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Freitag 21. März 1930

Boris Pilnjak :

Unterhaltung und Wissen

Der Cafedgi Abdul- Hamids

Im Café ist es schimmlig und still. Auf dem Marmorbrett, das eine Bank ersetzt, figt von einem Dutzend Katzen umringt, der Cafetier Ibrahim Nafis, ein Greis mit Bogelaugen. Der Marmor­boden des Cafés ist mit altgriechischen Schriftzügen bedeckt, ben Resten der byzantinischen Zeit. Die Bogelaugen des Greises tränen, und sein Bart ist verfilzt. Sein schwarzer Schlafrod ist schlecht ge. fchloffen und glänzt fettig.

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Türkei , Stambul , Bab- a- Ali- die Straße der hohen Pforte| Badischah und achteten darauf, daß die Frau den Sohn Allahs nicht In einem namenlosen Gäßchen, in dem taum zwei Ochsen an- berühre. Und die Frauen versteckten die Hände vor dem Sultan , einander vorbeigehen fönnen, befindet sich ein kleines Café, sehr während er sie lieblofte. Die Aerzte und die Schneider heilten ihn schmuzig, von Schimmel-, Kaffee- und Rosenölgeruch durchdrungen. und nähten für ihn auf den Blic", da sie sich ihm nicht nähern Es ist sehr still hier. Ich biege in das Gäßchen ein, gehe durch die durften. Dieser Mensch hatte Angst, vergiftet zu werden er hatte Gerüche von Kupfer, Pfirsichen, gegerbtem Leder, Olivenöl und ein chemisches Laboratorium eingerichtet, um die Nahrungsmittel zu frischer Farbe. untersuchen und wurde ein bedeutender Chemifer, ein Kenner der organischen Chemie. Dieser Mensch hatte Angst vor Dynamit und fürchtete darum die Elektrizität, der er Dynamo" von dem Wort Dynamit" ableitete. Unter feiner Regierung waren in Stambul elektrische Beleuchtung und Telephon verboten. Der Mann liebte Gesang, Musik und Theater und die besten europäischen Sänger, Mufiter und Schauspieler spielten vor ihm und seinem Harem, wo er über tausend Frauen hatte. Er schrieb ein Buch über den Islam, aus dem alle gelehrten Islamforscher zitieren. Dieser Mann starb in der Abgeschiedenheit des Beilerhei- Serails im Jahre 1911. Dieser Mensch litt an allen Krankheiten der Menschheit und heilte sich von allen durch Feuer, weil im Koran steht: Das Feuer reinigt alles". Das Leben dieses Menschen ist von Geheimnissen umhüllt, und niemand weiß etwas Bestimmtes von diesem furchtbaren Vertreter der Menschheit, der in Blut, Gebeten und Harem gelebt hat. Diefer Mensch trant bis zu fiebenzig Taffen Kaffee am Tag. Er trant ständig Kaffeeim Harem, im Bart, bei den großen Emp fängen und auch in tiefer Nacht, wenn er Angstanfälle hatte. Und sein ganzes Leben lang hatte er nur den einen Cafedgi, der sein ganzes Leben zwei Schritte von dem Sultan mit seinem Mangal und seinem Kaffeetöpfchen verbrachte, um dem Sultan jede Minute Kaffee zu fochen. Das war Ibrahim Nafis, der jetzt das Café in dem namenlosen Gäßchen eröffnet hatte.

Hier, auf diefem armseligen Marmortischchen, gibt es den besten Kaffee der Türkei , also den besten der Welt.

Aber das ist nicht die Hauptsache.

Ich blicke in diese Bogelaugen. Sie sind tot. Aber der Greis ist zu rüstig für seine Jahre. Er grüßt mit dem alttürkischen Gruß, indem er die Hand an die Erde, an das Herz, an die Lippen und an die Stirn legt und beugt sich dann über seinen Mangal, um eine Taffe dicken Kaffeefaß zu fochen.

