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BERLIN

Donnerstag 13. März 1930

Der Abend

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Nr. 122

B 61

47. Jahrgang

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Hindenburg hat unterzeichnet

und begründet seine Unterschrift.

Reichspräsident von Hindenburg hat heute das den Young- Plan enthaltende Gesetz über die Haager Konfrenz 1929/30 und die damit in Verbindung stehenden Gesetze ausgefertigt und ihre Ver= tündung im Reichsgesetzblatt veranlaßt.

WO

=

Den Gesekentwurf zur Regelung von Fragen des Teiles des Versailler Vertrages, welcher das deutsch polnische Liquidationsabkom men enthält, hat der Herr Reichspräsident noch nicht vollzogen, sondern in Ausübung der ihm nach Artikel 70 der Reichsverfassung obliegenden Pflicht zur Prüfung des verfassungsmäßigen Zustande. kommens der Gesetze einstweilen zurückgestellt. Der Herr Reichspräsident hat sich wegen einer eingehen den Prüfung der Frage, ob dieses Gesetz verfassungs­ändernden Charakter hat, mit dem Herrn Reichs­ Kanzler und den beteiligten Reichsministern in Ver­bindung geseht.

Hindenburgs Begründung.

Reichspräsident von Hindenburg gibt folgendes bekannt: Während des Kampfes um Annahme oder Ablehnung des Young- Blanes sind mir von Verbänden, Vereinen und Einzel­personen viele Hunderte von Zuschriften zugegangen, die, von Sorgen für die Zukunft unseres Baterlandes erfüllt, mich in dringenden Worten baten, das Zustandekommen des Young- Planes durch die Verweigerung meiner Unterschrift unter die Ge sehe und Ratifikationsurkunden zu verhindern. Da ich mich mit allen denen, die sich teils mit furzen Brotesten, teils mit langen Ausführungen an mich gewandt haben, nicht einzeln aus einandersehen kann, gebe ich nachstehend meine Antwort

auf diesem Wege:

Schweren, aber festen Herzens habe ich nach reiflicher, gewiffen­hafter Prüfung die Young- Gesetze mit meinem Namen unter­schrieben.

Nach Anhörung von Befürwortern und Gegnern des Planes, nach forgfältiger Abwägung des Für und Wider bin ich zur lleberzeugung

Die Beschlüsse des Reichsrats. gelangt, daß frog ber schweren Belastung, die der neue

Plan dem deutschen Volte auf lange Jahre hinaus auferlegt, und Der Reichsrat nahm am Donnerstag früh mit 42 troß der großen Bedenken, die gegen manche seiner Be­gegen die 5 Stimmen von Thüringen , Ostpreußen. ftimmungen erhoben werden können, der Young- Plan im Vergleich Brandenburg und Pommern bei Stimmenthaltung von Bayern , Sachsen und Mecklenburg- Schwerin die zum Dawes- Plan eine Besserung und Entlastung darstellt und wirt­Doung- Gesetze zur Kenntnis, ohne Einspruch zu erschaftlich und politisch einen Fortschrift auf dem schweren Wege der heben. Beim Bolenabkommen geschah dasselbe mit 35 Befreiung und des Wiederaufbaues Deutschlands bedeutet. gegen die 10 Stimmen von Thüringen , Mecklenburg­Schwerin, Ostpreußen , Brandenburg , Pommern , Grenz­mart Posen, Westpreußen , Oberschlesien , Schleswig­Holstein und Rheinproving, bei Stimmenthaltung von Bayern , Sachsen , Oldenburg , Bremen und Niederschlesien . Die Dringlichkeit der Young- Gesetze wurde mit 42 gegen die 5 Stimmen von Thüringen , Ostpreußen , Bran­ denburg und Pommern bei Stimmenthaltung von Bayern , Sachsen und Mecklenburg- Schwerin beschlossen.

Der Preußische Ministerialdirektor Brecht schilderte als Be­richterstatter die Beschlüsse des Reichstags. Mit 283 gegen 173 Stimmen sei die Dringlichkeit beschlossen. Diese größere Mehrheit gegenüber den vorangegangenen erkläre sich aus der Erwägung, daß man gegen ein Gesetz sein tann, aber nachdem es beschlossen ist, die sofortige Verkündung für notwendig hält, um nicht durch eine Boltsabstimmung neue Unruhen in das Land zu bringen.

