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to sit doth rele

Sonntag 23. März 1930

Inge

Stramm:

Unterhaltung und Wissen

Es schlagen die Stunden...

Frühmind schauert in dem fahlen Geäft der Bäume. Dunkelheit| Leben lockte, das viele Geld, das man verdienen fonnte in der Tastet noch über den Häusern, über den Fabriken, den schmutzigen Stadt, die bunten Dinge, die man dafür kaufen fonnte Föfen. Der Brodem der Nacht schlägt aus geöffneten Kaffeehaus­fenstern. Straßenfehrer jegen Unrat Weiß jemand von ihnen, daß über der großen Weite des flachen Landes das Licht wächst... daß im winterstillen Wald einsamer Vogelruf lockt?..

Niedere Hüttendächer ducken sich am Fluß. Auf flachem Wasser am Ufer knistert dünnes Eis. Kalt war die Nacht. Das Feuer im Herd ist erloschen. Zum wievielten Male fräht der Hahn schon? Hell steht der Morgenstern, und die Nacht versinkt.

Die alte Frau huftet und flappert mühselig mit den Wasser­eimern zum Brunnen. Ihre Finger find gichtig und zittern, wenn sie den Eimer heben Wozu hat man ein einziges Kind... eine einzige Tochter?.. Morgengloden läuten.. Fabriffirenen gellen zerreißen die Dunkelheit, zerreißen den Schlaf. Warum weckt der Becker nicht?.. Herta Wiese fährt hoch aus den Kissen. War nicht Helligkeit um fie... Glodenläuten? Lichter Traum!..

Jetzt feift eine Stimme. Es ist die der Birtin, welche mit dem Schlafburichen streitet, der auf dem Hängeboden über der Küche schläft. Stiefel poltern an die Wand. Das Mädchen drückt nod

einmal den Kopf tief in die Rissen... Eine Uhr schlägt sieben langsame, rafselnde Schläge.

So beginnt ein Tag. Elektrische Bahnen flingeln auf den Straßen. Omnibusse rasen. Die Stadtbahn donnert über Brücken­bogen. Auf den Hintertreppen der Häuser riecht es mach Malzlaffee und übergefochter Milch.

Dentt Herta Wiese daran? Sie denkt nichts, als daß sie noch müde ist, daß es bald wieder Abend sein könnte, weil sie heute mit Erich ins Rino gehen will, daß aber bis dahin noch eine Menge Arbeit getan merden muß, die sie absolut nicht interessiert. Aber figen denn nicht an Hunderten von Schreibmaschinen Mädchen arbeiten nicht Taufende in Fabritfälen?.. Es ist alles so unt wichtig.

Und das Licht des Vormittags wächst in die Fenster. Die budlige Näherin im vierten Stod des Hofgebäudes fizzt wie immer an der Nähmaschine. Im ersten Stock gießt ein blondes Mädchen einen fümmerlichen Blumenstod. Bozu gibt es eigentlich Blumen?.. Ueberhaupt im Winter?.. Es ist eine Quälerei.

Es ist alles wie jeden Tag. Um 12 Uhr diftiert der Chef. Um 1 Uhr ist Mittagspause. Fünf Minuten nach eins diftiert der Chef noch. Die Buchhalterin am Nebentisch nimmt ungeniert ihr Butterbrot aus der Mappe und gießt aus einer Thermosflasche heißen Kaffee in eine Tasse, der der Henkel fehlt. Viele Menschen laufen hin und her. Das Lehrmädel schreit von der Tür aus: ,, Goll id noch for jemanden Ruchen mitbringen?.. Wollten Se nich heute Würstchen haben, Fräulein Wiese?" Ach so der Chef!..

"

,, Kommen Sie in mein Brivationtor", brüllt der wütend, der Brief muß noch weg, heute!"

fofa liegen jeidene Kissen.

.

