Kapp-Tag und Voltstrauertag. Die Schmerzen der Kapp-Freunde. Der Amtliche Preußische Pressedienst schreibt' Am kommenden 16. März werden die republikanischen Organisationen in großen Kundgebungen der zehn- jährigen Wiederkehr des Tages gedenken, an dem das verantwortungslose und volksfeindliche Abenteuer Kopps an der Generalstreik-Abwehraktion des arbeitenden deutschen Volkes gescheitert ist. Gleichzeitig aber fällt in diesem Jahr(Sonntag Reminiecere) auch der Trauergedenktag, den seit einigen Iahren der„Volksbund für Deutsche Kriegsgräberfürsorge* zu veranstalten pflegt, auf den gleichen Tag. Dieses zufällige Zusammentreffen gibt rechtsstehenden Blättern Anlaß, die republikanischen Deranstal» tungen am 16 März als eine„Entweihung' des Trauergedenk- tages zu bezeichnen. Eine Große Anfrage der deutschnationalen Landtagsfrattion macht stch diese Anschauung zu eigen und fragt zugleich das preußisch« Staatsministerium, ob es zutreffe,„daß der preußische Ministerpräsident Braun die chauptrede auf dieser gegen einen großen Teil des preußischen Volkes beabsichtigten De» monstration halten werde,' und ob das Staatsministerium es billige. daß lein Präsident... an diesem Tage eine Demonstration führ«, die erneut den bedauerlichen Zwist im deutschen Volk« oertiefen müsie. Ohne der Beantwortung dieser Großen Anfrag« im Landtag im einzelnen vorgreifen zu wollen, sei zunächst festgestellt, daß es sich bei dem„Volkstrauertog' keineswegs um«inen staatlich anerkannten oder überhaupt öffent- lichen Gedenktag handelt. Die preußisch« Staatsregierung hat sich vielmehr bisher in jedem Jahre auf den Standpunkt gestellt. daß eine private Organisation, die sich zudem auf die ihr einmal gestellte Aufgabe beschränken sollte, weder das Recht besitzt, noch Anlaß hat, in Ueberspannung ihres Tatigkeitsbedürfnisses öffentliche Trauertag« anzusetzen. Das Staatsministerium glaubt vielmehr nach wie vor, daß die im gesamten deutschen Volk tief eingewurzelten traditionellen Toten-Gedenktage, wie der Totensonntag und in den katholischen Landesteilen Allerseelen in der würdigsten Weise die Bestimmung erfüllen, der im Weltkrieg gefallenen Brüder zu gedenken. Die Einheitlichkeit dieser wahrhast' volkstümlichen Gedenktage durch eigenmächtig« private Neuschöpfungen zu stören, liegt weder Anlaß, noch Bedürfnis vor. Es kann daher kein« Rede davon sein, daß die republikanischen Kund- gedungen am Sonntag, dem 16. März, also am historischen Gedenk- tage des Zusammenbruchs des Kapp-Putfches, beabsichtigt oder auch nur geeignet feien,«in Gedenken der Gefallenen des Weltkrieges zu stören. Zu dieser Auffassung kann man auch nur kommen, wenn man, wie die deutschnational« Landtagsfraktion, diese Kundgebungen als„Klaffenkompf-Demonstrationen' herabzusetzen sucht, und wenn man weiter glauben machen will, daß sie sich „gegen einen großen Teil des deutschen Volke» wenden'. Die republikanischen Kundgebungen am 16. März wenden stch nicht negativ oder von irgendeinem Interesienstandpunkt cm» gegen deutsch « Bolksgenossen, sondern dienen der Er- Neuerung und Bekräftigung des Treuegelöb- nisfes zur Deutschen Republik, zum Volksstaat, das die Massen vor zehn Iahren durch die einmütig« Abwehr eines ver- brecherischen Experiments durch die Tat abgelegt haben. Denn irgend jemand dies« Kundgebungen a>« gegen sich gerichtet ansieht und sich dadurch betroffen fühlt, so können dos nur solche Kreise sein, die n o ch in dem Gedanken- gängen der Anstifter und Mitläufer des Kapp. Abenteuers leben und denen es zum Lieblingsgedonken geworden ist, unter der Maske nationaler Interessen Währung den schwer genug erkämpften Wiederaufftieg de» deutschen Volkes durch ein««ahnwitzige Desperadopolitik erneut zu gefährden und zu unter- brechen. Denn die deutschnational« Landtagsfraktion diese Kreise mit der Bezeichnung„ein großer Teil des deutschen Volkes' charakte- risicren will, so Legt hier der Denkfehler der Argumentation der deutschnationalen Landtagsfraktion offen zutage.
