flrengung e5 nur auf 48 Stimmen brachten. Bei der vor vierJahre» erfolgten Wahl blieben die Gegner mit 63 StimmenSieger über unseren Kandidaten, der nur 32 Stimmen erhaltenbatte. Das überaus günstige Resultat vom Dienstag mögen alleParteigenossen sich vor Augen führen, die im ersten Bezirkwohnen. Auch dort ist bei einigermaßen guten» Willen der Siegunseres Kandidaten möglich. Di« Stichwahl im ersten Bezirkfindet am Freitag, den 27. März, von 11 bis 2 Uhr im SchloßWeißensee(Wintersaal) statt.Bei der Gemeinderathswahl in Britz sind unsereKandidaten den vereinigten Gegnern unterlegen.In Adleröhof hat die Volksversammlung, welche sich am16. d. Mts. mit der am nächsten Montag stattfindenden Gemeinde-rathswahl beschäftigte, den Parteigenossen Ernst Laube,Stuckatcur, Hoffmannstr. 7. als sozialdemokratischen Kandidatenaufgestellt. Es ist Pflicht jedes Parteigenossen, sich an der am23. März, nachmittags von 4 bis 6Vs Uhr in Lenpold's Restaurantstattfindenden Wahl zu betheiligen.Parteigenossen Schönebcras! Die Gemeindeivahlen findenam Freitag, den 2 6. d. Mts. von 11— ö Uhr statt.Wohlberechtigt ist jeder, der das 24. Lebensjahr erreicht hat, einJahr im Orte wohnt und wenigstens 4 M. Steuern jährlichzahlt. Parteigenosse» Z Unsere Gegner lassen sich keine Müheverdrieße», um auch die Mandate der dritten Wählerabtheilungfür sich zu erlangen. Wenn auch die Wahlzeit für die meiste»von Euch sehr ungünstig liegt, so möge doch niemand die Müheund den Zeitverlust scheuen, seine Parteipflichl dadurch zu er-fülle», daß er sich nicht nur selbst an der Wahl betheiligl, sondernauch säumige Wähler zu derselben heranzieht. Allen gegnerischenMaßnahmen zum Trotz müssen unsere Kandidaten WilhelmB ä u m l e r und Hermann K ö st e r als Sieger aus der Wahlhervorgehen. Das kann aber nur geschehen, wenn Ihr Mannfür Mann Eure Schuldigkeit thut! Heut Abend findet eine Ver-sammlung zum Zweck der Gemeindewahl bei Obst, Grüne-w a l d st r a ß e 110, statt.Der sozialdemokratische Verein Vorwärts in Rixdorfhat in diesem Winter den Versuch gemacht, in Theaterabendenseinen Mitgliedern Anregung zu bieten. Der überaus gute Besuch,den die zwei bis jetzt veranstalteten Vereins-Vorstellungen gefundenbaden, lehrt, daß dies Bemühen erfreuliches Verständniß findet.Ans die letzte Vorstellung dieses Winters, die am nächsten Sonn-tag veranstaltet wird, machen wir ganz besonders aufinerksam.Näheres darüber findet sich im Jnseratentheil der heutigenNummer.Der glänzende Sieg der Sozialdemokratie bei der Rix-dorfcr Gemeindewahl hat unsere Gegner ganz perplex gemacht, sodaß dieselben sich auch in der U. Abtheilung nur schwach an derWahl betheiligten. In dieser Abtheilung wurden die aus-geschiedenen Vertreter. Nechnungsrath Marggraff und Weber-meister Rahmig, wiedergewählt, desgleichen in der I. Abtheilnngdie bisherigen Gemeindeverordneten Ziegra, Daber und Fischer.— In der III. Abtheilung wird nochmals gewählt werden müssen,da Genosse F r e e s e nicht Hausbesitzer ist.Zu dem ans der Tagesordnung der nächsten Sitzungder Stadtverordneten- Versammlung stehende» Etat derstädtischen Straßenreinigung ist vom Stadtverordneten Jacobisolgender Antrag eingebracht worden: Die Versammlung wollebeschließen, den Magistrat zu ersuchen, den Lohn der Hilfsarbeiterbei der Straßenreimgung von 2 Mark aus 2.25 Mark pro Tagzu erhöhen.Die Berliner Polizei schien bei Gelegenheit der Kranz-niederlegung im Friedrichshain einen kleinen Fangmachen zu wollen. Der Träger des von den sozialistischenStudenten gestifteten Kranzes wurde beiseite genommen unddann notirte man