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Morgenausgabe Nr. 123

A 62

4?. Jahrgang

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Berliner Solksblati

Freiiag 14. März 1930 Groß-Serl!n 10 Pf. Auswärts 15 pf,

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Jentealorgan der GozialdemokraMchen Partei Deutschlands

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Vorwärts-Verlag G. m. b. H.

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Reue Verhandlungen. Die Deuische Volkspartei wieder beteiligt.

Da nach der Amiahme der Domig-Gsfetze die Erledigung der Finanzsragen in den Vordergrund tritt und für die Verob- schiedung der gegenioärtig dem Reichsrat vorliegenden Gefetzent- würfe nur kurze Zeit zur Verfügung stehen wird, sind am Donners- tag die interfraktionellen Verhandlungen der Re- gierungs Parteien wieder ausgenoinnren worden. Für die Deutsche Volkspartoi, die sich jetzt wieder an den Verhandlungen beteiligt, war der Abg. Dr. C r e m e r erschienen. In der Besprechung wurden nochmals die Vorschläge erörtert, die die Weimarer Par- teien in den letzten Tagen der Regierung gemacht, haben. Gegen die Ilmwandlung der Biersteuer in eine Landersteuer wurden vom Abg., Dr. Cremer oerfassungsrechtliche und fachliche Bedenken geäußert. Er äußerte ferner' Bedenken gegen die Erhöhung der Umsatzsteuer und die Besteuerung der Einfuhr. Die Verhandlungen sollen am Freitag nachmittag fortgesetzt werden. Das bayerische Heldenstück. peinliche tleberraschung in München . München , IS. März.(Eigenbericht.) Das Rein der Mehrheit der Fraktion der Bayerischen Volkspartei itnj' Reichstag zum Boung-Plan hat m den führende« Kreisen dftser Partei in München große Ueberraschung hervorgerufen. Das Er- ftäunen wuchs- noch, als bekannt wurde, daß der Minister - Präsident Dr. Held allein der Urheber dieser Haltuüg war

und daß der Parteivorsitzende S ch ö f f e r und der Fraktionsführer Leicht ihre heftigen Gegner gewesen sind. Die chälwng Dr. chelds wird auf den Einfluß seiner deutsch » ationalen Regierungs- freunde zurückgesühn, die offen mit einer Regierungskrise gedroht hatten für den Fall, daß sich die Bayerische Dolkspartei im Reichstag positiv zum Doung-Plan stellen würde. Dr. Held fürchtet aber nichts so. sehr, als die Krise mit den Deutschnationalen; er weiß, daß sie seinen Sturz als Ministerpräsident unmittelbar im Gefolge hätte. Nach der Rückkehr Helds und Slkäsfers aus Berlin wurde sofort eine Sitzung der Lanbtogsfraklion zusammenberufen, in der über die Vorgänge in Berlin Bericht erstattet wurde. Beschlüsse wurden nicht gefaßt, dagegen wurde mit großem Bedauern davon Kenntnis ge- ommen, daß dieGesundheit" des Prälaten Leicht durch den Ablauf der letzten Creignisie in Berlin stark er- s ch ü t t e r t sei. Die offiziöseBayerische Volkspartei-Korrespen- denz" beeilt sich, die Haltung der Mehrheit der Reichstagssraktion zu verteidigen. Dementsprechend stellt sie auch jede Krise innerhalb der Partei und jeden Gegensatz zwischen Held und Leicht entschieden in Abrede. Es herrsche im Gegenteil volle Einmütigkeit, und Leicht, als der bewährte Führer, besitze das uneingeschränkte Dertrauen der Gesamtpartei. Diese Einigtest und das Vertrauen zu Leicht werden aber ganz offensichtlich nur deswegen so sehr in den Vordergrund gestellt, weil die Bayerische Dolkspartei beides braucht, um. bei der Finanzresorm doch noch einige Dutzend Millionen herauszu- schlagen, damit der Staat Bayern das B a n k r o t t st a d i u m end­lich überwindet und seist seit fünf Monaten fälliger Haushaftsplan endlich aufgestellt werden kann. Sein Finanzminister hat nur noch Kassenbestände für weyig« Wochen und außerdem drückende kurzfristige Schulden von 120 Millionen Mark.

