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Morgenausgabe

Nr. 117

A 59

47.Jahrgang

Böchentlich 85 Bt. monatlich 8,60 2. im voraus zahlbar, Bostbezug 4,32 einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- und 72 Pfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6.-M. pro Monat. *

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Blid in bie

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Dienstag

11. März 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etapeitige Nonpareillegelle 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart Kleine Anzeigen das fettge brudte Bort 25 Pfennig zulässig zmet fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Bfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Bfennig, jebes meitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupte geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 81%, bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Fernsprecher: Dönboft 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Heute Young- Abstimmung.

Bostichedkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bant der Arbeiter, Angestellten und Beamten. Wallstr 65. Dt. Bu Disc.- Gef.. Depofitentafle Lindenstr. 3.

Volfsbildungsminister Frid.

Die ersten Taten des Putschisten im Ministeramt. Von August Siemsen- Weimar.

Nationalsozialist als Bolfsbildungs­

Bier Parteien- Einigung über das Finanzprogramm in Gicht! minister in Thüringen das ist eine Tatsache, die mit Recht

das Intereffe der breiteren deutschen Deffentlichkeit in An­

im Zusammenhang furz fritisch zu beleuchten.

Der Reichstag wird heute nachmittag 4 Uhr die Abstim.| bung wird in den Fraktionssihungen fallen, die für heute spruch nimmt. Es ist angebracht, den Beginn der Aera Frick mungen über die mit dem Young- Plan zusammenhängen vormittag und mittag angesetzt sind. den Gesetze in zweiter Lesung vornehmen. Eine end. gültige Entscheidung über die Haltung des Zentrums bei der Abstimmung ist noch nicht gefallen.

Die eigentliche Entscheidung über den Young- Plan wird in der dritten Lesung fallen, die am Mittwoch borgenommen werden soll.

Die Besprechungen wurden auf folgender Grundlage geführt: Die Erhöhung der Biersteuer soll von den Ländern durch geführt werden. Der Gesamtbetrag der Erhöhung würde dann den Ländern zufallen.

Zum Ausgleich für den Ausfall von 150 Millionen Mart, der dadurch im Reichsetat entstehen würde, sollen die Erträge der Mineralwassersteuer und des Benzin- und Benzol­zolls in voller Höhe dem Reich zufallen, ferner soll neben dem Mineralölzoll eine innere Benzin- und Benzolsteuer geschaffen werden.

Die Verhandlungen zwischen der Sozialdemokratie, dem Zentrum, der Baherischen Volkspartei und den Demokraten wurden am Montag abend 8 Uhr wieder aufgenommen. Gegen Mitternacht waren die Be sprechungen abgeschlossen. Es bliebe dann immer noch ein ungedeckter Bedarf. Es wurde Ueber ihr Ergebnis kann gesagt werden, daß man sich ermogen, den ersten Umfaß von 3mportwaren zu be­auf dem steuern und die allgemeine umfaßsteuer von 0,75 Proz. auf 80 Broz. zu erhöhen.

Wege zur Einigung

befindet. Dementsprechend dürfte es auch gelingen, die

der Erledigung der Young- Geseke entgegenstehenden Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. Die Entschei

Die Hochwasserfatastrophe in Frankreich Beileidstelegramm der deutschen an die französische Sozial­demokratie.

*

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion nahm am Montag Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion nahm am Montag abend einen Bericht über den Stand der Interfraktionellen Berhand­lungen entgegen. Beschlüsse wurden nicht gefaßt.

Herr Frid hat sich eingeführt mit dem Befenntnis 3u dem alten wahren klassischen Geist von Weimar , den es wieder im thüringischen und deutschen Bolle zu verbreiten gelte anstatt des landesverräterischen nach anderer Lesart hieß es ,, verbrecherischen"- Geistes vom November 1918 und von 1919. Wenn Herr Frick hier den klassischen Geist von Weimar , den Geist Herders , Goethes und Schillers in Gegensatz setzt zu dem freiheitlichen und friedlichen Geist der Weimarer Verfassung und der deutschen Republit, wenn er ihn gleichzusehen wagt dem national­sozialistischen, Geist" bornierten nationalen Hasses und strupelloser Heze, so richtet sich diese Schändung unserer großen weltoffenen und zukunftweisenden Dichter von selbst. Sehen wir nun, wodurch Herr Frid im Sinne des ,, echten" Geistes von Weimar zu wirken sucht!