Namen nebst Wohnung von ihm. Auchwünschte man zu wissen, w e r den Auftrag zur Niederlegnngdes Kranzes gegeben habe. Selbstverständlich war die Polizei-liche Liebesmüh umsonst, da vorsichtsweise solche Personenmit der Niederlegung betraut waren, denen weder die Polizeinoch die akademischen Behörden etwas anhaben können. Ausdem Auftreten des Polizeilieutenants ging hervor, daß man aufdiesen Kranz besondere Aufmerksamkeit legte.Weuu zwei dasselbe thuu, ist es uicht daffelbe. Wirhatten schon öfter Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß dieSchöneberger Polizeiorgane mit größter Strenge darauf achten,daß die für Arbeiterlokale auf 16 Uhr festgesetzte Polizeistundenicht überschritten wird, und daß sogar die Versammlungenunserer Parteigenossen beim Eintritt dieser Polizeistunde regel-mäßig aufgelöst werden. Dem sozialdemokratischen Wirth undfeinen Gästen würde es theuer zu stehen kommen, wenn sie sicheinfallen ließen, nach ausdrücklicher Aufsorderung einesBeamten munter weiter zu zechen. Das nicht überall mit derhier angeführten Strenge vorgegangen wird, beweist folgenderFall: Am Sonnabend, den 7. d. M.. bemerkte ein Nacht-wächter, daß im Restaurant»Zum Albrecht Dürer"am Dürerplatz noch gegen 1 Uhr Gäste anwesend waren, ob-gleich das genannte Lokal nur bis 12 Uhr Konzession hat.Pflichtschuldigst ging er deshalb hinein und erinnerte den Wirthdaran, daß auch für ihn bereits die Polizeistunde eingetretensei und sein Lokal geschlossen werden müsse. Zu seinem Staunenbemerkte er unter den späten Gästen auch seinen Vorgesetzten.den Herrn Polizei-Jnspektor. Der Wächter trat daraus denRundgang durch sein Revier an, von dem er um Vs2 Uhr zurückkehrte, das Lokal immer noch offen fand und drinnen den HerrnPolizeuJnspektor im Kreise der übrigen Gäste. Nochmals gebotder Wächter Feierabend. Als er aus der Straße wartete, ob manseiner Anordnung nachkäme, trat der Polizei-Jnspektor an ihnheran, und forderte ihn aus. ihm zur Wache zu folgen. Hier an-gekommen, mußte der Wächter seine Waffen abliefern und dann wurdeer durch den Polizei-Jnspektor vom Dienste suspendirt. AmVormittag des nächsten Tages untersuchte der AmtSvorsteherdiese Angelegenheit: das Resultat der Untersuchung mußdoch wohl für den Wächter ein günstiges gewesen sein, denn ihmwurden sogleich seine Waffen wieder überreicht und der Mannversieht nach wie vor seinen Dienst.Ter konfiSzirte Uhland. Mit der zunehmenden Bedeutungder Sozialdemokratie steigt naturgemäß auch die Besorgniß, welchedie Machthaber im Polizeistaate vor der Kunst Gutenberg's hege»,wenn diese im Dienste der Freiheit geübt wird. Das zeigt sicham deutlichsten alljährlich an den Gräbern der Märzgefallenen,allwo die Zensur diesmal in geradezu unglaublicher Weise ge-waltet hat. So hat von dem Kranze, den die sozialdemokratischenFrauen und Mädchen widmeten, der folgende Gedenkspruch ab-geschnitten werden müssen:„Der Dienst der Freiheit ist ein strenger Dienst.Er trägt nicht Gold, er trägt nicht Fürstengunst,Er bringt Verbannung, Hunger, Schmach und Tod;Und doch ist dieser Dienst der höchste Dienst."Welcher deutsch« Dichter ist nunmehr noch vor der Polizeisicher?Auf dem Domba» ist abermals ein Unglück passtrt. DemZimmerer P. fiel am gestrigen Vormittag L'/e Ubr ein etwa4 Pfund schwerer Haminer aus der Hand, als er auf einergroßen Leiter in schwindelnder Höhe eine Arbeit zu verrichtenbatte. Das herabfallende Werkzeug traf leider den ZimmererFink, Martannenufer 4, so unglücklich an den Vorderkopf, daßeine 8 Zentimeter lange Wunde entstand, die auf der Sanitäts-»vache zugenäht