister in Deutschland  war und nicht heute!