Das Mädchen sieht das alles nicht. Es denkt: Wenn Erich nur jetzt nicht anruft.. Er wollte heute mittag anrufen!... Sie sitzt, den Bleistift in der Hand, das Stenogrammn zu be enden. Der Chef steht hinter ihr. Bangjam kommt feine Stimme: ,, Betreffs Ihres Auftrages... aber nein... marten Sie Lesen Sie mir noch einmal den Anfang des Briefes vor!" Er sieht Lesen Sie mir noch einmal den Anfang des Briefes vor!" Er sieht

das Mädchen an.

Ungeduldig legt das Mädchen den Bleistift hin und beginnt zu lesen. Der Mann steht dicht hinter ihr. Er legt die Hand auf ihre lesen. Der Mann steht dicht hinter ihr. Er legt die Hand auf ihre Schulter. Sein Atem ist über ihrem Haar...

Das Mädchen hat geendet und rührt sich nicht. Es denkt: er

hat doch ein Verhältnis mit der Einkäuferin... Eine Fliege fummmt

um die Lampe  .

Scham brennt in ihr. Nie tamm sie zurück... Und stellungslos schon gar nicht! Sie muß eine andere Stellung finden, und jei's jetzt auch noch so schwer. Sie wird dann wie immer etwas Geld nach Hause schicken, trotzdem die Mutter nie darauf antwortet. wird schreiben, daß es ihr gut geht, wird nebenbei sparen, daß sie vielleicht doch noch einmal heiraten können... Erich und sie

.

Und wenn sie nun fein Geld mehr verdient?.. Dann muß ja auch alles mit Erich aus sein... Verzweiflung treibt sie vorwärts.

In der Meinen, dunklen Stube, in der eine viel zu hoch hängende Lampe trübselig brennt, kniet Herta Wiese vor einer ge= öffneten Schublade und framt zwischen den Sachen. Den Brief sucht sie, den letzten Brief der Mutter zu ihrem Geburtstag vor einem Vierteljahr... und dann hält sie ihn in den Händen, den finierten Bogen mit der zittrigen, unbeholfenen Schrift: Meine fiebe Tochter... Kein Vorwurf in den Zeilen, keine Mage

aber

Beilage des Vorwärts

fie leise. So sehr schmerzte die Gicht. Die Fensterladen sind nicht geschlossen. Der Wind rüttelt daran.. oder war das nicht der Wind? Die Nacht sieht herein, und hod) steht das Licht der Sterne. Die alte Frau faltet die Hände.

Ging nicht eben die Tür? Ist das die Nachbarin, die die Kuh gemolten hat und jetzt die Milch bringt?.. Nein, das sind nicht die schweren Schritte der Bauersfrau in ihren derben Stiefeln Das sind leichte Schuhe, die über die Dielen huschen, eine helle, wenn auch von Tränen erstickte Stimme:

,, Mutter!.."

Die alte Frau sitzt aufrecht im Bett. Ihre zitternden Hände ftreicheln fortwährend den Kopf der Tochter und die Hände und den Stoff des Kleides..

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Ich will dir eine Suppe fochen, Mutter... und will es ganz hell machen hier. und will. ,, Tu alles, Kind... Du bist ja mieder nach Hause ge­fomument Ich mußte es immer.. einmal fommst du doch wieder Die alte Frau lächelte Das Mädchen schluchzt noch immer:

,, Aber... ich kann dir nun kein Geld mehr geben...

Geld?" fragt die alte Frau verwundert: Ich habe doch das

dazwischen zucht es und ruft und ruft. die Unterschrift ist von Häuschen und den Hof und die Kuh und die Aecker und Wiesen, die Feuchtigkeit verwiſcht..

...

Da lehnt das Mädchen seinen Kopf an das harte, schon mumm­ftidige Holz der Kommode und meint..