wurde. Fink wird länger« Zeit arbeitsunfähigbleiben.Die überaus gefahrvollen Arbeiten am Zehnnüllionen-Dombau fordern Opfer über Opfer. Dabei ist der Lohn.den die Zimmerer zum Beispiel erhalten, kein höherer, alsder an privaten Bauten gezahlte; und wenn die Arbeiter die zuder Gefahr, der sie fortdauernd ausgesetzt sind, in gar keinemVerhältnisse stehende bescheidene Lohnerhöhung auf 66 Pf. fürdie Stunde verlangen, so müssen sie an dem dereinst der christlichen Menschenliebe zu weihenden Institut erst ausständig werden.Erst nach hartnäckigem Kampfe haben sich die Unternehmer be-kanntlich dazu verstanden, wenigstens einen Stundenlohn von55 Pf. zu zahlen.Außer den immer noch mangelhaften Abdeckungen, die selbstnach dem gelegentlich des letzten tödtlichen Unglücksfalles erfolgtenAusspruch eines Regierungsbaumeisters noch recht der Verbesserungbedürfen, schreiben die Arbeiter die vielen Unfälle wesentlich demintensiven Ausbeutungssystem zu, das die Unternehmer am Dom-bau üben. Es herrscht dort die bekannte Einrichtung der Vormänner, die einen un» 2Ve Pf. erhöhten Stundenlohn erhaltenund dafür die Pflicht haben, die sechs oder sieben Mann, überdenen sie stehen, zu möglichst schnellem Schuften anzuhalten. Sosieht es an einem evangelischen Kirchenbau aus, den der Staatmit bislang unerhörter Pracht ausführen läßt. Ein Zeitbild, dasauch der frömmsten Seele zu denken geben sollte.Schwindel mit— X- Strahlen. Die in einem hiesigenTheater vorgeführte photographische Aufnahme einer Hand„durch X-Strahlen in fünf Minuten" ist dem„B. T." zufolgeein plumpes Zauberkunststückchen. Am Sonnabend begab sichinfolge der Aufforderung des Mr. Chambly ein Zuschauer aufdie Bühne, um seine Hand photographiren zu lassen. Es wurdeder Abklatsch einer linken Hand ohne Ring(nur solche Händeeigneten sich für die Aufnahme!) in der angeblichen Kassette her-gestellt und dann nach fünf Minuten dem Publikum als Röntgen-Photographie die Hand des betreffenden Herrn vorgezeigt.Mr. Chambly hatte aber leider damit nicht gerechnet, daß das„Medium" ein Sachverständiger war. der sich in der innerenHandfläche zwei Nadeln befestigt hatte, und so war die Be-stürzung des„Entdeckers" groß, alS der Herr, dessen Hand an-geblich photographirt worden war, erklärte, die„Photographie"sei nicht die seiner Hand, da sonst die Nadeln deutlich ersichtlichsein müßten. Mr. Chambly suchte durch Ausreiben das Bild zuverwischen, wurde aber hieran gehindert, so daß nun dasRäthsel der neuen Erfindung als gelöst zu betrachten ist.Zur Ermordung der Clara Galle wird berichtet: Dervon der Kriminalpolizei eingeholte Arbeitsnachweis des„BerlinerLolalanzeigers", grund dessen die Ermordete etwa eine Stellunggefunden haben konnte, ist auf seinen Inhalt genau geprüftworden und es sind entsprechende Nachforschungen bei sämmt-lichen derartigen Inserenten angestellt worden. Diese Recherchenhaben zu dem Ergcbniß geführt, daß die Galle nicht auf arundeiner Annonze verschleppt worden ist.— Ebensowenig ist dieAnnahme, daß der Mord von einer Person, welche der G. näherstand, ausgeführt worden sei, gerechtfertigt.Die Untersuchung gegen die des Gattenmords verdächtigeWittwe A»i g u st e S ch e i d n e r in Rixdorf ist nunmehr ge-schlössen und sind die Akten der kgl. Staatsanwaltschaft amLandgericht II behnss Erhebung der Anklage zugestellt worden.Der mit der Untersuchung der Leicheutheile des verstorbeneuTöpfermeisters Scheidner betraut gewesene GerichtschemikerDr. Bein in Berlin hat sein Gutachten dahin abgegeben, daßnach seiner Ansicht ein Giftmord vorliegt. In derBauchhöhle der Leiche wurde eine größere Quantität Zink ge-fuuden, woraus geschlossen wird, daß die Vergiftung durch Zink-vitriol erfolgt ist. Vorläufig bleibt die Verhaftete noch bei ihremhartnäckigen Leugnen und versucht neuerdings, Geistesgestörtheitzu simnlireu.Ein Brand in dem Hause des Steru'scheu Konscr-vatorinms» Wilhelmstr. 