bei welcher eS sich um ein yanz minimales Objekt handele, dem Schöffengericht überwies. Er denke also gar nicht daran, der Strafkammer einen Vorwurf zu machen, er sei auch ferner der Meinung, daß man im Gerichtssaale nicht nach etwaigen morali- schen, sondern nur nach strafrechtlichen Gesichtspunkten fragen solle. Daß solche Briefe oder Aktenstücke entwendet werden, sei doch nichts gar so Ungewöhnliches, feien doch auch dem alten Kaiser Wilhelm , als er noch Kronprinz war, Briefe gestohlen worden, freilich damals nicht von Sozialdemokraten, sondern von ganz anderen Leuten. Auf diese Dinge wolle er nicht eingehen, denn im Gerichtssaale solle nicht Geschichte geschrieben und Moralpredigten gehalten werden, sondern untersucht werden, ob eine strasbare Handlung vorliege. DaS sei nun hier nicht der Fall. Der Vertheidiger ist über das Ergebniß der Beweisaufnahme in einzelnen Punkten anderer Meinung wie der Staatsanwalt und bestreitet, daß die Angeklagten den geheimen Charakter des Aktenstückes gekannt oder gar gewußt haben, daß das Armeeblatt einen derartigen Gnadenerlaß bringen werde. Gegenüber polizeilichen Pro» tokollen müsse man immer sehr vorsichtig sein. Es sei unglaublich, daß dieselben unter der Hand erfahren hätten, das„Armee-Verordnungsblatt" enthalte einen Gnaden- erlaß. Nicht einmal der Ches der Angeklagten habe irgend etwas davon gewußt. Jedem ihrer Mitarbeiter sei dieses vollständig unbekannt gewesen. Ganz plötzlich sei die Arbeit des FalzenS dem Hillert übertragen worden. Oeffentlich vor seinen Mitgescllen hatte der Angeklagte Zelsche dem Hillert gesagt, er solle ihm»in Blatt de- sorgen und als ihm der Angeklagte Tscheunert in den Wurf kam, habe er diesem öffentlich gesagt, er soll die Liste holen. Von einem planvollen geheimen Agiren kann hierbei gar nicht die Rede sein. Deswegen erscheine es auch ganz unglaubwürdig, daß der Angeklagte Zetsche dem Kriminalkommissar Schöne gesagt haben soll, er habe unter der Hand er- fahren, das Blatt würde einen Staatserlaß enthalten und daS sei was für den„Vorwärts". Von dieser Äleußerung des Zetsche enthalte seine polizei- licke Aussage nicht ein Wort. Plötzlich trete der Polizei- kommissar Schöne in der Verhandlung mit dieser Behauptung hervor, eine Behauptung, die angesichts der Sachlage unwahr- scheinlich sei. Eine derartige höchst gravirende Auslassung hätte der in politischen Prozessen so bewanderte Kriminalkommissar sicherlich zu Papier gebracht und diese nicht außer acht gelassen. Der Vertheidiger erörterte des weiteren die rechtliche Seite der Frage und b e st r i t t. unter Hinweis auf vorliegende Reichsgerichts- Entscheidungen das Borliegen eines Diebstahls. Wenn ich jemand einen Tausendmarlschein nehme, um ihn zu zerreißen, so ist das kein Diebstahl. Bei einem Diebstahl handelt es sich nicht darum, daß ich etwas an mich bringe, sondern daß ich es in mein Vermögen bringe. Daß diese Absicht bei den Angeklagten vorgewaltet, sei ausgeschlossen. Der Vertheidiger verwies in dieser Beziehung namentlich auf eine Reichsgerichtß-Entscheidung im Bd. Xl Seite 210. Hier handle es sich um einen sogenannten Gebrauchsdiebstahl, und der sei nicht strafbar. Aus dem Umstände, daß die Angeklagten von dem kaiserlichen Erlaß durch Veröffentlichung Gebrauch machen wollten, könne ihnen ein Strick nicht gedreht werden, denn kraft des Nachdruckgesetzes könne man jeden öffentlichen Erlaß nachdrucken.