Der Vertreter Thüringens beantragte Einspruch gegen die Beschlüsse des Reichstags, aber eine Amnestie für die fo­genannten" Fememörder.

Für die sächsische Regierung erklärte Dr. Gradnauer, daß sie als nur geschäftsführende Regierung sich an der Abstimmung über den Einspruch nicht beteiligen fönne. Nach Ablehnung des Einspruchs gegen den Young- Plan begründete Freiherr v. Gayl ( Ostpreußen ) seinen Einspruch gegen das Polenabkommen mit den schon vom Reichstag her bekannten Gründen.

Reichsaußenminister Dr. Curtius antwortete: Die Form des Abkommens mit Bolen mag nicht schön sein, sie mag auch für manchen nicht übersichtlich sein, entscheidend aber ist, daß das ge­famte Vertragswerk völkerrechtlich bindend ist. Wir haben nicht alles erreicht, was wir wollten, aber der erreichte Schutz für die deutschen Ansiedler ist weitgehend, wie von diesen selbst auch an­erkannt wird. Wir wollen den deutschen Rechtsbesitz so weit wie möglich erhalten. Wir verzichten damit auf keine nationalen An­Sprüche. Unverständlich ist mir, wie man das Abkommen als eine Liquidierung der deutschen Zukunft bezeichnen kann. Gerade ohne das Abkommen wäre die deutsche Zukunft im Osten unmöglich. Wenn sie die Menschenbrüde zwischen dem Reich und Ostpreußen zerschneiden, ist Ostpreußen isoliert. Würde das Abkommen abgelehnt, so müßten wir damit rechnen, daß der Ent­deutschungsprozeß in Polen weiterginge.

Staatssekretär Weismann von Preußen beantragte nunmehr, die Gesetze für dringlich zu erklären.

B

Gradnauer Sachsen bat um zwei Lesungen. Die nur ge­fchäftsführende fächsische Regierung sei nicht in der Lage, sich an der Abstimmung zu beteiligen. Sollte sich aber herausstellen, daß die Stimme Sachsens ausschlaggebend sei, dann bitte er die zweite Lejung auszusetzen, damit er neue Instruktionen einholen tönne. Dann erfolgte die schon gemeldete Abstimmung.

Zu einer Ablehnung fonnte ich mich im Gefühl meiner Berant wortung für Deutschland und seine Zukunft nicht entschließen, da die Folgen einer solchen für die deutsche Wirtschaft und die deut­fchen Finanzen unabsehbar seien und schwere Krisen mit allen ihren Gefahren für unser Vaterland bringen würden Ich bin mir durchaus bewußt, daß auch die Annahme des Young- Plans uns nicht von allen Sorgen für die Zukunft befreit; aber ich glaube trotzdem zuversichtlich, daß der nunmehr eingeschlagene Weg, der dem besetzten deutschen Gebiet die langersehnte Freiheit und uns allen die Erwartung weiterer Fortschritte gibt, sich als der richtige erweisen wird,

Viele der Zuschriften haben in wohlmeinender Absicht an mich persönlich die Bitte gerichtet, meinen, des früheren Heerführers Namen nicht dadurch vor der Geschichte zu verdunkeln, daß ich mit ihm diese Gesetze decke. Hierauf erwidere ich: Ich habe mein Leben in der großen Schule der Pflichterfüllung, in der alten Armee, verbracht und hier gelernt, stets ohne Rüd

Fricks Chuzpe.

Er gibt, Regierungserklärung" ohne Auftrag ab. Weimar , 13. März.

Gegen die Erklärung des Abg. Dr. Frick( Nat.- S03.) als an­geblicher Reichsratsvertreter seiner thüringischen Regierung bei der dritten Lesung des Young- Plans im Reichstag wendet sich die thüringische Landtagsfraktion der Deutschen Bolts partei in einer scharfen Gegenerklärung. In ihr wird festgestellt, daß Frids Erklärung einen Affront gegen die Reichs­regierung und ihre auswärtige Politik darstelle, und daß Frick die Erklärung im Namen der Thüringer Regierung abgegeben habe, obwohl diese ihm teinen Auftrag dazu erteilt habe.

sicht auf die eigene Person meine Pflicht gegenüber dem Vaterland zu tun. Deshalb hatte bei meiner Entscheidung jeder Gedanke an mich selbst vollständig zurückzutreten. So konnte auch der Gedanke, durch einen Boltsentscheid oder meinen Rück­tritt die Verantwortung von mir abzufchieben, bei mir nicht Boden faffen.