Sein Name ist Ibrahim Nafis.

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Hier berührt uns das härteste, dunkelste Mittelalter. Erst vor achtzehn Jahren ist der grausamste mittelalterlichste Herrscher vom türkischen Throne gestürzt worden, Abdul Hamid II , der dreißig Jahre an den Ufern des Bosporus despotisch regierte, der über die Leichen seiner Vorgänger auf den Thron tam, alle seine Verwandten erstechen ließ, feinen Ontel Abdul- Asis ermordet hatte, alle seine Brüder, den jüngeren Is- Eddin und den älteren Mürad lebensläng­lich eingefertert hielt. Dieser Mann hatte feinen eigenen Sohn zwanzig Jahre lang im Gefängnis gehalten, bis er erblindete. Diefer Mann, der nie etwas befahl, sondern alles Allah überließ. Er hatte eine Lieblingsfrau, eine Tscherkessin , eine von den tausend Frauen, und hatte von ihr eine geliebte Tochter. Das Mädchen spielte mit Streichhölzern, tam damit dem Kleid zu nahe, es ging in Flammen auf, und das Mädchen verbrannte. In seinem Leid fagte Abdul Hamid : Oh Allah , wenn meine Frau ebenso gelitten hätte, wie meine Tochter!" und die Kastraten packten die Frau, schleppten fie auf den Hof des Schloffes vor die Fenster des Padischahs, übergossen fie mit Betroleum und zündeten sie an. Der Sultan stand am Fenster und weinte. Das Leben dieses Menschen ist von Geheimniffen um­geben; feine Zeitgenoffen sterben aus, und die Geschichte weiß nichts genaues. Abdul Hamid beschloß sein Leben, nach türkischer Sitte, in der Berbannung, nachdem er 1909 von den Jungtürfen gestürzt murde. Dieser Mensch antwortete während feiner Regierung auf das Telegramm feines Botschafters in England, daß Gladstone der Hohen Pforte ein Ultimatum gestellt hatte und im Falle einer Verzögerung der Antwort mit einem Kriegszug drohe mit einem telegraphischen Befeht: der Botschafter möge englische Vollblutrenner für den Mar stall des Sultans faufen und sich damit zu allererst abgeben. Die Minister dieses Mannes mußten ihre Berichte mit reinem Herzen und nachten, hochgehobenen Händen machen. Einer der Minister hatte während des Berichtes in die Tasche gegriffen, um ein wich tiges Papier herauszuholen und Abdul Hamid tötete den Minister auf der Stelle durch einen Revolverschuß. Niemand durfte den Körper des Padischahs berühren- Badischah liebte es, feine Zeit in feinem Harem zu verbringen. Die Eunuchen brachten die Frauen zum

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Ich blickte auf den schwarzen Schlafrod des Greises. Geine Augen find tot, aber ich tenne seine Geschichte. Mein Begleiter ver­beugt sich vor ihm bis zum Boden. Der Greis bringt uns den Kaffee. Ich weiß, daß er fehr redselig ist. Mein Begleiter übersetzte mir feine Worte.

Und ich bitte meinen Begleiter immer und immer wieder: Ach bitte, sprechen Sie mit ihm, versuchen Sie die Rede auf Abdul Hamid zu bringen."

Aber mein Begleiter antwortet mir hoffnungslos: " Darüber schweigt dieser Greis sich aus."

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Mein Begleiter spricht mit Ehrerbietung. Ich lese auf seinem Gesicht alle Lift, all seine Schliche. Ich mache alle möglichen Gesten. Ich habe diesem Bettler schon viele Sachen geschenkt, um ihn zu be­stechen. Er ist alt und muß auf die Angel gehen feine Erinne rungen austramen. Aber die Augen des Alten find hart, sie hören auf zu tränen, und er streckt seinen hundertjährigen Rücken gerade. Mein Begleiter überlegt mir die Antwort des Greifes, diefelbe, die ich schon viele Male gehört habe.