— Nachdem noch Oberstaatsanwalt Drescher den Krimi nalkommissarius Schön« gegen die Angr.isfe des Vertheidigers in Schutz genommen, zog sich der Gerichtshof zur Berathung zurück. Diese dauerte nur kurze Zeit. Wie der Vorsitzende publizirte, ist der Gerichtshof zu der Ueberzeupung gekommen, daß die Angeklagten unter der Hand schon vorher gehört hatten, daß daS Armeeblatt den Erlaß bringen werde und nun, um dem„Vorwärts" gefällig zu sein, da- nach gestrebt hätten, in den Besitz eines Exemplars zu gelangen. Was die rechtliche Seite betrifft, so hält der Gerichtshof dafür ," daß alle Thatbestandsmerkmale des Diebstahls gegeben seien, die Ange- klagten auch das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit ihres Handelns gehabt haben. Ihr ganzes Verhalten zeige, daß sie wohl wußten, daß derjenige, der die Verwahrung halte, mit der Wegnahme nicht einverstanden war. Nach Ansicht des Gerichtshofes sei Zetsche als der eigentliche Dieb. Hillert und Tscheunert aber als seine Werkzeuge— allerdings dolos«— zu betrachten. Strafmildernd liege nur die Unbescholtenheit der Angeklagten vor, sonst aber nur strafschärfende Momente. Aus den materiellen Werth des Papiers komme es nicht an, wohl aber ailf den sehr hohen ideellen Werth, ferner auf den sehr groben Vertrauensbruch und auf das Motiv der Angeklagten, die lediglich in der Absicht ge- handelt haben, in ihrer Partei als große Leute dazustehen. Das Urtheil lautete gegen Zetsche aus 6 Monate. Hillert 3 Monate, Tscheunert 1 Monat Gesängniß. Schluß 4 Uhr. Uokktles. Achtung, RummelSburg ! Die Ersatzwahlen zur G e- meindevertretung im hiesigen ersten und zweiten Bezirk finden heute, Freitag, den SO. März, von vormittags 10 Uhr bis nachmittags 2 Uhr statt. Im ersten Bezirk ist sozial- demokratischerseits von der Ausstellung eines Kandidaten Abstand genommen worden und es wird daher hier Wahlenthaltung empfohlen. Dagegen ist im zweiten Bezirk, wo die Wahl eines Unangessenen in Frage kommt, unser Partei- genösse, der Zigarren- Händler Alfred Alschner. Rummelsburg , Kantstraße 6, als Kandidat aufgestellt worden. Es ist Pflicht eines jeden Parteigenossen, heute mit ganzer Kraft für die Wahl unseres Kandidaten zu wirken; thue ein jeder seine Schuldigkeit, dann ist der Sieg unser I Der zweite Kommunal-Wahlbezirk umfaßt folgende Straßen: Hauptstraße. Prinz Albertstraße, Portlandstraße, Liebigstraße, Neue Prinz Albertstraße, Fischerstraße, Wilhelmstraße und Friedrichstraße. Gegen die Errichtung einer Milllvcrladestelle am Süd» ufer war von den Anwohnern wiederholt aber erfolglos bei dem Polizeipräsidium petitionirt worden. Den Unternehmern war zur Pflicht gemacht worden, nach drei Seiten hin um den Platz eine steinerne Mauer zu errichten und außerdem Vorkehrungen zu treffen, um Verunreinigung des Wassers beim Verladen des Mülls zu verhüten; zu weitergehenden Einschränkungen, nament- lich zur Ueberdeckung der Ausladestelle, um den Anblick des Mülls von der Straße her zu verhindern, lag nach Auffassung der Polizeibehörde ein Anlaß nicht vor, da die Um- gebnng des Platze? in weiterer