Abendliche Dunkelheit liegt über dem Dorf wie ein famterres Tuch. Im Lauf des Flusses spiegeln Sterne. Von der Station her pfeift der Zuge

In dem kleinen Häuschen, ganz am Ende des Dorses, wo der Bald beginnt, brennt fein Licht. Nur das Feuer im Herb wirft feinen zuckenden Schein auf alle Dinge. Die Kammertür steht offen. unruhig wirft die alte Frau sich im Bett umher. Mandymal stöhnt

|

Derpachtet sind..."

,, Ich. ich habe dir aber doch immer Geld geschickt", stottert das Mädchen und richtet sich jäh auf.

,, Ach so... dein Geld!... Das ist alles da..., das gehört alles dir ich brauchte es nie.. es ist schon eine ganze Menge wenn du einmal heiraten würdest!.."

OON  

,, Mutter!" sagt da das Mädchen noch einmal... mehr fanm es nicht fagen und braucht auch nicht mehr zu jagen... Die Mutter fächelt und hält ihr Kind jest umschlungen...

Bom Kirchturm her weht Abendglockenläuten...

Dr. Fritz Kahn  : Der Schlaf

Der nachstehende Abinitt ist mit Erlaubnis der Frandhfchen Ber­lagshandlung, Stuttgart  , dem reich illustrierten Wert Don Dr. Frig Rahn, Das Beben bes Menschen", 5 Bände( Band 1-4 je 16,50 M., Band 5 etwa 8 M.) entnommen. Wir tommen auf die Be deutung dieses Meisterwertes populärwiffenfchaftlicher Aufklärung noch zurlid.

Unendlich viel ist über den Schlaf philosophiert worden und man müßte piele Geiten füllen, wollte man alle Schlaftheorien von Aristoteles   bis Freud und Pawlow anführen oder gar das Schöne und Kluge zufamemntragen, das die Weisen aller Völker über den Schlaf geschrieben haben, der den verworrenen Knäuel des Lebens löst, der jeden Tages Tod ist, der Mühen Bad, der Herzenswunden Balsam, der zweite Gang im Gustmahl der Natur, das Hauptgericht beim Fest des Lebens".

Die eratte wissenschaftliche Erforschung des Schlafes hat erit in unseren Tagen begonnen und damit auch die ersten objektiven Im Privatkontor ist es hell und behaglich. Ein Streifen Sonne Grundlagen zum Verständnis dieses geheimnisvollen Naturwunders fällt durch die weißen Scheibengardinen. Auf dem Schreibtisch geschaffen. Jeder kennt das" Sichtotstellen" der Käfer, ein Schulz stehen Bunnen in einer schmalen Base. Auf einem braunen Leder- reffer, der nach den Untersuchungen der Zoologen durch Berühren bestimmter Körperstellen ausgelöst wird. Aehnliche Zustände wie das Sichtotstellen oder die reflektorische Zwangslähmung findet man auch bei den höheren Tieren, ja, sogar beim Menschen. Bei diesem wird der Lähmungsrefler zumeist von den Augen aus be wirft. Unter den Menschen übt der Hypnotiseur diese unit, indem er den Blick seines Mediums durch scharfes Firieren oder durch Borhalten eines glitzernden Diamanten fesselt, wodurch bei leicht zu beeinflussenden suggestiblen" Menschen diefelbe reflektorische 3wangslähmung, die Katalepsie, eintritt. Die Hypnose ist ein dem Totstellen der Tiere verwandter Zustand der Zwangslähmung, der mit dem normalen Schlaf gewisse Aehnlichkeiten befizt und leicht in diesen übergeführt werden famn. Diese und manche andere Beobachtung ließen die Vermutung aufkommen, daß der Schlaf durch Nervenzentren geregelt wird, die mit dem Blickzentrum, d. h. den Kernen der Augenmuskelnerven, in Beziehung stehen. Diese An­nahine fand ihre Bestätigung durch eine neue, erst in unserer Seit aufgetauchte Krankheit, die Kopfgrippe, von der Wissenschaft Encephalitis lethargica genannt, d. h. die mit Lethargie, Schlaf fucht, einhergehende Hirnentzündung. Nähert sich bei der Kopi Hinterwand der dritten Hirnhöhle am Uebergang von Zwischen zu grippe die Entzündung dem Kern der Augenmuskelneroen in der Mittelhirn, so tritt gleichzeitig mit Augenmuskellähmungen entweder Schlafsucht oder Schlaflosigkeit des Patienten ein Schleicht der Krankheitsprozeß von hinten nach vorn, so befällt den Kranken eine ununterbrochene Müdigkeit; naht er umgekehrt von vorn, so ergreift ihn eine ebenso anhaltende Unruhe. In der Hinterwand der dritten Hirnhöhle besitzt der Mensch ein Schlafsteuerungs­entrum, turz genannt: Schlafzentrum, das aus zwei gegen Mensch schlaflos; ertranft der hintere, so wird er schlaffüchtig. Der füglich wirkenden Teilen besteht. Erkrankt der vordere, so wird der eine Teil ist ein Schlaf-, der andere ein Wachzentrum. Schlafmittel wirken, wie man an Schlafmittel- Bergifteten nachweisen kann, durch Spezielle Beeinflussung dieser Hirngegend.

