1. Beilage zum„Vorwärts" Berlmtr Volksblatt. Donnerstag, den 19. Marz 1896. 13. Jahrg. Ur. 67. Keichskag» tiL. Sitzung vom 18. März 1396, 1 U h r. Am Tische des Bundesraths: v. Marschall , Holl- mann. Das Haus ehrt das Andenken des gestern Nachmittag plötz- lich verstorbenen Abg. Böhm(frs. Vp.) in der üblichen Weise. Die zweite Berathung des Reichshan shalts-Etats wird fortgesetzt bei den einmaligen Ausgaben der Marine. Berichterstatter Abg. Lieber(Z.) giebt dem Hause zunächst einen Bericht über die aus den Zeitungen bereits bekannt ge- wordenen Debatten der Kommission über die„uferlosen" Flotten- Pläne. Schon beim Etat des auswärtigen Amts habe der Staatssekretär des Auswärtigen erklärt, daß in diesem Jahre keine neuen Forderungen für die Marine an den Reichstag herantreten sollten, daß aber im nächsten Jahre die klaren Pläne, welche in bezug auf die Verstärkung der Flotte vorhanden sind, dem Hause vorgelegt werden sollen. Der Staatssekretär erklärte damals ausdrücklich, daß diese Pläne nicht zu identifiziren seien mit den von einigen Preßorganen vertretenen Plänen. Redner giebt eine Darstellung der ganzen Preßkampagne über die ufer- losen Pläne in de» hierauf bezüglichen Debatten in der Kommission. Er schließt seine Ausführungen mit folgendem Satze: Die in diesem Etat geforderten 7�/« Millionen haben noch eine Restsorderung von 42 Millionen für die späteren Jahre zur Folge. Tie Budgetkommission hat mit Mehrheit beschlossen, Ihnen die Bewilligung der einmaligen Ausgaben zu empfehlen. Abg. Fritzen(Z.): Tie Marine- Etats der letzten Jahre ergeben, daß, je mehr die Marinverwaltung gefordert hat, desto mehr hat der Reichstag abgestrichen. Vielleicht zieht die Marineverwaltung daraus die Konsequenzen. Ich bin nicht in der Lage, irgend eine Streichung vorschlagen zu können. Ich stimme auch dem Ersatzbau für den Panzer„Friedrich der Große " zu. Die Kreuzer sind allerdings in der letzten Zeit gegenüber dem Bau von Panzern vernachlässigt worden. Es muß deshalb etwas nachgeholt werden, deshalb kann ich auch nur die Bewilligung der Forderung für die Kreuzer empfehlen. Die Verzögerung hat insofern etwas Gutes gehabt, als eine Schwankung der An- schauungen bestanden hat über den Typ der Schiffe. Inzwischen hat sich diese Frage etwas mehr geklärt. Durch die Bewilligung wird allerdings eine Last von 40 Millionen übernommen, aber diese Last konnten wir übernehmen. weil die finanziellen Verhältnisse des Reiches sich gebessert haben. Die Bewilligung erfolgt im Vertrauen aus die Marineverwaltung, daß nur das nothwendige gefordert wird. Wenn das nothwen- dige bewilligt wird, so arbeitet man am besten uferlosen Plänen entgegen, die am leichtesten entstehen, wenn die Marine nicht das erhält, was sie braucht. Der Weg der Anleihe für solche großen Bauten, welche die uferlosen Pläne in Aussicht nehmen, ist nicht der richtige. Für solche Dinge, die nach 20 Jahren veralten, kann man keine Anleihen aufnehmen. Diese Ausgaben müssen aus den ordentlichen Einnahmen bestritten werden. Man spricht davon, daß«ine große Weltpolitik geführt werden soll. Eine Weltpolitik kann nur zur Wahrung aktueller Interessen geführt werden, alles andere ist ein Größenwahn einer Person oder des Staates. Es giebt allerdings noch gute Handelsverbindungen anzuknüpfen und die Deutschen im Auslande zu schützen. Aber unter den deutschen Auswanderern befinden sich Verbrecher aller Art, auch solche Leute, die wegen des hohen Steuerdruckes Deutschland verlassen haben. Wollen wir uns noch mehr belasten, um diese Leute in Schutz zu nehmen? um diejenigen zu schützen, welche sich der Militärpflicht entzogen haben? Die Phrase vom Schutze aller Deutschen im A u s l a n d e i st nur eine Phrase. Wenn wir mit einer Seemacht im Kriege sind, wird es uns niemals