Entfernung unbebaut war. Jetzt sind nun die Anwohner von der un- liebsamcn Abladestelle durch einen eigenthümlichen Un,- stand befreit worden. Es stellte sich nämlich heraus, daß sämmtliche zur Müllbeförderung benutzten Kähne an der nahe- gelegenen Schleuse bei Plötzensee hätten durchgeschleust werden müssen und daß für jede Durchschleusung eine Gebühr von 6 M. erHobe» wird. Es würde nach einem ungefähren Ueberschlage den Unteruehmern, welche 25 Schiffsfahrzeuge im ununterbrochenem Betriebe zu erhallen beabsichtigen, eine jährliche Ausgabe an Schleusengeldern von SO— 100 000 M. erwachsen. Unter diesen Umständen haben die Unternehmer auf die Errichtung der Ab- labestelle an dem zuerst in Aussicht genommenen Platze verzichtet und werden ein anderes Terrain jenseits der Schleuse erwerben, das außerdem den Vorzug hat, in völlig unbebauter Gegend zu liege». Wie werden Fürsten zu Meuschenverächtcrn gemacht? Der ehemalige Dramaturg und artistische Sekretär de? Wallncr- theateis v. Saville veröffentlicht im„Berliner Fremdenblatt" unter dem Titel:„Wie ich ein alter ungehorsamer Ostpreuße wurde" eine Erinnerung an Kaiser Friedrich. Der Verfasser tbeilt mit. er sei mit dem Amt betraut gewesen, die fürstlichen Gäste bei ihrem Besuch des Theaters zu empfangen, und nun berichtet er über eine Begegnung mit dem damaligen Krön- prinzen Friedrich Wilhelm in jder Hauptsache, wie' folgt:„Es war im Anfang des Monats März 18S3. An dem in Rede stehenden Abend herrschte ein schauderhaftes Wetter, dichter, leichter Schnee fiel herab, der sich, noch ehe er die Erde berührte, in Wasser auflöste, und ein eisiger Wind fegte über den Hof, als ich mich wie gewöhnlich im Frack zum Empfange des Kronprinzen dahin begab. Der Wagen des Kronprinzc» fuhr in den Hof, und eben wollte ich, den Hut in der Hand, an den Wagen treten, als mir. dem das Schnee wasser vom Gesicht herablief, vom Kronprinzen aus dem Magen zu- gerufen wurde:„Wollen Sie wohl den Hut aufsetzen!" Ich that es pich t. Ausgestiegen aus dem Wagen, wiederholte der hohe Herr:„Sitzen Sie den Hut aus. Sie werden sich erkälten!" „Die Ehrfurcht verbietet mir. vor Eurer kaiser - lichen Hoheit mit dem Hut auf dem Kopf zu stehen!" erwiderte ich.„Ach was. Sie werden sich in dem Zug erkälten!" war seine Antwort.„Kaiserliche Hoheit sind zu gnädig, um meine Gesundheit besorgt zu sein, ich bin ein O st p r e u ß e und an rauhe Witterung gewähnt!" erlaubte ich mir zu antworten.„Ostpreuße oder Südpreuße, das ist gleich. Sie werden sich erkälten, und das will ich nicht, setzen Sie gleich den Hut auf," erwiderte der Kronprinz, und da er im b e- fehlenden Ton gesprochen hatte, bedeckte ich mich nun. „Nach Schluß der Vorstellung wünsche ich Sie hier im Ueber- zieher zu sehen, hören Sie!" Ich verbeugte mich, und der Kronprinz ging nach der Loge hinauf. Am Schluß der Vorstellung geleitete ich die Frau Kronprinzessin, welche dieser Vorstellung auch beigewohnt und die Loge zuerst verlassen hatte, nach dem Wagen, ihr hoher Gemahl folgte. Als er nun sah, daß die Frau Kronprinzessin mit mir sprach, rief er lachend:„Sprich nicht mit dem alten Ostpreußen , er ist mir immer u»- gehorsam! Ich hatte keinen Ueberzicher an und hatte den Hut wie natürlich in der H a n d. So