Er war ein Diener seines Badischahs, und er wird seinem Herrn bis zum Grabe treu sein."

Ich begreife es und beweise, daß es Barbarei ist, der Geschichte das zu rauben, was er weiß und der Geschichte geben könnte. Zum Beispiel, auf welche Weise Abdul Hamid auf den Gedanken gekommen ist, bie englische Note mit dem Befehl, Rennpferde zu faufen, zu beantworten, und die Engländer auf diese Weise zu verblüffen. Ich war ein Diener meines Babischahs und alles, was ich von meinem Herrn weiß, wird mit mir sterben." Das ist alles, was der Greis antwortet. Seine Augen sind voll Leben. ( Uebertragen von M. Charo I.)

Die Entdeckung des Neptun

Eine der wichtigsten aftronomischen Entdeckungen war die des Neptun , bie Rnut Lundmart, ber Direktor der Sternwarte au gunb, in feinem hochintereffanten Buch Das Leben auf an.

erfcheinen wird, schildert. Die nachfolgenden Zeilen, die wir mit Ge

bezen Sternen, bas bemnächst bet. A. Brodhaus, Leipzig , Sarvarb- S'ernwarte von der Entdeckung eines neuen Blaneten be. nehmigung des Berlages bringen, bürften jekt, da die amerikanische

richtet, nana besonders intereffieren.

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Platten müssen, damit sie robe und gelbe Strahlung wiedergeben, bestimmten Färbungsprozessen unterworfen werden. Diese ,, Senfibili fierung" macht die Platten gerade für Strahlung von dem Wellen Maße empfindlich. Die Schwärzung der Platte an den fraglichen längenbereich, der den Chlorophyllbanden entspricht, im höchsten Stellen dürfte daher tells vom Licht des Planeten hervorgerufen, teils von der Färbung bedingt sein. Jedenfalls ist es höchst zweifelhaft, ob sich in den Banden tatsächlich das Borhandensein von Chlorophyll verrät; es hat mehr wahrscheinlichkeit für sich, daß eine durch rein photographische Verhältnisse hervorgerufene Täuschung vorliegt. Man erkennt aus alledem, wie schwer in diesen verwickelten Fragen fichere Ergebnisse zu gewinnen sind. Neuere Beobachtungen über die Spektra der äußersten Planeten liegen nicht vor. Beim heutigen Stand der Untersuchungen fann man also nur fagen, daß die aufsehenerregende Entdeckung organischen Lebens in den Atmosphären der beiden sonnenfernsten Wandler noch keine Be­stätigung gefunden hat.

Da die Riefenplaneten wahrscheinlich teine feste Oberfläche haben, tönnen sie dem organischen Leben schwerlich eine Heimstätte bieten. Ganz unmöglich ist das vielleicht richt. Aber jedenfalls ist ben uns befannten Lebensformen die Entwicklung vollständig fremd, die das Leben auf Planeten nehmen müßte, deren Organismen überhaupt feine Ruhelage gewinnen tönnten, wenn ihr spezifisches Gewicht nicht mit dem ihrer Umwelt übereinstimmte. Bir müssen es uns versagen, einem Problem nachzugehen, das in folchem Maß Die Phantasie herausfordert.

