Dienstag 18. März 1930
Unterhaltung und ÄVissen
Beilage des Vorwärts
Die Berliner Lehrerschaft hat an der Märzbewequng durch ei»« ganze Ai�ahl ihrer Mitglieedr teilgenommen, die entweder unmittelbar als Barrikadenkämpfer oder als Angehörig« der Par- teien teilnahmen. Unter den Barrikadenkämpfern zeichnete sich be- sonders ein Lehrer aus. der sich noch in der Ausbildung auf dem Berliner Lehrerseminar befand, Theodor Hielscher, der dann auch spater noch die Polizei ausreichend beschäftigte. Hielscher stammte aus Schlesien und zwar au» einem frommen Hause, hatte aber in den nMeidenden Bezirken seiner Heimat- provinz da» Elend der niederen Volksschichten zur Genüg« keimen gelernt und auch am eigenen Leib« erfahren. Wenn er aber dieser in der Berliner Bürgerwehr führende Mann wurde, der er tat- sächlich war, dann geht das auf Umstände zurück, die unmittelbar aus ihn einwirkten. Im Seminar hatte man ihm, der bereits im fechsundgwanzig- sten Lebensjahre stand, geraten» sich an der Bürgerwehr zu bete!- ligen. Diesterwegs Nachfolger Mergit selbst hatte ihm diesen Rat gegeben. Hätte er geahnt, daß er damit dem angehenden Revo- lutionär den Steigbügel hielt, er hätte« gewiß nicht getan. Hielscher scheint sehr schnell in der Bürgerwehrkompagnie zu Ehren und Einfluß gekommen zu sein. Denn er tritt bald als Befehlshaber der 300 Mann aus.dem Vogtland«- auf, wie der Bezirk Norden damals hieß. Ihr Führer ist er auch In den kriti- schen Märziagen, und er nimmt ihnen das Gelöbnis ab, daß sie sich kein« Plündereien zuschulden kommen lassen sollten, wenn sie in Aktion treten müßten. Sie all« hoben dieses Versprechen ge- halten, wie er später versichert. Sein« Flinte hatte' sich Hielscher zum Gebrauch für Spißkugeln umbauen lassen, wie der Polizeipräsident Hinkeldey in den Akten zornig vermerkt. In späteren Briefen gedenkt Hielscher immer ge- treulich der neben ihm aus der Barrikade gefallenen Freunde. Und wenn er später z.B. in Hamburg , am 18. März, für sich allein ist, weiht er ihnen ein stilles Gedenken, indem er sie alle bei Ramm ruft. Wie war dieser jung« Mann, der ursprünglich Bäckergeselle gewesen war, in dieses Fahrwasser gekommen? Aus seiner Wände r- schaft hatte er im Berliner Missionshaus« vorgesprochen, weil er wie sein Bruder Missionar werden wollte. Man fragt« ihn hier, ob er«genügend zerknirscht" und«bereits wiedergeboren" sei. Das erfüllte ihn mit solchem Ekel, daß er sich zornig abwandt« und wetter wanderte. Auf der Heimkehr aus Süd- und West- deutschland gelang es ihm dann wegen seiner starken Begabung bei Adolf Diesterweg im Berliner Lehrerseminir Ausnahme zu finden. Die brutale Absetzung dieses hervorragenden Pädagogen»war wohl geeignet", schreibt Hielscher,«aus mir einen Radikalen zu machen". Hielscher scheint dann seine Seminargenossen aufgewiegelt zu haben. Aber es geschah ihnen weiter nichts. Als jedoch die Nachricht aus Oberschlesien kam, daß dort die Hungerpest unter den Webern ausgebrochen fei. erbietet sich Hielscher aus tiefster Usber- zeugung. den dort notleidenden Kindern zu helfen. In einer Au- dienz fragt ihn Minister Bodelschwingh:«Hoben Sie denn hier kein Unterkommen, daß Sie dorthin wollen?" Diese Brutalität mochte Hielscher zum Revolutionär: am Tag« darauf stand er in der Neuen Königftraße aus der Barrikade. Und am 19. März geleitete er den Zug der Gefallenen in den Schloßhos: als hier der König Friedrich Wilhelm IV. den Toten seine Ehrerbietung erweisen wollt«, war es Hielscher, der ihm zu- rief:«Hut ab vor den Toten!"