Abschied von Hindenburg . ANdeuische Ltnverschämtheiten mit Trauerrand.

Die Erklärung des Reichspräsidenten von Hin den- bürg, die wir gczstern noch in dem größten Teil unserer Abendausgabe veröffentlichen konnten, predigt in der Sprache, die die rechtsstehenden Kreise des Volkes verstehen u ad zu hören gewohnt sind, einen gesunden politischen Gedanken. Die Fortführung des Kampfes um den Voung- Plan nach seiner endgültigen Annahme kann außenpolitisch keine Wirkung mehr üben, sie kann jetzt höchstens aus inner- politischen Gründen unternommen werden. Mit anderen Worten hieße das, eins erledigte außenpolitische Frage zu Zwecken innerer Verhetzung und Zersetzung mißbrauchen. Dos ist es, wovor der Reichspräsident warnt. In die Reihen der nationalistischen Hetzer hat die Unter- zr-ichnung der'Zoung-Gesetze durch den Reichspräsidenten und die Begründung dieses Aktes wie eine schwere Mine einge- schlagen. Die alldeutscheDeutsche Zeitung" ist gestern m i t Trauerrand erschienen und einem LeitartikelAbschied". Der mit diesem Abschied verabschiedet wird, ist kein anderer als der Reichspräsident von Hindenburg . Ihm wird jetzt folgendes ins Stammbuch geschrieben: Roch dein, was der Reichspräsident jetzt über sich gebracht hat zu tun, wird er sich nicht wundern, daß, wie er sich von denjenigen geschieden hat. deren Dertrauen ihn vor fast fünf Iahren zu seinem hohen Amte berief, nun diese von ihm scheiden, da er ztm» Vollstrecker marxistischer Ersüllungspolstik geworden ist. Wie dieses selbstmörderisch« Verhallen eines ver- blendeten Teils unseres Volkes in der Geschichte ohne Beispiel da- fleht, so auch das Verhallen des Reichspräsidenten .... Dem Sieger von'Tonnenberg wurde es von der Mais« der nationalen Deutschen in überschwenglichem Maße entgegengebracht, und durch diese Kreis« ging ein Aufatmen, ja jubelnde Hoffnung, als Fcldmarscholl v Hindenburg sich bereit erklärte, im zweire» Wahlgange für die Reich-nräsidentschaft als Bewerber aufzutreten. Die Bedenken derer wurden überhört, die durch die Erfahrungen in allen Fällen, wo der Feldmarschall politisch hatte handeln müssen, erkannt haben, daß dem großen Soldaten und Kriegsmeisler da» Geschenk des staaksmännifchen Genius nicht in die wieg« gelegt worden war, daß er in diesen Fällen Klarhzit des Urteils, Raichhest und Eindeutigkeit der Entschlüsse haste fehlen lasten. Wir wollen in dieser bitter schweren Stund« nicht auszählen. Mi« m eigentlich allen Emzelhesten der zum Zteichspräsöxnta, ge-