gelingen, unseren Handel vollständig zu schützen. Das kann nicht einmal England mit seiner Flotte. Wie will man die zahlreichen Schiffe schützen, die sich in jeder Sluude in allen Meeren zerstreut befinden. Unsere Kreuzerflotte muß so groß sein, daß sie in halb zivilisirten Ländern, wie z. B. Marokko den Schutz der deutschen Allsiedlungen übernehmen kann. Dazu müssen wir Geld bewilligen und nach dieser Rücksicht werden wir die Forderungen prüfen, wenn uns im nächste» Jahr ein Plan vorgelegt wird, und wir werden auch nach der finanziellen Möglichkeit der Bewilligung fragen. Die beste Vorbereitung zum Krieg ist eine Besserung der finanziellen Lage. Staatssekretär v. Marschall : Ich habe meinen Er- kläruugen in der Budgetkommission nichts hinzuzufügen und nichts von ihnen hinwegzunehmen. Freilich kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, daß bei manchen die Be- sorgniß von künftigen Flottenplänen als eine recht wirk- same Waffe gilt zur Bekämpfung der gegenwärtigen Flottenpläne. Ich begreife das bis zu einem gewissen Grade. Man weiß eben nicht, welchen Umfang diese Flottenprojekte haben und welche finanziellen Opfer sie fordern könnten. Ohne Gefahr der Wider- leguug kann man alle möglichen Erwägungen anstellen, seiner Phantasie den weitesten Spielraum lassen und diese Flottenpläne sich so ausmalen, wie sie ungefähr gestattet sein müßten, wenn sie dazu bestimmt wären, nicht nur bei der ganz überwiegenden Mehrheit des Reichstages, sondern auch der Nation auf einen überwiegenden Widerstand zu stoßen, was bei uferlosen Plänen sicherlich der Fall sein würde. Ich will diesen Befürchtungen mit einer ganz nüchternen Argumentation entgegen- treten. Werfen wir einmal einen Blick auf die großen Ver- änderungen auf überseeischem Gebiet in den letzten Jahren, wie vieles da im Werden, im Entwickeln ist, wie starke Strömungen dort zur Geltung kommen, wie stark heute der Konkurrenzkampf draußen ist und welche hervorragende Rolle wir dabei spiele». Ist es da etwas Absonderliches und Beunruhigendes, wenn auch wir thun, was andere Staaten vor uns gethan haben, wenn wir ernsthaft erwägen, ob unser Rüstzeug zum Schutz der überseeischen Interessen wohl im stände ist, ob es nicht einer Erneuerung, einer Ergänzung bedarf. Wir versäumen nichts, wenn wir ruhig den Tag abwarten, wo jene Erwägungen zu Ende gekommen sind und uns das erforderliche Material liefer». Die übertriebenen Forderungen in öffentlichen Versammlungen und der Presse brauche ich nicht zu beschönigen. Wir haben gewiß Schwärmer, denen für überseeische Zwecke nichts genug ist, denen man zurufen möchte. daß wir auch im Jnlande deutsche Interessen zu vertreten haben; wir haben aber auch negative Schwärmer, denen alles zu viel ist und die in jedem Kriegsschiff, welches vom Stapel läuft, den Keim zu einem Weltkriege erblicken. So sind wir vor die Wahl gestellt, zwischen beiden Ex- tremen zu entscheiden. Zwischen diesen Extremen führt eine breite Heerstraße und alle zukünftigen Flottenprojekte werden sich auf dieser Straße bewegen.(Zustimmung rechts.) Es denkt niemand daran, sich mit anderen Nationen in den Wetlkamps einzulassen. Die überseeischen Interessen verschiedener Länder und die Schutzbedürfniffe, die sich daraus ergeben, sind gleichsam inkommensurable Größen; selbst da, wo die Verhältnisse an- scheinend gleich sind, wird die überseeische Politik eines Staates sich anpassen niüssen der Politik der einheimischen Interessen. Unsere erste und vornehmste Aufgabe ist, in Europa zu sein und zu bleiben im Verein mit unseren Verbündeten und gleichgesinnten Freunden ein Hüter des Frieden? und des Rechts, stark genug, nm jeden Friedenstörer in die Schranken zu weisen.' (Beifall.) Diese Aufgabe und die Forderungen, die sie an uns stellt, enthält die allerbeste Gewähr dafür, daß wir unsere Kräfte nicht zersplittern und uns des Vertrauens bei anderen Nationen nicht berauben.