Die Miitelstandsretier. Der WeMavf um die Mittclstantft-fiimmen. In der Frsitagsitzung des Landtag « wurde dh General. debatte über den chandelsetat zu Ende geführt. Sie de, stand aus dem üblichen Wettlauf der bürgerlichen Mttelpar- teien um die Handwerker- und Kleinhändler stimmen. Jeder Redner des Zentrums, der Dolkspartei, der Deutsch nationalen, der W i r t s cha f t S p a rt e i und der zahllosen Splitterparteien sucht« den Rekord an Forderun. gen zur Mittelstandsretlung zu erreichen, auch dann, wenn diese Forderungen nur durch Schädigung viel breiterer Volksmassen zu erfüllen wären. Eine Ausnahm« machte nur der Zentrums- arbeiter Metzinger, der der Gesamtheft der bürgerlichen Parteien dh-ve Arbeitersetndlichkeit, ihre G e w e r k- schaftsfeindlichkeit und ihren Mangel an Nächstmlieb« gegenüber dem Arbeitsmann eindringlich vor Augen führte. Auch der preußisch« Handetsmimster Dr. Schreiber, so leidenschaftlich er für den selbständigen Kleinhandel und Handwerter kämpft, tonnte doch nicht ohne all« Vorbehalte mftgehen. Daß z. B die Bäckerlnnungen von ihm oerlangen, er solle die Speise- an st alten der Großbetriebe bekämpfen, damit die Arbeiter kein warmes Mittagessen mehr bekommen können, sondern gezwungen sind, Brot zu essen, ging doch selbst Ihm über die Hutschnur! Das Geschwätz über Warenhäuser und Konsumver- eine, soziale Lasten, Gewerbe st euer und die andsren Ladenhüter der Mittelstandsretterei im einzelnen auszuführen. wäre unlohnend. Am Sonnabend wird sich die Debatte dem etwas fruchtbareren Gebiet des gewerblichen Unterrichtswesens zuwenden. Die Maske fäll,. Ehrifilidle und völk.sche Gewerkschosten entstüllen sich. Wien . 14. März.(Eigenbericht.) Di« gemeinsame. Abwehrfront aller Gewerkschaften gegen das Antiterrorgesetz wurde von den christlichen und völkischen Sewerk- fchasten gesprengt. Diese beiden Organisationen hoben der Arbeiterkammer mftgeteilt. daß sie an den weiteren Beratungen dieser Institution nicht mehr teilnehmen werden. Die freien Ge- wertschaften beantworteten diesen Dolchstoß mit der Erklärung, daß sie jetzt allein den Kampf energisch weiterführen werden. Zn Jerusalem wurden bei einer verbotenen Nersamm- lung vier Juden und dreizehn Araber, sämtlich Konnministen, ver- hastet, Broschüren und Schriftstücke beschlagnahmt.
Ketzerverbrennung.
Oesselbigen gleichen die Hohenpriester des Hakenkreuzes verspotteten ihn unter einander und sprachen: Er hat andere gerettet und kann ihn selber nicht vor uns retten. Krankreichs Sozialversicherung. Oer Kampf im Senai.