Ganz leicht zieht das Mädchen die Schulter zurück. Sofort tritt

der Mann zur Seite und ist sichtlich verstimmt. Eine Falte droht zwischen seinen Brauen. Erst jetzt erschricht das Mädchen und fühlt zwischen seinen Brauen. Erst jetzt erschricht das Mädchen und fübit brennend seine Abhängigkeit. Es versucht zu lächeln.

Starren Sie gefälligst nicht in die Bust, sondern schreiben Sie: Betreffs Ihres Auftrages teilen wir Ihnen mit, daß der Lieferunrgs

termin..

In diesem Augenblick schrillt das Telephon, Jäh durchzuckt es das Mädchen: Das gilt mir! Das ist Erich! Mein Gott... mer aber hat es gewagt, das Gespräch hierher ins Brivatfontor um zuleiten Das ist eine Injamie von... Don?.. Gespräche der Angestellten sind doch eigentlich verboten!..

Schon aber hat der Mann den Telephonhörer hochgenommen: Hallo!.. So? So?.. Ach das ist ja reizend! Ihr Fräulein Braut wird sich sehr freuen!.." Seine Stimme bebte vor Spott. Mit einer Verbeugung reicht er den Hörer dem Mädchen:

...

,, Bestellen Sie bitte Ihrem Freund, in Zukunft brauchte er sich ,, Bestellen Sie bitte Ihrem Freund, in Zukunft brauchte er sich nicht mehr die Mühe machen, Sie anzurufen! Er fönnte schon am Bormittag mit Ihnen spazieren gehen, wenn es ihm Freude macht!" Bleich vor Schreck steht das Mädchen War... mar das eine Kündigung? Hart wirft fie den Hörer auf die Gabel. Ein paar Schritte mir find es bis zur Tür. Wer hat ihr das angetan? Der Chef starrt ihr nach: ,, Es fällt Ihnen wohl ein, daß sie ein Anrecht auf Mittagspause haben, Fräulein Wiese? No, guten Appetit!"

Hinter der Tür aber prallt das Mädchen fast mit der Ein fäuferin zusammen, die ihr schadenfroh lächelnd nachficht.

Die Großstadtstraßen find zermühlt von Menschen und Lärm. Bon einem Kirchturin hallen Glockenschläge. In den hellen Staffee häusern plaudern die Menschen. Vor den Theatern fahren die eleganten Wagen vor. Mufit flingt bezmingend auf. Das Leben brennt in flammenden Fanalen. Heber ber Großstadt liegt der rote Dumst. In dumfieren Borstadtstraßen weht ein falter Wind. Frauen mit gemalten Gefichtern stehen an den Eden Ihr Lachen spreizt sich frech.