(Sehr richtig! rechts.) Chauvinismus und Jingoismus sind unserer deutschen Erde fremd. (Beifall rechts.) Wenn uns Unrecht entgegentritt, dann muß das deutsche Schwert auch schlagfertig sein.(Beifall rechts.) Dazu ist eine starke Kreuzerflotte ein starkes Werkzeug; lassen wir es verrosten, so werden wir politisch zurückgehen. In den letzten fünfundzwanzig Jahren haben sich unsere überseeischen Interessen in gewaltiger Weise vermehrt. Wir haben alles geleistet, was eine aufstrebende Nation leisten kann. Wir müssen die Deutschen im Auslande mit der Beschränkung, die der Vorredner gemacht hat, beschützen. Auch ich schwärme nicht für die Leute, welche sich vielleicht Jahrzehnte nicht um die Heimath gekümmert haben und nachher ihre Hilfe anrufen.(Sehr richtig! rechts.) Wir müssen"die legitimen Interessen schützen. wir müssen eingedenk sein, wie große Kapitalien in überseeischen Gebieten angelegt sind und wir müssen der frommen Männer gedenken, welche als Missionare hinausgegangen sind.(Beifall im Zentrum.) Wir müssen bereit sein, mit Gewalt einzugreisen im Falle von Bürgerkriegen. Wollten wir Konflikte suchen, so würden wir denjenigen einen schlechten Dienst erweisen, die wir schützen wollen, unsere Rheder und Kaufleute und alle diejenigen, welche in friedlichen und normalen Zuständen leben wollen. Wollen wir Konflikte um jeden Preis vermeiden, weil wir zu schwach sind, dann würde unser Interesse bald zu einem solchen zweiter und dritter Klasse in den Augen der Machthaber herabsinken. Unsere Kreuzerflotte ist zurückgegangen, die Schutzbedürsnisse sind gestiegen, aber die Schutzmittel sind vermindert. Wir hatten vor 11 Jahren 27 Kreuzer, heute nur noch 20. So gern ich an- erkenne, daß die Marine alles thut, um unseren Forderungen nachzukommen; es kommt doch manchmal die Antwort: es ist kein Schiff vorhanden. Als vor Konstantinopel ein zweites Schiff stationirt werden sollte, da fiel uns die Entscheidung leicht; es war kein Schiff dafür vorhanden, ebenso wenig, wie wir nach der syrischen Küste sofort ein Schiff schicken konnten. Als in der südafrikanischen Republik die Unruhen ausbrachen, mußten wir das einzige Schiff von Deutsch-Ostafrika nach der Delagoabai senden, um die Interessen dort wahrzunehmen. Ich könnte die Beispiele vermehren. Weit schlimmer ist es, daß wir Stationen, die wir früher hatte», haben eingehen lassen müssen, so in Zentralamerika und Südamerika . An der West- küste von Amerika ist kein deutsches Schiff mehr vorhanden seit Jahren, und das sind alles Länder, wo häufig innere Unruhen, Bürgerkriege und Revolutionen ausbrechen. In dem Kriege zwischen Chile und Peru vertrat unser Panzerkreuzer- fremde Interessen, wir würden beute unsere Interessen durch fremde Schiffe vertreten lassen müssen; das ist doch nicht verein- bar mit unserer Würde. Ebenso liegt es in der Südsee. In den ostasiatischen Gewässern fehlt es uns auch an Schiffen. Ich komme hierbei dem Wunsche nach, einen Ausschluß über unsere politische Aktion inOstasien zu geben. Man wirst uns vor. wir hätten einen unvermutheten Frontwechsel vorgenommen. Ich habe hier im Hause im vorigen Jahre er- klärt, daß wir in dem Kriege zwischen China und Japan neutral bleiben wollen. Wir wiesen jeden Gedanken der Intervention zurück. Als die Waagschale sich zu gunsten Japans gesenkt hatte und die erste Nachricht der voraussichtlichen Friedinsbedingungen nach Europa kam, baben wir die japanische Regierung in freundschaftlicher Weise darauf aufmerksam gemacht, daß Annexionen auf dem asiatischen Festlande Interventionen seitens europäischer Staaten zur Folge haben würden. Die Besetzung des Festlandes würde China in Abhängigkeit von Japan setzen