wurde ich ei» alter, ungehorsamer Ostpreuße und wurde so auch immer bei spätere» Empfängen von dem so gnädigen hohen Herrn an- geredet!" Schon 1371 hat der Verfasser des bekannten„Neuen Wintermärchens" daraus hingewiesen, wie nothwendig das neue Geschlecht der Musterdeutsche» eines Schwanzes zum Wedeln be- dürfe. Leider hat die sonst so grundgütige Mutter Natur die entsprechende Bitte des Dichters immer noch nicht erhört. Von der Heiligkeit der Ehe in gewissen bürgerlichen Kreisen giebt das solgende G e s ch n f t s z i r k u l a r der„Ans- kunftei Salo Richter" ein liebliches Bild:„Infolge der Aus- dehnung meines Instituts ist die Verlegung der Geschäftsräume nöthig geworden, und befinden sich dieselben vom heutigen Tage an(folgt Adresse). Ich bin nunmehr in der Lage, auch der Abtheilung für HeirathS- und Privatauskünfte gleich derjenigen für K r e d i t auskünfte, die sich durch ihre P r o m p t h e i t und Zuverlässigkeit die Anerkennung erster Firmen und Banken erworben haben, meine ganze Aus- merksamkeit und Fürsorge zutheil werden zu lassen. Die zahl- reichen Beziehungen, die ich in den besseren jüdischen Kreisen Berlins und der Provinz be- sitze, befähigen mich, Auskünste zu crtheilen, die nicht nur die in betracht kommende Situation, die ja dem Aufbau eines Haushalts als Grundlage dienen soll, aufs Eingehendste untersuchen, sondern auch den sozialen Werth der interessirende» Persönlichkeiten in bezug auf Herzens-(!) und Geistesbildung, aus Zukunft und Lebens- stellung in klarster Weist beleuchten. Es ist nicht meine Absicht, ür diese Heiraths- Auskünfte die bisher meistens ge- orderten abnorm hohen Preise in Ansatz zu bringen, vielmehr dürfen Sie der l o y a I st e n Berechnung versichert sein. Ich empfehle mich Ihrem geneigten Wohlwollen und bitte Sie, mich mit Ihrem Vertrauen zu beehren,"— Heißt ein Geschäft, eine solche unter der Aegide der„Auskunftei" zu stände gekommene Ehe! Vom weiteren Wirken der Polizei am Gedenktage meldet ei» Lokalberichterstatter: Der Schluß des Friedhofes der Märzgefallenen erfolgte gestern Abend bereits um•V-iti Uhr, zu welcher Zeit die Massengräber durch Polizeiniann- s ch a f t e n geräumt wurden. Hierbei gingen die Mann- schaften der Straßenexekution überaus scharf vor; sie wiesen sämmtliche Paffanten des Friedrichshains in der Gegend des Krankenhauses hinaus und die Promenaden- und Fahrwege zwischen Landsberger Allee , dem Krankenhause Friedrichshain und Landsberger Thor wurden völlig gesperrt, so daß von der Arbeit kommende Personen, die sich auf dem Nach- hausewege befanden und dabei den Friedrichshain passtren mußten, gezwungen waren, große Umwege zu machen. Diese Sperrung dauerte bis Uhr abends. Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne— ihr. In der stattgehabten Generalversammlung der Großen Berliner Pferde- Eisenbahn- Aktiengesellschaft erinnerte der Vorsitzende daran, daß die Gesellschaft nunmehr auf eine 2djährige sehr befriedigende Thäligkcit zurückblicke und gab er der Hoffnung und dem Wunsche Ausdruck, daß das Unternehmen sich in den bisherige» glucklichen Bahnen weiter bewegen werde. Die anwesenden 51 Aktionäre, die ein Aktien- kapital von 12 389 100 M. repräsentirten und wiederum eine Dividende von l2l/s pCl. beziehe», halten gegen diesen Wunsch nichts einzuwenden. Friedrich der Große und seine ZnchthanSkandidatcn. Mit einem nette» Diebesgesindel muß sich der augeblich größte der tobten Hohenzollern in seinen letzten Lebensjahren umgebe» haben, wen» das Schriftstück echt ist, das ein hiesiges Blatt veröffentlicht. Es ist eine Küchenrechnung, und sie lautet:„Die Exlra-Konsumtion bei der Königl. Hoj-Kuche vom 9. November 1784 beträgt Summa 25 Rthlr. 