Ich muß ja nach Hause! denkt das Mädchen... Nach Hause? Ist diese eine Hinterstube im vierten Stock bei der diden Frau Kruje  , die tagsüber zu fremden Leuten waschen geht, wirklich dein zu Hause?

Schluchzen schüttelt bas Mädchen... Warum ist fie damals Davon gelaufen und hat die Mutter allein gelaffen?.. Beil das

.

Der von diesen Zeniren in einer uns noch unbekannten Weise ausgelöste Schlaf ist ein Doppelprozeß. Das Schlafzentrum wirft einerseits auf das animale Nervensystem, die vor oder über ihm gelegene Hirnrinde, andererseits auf den im Boden der vierten Hirn­höhle und im verlängerten Mart hinter und unter ihm liegenden Zentralteil des vegetativen Systems. Die Hirnrinde wird durch das Schlafzentrum blockiert, d. h. von der Außenwelt abgeschnitten. Es gelangen teine Reize mehr durch die Sinnesorgane zu den Zentren des Bewußtseins, der Mensch sieht, hört, fühlt nichts mehr von außen, er schläft. Der berühmte Klinifer Strümpell beobachtete einen Nervenfranken, dessen Sinnesapparate mit Ausnahme eines Auges und eines Dhres abgestorben waren, Auch feine Haut war gefühllos geworden. Stopfte er diefem Kranten Matte in das ge funde Ohr und hielt ihm nun die Hand nor das sehende Auge, lo Schlief er ein. Schlaf ist hirnblodade. Die Kunst des Ein schlafens besteht in der Fähigkeit, sein Hirn gegen die Eindrüde der Außenwelt zu blockieren. Ber nichts mehr denkt und nichts mehr fühlt, schläft ein. Wer seine Gedanken abzustellen vermag, ist Rünft ler im Einschlafen, wie Napoleon  , der das Geheimnis feiner großen Bach und Schlafkunst verriet durch das Geständnis: Die verschie densten Sachen liegen in meinem Kopf fortiert wie in Schubfästen. Ich öffne die eine und schließe die andere, je nach Wunsch. Wenn ligh auszuruhen wünsche, schliche ich alle Schubladen und schiafe,

Neben der Rindenblockade, die zum Hirnschlaf führt, werden die vegetativen Zentren gebremst, und es tritt der vegetative Schlaf, der Körperschlaf, ein: der Tonus läßt nach, die Muskeln wer­den schlaff, die Atmung vertieft, der Herzschlag verlangsamt sich, die Drüsen schränken ihre Tätigkeit ein. Der Schnupfen, der uns am Tage teine Viertelstunde ungeschoren läßt, ist im Schlaf wie ver­flogen. Wir freuen uns des Morgens beim Erwachen, aber eine Viertelstunde später erkennen wir zu unserer Enttäuschung, daß auch diese Heilung nur ein Traum gewesen, der Schlaf und Traum der Drüsen, die genau so wie die Hirnrinde während des Körper­schlafs blockiert sind.

