Der Abend
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Spälausgabe des„ Vorwärts"
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Nr. 130
B 65 47. Jahrgang
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Wissell gegen Moldenhauer.
Scharfe Abwehr der Angriffe auf die Arbeitslosenversicherung. Arbeitslosenkommissar mit 43000 Mart.
Der Haushaltsausschuß des Reichstags beriet heute über das Reichsarbeitsministerium im Nachtragsetat. 1929. Nach der Leg Brüning fönnen aus der Lohnsteuer 50 Millionen für die Invalidenversicherung entnommen werden. Dem entgegen beschloß der Reichsrat, etwa 22% Millionen, die aus anderer Quelle der Invalidenversicherung zufließen sollen, auf die 50 Milfionen anzurechnen. Dagegen wandten sich sehr entschieden die Sozialdemokraten. Abg. Müller- Lichtenberg( S03.) begründete einen Anfrag, der die Rüdgängigmachung des Reichsratsbeschluffes verlangt. Eriing( 3.) meinte, durch die Anträge der Sozialdemokratie fei eine, neue Cage geschaffen. Der Reichsarbeitsminister scheine anderer Meinung zu fein als der Reichsfinanzminister. Bei dem Etattifel des mehr. bedarfs von 30 Millionen für die Krisenfürsorge fragte MüllerLichtenberg unter Bezugnahme auf die Hamburger Rede Moldenhauers, ob die Pläne des kabinetfs auf eine weifere Einschränkung der Arbeitslosenversicherung hinzielten.
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Reichsarbeitsminister Bissell ertiärte darauf: Der Reichsfinanzminister Moldenhauer hat nicht als Finanzminister, fondern als Privatperson gesprochen. Sonst hätte er sich vorher mit dem Ressortminister in Berbindung gefaßt. Die Vorlage des Kabinetts geht nach einer anderen Richtung, als es in diefer Rede zum Ausdrud gekommen ist. Wenn in dieser Rede von organisatorischem Umbau gesprochen wird, so habe ich die Notwendigkeit eines folchen Umbaus noch nicht gespürt. Die Degant Fation der Arbeitslosenversicherung ist vom Reichstag beschlossen worden. Ich fann mir nicht denken, daß der Reichstag einen Beschluß faßt, ohne fich vorher ein flares Bild zu machen. Daß der Sparfommissar die Reichsanstalt untersucht hat, ist nicht meiter auffällig, er hat auch andere Ressorts untersucht. Bei manchen Stritifen über Mißstände in der Arbeitslosenversicherung scheint die Sachkunde vollständig zu fehlen. Einen Höhepunkt hat die Braunfchweigifche Landeszeitung" erreicht", die die
Arbeitslosenversicherung als Pestbeule am deutschen Wirtschaftsförper
bezeichnet. Für die Antwort fehlen mir parlamentarische Ausdrücke Wer mit solchen Worten um sich wirft, muß auch zeigen, wo die Bestbeule fizt. Kein vernünftiger Mensch wehrt sich gegen die Abschaffung von Mißständen und Mißbräuchen. In dieser Richtung fino mir ja auch schon im vergangenen Jahre vorgegangen.
Abg. Schmidt Stettin( Dnat.) hält es für unmöglich, einen ilnferschied zu machen, ob ein Minister als Minister oder als Privatmann gesprochen hat.
Abg. Morath( D. Vp.) sprach sich für die Absetzung der Ar. beitslosenversicherung aus der Beratung aus, weil nun eine Situation entstanden fei, die die Gegenwart des Reichsfinanzministers er forderlich mache.
Die Beiterberatung wurde dann verlagt, damit auch der Reichsfinanzminister eingeladen werden kann. Der übrige Nachtragsetat wurde genehmigt.
Eine tolle, Sparaktion".
Wie der Reichsfinanzminister Dr. Moldenhauer am Sonnabend in seiner Hamburger Rede mitgeteilt hat, findet zur Zeit eine Prüfung der Reichsanstalt für Arbeitslosen Derjidherung durch den Reichsfpartommiffar statt. Es foll festgestellt werden, in welchem Umfange in der Verwaltung Erfoll festgestellt werden, in welchem Umfange in der Verwaltung Ersparnisse gemacht und Mißbräuchen der Einrichtungen entgegen getreten werden kann. Es dürfte die Deffentlichkeit intereffieren, mie der Reichssportommiffar Dr. Saemisch diese Briifung zur Erzielung von Ersparnissen vornehmen läßt.
