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Morgenausgabe

Nr. 119

A 60

47.Jahrgang

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no

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Mittwoch

12. März 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Starke Mehrheit für den Young- Plan.

Schwache Mehrheit für den Polenvertrag.

Der Reichstag nahm gestern in 2. Lesung| Haltung geschlossen für das Abkommen die Young- Geseke an.

Die entscheidende Abstimmung über Art. I ergab 263 Ja, 174 Nein, 25 Enthaltungen.

Auch das deutsch - polnische Liquidations. abkommen wurde, wenn auch mit viel schwäche rer Mehrheit angenommen. Man zählte 224 Ja, 206 Nein, 29 Enthaltungen.

stimmte, war die sozialdemokratische.

Wird mit der heutigen dritten Lesung der Kampf um den Young- Plan abgeschlossen sein, oder gibt es noch ein Nach­fpiel? Im Reichstag war gestern viel von den Artikeln 72 und 73 der Verfassung die Rede, deren einschlägige Beftim mungen lauten:

Artikel 72. Die Verfündung eines Reichsgefehes ist um zwei Monate auszulegen, wenn es ein Drittel des Reichs tags verlangt. Gesetze, die der Reichstag und der Reichsrat für dringlich erklären, tann der Reichspräsident ungeachtet dieses Ver. langens verfünden.

Artifel 73. Ein vom Reichstag befchloffenes Gesetz ist vor seiner Verkündung zum Rolfsentscheid zu bringen, wenn der Reichs. präsident binnen eines Monats es bestimmt.

Die dritte Lesung beginnt heute 12 Uhr mittags mit einer Rede des Reichskanzlers. Die Regierung Hermann Müller , die vielgeschmähte, felten gelobte, hat einen Erfolg zu verzeichnen. Der Reichstag hat die Abstimmung über den Young- Plan zu dem Zeitpunkt, den der Reichskanzler beftimnete, vorgenommen, und er hat mit großer Mehrheit im Sinne der Regierung entschieden. Auch das hart umfämpfte Polenabkommen ge­langte, wenn auch mit Inapper Mehrheit, zur Annahme. Wenn die dritte Lesung das Ergebnis der zweiten bestätigt, fo wird damit ein michtiges Kapitel der deutschen Außenis wird dieser Streich wahrscheinlich durch die Mehrheit des politik zu einem befriedigenden Abschluß gelangi fein.

Dem Young- Plan drohte doppelte Gefahr. Die eine kam von der Taktik des Zentrums, das diese große außenpolitische Frage mit einem innerpolitischen Problem, der Finanz frage, in Verbindung brachte. Die andere ergab sich aus der starten Abneigung eines Teils der Volkspartet und des Bentrums gegen das Bolenabkommen, das einen unirenn baren Bestandteil des Gesamtplans bildet.

Die Bebenten des Zentrums wegen der Finanzpolitik find durch die Verhandlungen, die es mit der Sozialdemo­tratie, den Demokraten und der Bayerischen Bolkspartei führte, beschwichtigt worden. Durch diese Verhandlungen haben sich die Aussichten für das rechtzeitige Zustandekommen einer Finanzreform, die Ausgaben und Einnahmen ins Gleichgewicht bringt, entschieden verbessert, doch wäre dieses Resultat auch ohne Berwendung des Young- Plans als Druc mittel zu erreichen gewesen. Die Bayerische Bolkspartei, päpstlicher als der Papst, hat die Sicherung der Finanz­reform noch immer nicht ausreichend gefunden und sich der Stimme enthalten. Es fonnte sich diesen Lurus erlauben, da durch die veränderte Haltung des Zentrums die Annahme gesichert war. Eine ernstliche Gefährdung des Young Plans hätte niemand verantworten fönnen.

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Gestern vormittag war, wie bereits gemeldet, der Frat tionsvorsitzende des Zentrums, Dr. Brüning, beim Reichs präsidenten.

die RechtspreffUnterredung war vertraulich, doch scheint

über sie gut unterrichtet zu sein. In Berlin fonnte sich gestern abend jedermann für einen Groschen Hugenbergs Nachtausgabe" faufen, die mit der schreienden Ueberschrift geschmückt war:

Hindenburg entschied Reichstagsschlacht. Die Mehrheit für die Young- Gefeße ist nunmehr gesichert. Unter dieser Ueberschrift, die bei der bekannten Einstellung der Hugenberg- Bresse faum als eine Huldigung aufzufaffen ist, wird berichtet, daß der Reichspräsident dem Zentrums­führer erklärt habe, er werde das internationale Bertrags­werf nur dann unterzeichnen, wenn es vom Reichstag mit einer entsprechend großen Mehrheit angenommen werde. Zum zweiten soll der Reichspräsident versichert haben, er werde alle verfassungsmäßigen Mittel anwenden, das Finanzpro gramm der Regierung, vorbehaltlich etwaiger Aenderungen, durchzusehen.