Unter normalen Bedingungen sind Hirn- und Körperfunktionen vom Schlaf und Wachzentrum aus parallel geschaltet. Sie machen gemeinsam und schlafen gleichzeitig. Die Schlafzeiten fönnen sich aber zeitlich gegeneinander verschieben. Geringe Verschiebungen be­obachtet jeder gelegentlich selbst an sich oder seiner Umgebung. Wenn wiir des Abends eingeschlafen sind, uns aber im Halbschlaf" noch unruhig hin und her wälzen, so schläft das Hirn schon, der Körper aber wacht noch. Wenn wir des morgens zwar schon wach sind und schon denken, uns aber noch nicht erheben können, weil unsere Glieder noch wie gelähmt" find, so ist das Hirn schon wash, der Körper aber schläft noch. Besonders auffallend wird diese Ver­schiebung in Krankheitsfällen, namentlich im Fieber. Starke Ber­schiebungen fönnen zu ganz eigentümlichen Krankheitsbildern führen. zu Anfang des Jahrhunderts hielt ein Roman die Welt in Span­nung, zu deffen Beginn ein Mann morgens tot in seinem Bett ge­funden wird. Die Gattin steht vor der Leiche und läßt sich von dem Freunde trösten, die Scheuerfrau unterhält sich mit dem Dienit­mädchen in drastischen Ausdrücken über die jäh abgebrochene Ehe und philosophiert schon über die Heiratspolitit der jungen Witwe, die wahren und die falschen Freunde tommen und sprechen über den Toten; dieser aber hört alles, denn er ist gar nicht tot. En ,, Albdruck" liegt auf ihm: das Hirn ist wach, es hört und fühlt und will sprechen, den Körper emporreißen aus der Schlafstellung, aber es fann nicht; durch das Schlafzentrum ist der zum Körper hinabführende Teil der Nervenleitungen blockiert und erhält von der Hirnrinbe keine Bewegungsreize mehr. Auch der umgekehrte Fall Reize, denn es ist durch das Schlafzentrum blockiert. Wie in jedem ist befannt: das Hirn schläft; es empfängt von der Außenwelt feire Schlaf, ist es nicht völlig betäubt, sondern von Traumbildern er­füllt; es denkt, es fühlt, es handelt". Normalerweise werden diese Handlungen nicht ausgeführt, denn auch die Körperleitungen sind blockiert. In diesen Fällen aber fließen ausnahmsweise die Traum­reize der Hirnrinde wirklich dem Körper zu wie im Bachzustand, und der Körper führt die Befehle der Rinde aus: er bleibt nicht still im Bett liegen, sondern erhebt sich, hantiert, öffnet die Tür, Der Abdruck ist ein Körperschlaf ohne Hirnschlaf, das Nachtwandeln Spaziert über Treppen nachtwandelt( Somnambulismus). ein Hirnschlaf bei Körperwachheit. Ein fünftlich herbeigeführter schlafartiger Zustand, bei dem Hirn- und Körperschlaf, wenn auch nicht pöllig getrennt, so doch nur sehr lose verbunden und leicht trennbar sind, ist die Hypnose.

Wie man schon aus der Berquidung von Körper- und Hirn­schlaf vermuten tann, ist der Schlaf ein sehr komplizierter und schwer zu analysierender Zustand, über dessen wahre Natur wir so gut wie gar nichts wissen. Schon die Definition des Schlafes stößt auf große Schwierigkeiten. Der Schlaf ist ein höchst merkwürdiger, sehr schwer zu definierender Zustand. Er ist kein Leben und ist fein Tod, und das Einschlafen ist nicht, wie ein Franzose geistvoll defi­niert hat, ein feelischer Gelbstmord; Schlaf ist auch teine Bewußt­lofigfeit. Wenngleich mir der Außenwelt gegenüber bewußtlos er­scheinen, ist es in unserem Innern durchaus wach, wir träumen, und im Gegensatz zur Bewußtlosigkeit sind wir auch während des Schlafens, jo parador es tlingen mag, auf der Wacht". Es braucht durchaus fein Lärm zu sein, der uns stört. Jede ungewohnte Ab­weichung vom normalen Schlafzustand bringt uns zum Erwachen. Die Mutter fährt schon empor, wenn im Nebenzimmer das Kind fo feife mimmert, daß man lauschen muß, um es überhaupt mahr­zunehmen. Das Kind selbst wacht auf, wenn seine Nase zu blirten beginnt, obwohl dies gar keinen Schmerz verursacht - die Selbit­erhaltung verlangt es. Ja, der Müller, der gewohnt ist, beim Rollen der Mühlräder zu schlafen, wacht sogar auf, wenn es still wird! Er merit im Schlaf, daß die Räder stehengeblieben sind und macht auf