20, allarmirte gestern Morgen G3/» Uhrdie Feuerwehr. Im zweiten Stocke deS Quergebäudes war einerhebliches Schadenfeuer ausgebrochen und hatte bei Ankunft derteuerivehr bereits einen größeren Umfang angenommen. Dereuerivehrmann Nebel, der im Hause wohnt und dienstfrei war,nahm den Brand zuerst wahr. Er drang über die durch denQualm nahezu unpassirbareu Treppen in die Wohnung ein,rettete eine Frau, welche krank zu Bette lag, und weckte dieübrigen Bewohner. Die Arbeit der Feuerwehr, die bald daraufeintraf, leitete Brandnieister Leybold. Der Schaden, der durchden Brand entstanden ist, ist bedeutend, jedoch durch Ver-sicherung gedeckt. Ms Gntstehungsnrsache nimmt man Un-Vorsichtigkeit an.Drei Leichen unbekannter Personen sind gestern in der Spreeund in den Kanälen gefunden worden.WittcruugSiibersicht vom 18. März 189«.Wetter-Prognose für Donnerstag, den 19. März 1896.Nachts etwas wärmeres, am Tage kühleres, veränderliches,vielfach wolkiges Wetter mit Negensälleu und frischen westlichenWinden. Berliner W e t t e r b u r e a».MxmXt und MMenPchsfk.In der Angelegenheit deS Schiller-Theaters wird unsvon dem Vertreter von Wallner's Erben, Herrn Heinrich Wallner,Schleswiger Ufer 14, geschrieben: Die Differenzen über diePachtverlängerung mit Wallner's Erben sind nur dadurch ent-standen, daß die Direktion deS Schiller- Theaters von der bis-hcrigen Pacht einen Nachlaß von niehr als 16 666 M. verlangte.Da die Pachtsumme infolge der früheren mißlichen Verhältnissedes Wallner-Theaters schon eine sehr geringe ist, konnten dieBesitzer ans eine Herabsetzung nicht eingehen.— Es liegen unsverschiedene zumeist sehr günstige Offerten vor, über die wir inkürzester Zeit Mittheilung machen können.Der Schriftsteller Ernst Wichert vollendete am 11. Märzsein 65. Lebensjahr und hat deshalb als Kammergerichtsrath vonder gesetzlichen Befugniß der Beamten, bei diesem Alter auch ohneJnvaliditätsnachweis die Versetzung in den Ruhestand nachsuchenzu dürfen, Gebrauch gemacht, um demnächst ganz seiner schrift-stellerischen THSIigkeit zu leben. Er war im Oktober 1353 inden Dienst getreten und wird zum 1. April d. I. pensionirt.Bertha v. Snttner'S„Die Waffe» uieder" wurde ineiner sehr geschickten Dramatisirung von Karl Pauli am KottbuserStadttheater zum ersten Male aufgeführt und hinterließ einenstarken Eindruck beim Publikum.Otto Roquette, der Dichter von Waldmeisters Brautfahrt,ist am 13. März in Darmstadt gestorben.Aus London wird der„Voss. Ztg." berichtet: DemDr. Hall-Edwards in Birmingham ist es gelungen, die Röntgen-Strahlen ganz durch den Körper eines Erwachsenen dringen zulassen und däs Rückgrat und Rückenmark von vorn abzuphoto-graphiren. Dr. Hall-Edwards ist auch so weit gelangt, mittelsder Röntgen'schen Strahlen in Zeitungen versteckte, mit Siegel-wachs umgebene Münzen zu entdecken, wie es häufig geschieht, umetwas Porto zu sparen. Mit seinem Apparat kann er Gegenständeerkennen, auch wenn sie hundertfach mit Papier umschlungensind.