Die Entdeckungsgeschichte des äußersten Planeten, bes Neptun , ist bekanntlich eins der glänzendften Kapitel in den Annalen der Astronomie. Man hatte bei Uranus geringe Abweichungen von der Bahn im Raum festgestellt, die er hätte einhalten müssen, wenn fein noch entfernterer Planet durch seine Anziehungskraft auf seine Be­wegung einwirfte. Aus diesen kleinen Störungen berechneten Adams und Leverrier gleichzeitig, doch unabhängig voneinander, wo man den Störenfried am Himmel zu suchen hätte. Die verwickelten Rechnungen wurden so genau durchgeführt, daß man das ansehnliche, bis dahin unbekannte Mitglied des Sonnensystems sehr nahe an dem berechneten Ort fand. Man kann sich schwerlich einen größeren Triumph des des Newtonschen Gravitationsgefezes oder einen fchlagenderen Beweis für die Richtigkeit der aus ihm abgeleiteten Methoden zur Berechnung der gegenseitigen Einwirkungen der Bla­neten auf ihre Bewegungen vorstellen! Die Entdeckung des Neptun hat sicher wesentlich dazu beigetragen, daß die Hochachtung vor der astronomischen Wissenschaft und das Interesse für sie unter geistig regiamen Menschen so weit verbreitet ist. Uranus und Neptun be­fizen ein großes Rückstrahlungsvermögen. Wir haben daher allen Grund zu der Annahme, daß wir auch bei ihnen nur die wolfige atmosphärische Hülle sehen. Spektralanalytische Untersuchungen von Lomell und Slipher zeigen, daß die Atmosphären beider Planeten gens anders zusammengesetzt sein müssen als die der Erde. Die Spettra enthalten fräftige Absorptionsbanden, aus deren Lage zwei Botaniter, Beijerind und Timirjaffew, auf die Möglichkeit des Bor tommens von Chlorophyll in den Atmosphären schlossen. Man müßte es zum mindesten als sensationell bezeichnen, wenn auf den äußersten Planeten dieser für das organische Leben charakteristische Stoff vertäme, der unter der Einwirkung des Lichtes in pflanzlichem Gewebe entsteht. Sollte sich die Annahme als richtig erweisen, fo wäre das ein schlüssiger Beweis dafür, daß es auf fenen Welt törpern lebende Organismen gibt. Wir hätten es dann mit einer Art Luftplantton" zu tun, mit einer Welt batterienartiger Wesen, Der elektrische Eisbrecher. Schweden baut mit einem Soften die in unerhörten Scharen in den Atmosphären des Uranus und des aufwand von 3,5 mill. Mart einen dieselelektrischen Eisbrecher, Neptun umherschweben. Indes haben die Arbeiten des russischen der zugleich Flugzeugmutterschiff sein soll. Das Schiff wird der Forschers Artischowsti es zweifelhaft gemacht, ob die erwähnten schwedischen und auch der internationalen Schiffahrt in Notfällen Banden wirklich von Chlorophyll herrühren. Photographische dienen und auch zu selbständigen Forschungen verwendet werden.

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Die Riefenplaneten haben große Trabanten, die veilleicht eher als Heimstätten des Lebens dienen fönnten als die Planeten felbft. Jupiter wird von neun Monden umfreist, Saturn hat zehn, Uranus pier und Neptun einen. Daß wir bei den beiden äußersten Bia. neten nicht mehr Monde fennen. beruht möglicherweise nur auf den neten nicht mehr Monde fennen. beruht möglicherweise nur auf den Schwierigkeiten, die ihre größere Entfernung der Forschung bereitet. Bon den neun Jupitermonden fämen als Lebensträger nur der britte und vierte in Frage. Ihre Durchmesser betragen 5200 Kilo. meter. Sie sind demnach größer als Merfur. Die übrigen Satelliten Jupiters dürften zu fein fein, als daß sie eine aus reichende Atmosphäre befizen tönnten.