Er ist gewillt, die Bolksbildung zu heben durch Her lassen und durch Abbau von Lehrern. Bor aufjegung der Klassenfrequenzen der Schul­allem soll die Berufsschule, die spezielle Schule der Arbeiter­tlasse, in geradezu tatastrophaler Welse abgebaut werden durch Verminderung der Lehrkräfte etwa um die Hälfte. Auch bei der Volksschule sollen erhebliche Ersparnisse gemacht Schulen in bescheidenen Grenzen halten. Die angeblich soziale Gesinnung des Nationalsozialisten Frick zeigt sich hier in der Weise, daß er sich die Klassenpolitik der bürgerlichen Rechts­parteien auf dem Gebiet der Schule ohne weiteres zu eigen macht. Das tut sich auch fund in der Heraufsehung der Ein­tommensgrenze, bis zu der Lernmittelfreiheit gewährt wird.

geftreform der Arbeitslosenversicherung bis auf weiteres merden, während sich die Sparabsichten bei den höheren

verzichten muß.

Religionsverfolgungen dauern an.

Der Parteivorstand und der Borstand der sozial- Aber Henderson glaubt nicht, daß England daran etwas

demokratischen Reichstagsfrattion haben an die Sozialistische Partei Frankreichs anläßlich der Hoch­wafferkatastrophe in Südfrankreich folgendes Telegramm gerichtet:

Die Hochwasserkatastrophe in Südfrankreich hat bei der deut­ schen Arbeiterklaffe tiefstes Mitgefühl ausgelöff. Wie versichern Euch unserer innigften Teilnahme an dem schweren Schidial, das über so viele Eurer Bolksgenoffen hereingebrochen ift." Bisher 211 Tote identifiziert.- Geuchengefahr.

Paris , 10. März.( Eigenbericht.) Präsident Doumergue und Ministerpräsident Tardieu find am Montag von ihrer Reise ins überschwemmte Gebiet zurüc gefehrt

In einer sofort nach der Rückkehr im Innenministerium ab­gehaltenen Konferenz wurde ein Rundschreiben an die Behörden in dem Ueberschwemmungsgebiet beschlossen, in dem sanitäre Berhaltungsmaßregeln zur Vorbeugung Don Seuchen gegeben werden. Amtlich wird darüber hinaus mitgeteilt, daß

bisher 211 Celchen identifiziert werden konnten. Da aber die Aufräumungsarbeiten erst in den Anfängen steden und mur außerordentlich langfam vorwärtsschreiten, ift es zur Zeit noch nicht möglich, die Gesamtzahl der Toten auch nur schäzungsweise anzugeben.

( Siehe auch den lokalen Teil des Blattes.)

Kronjuristen gegen Sozialgesetzgebung Reform der Arbeitslosenversicherung unmöglich.

London , 10. März.( Eigenbericht.) Der Fortschritt der sozialpolitischen Gefeß gebung in England ist neuerdings durch eine Entscheidung der juristischen Ratgeber der Regierung ernstlich behindert.

Die Arbeiterregierung hat im vergangenen Jahre nach schweren Kämpfen ein Ergänzungsgesetz zur gegenwärtigen Regelung

der

ändern fann.

London , 10. März.( Eigenbericht.) Der englische Außenminister Henderson erklärte am Mon­tag im Unterhaus, ein Studium der russischen Religionsgefege habe in ihm teinen 3 weifel darüber gelassen, daß der anti Jahren tennzeichne, weiter anbauere. Er glaube jeboch nicht, religiöse Drud von oben, der die Sowjetbotschaft seit vielen daß irgendwelche Maßnahmen der britischen Regierung die Sowjet: regierung von diesem Druck abhalten würden.

Kollettive Bauernflucht. Rotgardisten sperren die Grenze.

Warschau , 10. März.( Eigenbericht.)

Die hiesige Breffe meldet aus Romno, daß es im Grenzabschnitt Ostrog in letzter Zeit wiederholt kämpfe zwischen Sowjet foldaten und russischen Bauern gegeben hat, die im Begriff standen, die Grenze nach Bolen in Scharen zu überschreiten. Die russischen Soldaten sollen die Bauernmaffen mit Karabiner und Maschinengewehrfalven empfangen und zahlreiche Personen ge tötet oder verletzt haben.

Die Schweiz wehrt sich

gegen Faschistenspitzel.

Bafel, 10. März.