— Auf dem Gute Cams Hall in Hamshire hat man in einemalten Schrank ein Packet werthvoller Bücher ausgesunden. Unterihnen besindeu sich einige Caxton's, die von 1474—94 datiren.Sie sind sämmtlich trotz ihres Alters wohlerhalte». Die Einband«decken sind allerdings etwas von Würmern zernagt, die Blätterselbst sind aber so weiß und rein, als ob sie eben aus der Drucker-presse kämen. Eine der ältesten Caxton'schen Ausgaben ist„Justinians Law". Dieses Buch scheint kaum geöffnet wordenzu sein. Vor wenigen Jahren erzielte die zweite Auflage diesesWerkes in London einen Preis von 1666 Lstr.Gevirfiks Leitung.Ter frühere Amtsdiener, jetzige Restaurateur HeinrichSchmidt ans Rixdorf war bekanntlich wegen Aus-schreitungen im Amte vom Landgericht II Berlin z» 2 JahrenGefängniß verurtheilt worden. Hiergegen hatte Schmidt Re-vision eingelegt und das Reichsgericht hat jetzt derselben insofernstattgegeben, als es das erste Urtheil aufgehoben und die Sachezur nochmaligen Verhandlung an die erste Instanz zurück-verwiesen hat.Ans Münster wird vom Mittwoch berichtet: In demProzesse B e ck m a n n wegen des Einsturzes des Spinnerei-gebäudes in Bocholt, bei welchem 22 Personen ums Leben kamen,wurde heute das Nrtheil verkündet. Dasselbe lautet gegen Beck-mann auf neun Monate Gefängniß unter Anrechnung von dreiMonaten Untersuchungshaft. Der Bauunternehmer Hülskampwurde freigesprochen. Die Ursache des Einsturzes seien diemangelhasten Fundamente gewesen.Von den Sitten der guten Gefellschaft. Das DuellS e i d e» st i ck e r- B o r ch e r t, in welchem der PremierlicutenantSeidensticker getödtet wurde, bildete am 14. d. M. den Gegen»stand der Verhandlung vor dem Schwurgericht in Königs-b e r g. Der Angeklagte Gerichtsassessor Borchert,machte, wie die„Hartung'sche Zeitung" berichtet, über die Bor-geschichte und de» Verlauf des Duells folgende Angaben: Erhabe am 2. Februar einen vom kaufmännische» Verein veranstalteten Maskenball besucht. Gegen 4 Uhr morgenssei er nach dem B ö r s e n t n n n e l gegangen, um da-selbst einige Erfrischungen einzunehmen. Ei» ihm un-bekannter Herr— es war dies der L i e u t e» a n t Seiden-st i ck e r—, der mit ihn» an einem Tische saß, habeihn. als er schon im Gehen war, in ziemlich derberWeise in das Gesäß gekniffen und ihn, zugerufen:„Bringen Sie mir ein Glas Bier!" Er sei über das Benehmendes Herrn anfangs sprachlos gewesen und habe denselben in er-regier Weise zur Rede gestellt, wobei ihm jedoch nur ein wieder-holtes höhnisches Lächeln zu theil geworden wäre. Auchseil, wiederholtes Ansinnen, die Beleidigung zurückzunehmen,wurde zurückgewiesen. Nunmehr, denn auch jetzt habe der Herrnoch nicht reagirt, sei er der Ansicht gewesen, einen nichtsatisfaktiousfähigen Herrn vor sich zu haben, und habeinsolae dessen den Tunnel verlassen wollen. Unterwegs habe erden Kaufmann Werner, der ihn suchen wollte, getroffen undihm Miltheilung von dem gemacht, was geschehen sei.Werner hätte geäußert, daß er, der Angeklagte, eine derartigeBeHandlungsweise sich nicht gefallen lassen dürft. Werner habeden Herrn auch angesprochen und demselben gesagt, er verdienees eigentlich, hinausgeworfen zu iverde». Der unbekannteHerr, welcher mit zwei anderen am Tische gesessen, habe auchjetzt noch immer ein höhnisches Lächeln zur Schau getragen.Nunmehr habe er, der Angeklagte, seinen Gegiier aufgefordert,den Tunnel zu verlassen und ihn, nach der Treppe zu folgen,was auch geschehen sei. Noch im Tunnel habe er, der An-geklagte, in seiner kolossalen Erregung seinem Gegner die Worte„Lümmel",„louismäßiges Betragen",„ L u in p"entgegengefchleudert. Draußen im Flure hätte der Gegnerihn ausgefordert, die gefallenen Ausdrücke nochmalszu wiederholen, was er auch g e t h a n habe. Nun-mehr hätte er, der Angeklagte, seinen Namen und Stand genanntund ein gleiches auch von seinem Gegner verlangt, waS