Der parlamentarische Kampf um die Young- Gesetze ist mit deren Verkündung im Reichsgefeßblatt zu Ende; damit muß nun auch im deutschen Volle der Streit um diese Frage beendet sein, der so viel neue Gegenfäße hervorgerufen und die von mir von jeher so schmerzlich empfundene Zerrissenheit

in unserem schwer geprüften Baterlande start erweitert hat. Ich richte daher an alle deutschen Männer und Frauen die ernfte Mahnung, fich ihrer Pflichten gegenüber dem Baterlande und der Zukunft der Nation bewußt zu sein und sich nun end­lich unter Ueberwindung des Trennenden und Gegenfählichen zufammenzufinden in gemeinsamem wirken für unsere Zukunft, in der es wieder ein freies, gesundes und starkes deutsches Volk geben soll.

Die politischen Auseinandersetzungen und Kämpfe der letzten Monate müssen nunmehr einer entschlossenen praktischen Arbeit Play machen, welche die Gesundung unserer Finanzen, die Belebung unserer gesamten Wirtschaft und damit die Beseitigung der ungeheuren Arbeits losigkeit und nicht zuletzt der Linderung der schweren Lage der deutschen Landwirtschaft und die Wiederherstellung ihrer Rentabilität zum Ziele haben muß.

Ich habe der Reichsregierung die Erledigung dieser Arbeit in einem Schreiben an den Herrn Reichskanzler vom heu­tigen Tage zur Aufgabe gestellt und fordere hiermit gleich­zeitig alle Deutschen auf, sich über die Grenze der Parteien hinaus zur gemeinsamen Mitarbeit die Hände zu reichen.

Vor bald 60 Jahren habe ich bei der Reichsgründung den Jubel miterlebt, der das gesamte deutsche Volk über seine endlich erreichte Einigung beseelte; ich fann mir nicht denken, daß dieser Geist dahin­geschwunden ist und dauernder innerpolitischer 3wietracht Platz ge­macht hat.

Wir müssen uns troh und wegen der Not der Zeit auf uns selbst befinnen und wieder eins werden in dem Gedanken: Deutschland über alles!

gez. von Hindenburg.

Baissepartei, die Schachts plötzlichen Rücktritt zu Spekula tionen ausgenugt hatten, scheinen für die gestrige Besserung doch ausschlaggebend gewesen zu sein. Bei der jegigen außergewöhn­lichen Billigkeit des Geldes hätte die durch die Annahme der Young­gefeße erfolgte innen- und außenpolitische Klärung zur Hausse an­regen müssen.

Der Geldmarkt hat sich weiter verflüssigt. Tagesgeld war für bis 3 Prozent zu haben. Die Arbeitslosigkeit des Geldes wächst affo noch, während die Arbeitslosigkeit der Menschen bereits abzu­nehmen beginnt,

Kirchenfürst" eingelocht.

Da die Deutsche Volkspartei im Reiche die Reichsaußenpolitik Wegen Betrügereien.- Anzeigen aus aller Welt. vorwiegend stüze, werde die eigenmächtige, in der politischen Ge­schichte unerhörte Handlungsweise des Ministers nicht ohne Folgen Paris , 13. März.( Eigenbericht.) für die gegenwärtige Regierungstoalition in Thüringen bleiben Am vergangenen Sonnabend ist in Billefranche in der Nähe fönnen. pon Nizza der syrische Archimandrit". der höchste Kirchen­Zur Zeit befaßt sich das Thüringer Kabinett mit der An- fürst des orthodoxen Glaubens in Damaskus , verhaftet worden. gelegenheit.

Börse wieder schwächer.

Die Kapitalbesitzer ftreifen.

Die Börse ist heute wieder etwas schwächer. Die Kursgewinne von gestern gingen zum Teil verloren. Dedungsfäufe der

Die brasilianische Regierung hatte gegen ihn einen Steckbrief und ein Auslieferungsverfahren erlassen, da er bei einer Missionsreise in Bahia Schmuckstücke von hohem Wert gekauft, aber nicht bezahlt haben soll. Der syrische Kirchenfürst scheint mit diesem Schwindel nicht den ersten seines Lebens begangen zu haben. Kaum war er in Nizza ins Gefängnis eingeliefert worden, als auch ver Damastus und Beirut mehrere Anzeigen einliefen.