— Er selbst bekennt sich in einem Briefe aus dam Jahr« 1849. an feinen Bruder gerichtet, zu diesem Ruf«, von dem man bisher nicht wußte, wer ihn ausgestoßen hatte. Durch Zufall bin ich in feinen Besitz gelangst. Zwar wurde Hielscher am 20. März wieder ins Seminar auf- genommen, weil der Direktor Mergit die Zeitumstände fürchtete, aber er quartierte den jungen Revolutionär aus, damit er nicht noch die übrigen Seminaristen anstecke. Hie sicher ober blieb seiner Gesinnung treu. In mehreren Pla- katen mit semer vollen Ramensunterschrift wendete er sich an sein«
Mitbürger. Da rief er sie auf zum Kamps« gegen die Reaktionäre, di« in Wien die Oberherrschast gewonnen hatten. In einem an- deren mit der Ueberschrist«Die Wittenberger Psaffenkonserenz" ging er gegen di« Psasfen los, die sich in Wittenberg gegen die neue Freiheit verschworen hatten. In diesem Plakat stand das Wort:«Die Pfaffen Herrschaft ist der permanente Belagerungszustand der Vernunft!" Den Geistlichen galt überhaupt sein größter Haß, ebenso wie der Bürokratie und den Fürsten . Friedrich Wilhelm IV. nicht am 19. März erschossen zu haben, bedauert« er in späteren Iahren immer wieder. Dem, er war überzeugt, daß dieser Mann ollein am gangen Unglück Preußens schuld sei und sein Land unter die Herrschaft der Russen und Je- füllen bringen wolle. Im März 1848 habe man geglaubt, der Kronprinz, der spätere König Wilhelm sei an allem schuld, jetzt aber wisse man, daß es vielmehr der König selbst gewesen sei. Natürlich blieb dieses Hervortreten Hielscher» der Behörde nicht unbekannt. Das Provinzia-Ifchulkollegium erhielt auch Anzeigen des bereits genannten Schulvorstehers Diedler und des Hauptlehrers Schufst, die daraus verwiesen, daß Hielscher nicht das Lehrer- zeugnls ausgehändigt werden dürfte, weil er nicht würdig sei, Lehrer zu werden. Di« beiden Ehremnänner zeigten sein« reoo- lutionär« Tätigkeit an, Schufst teilte auch mit, er Hab« bei Hieb scher» Abgaiq aus der Schule in der Friedrichstadt , wo er als Hilfslehrer arbeitet«, auf dem Klassenschrank ein verschnürtes Paket gesunden. In dem sich ein Totenkopf und Gewehrpatronen befun- den hätten. Minister Ladenberg, der nach vielen Untersuchungen die Eni- scheidung selbst an sich genommen hatte, erklärt« zwar, daß den Lehrern, die außerhalb der Schule sich an der politischen Bewegung beteiligt hätten, dies amtlich nicht zugerechnet werden solle, aber Hielscher bekam doch aus seinem Lehrerzeugnis, das sonst sehr gut ausgesallen war, den Vermerk, daß er sich bemühen müsse, seine sehr unklaren politischen Ansichten zu verbessern und sein ausge- regte? Wesen abzulegen. Hielscher hotte auch ein politisches Gedicht veröffentlicht, in dem sich fein ganzer abgrundtiefer Haß gegen alles, was Fürsten- tum hieß, und die feste Hoffnung aussprach, daß endlich di« Zeit des Voltsstaates angebrochen sei. Es kam freilich ganz anders. Aber Hiesicher selbst hatte keine Ruh«. Er war mit den Zeit- lauften nicht zufrieden und wisgelte in Grünberg in Schlesien, wohin er als Lehrer berufen wunde, die Handwerker und Bauen: gegen das herrschend« System auf. Di« Polizei zwang den Schul- Vorsteher Rode, bei dem