10 gr. IVe denar." Darunter hat der König mit eigener Hand, aber in großen Haken und nn- leserlicher Schrift geschrieben:„Da vorgestern 100 auster Sindt gestollcn auf den Tich geweßen kosten 4 Tallcr. Die Kuchen 2 rtl., quapen Leber 1 rtl., der Fichsch 2 rtl., die Kuchen auf Rusich 2 rtl. macht 11 rtl. Das übrige gestollen. Da«in Eßen mehr heute ist geweßen Hering u. Erpssen Kan 1 rtl. kosten also was über 12 rtl. ist impertinent gestollen." Deutsche Bildnngsriipel. Ein Pistolenduell mit un- blutigem Ausgange hat vor kurzem im Grunewald zwischen zwei Velerinärstudenten stattgefunden. Veranlassung dazu waren Beleidigungen am Biertische, die auch zu Thätlichkeiteu geführt hatten. Der eine Duellant war erst kürzlich von Ehrenbreiten- stein zurückgekehrt, wo er wegen Zweikampfs eine Festungsstrafe verbüßt hatte. Kein Wunder bei dem wehenden Wind, daß sich die„Blüthe der deutschen Nation" immer mehr zu solchen Rohheitsverbrechen angestachelt fühlt. Von Anna Merten meldet ein Berichterstatter: Bezüglich Anna Merten's, der Geliebten Fritz Friedmann's , hieß eS, daß ein Verbot des Polizeipräsidiums sie verhindert habe, in Berlin aufzutreten. Wie verlautet, lag jedoch der Hinderungsgrund darin, daß Anna Merten einem„Familienereigniß" entgegensieht. Im ZirkuS Busch findet am 2. April die letzte Vorstellung tatt, der Zirkus siedelt dann nach Wien über. Inzwischen ollen in de» Vorstellungen noch verschiedene interessante Ab- wechslungen geboten werden. Von einem Mitgliedc der Kommission für den Austritt aus der Landeskirche wird uns geschrieben, daß die auch von uns wiedergcgebene Nachricht der„Volks-Zeitung", wonach die Kommission wegen unerlaubten Verbreitens von Druckschriften ein Strasmandat erhalten habe, wohl nicht richtig sei. In der Müllerstraße habe ein Polizeilieutenant zwar einige Austritts- sormulare konfiszirt. von einer Bestrafung in diesem Falle wisse man jedoch in der Kommission nichts. Zu dem Unglück bei Eyck und Strasser, worüber wir am Mittwoch berichteten, wird uns noch weiter mitgetheilt, daß der verunglückte Emil Straßburger mit noch anderen Arbeitern in dem Raum, wo die Transmission sich befindet, sich umzukleiden pflegte. Dies geschah deshalb, weil der zum Zweck des U>n- kleidens vorhandene Raum sich als zn klein erwies. Als nun am Dienstag Mittag Straßburger beim Anziehen seines Jockels der unbekleideten Transmission zu nahe kam, wurde er von der letzteren erfaßt und ihm, wie bereits geschildert, der rechte Arm abgerissen. Es ist anzunehmen, daß der Raum, in welchem das Unglück passirte, nur zur Beherbergung der Transmission vorhanden ist, da erst am Montag eine Revision der Fabrikanlagen durch den Fabrikinspektor vor- genommen wurde. Die Arbeiter sollten sich doch endlich daran gewöhnen, bei etwaigen mangelhaften