Beilage

des Borwärts

Irrpfade des Gedächtnisses

Wenn man auch bereits befriedigende Anschauungen über die Art des Sehens und Hörens beim Menschen sowie über die Zu­sammenarbeit des Zentralnervensystems mit den Muskeln und ein­zelnen Organen befißt, so ist doch ein Geblet menschlicher Tätigkeit, und zwar das wichtigste und interessantefte noch immer in Dunkel gehüllt. Das ist das Reich des Gedächtnisses, durch das der Mensch erst zum Menschen wird, ohne das er unter das am tiefften stehende Tier herabfinten würde. Soviel man auch darüber nachgedacht und geforscht hat, so ist man doch noch zu feiner irgendwie brauchbaren Theorie über diese Vorgänge gekommen. Doch die Wissenschaft läßt sich nicht entmutigen, und wenn sie die normale Funktion nicht er­klären kann, dann hat sie schon oft wertvolle Aufschlüsse aus den frankhaften Abirrungen und Veränderungen erhalten. So hat man denn in neuester Zeit den Jrrpfaden des Gedächtnisses" besondere Aufmerksamkeit zugewendet und aus diefem dem Psychiater wohl­bekannten, aber auch im Alltagsleben durchaus nicht fehlenden Er­scheinungen eine ungefähre Vorstellung von der Arbeit des Gedächt­nisses gewonnen. Man kann sich das menschliche Gedächtnis etwa unter dem Bilde einer riesigen Sammlung von Filmbildern denken, die in einer forgfältigen Ordnung liegen, aber gelegentlich doch in Berwirrung geraten. Plötzlich verschwinden einige Meter aus dem Ablauf einer bestimmten Bilderreihe; dann hat man auf einmal etmas völlig vergessen; es ist aber auch möglich, daß das Umgekehrte eintritt, daß Szenen und Ereignisse, die niemals geschehen sind, unter die Gedächtnisbilder gemischt werden, wie wenn Teile eines anderen Films in eine bestimmte Filmhandlung hineingerieten. Eine Er scheinung, die immer wieder beobachtet wird und die stets die größte Verwunderung erregt, ist die, daß man, wenn man an einen Ort kommt, an dem man noch nie gewesen ist, oder wenn man jemanden trifft, dem man noch nie begegnet, plötzlich das Gefühl hat: hier bist du schon einmal gewesen, oder: den Menschen hast du schon einmal ganz gemiß gesehen! Wahrscheinlich spielt hierbei das Bewußt werden von Gedächtnisbildern, die früher einmal unbewußt aufge­nommen waren, eine wichtige Rolle.

So erzählt der englische Psychologe Dr. William B. Carpenter von einem englischen Geistlichen, der einen Ausflug nach einem Schloß machte, das er noch nie vorher besucht hatte. Und als er vor dem Eingangstor stand, hatte er plötzlich dos lebhafte Gefühl, das alles schon vorher gesehen zu haben; ja er erinnerte sich sogar an eine Menschengruppe, die auf den Zinnen des Tores stand, und an einige Esel darunter. Das Erlebnis beunruhigte ihn so, daß er den Dingen weiter nachforschte, und er stellte feft, baß er als Kind von 18 Monaten tatsächlich auf einem Familienausflug nach dem Schloß gekommen war, daß einige Teilnehmer, die auf Gieln ritten, Diese vor dem Tor zurückließen und sich selbst auf die Zinnen be­gaben, während das Baby mit seiner wärterin un'en zurückgelassen wurde. Der damals unbewußt aufgenommene Eindruck wurde durch

das Wiedersehen in das Bereich des Bewußtseins emporgehoben. Solche bei normalen Menschen nicht seltenen Borstellungen fönnen allerdings auch ins Krankhafte ausarten, wie z. B. bei einem Geistestranten, der die fire Idee hatte, daß jedes Ereignis, das er erlebte, genau ein Jahr vorher schon passiert sei, er geriet z. B., als eine feiner Schwestern heiratete, in große Aufregung und versicherte steif und fest, er habe ihrer Hochzeit genau vor einem Jahre bei­gewohnt. Die Fälle von Gebächtnisverlust find in letzter Zeit viel­fach beobachtet worden, und immer wieder wird von Personen be­richtet, die in Großstädten umherirrend aufgefunden wurden, weil sie alles über ihre Persönlichkeit und ihre Vergangenheit vergessen haben.