pari». 141 März.(Eigenbericht.) Der Senat hat die Sifyphusarbeft an der Gesetzesnovelle über das Sozialoersicherungsgesetz fortgesetzt. Es fehlte nicht an Der- suchen der Reaktion, das ohnehin schon reichlich verstümmelt« Gefetz noch einer zweiten Revision zu unterziehen, bis schließlich von der mit so viel Lärm angekündigten großen Sozlatreform nur noch der Namen übrig bliebe. Immerhin blieben diezmal die Linke und das linke Zentrum den Sabotageversuchen gegenüber fest, so daß die zur Diskussion stehenden Kapitel ohne wesentliche Abänderungen angenommen wurden. Bon den wichtigeren Artikeln, die erledigt wurden, sei Z 1 des Artikels. 2 erwähnt, der bestimmt, daß die Mittel für die Sozialversicherungskasse«, sofern sie nicht staatliche Zuwendungen sind, zur hälft« von den Unternehmern. zur Hälfte von den Arbeitern ausgebracht«erden sollen, bei den letzteren durch Abzüge vom Arbeitslohn. Was die vielumstrfttene Frage der Einteilung der Arbetter in vier Gehallskategorien betrifft, log«in sozialistischer Ausatzantrag vor, auf Vermehrung der Lohnfosien von vier auf fünf. Infolge Ab»
Wesenheit des Antragstellers wurde der Antrag an die Kommission zurückverwiesen. Ein Antrag des sozialistischen Teno- tors Diolin, die Altergrenze für den Anspruch auf Altersver» sorgung vom 6S. Jahre auf Wunsch der Arbeiter beliebig hinaus- zuschieben, wurde trotz der entrüsteten Proteste der Rechten� des Arbeitsministsrs und sogar des Berichterstatters, die von dieser selbstverständlichen Konzession an die Arbeitswilligteit der Beteronen eine„Bedrohung des Staatshaushalts' fürchteten, mit knapper Majorität angenommen Darauf beantragte der Re- aktionär Michel die Schaffung' der obligatorischen Kranken- lassen aus«inen späteren Zeitpunkt zu verschieben, und sich vorderhand mft der Gründung weniger H i l f s k a s s« n zu begnügen. Michel begründete seinen Antrag dawft, daß in sämtlichen Ländern mit obligatorischen Krankenkassen Mißbräuche zu verzeichnen seien und daß ihre Schaffung in Frankreich „eme schwer« Belastung für den Handel' wäre. Man dürfe Simulanten und«ingeblldeten Kranken keinen Vorschub leisten, schloß diese Rede. Es gereicht dem Senat zur Ehre, daß er diesen Antrag mit der überwältigenden Mehrheit von 235 gegen 33 Stimmen ablehn te. Der Artikel über die Krankentassen wurde sodann angenommen und die Wefter- beratung vertagt.
Vor zehn Jahren. Die Abstimmung in Schleswig . Ministerpräsident Braun hat an den Oberpräsidenten von Schleswig-Holstein , Kürbis, folgendes Telegramm gesandt: Die Preußische Staatsregierung gedenkt mit Dantbarteft des Tages, an dem vor zchn Iahren die Bevölkerung der zweiten Abstimmungszon« ihre Treu« zum deutschen Vaterlande und zur deutschen Kultur durch die Tat bekundet und damit auch den ausge-wunganen anderen Volksabstimmungen an der deutschen Grenz« ein leuchtendes Beispiel der Treue gegeben hat. Möge der Geist jener Tag« fortwirken zur Festigung des deutschen Gemeinschaftsgefühls und mft Schleswig-Holstein das gesamte Baterland auch über wirtschaftlich ernste Zeiten, wie wir sie jetzt durchleben, hinwegtragen zu neuer Blüte. An der Hilfe der Preußischen Regierung dazu wird es nicht fehlen.
Gelbstironie. Was versteht die VayerifÄe Dolkspartei unter Politik? München , 14. März.(Eigenbericht.) Der Dorsstzende der Bayerischen Bolkspartei. Abg. Sch äffer. verteidigt in einem Artikel der„Bayerischen Volkspartei-Korrespon- denz' die Haltung der Reichstagsfraktton be« der Abstimmung über die Haoger Abkommen und erklärt das Nein der Mehrheft mft dem Hinweis, daß die Mehrheft der Fraktion zuletzt aus dem Standpunkt stand, daß es In einer so großen historischen Entscheidung nur ein Ja oder Nein geben könne, und daß man eben, wenn man nicht ja sagen könne, nein sagen muß. Eine politisch« Bedeutung komm« diesem Ver- halten nicht zu. Die Fraktion der Bayerischen Dolkspartei werde stch deshalb im Reichstag weiterhin für«ine Ueberwindung der Kassenschwierlgkeften und für ein« dauernde Sanierung der Finanzen einsetzen. Sollt« sie die Erfahrung machen, daß der Reichs- tag sich nicht in der Lage sieht, innerhalb der notwendigen und auch durch das Wort des Reichspräsidenten umschriebenen Frist von ganz wenigen Wochen die gestellte Ausgabe zu lösen, dann werde der Zeit- punkt gekommen fein, in dem die Bayerisch « Dolkspartei die letzte Konsequenz ziehen und sich offen von der Regierung Müller trennen müßte.___ Gegen den Alkohol. Kundgebung des deutschen ArbeiterabstinentenbundeS Der Deutsche Arbeiter-Abstinentenbund ver- anstaltet« am Frei'ag eine öffentliche Kundgebung. Als erster Redner wandte sich Reichsinnemninister Genosse S« v e r! n g gegen das Anwachsen des Alkohholkonsums, der in immer stärkerem Maße die deutsche Wirtschaft' belaste. Kultusminister Genosse Grimme führt« nach chm aus, daß es Aufgabe eines Kultus. Ministers sei, mft der ArbeUerabstinentenbewegung zusammen- zugehen. Er Hobe sein Vertrauen auf die heranwachsend« Arbeiter- jugenb gestellt. Reichstagsabgeordnete Genossin Iucchacz sprach über die Stellung der Frau zum Alkoholproblem. Reichstags- abgeordneter Genosse S o l l m a n n erklärte zum Schluß, es sei ein. Ereignis von geschichtlicher Bedeutung, daß zum erstenmal zwei!