Zuständen in den Fabriken sich sofort energisch an die Fabrikleitung zu wenden, und wenn das nicht hilft, an die zuständigen Behörden. Es würde alsdann manches Unglück zur rechten Zeit verhütet werden. Erschossen hat sich der 32jährige Viehhändler Wessel, der im Geschäft seines Vaters in der Friedeustraße angestellt war. Familienzwistigkeiten sollen die Ursache der That gewesen sein. Ein entscblichcö Unglück ist am Mittwoch Abend dein 17jährigcn Dienstmädchen Karolinc Kirchner zugestoßen, das bei einem Kaufmann in der Schlegelstraße in Stellung ist. Das Mädchen wollte etwas vom Hängeboden hervorholen und fiel dabei so unglücklich auf einen Stuhl, daß es sich de» Unterleib aufriß. Nachdem ein Arzt ihr einen Nothverband angelegt hatte, mußte die Schwerverletzte in ein Krankenhaus gebracht werde». Wegen Krankheit suchte sich Donnerstag Morgen der Zimmermann Sch. in seiner Wohnung in der Ruppinerstraße durch Erhängen das Leben zu nehmen. Er wurde jedoch ab- geschnitten und noch lebend in ein Krankenhaus gebracht. Unbekannt gestorben ist im Krankenhause am Friedrichs- Hai» ein Mann, der am vergangenen Sonntag durch einen Schutzmann dorthin gebracht worden war. Der Mann sprach um die Mittagszeit bei einer Wittwe P. in der Magazin» straße um eine Tasse Kaffee an, die ihm auch gewährt wurde. Als aber das Dienstmädchen mit den: Getränke die Küche ver- ließ, um es ihm zu überreichen, war der Mann unterdessen auf dem Treppenabsätze zusammengebrochen und hatte das Bewußt- sein verloren. � Ohne dieses wiedererlangt zu haben, ist er im Krankenhause gestorben. Der Unbekannte, bei dem auch keine Ausweispapiere gesunden wurde», hat weißes Haar und einen spitz zugeschnittenen Vollbart. Wetter-Prognose für Freitag, de» 20. März IKK«. Kühleres, theils helteres, theilS wolliges Wetter mit etwas Regen und schwachen westlichen Winden. Berliner Wctterbureau. Gemovkpisznftlirfzvs. Sitnationöbericht der streikenden Lackircr Berlins und Umgegend. Bewilligt haben 45 Werkstellen mit 200 Kollegen. Im Streik befinde» sich in 18 Werkstellen 67 Manu, die 54 Kinder zu ernähren habe». Zwecks genauer Kontrolle haben sich die streikenden Kollegen unbedingt zweimal täglich, und zwar vormittags von 9 bis 11 Uhr und nachmittags von 3— 5 Uhr im Streiklokal bei Sieges- in und, Alexanderstraße 11, einzufinden. Ebendaselbst ist während des Streiks der Arbeitsnachweis. Die Kollegen werden ersucht, sich recht zahlreich dort einzu- finden, da die Nachfrage nach Arbeit groß ist. Von den Werkstellen, wo noch nicht bewilligt ist. sind besonders zu nennen: I. Neu ß, Friedrichstraße, Wagenfabrik. D i t t- m a n n, Markusstraße Lange und G u t z e i t, Frankfurter Allee , Schulz, Eisen-Möbelfabrik, Hasenhaide Nr. 9. Die In« Haber dieser Firmen haben noch keine Erklärung abgegeben. Ferner werden die Kollegen, welche den Tarif abgeholt habe» oder denen die Forderungen noch nicht bewilligt worden sind, gebeten, unverzüglich der Lohnkommission Bericht zukommen zu lassen. Auch werden die in Arbeit stehenden Kollegen auf den Beschluß der öffentlichen Versammlung am 13. März aufmerksam gemacht, wonach sich sämmtliche arbeitende Kollegen moralisch für verpflichtet halte», 1 M. des Sonnabends an die Streikkasse abzuliefern. Endlich