Die Prüfung ist dem früheren Ministerialdirektor Bail vom Breußischen Handelsministerium übertragen worden. Bail nahm im vorigen Jahre seinen Abschied, weil nicht er, sondern der Sozial. demokrat Staudinger zum Staatssekretär im Handelsministe rium ernannt wurde. Man gab Boil ein Schmerzensgeld, indem man ihm den Borfiz im Aufsichtsrat der neuen vom Reich und von Preußen gegründeten und subventionierten dh i dha u 21. G. übertrug. Die Bezüge aus diesem Posten( unter Einrechnung der Pension) befragen 25.000 artjährlich, d. h. ungefähr so viel wie das Gehalt. des attiven Ministerialdirektors, To
Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung übertrug, sicherte er ihm Als der Sparkommissar Saemisch Herrn Bail die Prüfung der für diese Tätigkeit neben den erwähnten Bezügen von 25 000 Mark noch einmal das volle Ministerialdirektorgehalt zu. Gegen diese Busage erhob das Reichsfinanzministerium starke Bedenken. Saemisch aber mißachtete diese Bedenken und erklärte, er habe sich Herrn Bail gegenüber bereits gebunden und nunmehr mit ihm einen
Werfvertrag" abgeschlossen über die Erstattung von Gutachten, wofür er Herrn Bail eine Bergütung von 1500 Marf monatlich zahle. Die Gesamtbezüge des neuen Arbeitslosenspartommiffars betragen aljo jegt 43 000 mart jährlich.
Dieser Fall, um dessen Abstellung sich hoffentlich die Reichs
regierung und der Herr Reichsfinanzminister Dr. Moldenhauer sofort bemühen werden, ist ein Schulbeispiel für die von manchen Kreisen der hohen Bürokratie und der Wirtschaft" verlangte Sparsamteit. Sat es noch irgend etwas mit Sparsamfeit zu tun, wenn man zunächst einmal eine Nebenvergütung von 18 000 m. jährlich zahlt, um vielleicht einige Mart im Einzelfalle einzusparen?
Eine Kompensation für Frankreichs Nachgeben zur Gee.
don London , 18. März.( WIB.).
Es mehren fich die Anzeichen, die auf eine allmähliche Annäherung zwischen den Delegationen Frankreichs und Groß britanniens und auf ein größeres gegenseitiges Berständnis für gewiffe Fragen gedeutet werden könnten, in denen man sich bisher ziemlich ablehnend gegenüberstand. Zu diesen Fragen scheint auch das Thema der ausgebildeten Referven zu gehören.
Die Tatsache, daß diese Frage, wenn auch unoffiziell, zwifchen Mitgliedern der Delegationen Großbritanniens und Frankreichs er örtert wurde, wird yon brifischer Seite nicht mehr so entschieden In 2brede gestellt mie bisher. Eine offizielle Stellungnahme ist von Seiten Macdonalds aber wohl noch nicht erfolgt. Was man jedoch zur Zeit über die Auffassung der britischen Delegation von der Gelamilage weiß, wird aufmerksame Beobachter zu dem Schluß veranlaffen, daß der britische Premierminister im Intereffe eines
Heldenflück oder Fälschung? Erschütterndes Bild der Gegenwart
Reichsfabinett fordert und erhält Aufklärung.
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Der bayerische Ministerpräsident Held hat dieser Tage wieder einmal eine Rede gehalten, in der er sich in seiner Weise auch mit dem Young Plan und mit den Bestrebungen der Reichs. regierung zur Raffenfanierung beschäftigte. Das Reichs fabimett hat jetzt den Reichskanzler einstummig ersucht, in München um die dringend notwendige Aufklärung zu ersuchen. Jegt wird dazu durch Wolffs Büro die folgende Erfiärung veröffentlicht:
In Nr. 65 der Zeitung Der Tag" nom 16. März 1930 wird behauptet, der bayerische Ministerpräsident Dr. Helt habe auf einer Bersammlung der Bayerischen Bolfspartei in München folgende Ausführungen gemacht: Er fei der Ueberzeugung, daß auch fernerhin die Finanzschlamperei in der deutschen Reichsregierung nicht aufhören werde. Prinatred tlich betrachtet, sei ein Verfahren, in fo leichtfertiger Weise einen Schuldvertrag zu unterzeichnen, wie jetzt die deutsche Reichsregierung mit dem Young- Plan getan habe, mit Gefängnis als Betrugsversuch bedrobt, denn es sei ausgeschlossen und das müffe die Reichsregierung wissen, daß diefer Tributplan jemals erfüllt werden tönnte."