und dadurch für die europäischen Stationen nachtheilig werden. Japan hat diesen Rathschlägen aus zwingenden Gründen Folge geleistet. Als Rußland unsere Anschauung theilte und den Friedensschluß nicht billigte, unter den damaligen Bedingungen kam es zur friedlichen Intervention. Unsere Thätigkeit Japan gegenüber haben wir vor niemand zu verheimlichen, am aller- wenigsten vor der japanischen Regierung. Ich nehme an, daß man heute in Japan unsere Haltung begreift. Die Neutralität bedeutet nicht, daß man nachher die Bedingungen akzeptirt, welche der Sieger dem Besiegten auferlegt. Ich erinnere an den letzten russisch - türkischen Krieg. Nur dadurch, daß wir an der Jnter- vention theilnahnien, konnten wir die deutschen Interessen wahren. Wir haben gehandelt, nicht China zu Liebe und Japan zu Leide. Eine kräftig aufstrebende Nation wie Japan ist, welche durch unermüdliche Arbeit auf allen Gebieten erstaunenwcrthe ortschritte gemacht hat, die gezeigt hat, daß sie ein starkes chwert zu Wasser und zu Lande besitzt, darf immer auf die Sympathie Deutschlands rechnen.(Beifall.) Es wird auch gelingen, unscre kommerziellen Verhältnisse auf eine sichere feste Basis zu stellen. Wer wollte heute vorhersagen die Entwickelung, welche die oft- asiatischen Verhältnisse in der Zukunft nehmen werden. Wir müssen auf der Wacht sein, die vorhandenen Interessen zu schützen im Handel, Schifffahrt und in den Missionen, und wir müssen entschlossen fein, an der zukünftigen Entwickelung pari passu mit den anderen Mächten theilzunehmen, und zu dieser Aufgabe bedürfen wir einer starken Kreuzerflotte. Ich bin ehrlich genug zuzugeben, daß das Wort„uferlos", ausgesprochen in bezug auf unsere Kreuzerflotte. ein Körnchen Wahrheit enthält, wenn auch in einem anderen als dem gewöhnlichen Sinne. Man kann sagen, jede Aufgabe ist uferlos, insofern wir nie einen Punkt erreichen können, wo wir sagen können: hier ist Land; wir steigen aus und ruhen. Ein solcher Punkt besteht nirgend in der Politik, nicht in der Sozial- und nicht in der Wirthschaftspolitik. Da ist Stillstand Rückgang. So lange wir eine» Ueberschuß a» Menschen und an Produkten haben, so lange darf von unseren Wersten der Kreuzer nicht verschwinden, dessen Flagge bestimmt ist, jene Interessen zu schützen nach Maßgabe des Rechtes. Und wenn jemand die Frage an uns richtet: wie lange wollt ihr die Steuerzahler noch belasten, so werde ich die Gegenfrage stellen: Wo ist denn die Grenze für die Ausdehnung unserer Produktion und unseres Exports? Dessen dürfen Sie sicher sein, wir werden nicht an Ihre Schwärmerei und Phantasie, an Chauvinismus appelliren, sondern immer nur an nach- weisbare Bedürfnisse und an den gesunden Sinn, der die Opfer bringt, welche er für nützlich und noth- wendig hält im Gesammtinteresse. Es giebt unter den Deutschen draußen manche Elemente, welche weder Theilnahme noch Schutz verdienen, aber es giebt viele draußen, die wir dein Deutsch- thum erhalten können, wenn wir durch den Schutz, den wir ihnen geivähren, zu ihrem Herzen sprechen, wenn ,vir sie ermahnen. daß sie alle Zeit ihrer alten Heimath eingedenk sein sollen. Das ist eine gute deutsche Politik und für eine solche Politik wird der Iieichstag jeder Zeit die Mittel geivähren.