werden die Kollegen noch auf die öffentliche Versammlung aufmerksam gemacht, die am Sonn- tag, den 22. März, vormillags 9 Uhr, im Englischen Garten abgehalten wird. Die L o h n k o in m i s s i o n der L a ck i r e r Berlins und Umgegend. I. V.: B. S eh ni is ch. Der Vorstand der orgauisirtcu Brauer Berlins macht bekannt, daß die Differenzen zwischen den ausgesperrten Brauerei- arbeitern des M ü n ch e n e r B r a u h a u s e s, Berlin , Johannis- straße 18/19, und dessen Direktion noch nicht geregell sind. Aus Fürth ging uns ein„Ausruf an a l l e A r b e i t e r Deutschlands " zu, den wir hiermit aufs allerdriugendste der Beachtung der gesammten Arbeiterschaft empfehlen. Er lautet: Nachdem wir bei den Kommissionsverhandlungen unsere Forderungen bedeutend reduzirt hatten, eine Einigung aber trotz- dem nicht erzielt werden konnte, haben die v e r e i n i g t e nF a b r i- kanten alle Arbeiter, die sich nicht auf Gnade und Ungnade unter- schreiben wollten, r ü ck s i ch t s l o s a u s g e s p e r r t. DieZahl derselben beträgt zirka L0V0 und vertheilt sich aus die Holz- und Glas- industrie und ans die Bildhauer. Die ausgesperrten Arbeiter und Arbeiterinnen appelliren nun an das SolidaritälsgefühlZder deutschen Arbeiter, ihnen die moralische und finanzielle Unter- stützuug nicht fehlen zu lassen. Briefe und Sendungen sind zu richten an S. K u n t e r m o n n in F ü r t h in Bayern , Gasthaus zum grünen Baum. D i e K o m m i s s i o n z u r Er z i e l u n g der l'/sst ü n d i g e n Mittagspause. Die Schuhmacher Leipzigs fordern eine Erhöhung der Stück- und Akkordlöhne um 10 pCt., sowie einen Zuschlag von 20 pCt. für Ueberstuuden, ferner eine Erhöhung von 10 pCt. für Hausarbeiten und einen Stundenlohn von 30 Pf. für Tage- arbeiter sowie von 40 Pf. bei Ueberstunden. Gclbgicßer», Schlossern und Drehern zur Beachtung- daß in der Fabrik von Brandt u. B a r a n s ky in Markran' st ä d t bei Leipzig Differenzen ausgebrochen sind. AuS Lüttich wird der„Köln . Ztg." geschrieben: Der neue Bergarbeiteraus st and ist nicht auf eine Lohnbewegung, sondern auf den Umstand zurückzuführen, daß die Leitung der Cockcrill'schen Grube» 15 Kohlen hanern, die durch schwere Fehler beini Abbau den Betrieb gefährdet hatten, gekündigt hatte. Die Entlassenen brachten die Sache vor den Arbeits- und Gewerberath. und dieser entschied am Sonnabend einmüthig zu gunsten der Cockerill-Gesellschaft, was unter den Bergleuten eine solche Unzufriedenheit erregte, daß sie den Ausstand begannen. Der Spruch des Arbeits- und Gewerberaths ist, vorausgesetzt daß die„Köln . Ztg." die Thatsachen überhaupt richtig schildert. schwerlich gerecht, denn sonst würde der Ausstand kaum einen so großen Umfang gewonnen haben. Die„Voss. Ztg." berichtet nämlich: Alle Zechen des rechten Maasusers im Becken Seraing feiern. Dreitausend Bergarbeiter sind ausständig. Ein Ausstand der linksufrigen Zechen wird befürchtet. Und„Herald's Bureau" meldet: Der Streik im Knhlenrevier nimmt immer größere Dimensionen an. Auf sieben großen Gruben ruht der Betrieb. In der Stadt Seraing begab sich eine große Menge Streikender nach dem Rathhaus, um zu demonstriren und Unterstützung zu fordern.
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