Eine Anfrage beim bayerischen Ministerpräsidenten hat er geben, daß diefer Teil seiner Rede völlig entstellt miedergegeben worden ist. Der Herr bayerische Ministerpräsident hat es mit Entrüftung abgelehnt, derartige Redewendungen gegen die Reichsregierung gebraucht zu haben. Auch die bayerische Preise, wie z. B. der Regensburger Anzeiger" und der Bayerische Aurier", enthält in ihrer Berichterstattung über die Münchener Tagung nichts von folchen Angriffen gegen die Reichsregierung
Erfolges der Flottenabrüstungsfonferenz bereit sein könnte, 3 u- als der Abrüftung nicht förderlich bezeichnet hat. Die britische Delegation scheint jetzt auf dem Standpunkt zu fiehen, daß der wed die Mittel heiligt und daß es un verantwortlich sein würde, Forderungen zu gefährden, die in der Praris doch nicht den Erfolg der Flottenkonferenz durch ein hartnäckiges Bestehen auf durchführbar wären. Es wird geltend gemacht, daß jedes Land, wenn es dies wolle, in der einen oder anderen Form Mannschaftsreserven ausbilden föune, und daß es im größeren Interesse zum Beispiel Deutschlands liegen würde, durch einen Erfolg das allgemeine Ziel der Abrüftung auch zu Lande nähergerüdt zu sehen. Es wird sogar der Ansicht Ausdrud gegeben, daß sich Deutschland der Ueberzeugungstraff dieses Beweisgrundes bei eingehender Würdigung der Lage kaum werde verschließen können.
dag Amerika und Großbritannien es ablehnen, den Gedanken eines Andererseits mird von britischer Seite erneut hervorgehoben, Politischen Paties zur Gewährleistung der französischen Sicherheit im Mittelmeer zu erwägen.
In einem Leitartikel über die Lage auf der Flottenkonferenz sagt Times": Der Patient, der schon im Sterben zu liegen schien, hat sich wieder etwas erholt. Ob aber Ge
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Erschütterndes Bild der Gegenwart neung beffet, fit eine andere Frage. Das Hauptverdienist an der
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Rettung der Konferenz gebührt britischen der mit der unschätzbaren Unterstützung Stimsons und Morrows hartnädig dahin gearbeitet hat die Hoffnung auf ein Fünfmächteabkommen am Leben zu erhalten Da eine politische Garantie der franzöfifchen Sicherheit nicht in Frage kommt, liegt die einzige Hoffnung auf eine wirkliche Verminderung des französischen Programms in ciner Versöhnung der französischen und italienischen Ansprüche.
Ruck nach links in Frankreich. Selbst in den Hochburgen der Reaktion.
Paris, 18. März.( Eigenbericht.) In zwei französischen Provinzdepartements zeigen Erjawahlen zur Rammer einen allgemeinen Umschwung in der Stimmung der Bevölkerung. Im Arrondissement Quim perlé, im entlegensten, reaktionärsten Winkel der Bretagne, mo bie Sozialisten 1928 überhaupt feinen Kandidaten aufgestellt hatten, erhielten sie jetzt über 1600 Stimmen von 14.000 oder mehr als 10 Prozent. Der Radikalsozialist Cadoret erhielt 5500 Stimmen. Die realiionäre demokratisch- republikanische Union hat fast die Hälfte aller Wähler eingebüßt.
Auch im Arrondissement Donfront, einer der Hochburgen der Reaktion, wo Ersagwahlen für einen frankheitshalber ausscheidenden Abgeordneten stattfanden, ift die Stimmenzahl der demokratischrepublikanischen Union von 14000 auf 10 500 zurückgegangen, wäh rend die Stimmen der Linten von 5000 auf 7000
Ein armer Großindustrieller bittet um eine milde Gabel, gestiegen find.