Als Dr. Brüning gestern im Reichstag von heute ab gegebenen bedeutsamen Erklärungen" sprach, bezog man dies allgemein auf seine Unterredung mit dem Reichspräsidenten .

Einen schwachen Bunft in den Abstimmungen von gestern bildet das Bolenabtommen. Hier jant das leber­gewicht der Ja- Stimmen über die Nein- Stimmen von 89 auf 18. Der Sieg war also äußerst knapp, und das um so mehr, als noch 29 Enthaltungen zu verzeichnen waren. Beseniliche Teile des Zentrums und der Volkspartet gingen hier zur Opposition über. Die einzige Frattion, die, ent sprechend ihrer gesamten außenpolitischen

Ein Gefeß, deffen Berfündung auf Antrag von mindestens einem Drittel des Reichstags ausgelegt ist, ist dem Volksentscheid 34 unterbreiten, wenn ein Zwanzigstel der Stimmberechtigten es

beantragt.

Sollte die Opposition heute die Aussetzung beantragen, Reichstags und des Reichsrats sowie durch den Reichspräft denten pariert werden. Die verfassungsmäßigen Möglichkeiten, den Kampf um den Young- Plan morgen im Reichstag abzu­schließen und neue permüfiende Kämpfe im Bolte zu ver meiden, sind voll gegeben.

Man tann also die Prophezeiung riskieren, daß der Rampf um den Doung- Plan mit dem heutigen Tage glücklich beendet sein wird. Dann soll am Donnerstag die zweite Lesung des Gesetzes zum Schuße der Republik beginnen, und

an

And allo

Stelle

der Rest des Monats wird dem Finanzprogramm gehören, das nach dem Wunsche der Regierung bis zum 24. März er­ledigt sein soll.

Für das Finanzprogramm gibt es drei Möglichkeiten: 1. Mißlingen und finanziellen Zusammenbruch; 2. Erledi gung auf Grund der besonderen Bollmachten des Reichspräsi benten( Artikel 48); oder 3. Zustandekommen eines von einer mehrheit des Reichstags vereinbarten Gesetzeswertes. Der legte Weg ist der einzig erträgliche, es muß alles getan werden, um ihn gangbar zu machen.

Die Unterredung Hindenburg- Brüning.

Heber die Unterredung, die der Borsigende der Reichstags­frattion des Zentrums, der Abg. Brüning, am Dienstag vor­mittag mit dem Reichspräsidenten von Hindenburg hatte, wird aus Zentrumstreifen mitgeteilt, daß in dieser Unterredung der Reichspräsident erkennen ließ. daß eine Annahme des Young Plans mit einer nur geringen Mehrheit ihn vor die Frage stellen würde, ob der Young- Plan erneut zum oltsentscheid gestellt werden foll.

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Der Borsigende der Zentrumsfrattion betonte, daß die Zentrums frattion aus paterländischem Berantwortungsbewußtsein unbedingt Sicherheit dafür haben müsse, daß rechtzeitig die Geseze zur Sicherung der Reichsfinanzen in Kraft treten.

Der

Reichspräsident erklärte darauf, daß er von der feiben Notwendigkeit überzeugt Jei und daß er von allen verfaffungs= rechtzeitige Regelung der Finansfragen zu verwirklichen. Der Bora mäßigen Mitteln Gebrauch machen werde, um die figende der Zentrumsfrattion gab in einer darauf folgenden Sitzung der Fraktion von dem Inhalt dieser Unterredung mit dem Reichs präsidenten Kenntnis.

Luther einstimmig gewählt.

Am 3. April Amtsantritt des neuen Reichsbankpräsidenten.

Der Generalrat der Reichsbank wählte einstimmig| seine Eniwidlung deutlich nach rechts vollzogen hatte, über der ausscheidenden Reichsbankpräsidenten Dr. Sjalmar Schacht den Reichskanzler a. D. Dr. Hans Luther zum Präsidenten des Reichsbankdirektoriums mit Wirkung vom 3. April d. J., an welchem Tage die Uebergabe der Amtsgeschäfte stattfindet. Die Bestätigung des Reichspräsidenten für die Wahl des neuen Reichs bankpräsidenten ist nachgesucht worden.