wordene Feldmarschall versagt hat. Es genügt die Feststellung die geschichtlich nicht zu widerlegende Feststellung. daß dieses Relcheoberhaupl im großen und im einzelnen versagt hat, daß sein« Präsidentschaft ein einziges, sich immer mehr ver- schlinnnerndes Martyrium für seine ollen Getreuen und Verehrer wurde. Der zweste Reichspräsident det Republik kann sich wenn er überhaupt eines Trostes bedarf damit trösten, daß nicht nur seinem unmittelbaren Lorgänger, sondern auch den ehemaligen kaiserlichen Regierungen und dem Kaiser selbst von den Aposteln des nationalistischen Irrsinns noch ganz anders mitgespielt worden ist. Hatte sie doch dem annen V e t h m a n n während des Krieges nachgesagt, daß er auf feiten Englands stehe! Vor dem Krieg, während der Marokko - krise, mußte ein alldeutscher Redakteur schleunigst verschwin- den, well er sonst einem Prozeß wegen Majestätsbeleidigung nicht hätte entgehen können. Ohne das Treiben dieser Leute wäre Deutschland niemals in den Krieg hineingeschlittert, hätte der Krieg nicht so lange gedauert und wären dem deut- schen Volke niemals die Lasten entstanden, über die sie jetzt heulen. Ein Volk, das in wesentlichen Teilen dieser nationalisti- schen Hirnvest verfällt, schwebt in Lebensgefahr. Der Reichs- Präsident hat das erkannt und warnt. Dafür kriegt er jetzt den schlichten Abschied. Prozeß um Heimwehrwaffen. AngeNagte Sozialdemokraten freigesprochen. Wien . 13. März(Eigenbericht.) Im Dezember hatte die bürgerliche Presse sich darüber enttetzi, daß in dem Jndustricort Fohnsdorf (Steiermark ) zehn Schutzbündler und zwei Gemeinde Wachleute nerhistei werden konnten, weil sie versucht hätten. Waffen der Heim wehr zu stehlen. Tatsächlich erhob die Staalsanwaltschaft auch gegen dies« 12 Leute Anklage wegen Diebstahls. Das Schöffengericht Loeben sprach nun am Donnerstag alle Angeklagten mit der Be- gründung frei, daß auf Aussagen de» Spitzels der Gendarmerie, aus besten Angaben hm die 12 verhaftet wurden, ein Schuldspruch nicht aufgebaut werden könne. Es sei den Angeklagten also kein Dlebstahl nach. gewiesen, wphi aber s« ihr« Verantwortung nicht widerlegt, daß sie«n« Schsebung der Heimwehr mit Waffen ver- hindern und die Gendarmerie v'rstä tidigen wollten.