er arbeitete, ihn zu entlassen: aber auch in Hamburg , wohin er sich wendete, ließ sie bei ihm durch die Hamburger Polizei Haussuchung vornehmen und ihm nahe legen. nicht nach Preußen zurückzukehren, falls er ausgewiesen würde. Da» geschah zwar nicht, aber Hielscher war der Boden denn nun doch zu heiß geworden. Er hatte in Hamburg die Lehrerschaft zu stärkerer Betonung ihrer Rechte und besserer Erziehung aufgestachelt, hatte auch aus dem Lehrertog in Hannooer warnend aus die Schul- reaktion, die sich tn Preußen anbahnte, hingewiesen, war dann aber im Jahr« 1851, durch gut« Freund« unterstützt, nach Amerika ausg ewai�>ert. Hinkeldey hatte auf diese Nachricht hin in den Akten den Dermerk gemacht:«Wenn diese Burschen sehen, daß sie in Amerika auch arbeiten müssen, kehren sie zurück." Diesen Polizei- gewaltigen beherrscht« die Ansicht, daß die Unzufriedenheit der Re- volutionäre nur aus Arbeitsscheu sich erklär«, nicht aber aus den unerträglichen politischen Zuständen. Spätere Privotbriefe Hielschers, die mir zugänglich wurden, zeigen, wie schwer er in Amerika ringen mußte, bis er sich durch. gesetzt hatte. Er war schließlich Redakteur einer Zeitung in In- dianapolis(Texas ), lebte in sehr guten Verhältnissen, und verfolgt« die Vorgänge in seiner deutschen Heimat mit aufmerksamen Augen, ein Artikel, der sich betitelte«Wilhelm der Eitle" und sich auf Wilhelm II. bezog, zeigt das sehr de ritt ich. Bis an fein Lebens- ende scheint Hielscher derselbe f reihe itssehnsüchtig« Mann geblieben zu sein, als der er den deutschen Boden verlassen hat. Er scheint in den neunziger Jahren gestorben zu sein.
£udtrig Siarla: Iii II
Woher kommen die Landstraßen? Die scheinen der Unendlich- keit zu entspringen, durchbrechen Gebirge, überbrücken Gewässer, ziehen Länder enttang. Weiße Bänder... Perlengleich hat di« Mühe der Völker Dörfer und Städte auf diese Bqnder gefädelt. Stets kommen und gehen Wanderer auf der Landstraß«. Wagen raffeln darüber hin, Hufschlag pocht an ihre Steine, Herden stampfen durch ihren Staub, heimattose Vagabunden streichen über ihre weißen Pfade. Der Wind treibt rhren Stand zu Haus. Regenschauer waschen ihr den Rücken. Di« Straße der Völker trögt ihr Schicksal in Ergebung. Der landlose Bauer lebte und starb auf den Ackerschollen an dm Ufern der Landstraß« und wußte nicht, was der unfaßbar« Schmerz war, der ihm das Herz zerriß. Er trabte in seinem engen Käfig, den ihm der riesige Grundbesitz der Herren gelassen hatte, auf einem Fleck im Kreis.' umher und Generationen seiner Sölpre und Töchter stechten ohne Trost dahin. Als das«lösende Wort aus den Qualen der Jahrhunderte und dem Elend der Völker geboren ward, machte es sich auf den Weg, um die Well zu erobern und das Leid der Unterdrückten zu über- winden. Von den kernen Feldern Europas , von seinen Weizenlafeln, aus den menschenzermalmenden Fabriken, aus der unterirdischen Hölle der Bergwerke kam es auch in eine groß« Tiefebene an der Donau . Aber die Bauern erkannten das Wort mcht. Seine rote Farbe schmerzte ihren an Hoffnungslosigkeit gewöhnten Augen, ihren Rücken überrieselte der Schauer vielh indertjähriger Leibeigenschaft. Sie schloffen ängstlich die Tore und schrien jedem, der ihnen di« Nachricht brachte, daß das erlösende Wort die Welt durchwandere, hinter ihren Hecken zu: .Ein SoziaLst! Hingt ihn«ff!