Wie frankhaftes Bergessen, gibt es ein frankhaftes Sich­erinnern. Der Psychiater Dr. Aaron Rosanoff erzählt z. B. von einem Fall, in dem ein Patient fest davon überzeugt war, daß er vor vier oder fünf Jahrhunderten an dein Bau einer großen Kathe­drale beteiligt gewesen sei, und der ganz ausführlich die Handgriffe und Gewohnheiten der Maurer und anderen Arbeiter beschrieb. Mit solchen falschen Erinnerungsbildern hängt das frankhafte Lügen" zusammen, bei dem Menschen steif und fest Dinge behaupten und erzählen, die sich niemals ereignet haben, von deren Wirklichkeit fie aber überzeugt sind. Diese krankhaften Lügner sind von den Lügengenies, wie Münchhausen, scharf zu unterscheiden, denn der virtuose Lügner weiß genau, daß er schwindelt. Beim ,, Jägerlatein" mögen allerdings die Grenzen zwischen bewußter und unbewußter die Gedächtnisvorgänge aus elektrischen Impulsen innerhalb der unwahrheit häufig verwischt sein. Amerikanische Psychologen haben Nervenzellen zu erffären gesucht. Wie man ja überhaupt die Arbeit des Nervensystems mit dem der Telegraphie oder Telephonie ver­glichen hat, so läßt sich denken, daß durch irgendeine fehlerhafte An­lage in der Leitung gewisse Störungen hervorgerufen werden und so jene Jrrpfabe des Gedächtnisses" entstehen, die in ihrem absonder­lichen Zidzad ein jähes Licht auf den natürlichen Berlauf werfen.

Neues von den Lebensftrahlen" Neuerdings beschäftigt sich die Wissenschaft mit einem Problem, das im wesentlichen zuerst von dem ruffischen Biologen Gurwitsch entdeckt wurde und das geeignet erscheint, unsere Grundanschau­ungen über die Vorgänge im Reiche des Lebendigen bedeutend umzugestalten. Es handelt sich um die Beobachtung, daß eme ganze Anzahl lebender Organismen aus ihren Geweben beftimmte Sirah­len entfenden, die die Fähigkeit haben, die Bellen eines ihnen be­nachbarten Gewebes zu sehr erheblicher Bermehrung anzu­regen, deffen Wachstum also zu fördern. Wenn dieses Strahlungs­vermögen auch bis jetzt nur an verhältnismäßig wenigen Geweben sich feststellen, so legt doch die Tatsache, daß es eigentlich auf allen Stufen des Organischen derartige Sender" gibt. die Ver­mutung nahe, daß es sich hierbei um eine dem Leben ganz allge­mein zukommende Grundlage aller Vorgänge handelt, die mit der 3ellteilung und dem Wachstum der Gewebe zusammenhängen. Bei­Ipielsweise zeigen Batterienfulturen die Strahlung ebenso gut, wie Wurzelspitzen von Zwiebeln, strömendes Blut genau so, wie junges Gehirn oder ein im Zustande der Reigung befindlicher Mustel. Auch die Zellen der Krebsgeschwüre sind in dieser Weise lebhaft tätig. Mit Rücksicht darauf, daß diese Strahlen besonders die Ver­mehrung der Zellen fördern, hat man thnen den Namen mito­genetife Strahlen" gegeben. So oft auch besonders anfänglich tyre Eriftens angezweifelt worden ist, so find die sicheren Beweise für ihr Dafeln so zahlreich, daß man daran nicht mehr zweifeln tann. Die mitogenetischen Strahlen" unterliegen außerdem aller den Gefeßen, die ihrem Wesen nach auch die anderen Strahlenarten, die wir tennen, befolgen. Sie durchbringen gewisse Stoffe, wäh rend sie von anderen zurückgehalten werden und bewegen sich mit einer gewiffen Wellenlänge vorwärts.