(Beifall rechts und im Zentrum.) Abg. Bebel: Wenn wirklich Chauvinismus und Jin- goismus bei uns eine so fremde Pflanze wären, wie der Staats- sekretär meinte. wie könnte man denn hier und i» der Press« so ausgiebig über uferlose Floltenpläne sich unterhalten. Das Wort ist doch nicht vom Himmel gefallen; diese Bestrebungen aben auch bei denjenigen Parteien Unruhe und Gährung ervorgerusen. bis bisher geneigt waren, innerhalb gewisser Grenzen in Deutschland die Flottenentwickelung zu unterstützen, z. B. das Zentrum. Wären diese uferlosen Pläne im Gehirn bedeutungsloser und einflußloser Leute entstanden, dann wäre es lächerlich, wenn der Reichstag seine kostbare Zeit damit verbrauchte. Man liebt es, in den wichtigsten Fragen eine Art Versteckenspiel zu spielen und die Dinge nicht beim rechten Namen zu nennen. Was hat denn diese ganze Bewegung eigentlich hervorgerufen. Am 18. Januar feierte Deutschland die 2Sjährige Gründung des Deutschen Reichs. Bei der großen Festivität wurde eine Rede gehalten, in welcher es heißt, daß Deutschland ein Weltreich geworden sei und Weltpolitik treiben müsse. Sie wissen wer die Rede gehalten hat. Erst von diesem Augenblick an tauchten mit einem Schlage die userlosen Pläne aus zunächst in der Presse, die stets bereit ist, für Kolonial- und Flottenerweiterungs-Pläue einzutreten. Gestützt auf dieselbe Rede und unter Hinweis auf dieselbe werfen sich dann eine Anzahl von Männern für diese Pläne eifrigst ins Zeug. Wenn das. was in jener Rede angeführt worden ist, unser Bc- streben sein sollte, dann reicht das bei weitem nicht aus, was wir heute vom Bundesrathstische und in der 5kommission gehört habe». Mit jener Rede war mehr gemeint, es war darauf ab- gesehen, die deutsche Nation durch ihren Reichstag zu der Be- willigung zu veranlassen, die weit über das hinausgeht, was bisher die Majorität des Reichstages zu bewilligen nicht die Neigung hatte. In diesem Sinne haben jene Männer gearbeitet, dazu kam, daß einer der Männer, der in den letzten Tagen hoffentlich ein für alle Male abgethan ist, in ganz besonderem Maße sich in der Kolonialgesellschaft für diese Pläne ins Zeug warf. In der Presse thaten es die Herren Graf Dürckheim und Eissel aus Hamburg . Dann ist es aber auch in weiten Kreisen bekannt geworden, daß selbst Männer, die in der Marine eine gewisse Bedeutung haben, hinter diesen Plänen steckten und sie begünstigten. Der Staatssekretär des Marine- amts hat gesagt, es sei eine Unverschämtheit, einen Offizier der Marine in Gegensatz zum Reichskanzler zu bringen. Ich glaube, der Staatssekretär hat darunter zunächst sein eigenes Reffort verstanden und die Offiziere, die von ihm direkt ressortiren. Wir haben aber auch ein Marinekabinet, von dem ich nicht weiß, in welchem Subordinationsverhältniß das ftabinet zur Marineverwaltung steht. Auffallend ist, daß lange ehe der Name öffentlich durch die Zeitungen bekannt wurde, mir bereits bekannt war, daß der Chef des Marine- kabinets, Herr v. Senden- Bibram es war, der jene Personen intellektuell und moralisch unterstützte, die für seine sogenannten uferlosen Pläne eingetreten waren. Ich habe bis heute nicht gehört, daß dieser Herr jene Nachricht dementirt hat. Ist dem aber so, dann frage ich: was ist das für ein eigenthümliches Verhältniß in einer Regierung, wenn die offiziellen und verantwortlichen Personen in der Kommission nachdrücklichst erklären, daß sie von solchen uferlosen Plänen nichts wußten, sie bekämpften und auf der andern Seite eine Person in so hoher Stellung wie der Chef des Marinekabineis für solche Pläne eingetreten sein soll. Es hat überhaupt in der letzten Zeit den Eindruck gemacht, als sei nian manchmal da oben ganz im Unklaren, wer das entscheidende Wort zu sprechen habe und daß mitunter hinter den Kulissen sich Kämpfe abspielen zwischen den einzelnen mächtigen Personen, die ich wohl verstände, wenn wir uns am goldenen Horn befunden bei Sr. Majestät dem Sultan , die aber für zivilisirte und deutsche Verhältnisse höchst eigenthümlich sind. Der Reichstag muß wissen, ob es in der That möglich ist, daß gegen den ausgesprochenen Willen der Männer der Regierung noch Kräfte und Mächte vorhanden sind, die ihnen direkt entgegenhandeln und dadurch Verwirrung in der Oeffentlichkeit anrichten, daß die Regierung das Odium dieser userlosen Plän'. von sich