Der Bundesrat hat sich mit der neuesten Spionageaffäre im Kanton Leffin ausführlich beschäftigt. Er beschloß die Ausweisung Baß nach der Schweiz gekommen war. Von Chiasso aus hatte er fich als angeblicher Antifaschist an den Herausgeber des Becco Giallo"( Gelben Schnabel"), eines antifaschistischen Witblattes in Paris , gewandt, um große Lieferungen des Blattes auf ganz besonders dünnem Papier in Italien zu vertreiben. Die Zeitungen

des Stalieners Emilio Bottiglia aus Mailand , der mit falschem

schaffte er dann nach Italien und ließ sie dort beschlagnahmen.'

Man geht taum fehl, wenn man annimmt, daß alle diese Fragen den Juristen Frick überhaupt wenig interessieren, daß er sich hier einfach seinem Hauptberater, dem politischen Berwandlungskünstler, Ministerialrat Schnobel, anschließt, wickelt hat. Frids Hauptabsicht ist vielmehr, die thüringische der sich vom Sozialistenfreund zum Deutschnationalen ent­Schule nach Möglichkeit zu einer Propagandaftätte der Nationalsozialisten zu machen, zum mindesten eine republikanisch- pazifistische Erziehung zu verhindern oder doch zu erschweren.

"

Bon hier aus erklärt sich der Fall Siefert. Am Gymnasium in Weimar bestand auf Grund der Schulordnung für die höheren Schulen Thüringens ein Verbot der rechts­radikalen Bereinigung Adler und Fallen". Herr Frick ordnete die Aufhebung dieses Verbots unter für den Direktor der Schule, den Volksparteiler Dr. Siefert kränken­den Formen an. Herr Siefert, von dem durch frühere Vor­fälle bekannt ist, daß er weit rechts steht, fühlte sich verlegt und meigerte sich, das Berbot aufzuheben, bevor nicht die dem Verbot zugrunde liegende Bestimmung der Schulordnung beseitigt sei. Mit der diftatorischen Geste des starken Mannes, der von vornherein einschüchtern will, enthob ihn darauf Frick seines Amtes. Das fonnte selbst die Bolkspartei nicht ruhig hinnehmen, wenn sie nicht für ihr Ansehen fürchten wollte. Die so entstandene tritische Situation in der Regierung wurde durch eine salomonische Entscheidung beigelegt:

Herr Siefert bleibt im Amt, aber das Berbot der ,, Adler und Fallen" wird aufgehoben. Wenn hier Herr Frid auch

einen Rückzug antreten mußte, so hat er doch die Bahn frei­

gemacht für die Betätigung nationalsozialistischer Schülerver­einigungen.

Er will wetter die republikanischen und pazifistischen Lehrer einschüchtern, den nationalistischen und militaristischen dagegen das Rückgrat steifen. Dem diente die Rundfrage an alle Schulen, ob das Buch von Remarque 3m Westen nichts Neues" in der Schulbibliothek stehe, auf messen und von wem es in Klasse

bracht, tos ais Rotmaßnahme bis zur Einbringung einer Reform 100 Bergleute eingefchloffen. Raffe benut worden sei. Dieſe Umfrage soll zeigen, was ber

das gls der Arbeitslosenversicherung an Haupt und Gliedern gelten sollte. Unter dem Drud des Oberhauses wurde die Geltungsdauer des Ge­lezes schließlich auf drei Jahre beschränkt. Nach dem Gutachten der Regierungs- Juristen hat diese Zeitklausel jedoch nicht nur eine Beschränkung der Lauffrist des Gesetzes zur Folge, sondern macht nach englischem verfassungsmäßigem Brauch jede Aenderung an dem Gesetz auf die Dauer der nächsten drei Jahre unmöglich. Die unmittelbare Folge ist, daß der Arbeitsminister Margaret Bondfield auf die geplante und in Borbereitung befindliche

3m brennenden Bergwert.

Steubenville( Ohlo), 10. März.

der Nähe von Amsterdam brach heute nachmittag ein Feuer aus. In dem Kohlenbergwert der Warner Colleries- Gesellschaft in Wie gemeldet wird, find 100 Bergarbeiter in dem brennenden Bergwert eingefloijen, doch besteht einstweilen für diese teine unmittelbare Gefahr.

Minister, der sich gleichzeitig in der Pose des starken Mannes gefällt, der nicht mit sich spaßen läßt, unter dem Geist von Weimar versteht, den er in der Schule zur Herrschaft bringen begeisterung statt Friedenswille. will: Nationalismus statt Bölterverständigung, Kriegs­

Ergänzt werden diese Maßnahmen durch das Auf­treten des Herrn Frid in öffentlichen Ber fammlungen. Hier erflärt er, daß es mit dem Marris