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Flaggenverordnung, follte dann zum Nachfolger des damals schwer franten Generaldirektors der Reichsbahn Direktor Defer bestimmt werden, was der Berwaltungsrat der Reichsbahn durch die Wahl Dorpmüllers aber verhinderte. In lebendiger Erinnerung ist nach der Widerstand, den Dr. Luther seinem Ausscheiden aus dem Bera waltungsrat der Reichsbahn entgegenseite. Er trat später als Vor­standsmitglied in die Gemeinschaftsgruppe deutscher Hypotheken­banten ein und führte gleichzeitig als Borsigender die Politik des Bundes zur Erneuerung des Reiches. Bon diesem Borsiz wird Luther ebenso zurücktreten, wie er aus seinen mehrfachen Aufsichts­ratsstellen ausscheiden wird. In der Kampagne, um den Young­Bian hat sich Luther für den Young- Plan und gegen Hugenberg erklärt.

Das Ansehen des Kabinetts geschmälert.

Die historische Nachmittagssigung des Generalrats der Reichs bant, in der Dr. Schacht vor feinem Wahltollegium zurüdtrat unb Dr. Luther zu seinem Nachfolger bestimmt wurde, hat zwar faft zwei Stunden gedauert, die Wahl des neuen Reichsbantpräsidenten Reft der Sigung war von der Erledigung laufender Aufgaben des mar aber innerhalb fünf Minuten vollzogen. Der DreiEchlappen Tardieus an einem Zag! Generalrates erfüllt, die Dr. Schacht einer späteren Sigung bes Generalrates vorwegzunehmen empfohlen hatte. Die Wahl Luthers ift einstimmig erfolgt; persönlich anwesend waren sechs deutsche und die ausländischen Generalratsmitglieder Mc. Garrah, Professor Bruins und Bachmann Schweiz. Bon den deutschen Mitgliedern fehlte nur Louis Hagen . Dr. Schacht at Dr. Luther mitgewählt, der nach der banfgesetzlichen Vorschrift insgesamt von neun Mitgliedern, darunter fechs deutschen, persönlich gewählt wurde.

Die Bestätigung Dr. Luthers durch den Reichspräsidenten Hindenburg dürfte bald erfolgen, da das Reichskabinett mit ber Wahl Luthers einverstanden war.

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Luthers Laufbahn.

Der jegige Reichsbantpräsident war bis zum Jahre 1922 Ober­bürgermeister von Essen . Der Reichskanzler Cuno berief ihn zum bürgermeister von Eſſen . Der Reichskanzler Cuno berief ihn zum ersten Maie in ein ausgesprochen politisches Amt, und zwar als Reichsernährungsminister. 2 in bem Währungskommissar Dr. Schacht arbeitete Luther als Reichsfinanzminister 1924/25 311­fammen. Im Jahre 1923 wurde Luther Reichskanzler und führte das erste Rechtsfabinett noch der Inflation. Er stürzte, nachdem sich

Paris , 11. März.( Eigenbericht.) Tardieus Finanzminister bereiten ihrem Häuptling schon jetzt faft täglich Sorgen. Der eine, Reynaud , bekannt aus seinen Ge heimverhandlungen mit Rechberg und den Deutschnationalen, im 3ivilberuf Barenhausbefiger eines großen Konzerns in Merito, hatte sich allzu offenherzig über die Börsenlage aus. gesprochen und sich dem begründeten Berdacht fpetulativer Manöver ausgelegt. Der andere, der Budgetminister Ger main Martin, läßt sich alltäglich bei der Beratung des Finanz­gefeges von der Kammer in die Minderheit setzen. Am Dienstag er in die minder

früh wurde er

nicht weniger als zweimal von der Tardieussen Mehrheit kläg­lich im Stich gelaffen, einmal mit 303 gegen 270, das zweifemal mit 320 gegen 255 Stimmen.

zu allem Unglück hat jetzt noch die Finanzkommission der Ramuner Tardieu den Krieg erklärt. Mit 12 gegen 8 Sfimmen bel 2 Stimmenthaltungen hat sie ihm am Dienstag mittag die Kredite für seine neugeschaffenen Minister und Unterstaatssekretärposten ver­weigert. So hängen also sechs Mann aus dem Stabinett vor.