Aber dos Wort zog wetter auf den Landstraßen, auf Bahnen, Schiffen und Flößen, durch die unsichtbaren Gewebe der Lust. Und eines Tages kam ein Blaurock in ein Dorf. Die unendliche Landstraße hatte ihn gebracht. Der Mann war jung, gegen dreißig Jahre, hatte aufrechten Gang, ein reine» Antlitz, blaue Augen und «inen streitlustigen blonden Schnurrbart; er war ein wenig über- mürig, ober heiter und leichten Herzens. Er trug einen kleinen Kasten mit sich, darin sein Alles: Zange, Hammer, Schraubenzieher, Oelkanne. Denn der Blaurock war«in Mechaniker. Das große Einkehrwirtshaus steht cm der Landstraße. Er trat in den Schank und sagte: «Was glauben Sie, Herr Wirt, gibt es hier viele Maschinen auszubessern?" «Maschinen gibt's genug", erwiderte der Wirt. Und der Blauroch begann zu pfeifen, well es ihm sein Herz so sagte. Denn er war frohgelaunt wie die Lerche, leichtfüßig wie das Reh und pfiff immer, wenn in seiner Seele süßer Friede herrscht«. Ein« Zigarre im Mund, das Hütet schief aus dem Kopf, so geht er auf die Bauernhöf« und ruft: «Gibt's da Maschinen zu reparieren? Mähmaschinen, Dresch- Maschinen, Häckselmaschinen?" Und er geht durch die Tore, wo sine Maschine krank ist, heilt sie: geht dann hinaus durchs Tor und bei dem anderen hinein. So zieht er Hof aus, Hof ein. Die Sonn« scheint, e» ist ein herrlicher Frühlingstag, und wo seine frohe, leichte Laune pfeifend vorüber- zieht, küßt di« Sonne ihre Spuren. Das ganze welke, verflucht« Dorf blüht aus: denn von Tor zu Tor zieht der seiig« Friede durch» Dorf....
Di« Kinder spielen oft mit Trommeln und Trompeten. Dann und wann klemmen sie ein Hölzchen zwischen d>« Zähne, knüpfen einen Bindfaden daran und spielen Pserdchen. Sie tleUern aus die Bäume, laufen durch den Staub, walzen sich im Gras und schlagen auf der Wiese Purzelbäume. Sie spielen, well in ihrer Seele ein Bogel tanzt und lacht: die Jugend! Auch der Blaurock war wie dre Jugend, die in den Kindersecien lacht, wie der Vogel, der m den Herzen singt. Die Frauen und di« Männer schauten: Was macht denn dieser selffame Blaurock? Me lebt er? Wie arbeitet er? Er pfeift bloß, flattert lustig von Ort zu Ort und ist glücklich und sanft. Da standen, da mühten sich diese Bauern ohne Ende in niederen Stuben, hinter den kleinen Fenstern, auf den Höfen beim Holzsällen oder auf der Tenne, diesen Vergnügungsorten ihrer engen Kerker: oder sie träumten am Eingang ihrer Tor« und ihre bleichen Ge- sichter sahen dem Verhängnis entgegen, das ihnen aus der Ferne blaß entgegenleuchtete. In ihren Herzen war längst nichts Neues mehr und das Bewußtsein, daß sie zum Elend verdammt waren, nistete verderbend in ihren Knochen. Sie standen und sahen dem Blaurock zu, was er macht, wie er hin- und herflattert. wie er pjerst und wie er lustig ist. Ihr Auge entzückte sich daran, Tropfen frischen Blutes durchfluteten ihr Herz und dadurch entstand in ihrer Seele neue Freud«. Um die Lippen und Augen der Männer loderte eine bisher unbc- kannte Heiterkeit auf und di« Frauen hätten gern noch einmal Kinder zur Welt gebracht. Schon lange hatte es keinen solchen Mairegen gegeben, der die Felder so erfrischt hätte, wie dieser Blaurock die Herzen zum Aufblühen bracht«. Als wäre jemand am jungen Ostertag mit tau- sprühendem Frühlingslaub in der Hand von Haus zu Haus das Dorf entlang gelaufen und hätte die Seelen bespritzt. «Wer bist du?" fragten ihn die Frauen mit großen erstaunten Augen und in ihnen erzittert« die Ties« ihres Lebens. «Wer bist du?" fragten die Männer und in ihren Seelen leuch- tetc froh« Verwirrung auf. Sie hätten gern gewußt, woher der Blaurock soviel Jugend, (eichten Glauben und selige Eintracht mit sich selbst besaß. Und sie hörten alle, wie«r sagte: «Was soll ich sein? Ein Mechaniker wie alle anderen." ».Aber welchen Stammes, welchen Glaubens?" «Ich bin Sozialist!" sagte er einfach. Sie standen dort, in ihren Toren, und hörten wie er sogt«: «Ich bin Sozialist!" Ihr« Augen, ihre weitgeöffneten Seelen blieben an ihm haste»: «Was?" fragten sie ihn. «Run, was denn?" antwortete er einfach.«Sozialist." Sein Wort drang in ihre Herzen, aber sie fürchteten sich nicht, sie fühlten«her Erlösung durch ihre Glieder rieseln. Ein mächtiger Frühlingsstunn brach die Schollen in ihren Seelen. Sie wußten nicht, was mit ihnen geschehen war. Aber noch nie hatten sie solch einen versöhnenden, mächtigen Glockengesang vernommen.