dieserjedoch nicht gethan habe. Auf seine Frage, wo er ihnmorgen treffen könne und wer sein Kartcllträger sei, habe er nurausweichende Antworten erhalten. Nunmehr habe er sichin der Absicht, seinen Gegner zn stellen, nach dem Garderoben-raun, begeben, daselbst auch den Lieutenant Seidensticker an-getroffen und ihn aufgefordert, ihm zu sagen, wer sein Kartell-träger sei. Darauf habe Lieutenant Seidensticker geantwortet:„Lassen Sie mich in Ruhe, Sie sind ja verrückt!"Auf diese Aeußeruug hin habe er, der Angeklagte, seinemGegner vier Ohrfei'gcn versetzt. S. wäre zwar sofortwieder aufgesprungen und hätte sich auf ihn gestürzt.Fünf bis sechs Herren wären nun hinzugesprungen und hätten siebeide von einander getrennt. Das eigentliche Renkontre seidamit deendet gewesen. Dann ging das Duell vor sich. Beimvierten Kugel wechsel traf Assessor B. seinen Gegnerzwischen die zehnte und elfte Rippe. Nach Verlauf einer halbenStunde war Lieutenant S. eine Leiche. Aus der Zeugen-Vernehmung ist nur die Aeußerung bemerkenswerth, welche derGetödtete, Lieutenant S e i d e n st i ck e r, am Morgen nach demMaskenball zum Lieutenant von Batocki gemacht hat. Er äußertediesem gegenüber:„Sie können mich todtschlagen.ich weiß von der ganzen Sache nichts!" DerVertreter der Anklagebehörde gab zu, daß An-geklagter das Duell, nachdem er einmal zu weit gegangensei, n i ch t habe vermeiden können. Es sei zivar dasgute Recht des Angeklagten gewesen, Lieutenant S. wegen dergroben Beleidigung zur Rede zu stellen, aber unrichtig sei es ge-wesen, über die Grenzen, welche ihm seine gesellschaftlicheStellung zog. hinanszngehen. Einer schweren I n k o n s e-qnenz Habesich der Angeklagte dadurch schuldig gemacht, daß ereinen Herrn, den er für nichtsatiSfaktionssähighielt, trotzdem in schwerster Weise beleidigte. DieGeschworenen bejahten die Schuldfrage im Sinne der Anklage.worauf der Gerichtshof den Angeklagten zu der g e r i n g st e»gesetzlich zulässigen Strafe von zwei JahrenF e st u n g s h a f t v e r u r t h e i l t e. Der Antrag der Staats-anwaltschnst hatte auf d r e i I a h r e Festungshaft gelautet.—Den Verlust des im Ducllmorde umgebrachten LieutenantsSeidensticker wird das Vaterland ja gewiß verschmerzen können.Aber völlig inkurabel muß jedem Menschen von Gesittung diein diesem abscheuliche» Bilde vorüberziehende Gesellschaft er-scheinen, die bekanntlich die„gute" ist und sich zur Stütze vonOrdnung, Sitte und den sonst noch vorhandenen heiligsten Güternvornehmlich berufen fühlt. An solchen Erscheinungen wird mangewahr, daß der Sieg der Sozialdemokratie nicht allein einesoziale, sondern auch eine sittliche Nothwendigkeit ist.Adlershof. Am 16. d. M. tagte hier bei Wöllstein eineöffentliche Volksversammlung behufs Stellungnahme zur Ge-meindevertreterwahl. In einem kurzen Referat legte GenosseSchmädicke den Anwesenden klar, wie wichtig und nothwendiges für die Arbeiter sei, sich an der Wahl zu betheilige»; gleich-zeitig empfahl Redner den Eigenthümer Laube als Kandrvatender sozialdemokratischen Partei. In der Diskussionwurde zunächst das freisinnige Wahlflugblatt einer Betrach-tung unterzogen, wobei festgestellt werden konnte, daß dasselbemit geringen Abänderungen eine getreue Kopie des beider voraufgegangenen Wahl vertheilten sozialdemokratischenFlugblattes sei; den Genossen sei daher Vorsicht gerathen,damit sie nicht Opfer dieses Bauernfanges werden. Nach-dem sich noch mehrere Redner im Sinne des Referenten ge»äußert, gelangte folgende Resolution zur Nunahme:„Die Ver-sammlung erklärt sich niil den Ausführungen deS Reserenten