abwälzen wollte», ist begreiflich. Der Staatssekretär irrt als Diplomat, wenn er glaubt, die Bekämpfung der künftigen sogenannten uferlosen Flottenpläne solle nur dazu dienen, die Nichtbewilligung der jetzigen Pläne zu rechtfertigen. Herr Fritzen wollte gerade jetzt das Extra- ordinarium unverkürzt bewillige», weil er jene uferlosen Pläne zurückweist. Die große Majorität des Reichstages wird Herrn Fritzen folgen. Nach den Ausführungen des Staatssekretärs stände Deutschland in bezug aus seine maritimen Interessen viel schlechter da als früher. Was haben wir denn in letzten zehn Jahren für die Marine aufgewendet?? Innerhalb der letzten 10 Jahre sind die dauernde Ausgaben des Marine-Etats von 36 2S6 000 M. auf 55 261 000 M., also um mehr als 50 pCt. gewachsen und trotzdem soll heule unsere Flotte weniger leistungsfähig sein! Ebenso verhält es sich mit den einmaligen Ausgabe». In diesen 10 Jahren hat der ordent- liche Etat an regelmäßigen Ausgaben 437 360 000 M. ver- schlungen, daneben sind an einmaligen Ausgaben 1 17 549 000 M. ausgegeben und die außerordentlichen Ausgaben dieses Zeit- raumes betrugen 138 266 000 M., sodaß sich die ge» sammten Ausgaben auf rund 693183 000 M. belaufen. Wenn sich trotzdem die deutsche Flotte in dem traurigen Zustand befände, wie dies der Staatssekretär hingestellt hat. dann fragt es sich, ob man dann noch in der bisherigen Weise weiter marschiren soll. Auf dem Gebiet des Militärwesens befinden wir uns schon in einer fortgesetzten Revolution in bezug auf die Bewaffnung, die Technik zc. und dies ist noch in viel höherem Grade bei der Entwickelung des Schiffbauwesens der Fall. Es ist auch nicht nothwendig in dem umfassenden Maße, wie es von verschiedener Seile geschehe» ist, für die Wahrung deutscher Interessen in fremden Welttheilen eine große Flotte zu haben. 19/£0 der Deutschen wandern nach Ländern aus, wo wir niemals ihren Interessen durch die deutsche Flotte Schutz gewähren können. Namentlich diejenigen, denen die Steuern im deutschen Reich zu hoch sind, die ivandern nicht»ach Marokka oder Chile , fondern nach irgend einer schönen Stelle der Schweiz oder des sonstigen Europas aus. Auch tritt die Nothwendigkeit zu Helsen zu ganz verschiedenen Perioden auf, so daß Deutschland auch mit einer verhältnibmäßig kleinen Kreuzerflotte seinen Interessen nach allen Richtungen gerecht werden kann. Falsch ist auch der einseitige Bau großer und kostspieliger Panzer und die Vernachlässigung von Kreuzerbauten, aber man gebe doch nicht dem Ausland den Anschein, als ob beim ersten leichtesten Angriff auf die deutsche Küste die deutsche Flotte kaum noch im stände sei. Widerstand zu leisten. Will man aber hier- mit die Bewilligungslust des deutschen Reichstages heraus- fordern, so muß ich dagegen protestiren. Das Wort „eivis rornanns sum" hat für die deutsche Reichs- regierung nicht zu gelten, obgleich es, wie ich fürchte, wenigstens eine sehr einflußreiche Person im Deutschen Reiche giebt. die diesem Grundsatz am liebsten Geltung verschaffen würde, eine Liebhaberei, wenn ich sie be- zeichnen muß, die, wenn der Reichstag die geringste Neigung hätte darauf einzugehen, uns in unabsehbare Ausgaben stürzen würde. Deutschland ist keine Seemacht, es ist nach seiner ganzen geographischen Lage und seinen ganzen diplomatischen und militärischen Verhältnissen«ine Landmacht. Es muß hauptsächlich und vorzugsweise sein Gewicht auf seine Landarmee legen. Die Armee hat allein an ordentlichen Ausgaben von 1886/87 bis 1895/96 die Summe von 4111372 000 M. ausgegeben, daneben an einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats 297 145 000 M. und an einmaligen Ausgaben des außerordent- lichen Etats 1 204 791 000 M., zusammen also in 10 Jahren die
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