Zweikampf Moskau - Rom . Bucharins gefährliche Vergleiche. Von Dotor Oarwy. Am 19. März findet derWeltsühnetatz" statt, den der Papst in seinem Protestbrief gegen die Religtonsoerfolgungen m Sowjetrußland angeordnet hat:Wir werden das hellige Herz um Verzeihung und Barmherzigkeit für die Opfer und auch für ihre Henker bitten.. Dieser Gebetskreuzzug, wie ihn der Papst selbst nennt/ ruft Im Kreml einen Entrü st ungs stürm ohne- gleichen hervor, der beweist, daß der Papstbrief den wunden Punkt der Sowjetpolitik getroffen hat. Die Bolschewisten rüsten.sich gleichfalls zumKulturkampf" im internationalen Maßstabe: Stalin gegen Pius XI '., Moskau gegen Rom. die kommunistische Internationale gegen die katholische Welt- tirche. Der Papstbrief wurde formell an den Eeneralvikar.in Rom , Kardinal Basilio Pompily, gerichtet. Stalins Antwort darauf ist von seinem Generalvikar, dem reu- mutigen und dienstfertigen B u ch a r i n verfaßt. Sie ist so- eben in derPrawda" vom 7. März in der Form eines feurigen- Pamphlets erschienen» das den Titel:Das Finanzkapital unter dem Papstmantel" trägt und mit dem Ruf endet:Nieder mit dem Kapitalismus ! Nieder mit dem Papst und seinen Erzbischöfen!" Bucharins Pamphlet gegen den Papst gehört zu jener Art Literatur, die von Karl Marx alsgrobianische" bezeich- net wurde. Die unaufrichtige und übertriebene Leidenschaft des Tons verrät nur das schlechte Gewissen der Bol- schewisten, die die Neligionsverfolgungen auf die Spitze treiben, aber sie vor �er ganzen Welt glatt verneinen. Der unerträglich falsche Pathos des Bucharinichen Pamphlets wirkt gerade deshalb abstoßend. Um was handelt es sich in diesem seltsamen Zweikampf zwischen Rom und Moskau ? Die steigende Welle des Glaubensterrors in Sowjetrußland veranlaßte den Papst, die Initiative der Protestbewegung in der annzen Welt an sich zu reißen und sich an die Spitze des moralischen Kreuz- zuges zu stellen. Man kann mit Raul Schaeffer. dem früheren Moskauer Berichterstatter desBerliner Tageblatt", die letzten Gründe der päpstlichen Initiative in der römischen Kirchen- volitik suchen, die auf die Vereinigung mit der. um mit dem Papst zu sprechen,unglücklicherweise von der katholischen Einheit getrennten" russischen Kirche hinzieht. Man kann, wie es die Kommunisten machen, den päpstlichenGebets- kreuzzug" mit der finmizkavitalistischen Politk der..Umkrei- sung Sowjetrußlands" in Verbindung brinaen. Man kann schließlich dem Heiligen Stuhl überhaupt das Recht absprechen. sich in die inneren Angelegenheiten der Sowjetunion einzu- mischen. Aber man kann und darf nicht versuchen, die päpstliche Protestoffensive gegen die Religionsverfolgungen mit Argumenten zu entkräften, die das Wesen des Streites entstellen und an Heuchelei alles überbieten, was sogar die klerikalen Pharisäer selbst auf diesem Gebiete bisher geleistet haben. Und in der Tat: Gegen die Gegenwart der Glaubensverfolgungen in Sowjeirußland wird im Bucharin - schen Pamphlet die grausame Geschichte der Jnqui- s i t i o n ins Feld geführt. Wegen der blutigen Verbrechen vieler Päpste im Mittelalter soll jetzt dem Papst Pius XI. das Recht abgesprochen werden, sich gegen die Greuel des Gewissensterrors im heutigen Rußland zu wenden. Die Beschlüsse der Airchenkonzilien vom XL bis XV. Jahrhundert, die Aussnrüche des Tbomas von Aauino, die grausamen Ketzergesetze Ludwigs des Heiligen und Fried- richs II., die Scheiterhaufen derheiligsten Inquisition", die Giftmorde und Sittenoerderben von Casare Borgia. alles wird ins Feld gezogen, um den moralischen Protest des Papstes Pius XI. gegen den bolschewistischen Gewissensterror zu entkräften! Was sollen aber diese geschichtlichen Ex­kursionen Bucharins im Mittelalterbe- weisen? Sind denn die mittelalterlichen Greuel des Ka- tholizismus eine Entschuldigung für den Glaubens- terror des Bolschewismus im XX. Jahrhundert? Diese seit- same Beweisführung Bucharins führt unerwartet zum ent- aegengcsetzten Rcwltat. Die haarsträubenden Schilderungen des katholischen Mittelalierz bringen vielmehr die Greuel des russischen Bolschewismus in Erinnerung, d-r sich anschickte. den lichistrahlenden Zukunftsstaai auf der Erde zu errichten. in der Tat aber da- s i n st e r st c Mittelalter in Ruß- l and wieder hergestellt hat. Die Heilige Inquisition, die übrigens der fernen Ver- gangenheft angehört, bat wirtlich ein verfeinertes System der moralischen und physischen Folterungen ausgearbeitet. Sieht aber Bucharin nicht, daß auch die neuester o t e" Inqu'silion einverfeinertes System der moralischen und physischen Fol- terungen" ausgearbeitet hat: Bucharin hat recht: Die katho- lische Kirche hat im Mittelalter das Pflaster der Städte West- europas mit dem Blut der Ketzer durchtränkt. Was wird aber dadurch geändert, daß heut« das Blut der Gegner des