aktiv« deutsche Minister in einer öffentlichen Kundgebung Stellung zur Alkoholfrage nehmen. Die Arbefterschast könne stelz darauf sein, daß es zwsi sozialistische Minister seien. Bombenprozeß in Aliona. Landgericht l erklärt sich für unzufländig. In der Boruntersuchung gegen die Sprengstoffaftentäter hat die Strafkammer des Landgerichts I in Berlin auf Antrag der Staate - anwaltfchaft sich auf Grund des Ergebnisses der Voruntersuchung für die Aufklärung der Sprengstoffanschläg« in Winsen , Beidenfleth , Wesselburen , Itzehoe , Oldenburg , Niebüll , Schleswig , sowie der drei Lüneburger Attentate für unzuständig erflärt. Die Akten werden jetzt der Staatsanwaltschaft in Altona übersandt werden. Dia Voruntersuchung wegen der Reichstagoattentate wird beim Landgericht I Berlin fortgesetzt._ Gandhis Aktion. D.ldvng eines Kriegsrats. Achmedabad. 14. März. Zur Organisation des passtoen Widerstandes ist in Poona ein „Kriegsrat' ins Leben gerufen worden. Bisher hoben sich diesem Kriegsrat etwa 100 Freiwillige zur Verfügung gestellt, mit deren Hilfe in der Nähe von Bombay Salz aus dem Meerwafser gewonnen werden soll. Gandhi ist heute mit seinen Gefährten in dem Dorfe Wosna eingetroffen. Auf Grund seines Appells haben Eingeborene ihr« Posten als Pollzeibeomt« niedergelegt, und die Bewohner der Dörfer haben sich oerpflichtet, solch« Posten nicht anzunehmen. In einer Rede forderte Gandhi die Eingeborenen auf. nur selbstgewebte Kleider zu tragen und neue Freiwillig« zu stellen. Gandhi dürfte bei Innehalwng der jetzigen Tagesetappe, nicht vor dem 1. April in Dandi eintreffen, wo die ungesetzliche Solzgewinnung vor sich gehen soll. Oie Fafchistenspihelei. Schweizer Llntersuchung beendet. Bern . 14 März.(Eigenbericht.) Das Bunbesgericht hat seine Untersuchung über die safchistisch« Spitzelei abgeschlossen und die Akten der Regierung übersandt. Offiziös wird dazu mftgeteilt, daß es sehr schwierig sein würde, gesetzliche Bestimmungen zu finden, auf Grund deren man di.' entdeckten Spitzel bestrafen konnte. Nach dem Schweizer Strafgesetz, buch ist nur militärische Spionage strafbar, während di« entlarvten Spitzel Berichte über politische Persönlichkeiten nach Italien lieferten. Man wird die Spitzel italienischer Staatsangehörigkeft sicherlich ausweisen, während di« Schweizer Staatsangehörigen vor- läufig mit der moralischen Verachtung, die ihnen von Assen«nt- gegengebracht wird, davon kommen dürften. Da» Reichsgericht oerurteilte den Schriftleiter Richard Schulz. Berlin von der„Roten Fahne' wegen Vorbereitung zum Hochverrat dem Antrage des Reichsanwalts entsprechend unter Zubill gung der Ueberzeugungstätcrschast zu 1 Jahr 3 Monaten Festungshaft.