3>er entschwindende Polarstern Der Polarstern hat lange als ein Sinnbild der Umvandelbarkeii gegolten, und die Seefahrer haben durch viele Jahrhunderte sich nach diesem Zeichen am Himmel auf ihren Fahrten durch die p-sadlos« Wüste des Meeres gerichtet. Es war«in merkwürdiges Zusammentreffen, daß der Polarstern in diesen Zeiten der ersten großen Seereisen dem Weltpol gerade so nah« war, daß er als wirksamer Führer dienen konnte, denn mtt dem Glauben an die unverrückte Festigkeit dieses Sterns ist es ebenso schlecht bestellt wie mit manchen andern ostro- nomischen Vorstellungen der Vergangenheit. Für uns Erdbewohner gibt es tatsächlich keinen festen Stern in der Nähe des himmlischen Nordpols, sondern infolge der Achsenveränderung bei der Erd- Umdrehung werden in einem Zettraum von ungefähr 26lM Jahren die im Umkreis des Pols gelegenen Sterne alle einmal Polarstern . Gegenwärtig genießt ein Stern zweiter Größe im Kleinen Bären, Cynosura Polaris, diese Auszeichnung. Aber di« Astronomen können das Ende feiner Herrschaft ziemlich genau voraussagen. Im Jahre 2102, also genau in 172 Jahre», wird der jetzige Polarstern dem Pol am nächsten sein: sein Abstand beträgt dann weniger als die Hälft« eines Grades, genau nur noch 28 Minuten, und von diesem Augenblick an entfernt er sich immer mehr vom Pol und wird nach wenigen Jahren so weit entfernt sein, daß er kein Polarstern mehr ist. Diese Rolle wird von einem andern Stern übernommen, und man kann schon voraussagen, daß um 14 000 nach Christi der Stern Wega in der Leier den künftigen Erdbewohnern als Polarstern erscheinen wird. Einen südlichen Polarstern gibt es nicht, da auf der südlichen Halbkugel kern hellerer Stern in der Nähe des Poles steht.
Welter-ffiiechen
Der amerikanische Meteorologe Dr. W. I. Humphreys spricht in einem soeben erschienenen Buch über„Bauernregeln" auch über den Glauben, daß manche Leute„das Wetter riechen" können. Er er- klärt diese Anschauung, die kn den alten Sprichwörtern zutage tritt, auf natürliche Weise.„Verwesende Stoff« in Teichen. Gräben und Sümpfen," schreibt er.„erzeugen faulige Gase, die sich in Blase» unter dem Schlamm sammeln. Wenn nun ein Stunn bevorsteht, dann äußert sich dies zunächst in einer beträchttichen Abnahm« des Luftdrucks. Dadurch wird der Druck auf die Gasblasen verringert, diese dehnen sich aus, zerbersten, und die Gase treten an die Ober- lläche, so daß aus weite Strecken hin«in fauliger Geruch zu spüre» ist. Man kann also aus diese Weis« dos Auftreten von Unwettern »vorher riechen". Em Mann, der in Jersey City lebt, war im Stande, mit Hilfe seiner Rase und seiner Ohren das Wetter voraus- zusagen, ohne aus dem Bell aufzustehen. Nordwestliche Winde bringen Tabakrauch aus einer Tabakfabrik," erklärt« er,„und das deutet auf Regen oder Schnee. Die Pfeifen der Dampfer auf dem Hudson sind nur beim Westwind hörbar, der schlechtes Wetter bringt. Der Südostwind bringt mir den Geruch einer Seifen, und Parsümfahrrk, und aus diesen folgt häufig Nebel. Die Lokomotiv - pfeifen der Eisenbahn sind nur hörbar, wenn ein sanfter Südwind herrscht. Der Geruch der Ebbe deutet auf Südwestwind und mildes Wetter. Die deutlich hörbaren Zeichen zweier anderer Ersenbahn- llnien zeigen stets einen kalten Nordwind an." Humphrey hat noch zahlreiche andere Beispiel« dafür gesammelt, wie erfahrene Kenner aus den Geruchseindrücken auf die Windrichtung und andere Einflüsse schließen können, aus denen ein« Borhcrsage des Welter» möglich ist.