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lifte:

Das Kabinett Brüning.

Eine sehr gemischte Ministergesellschaft.

In Reichstagstreifen tursierte gestern abend folgende Minister:

Reichskanzler: Brüning  , Aeußeres: Curtius,

Jnneres: Trebiranus,

Finanzen: Dietrich oder Motbenhauer, Wirtschaft: Molbenhauer ober Dietrich, Ernährung: Schiele,

Justiz: Brebt,

Arbeit: Stegerwalb,

Reichswehr  : Groener,

Verkehr: Guérarb,

Post: Schäsel,

Besette Gebiete: 20teth.

Herr Schiele ist als Führer des Landbundes ein fanatischer Bekämpfer des deutsch  - polnischen Handels­bertrags,

den Dr. Curtius mit Hilfe des Warschauer   Gesandten Rauscher nach unendlicher Mühe zustande gebracht hat und zu verteidigen sit fchloffen ist. Herr Brüning hat dem Führer der Boltsparte: schlossen ist. Herr Brüning hat dem Führer der Bolfsparte: Scholz die Bizefanzlerschaft angeboten und Herr Scholz hat zus gefagt, aber nur unter der Bedingung, daß neben Moldenhauer auch

SC 19 Curitus im

Bon den genannten Politikern gehören vier zum Zentrum: Brüning  , Stegerwald, Guérard und Wirth, zwei zur Bolkspartei: Curtius und Moldenhauer; einer zu den Demokraten: Dietrich; einer

( bisher) zu den Deutschnationalen: Schiele; einer zu den Bolfs tonfervativen: Treviramus; Bredt zur Wirtschaftspartei, Schäßel zur Bayerischen Volkspartei  . Der Reichsminister Groener gehört feiner

Partei an.

leber die Entstehungsgeschichte dieser sehr intereffanten Minifter liste wird berichtet: Ursprünglich habe Brüning  

Seren Treviranus, der gegen den Young- Plan ge­stimmt hat,

zum fußenminister machen wollen, doch scheiterte dies an dem Widerstand der Deutschen Volkspartei  , die Dr. Curtius nicht preis­geben wollte. Darauf entschloß sich Brüning  ,

Herrn Treviranus, der gegen das Republitschutzgeset gestimmt hat,

das Reichsministerium des Innern anzubieten. Herr Treviranus  ist aber auch sonst ein höchst bemerkenswerter Kandidat für das Verfassungsministerium der deutschen   Republit. Am 24. März hat er nämlich noch einen Antrag feiner Fraftion mit unterzeichnet, der mörtlich lautet:

Der Reichstag wolle beschließen:

Rabinett bleibt.

Der Führer der Wirtschaftspartei, Dr. Bredt, foll seinen Eintrit in die Regierung von dem des Herrn Schiele abhängig gematt haben. Schließlich wird behauptet, daß Herr Stegerwald die leber nahme des Reichsarbeitsministeriums ablehne. Es gibt also noch Schwierigkeiten genug!

Reichstag vertagt.

Der Aeltestentrat des Reichstags ermächtigte den Reichstags­

präsidenten, den Tag der nächsten Sigung des Reichstags festzusetzen, der Präsident wird die Sigung berufen, sobald die neue Regierung in der Lage ist, sich dem Reichstag vorzustellen und die Regierungs erklärung abzugeben. Es wird damit vom Dienstag ab ge­rechnet, so daß der Sonnabend und Montag von Plenarßigungen frei bleiben.

Der Parteiausschuß.

Billigung der Battung der Reichstagsfraktion.

Der Parteiausschuß beschäftigte sich in seiner Sigung am Freitag mit der politischen Lage, die durch den Rücktritt des Kabinetts Hermann Müller   entstanden ist. Er billigte die Haltung der Reichstagsfraktion. Einmütig wurde zum Aus­bruck gebracht, daß die Partei den kommenden politischen Kämpfen einig und geschlossen entgegensieht.

Der Partetausschuß nahm ferner den Vorschlag des Parteivorstandes zur Kenntnis, den internationalen rauentag in diesem Jahre als eine Frauenwerbewoche in der Zeit vom 18. Mai bis 1. Juni zu veranstalten. Im Gedenken an Bebels vor 50 Jahren erschienenes Buch sollen mit dem Motto: Die Frau und der Sozialismus" Ber­anstaltungen getroffen werden, für die der Parteiapparat zur Werbung weiblicher Mitglieder vollständig eingespannt werden foll

Einige organisatorische, nicht sehr dringliche Fragen wurden von der Tagesordnung abgelegt.

Ueber den Berlauf der Sigung des Parteiqusschusses find: von

rerschiedener Seite in der Bresse   Einzelheiten behauptet worden, die völlig falsch sind. Es wird behauptet, daß eine Mehrheit des Barteiausschusses den Beschlich der sozialdemokratischen Reichstags­fraftion mißbilligt habe. Wie der obenstehende Bericht zeigt, find diese Behauptungen erfunden..

Es geht schon los!

Die Deutschnationalen fordern eine Milliarde und ein Zahlungsmoratorium für den Often.

"

Noch befindet sich Herr Brüning in den ersten Wehen   seiner Regierungsbildung mit Schieles Hilfe, und schon sehen die Agrarker den Zeitpunkt gekommen für neue finnfos übertriebene und absolut nicht zu erfüllende Forderungen. Db­wohl die bisherige Reichsregierung ein zehnjähriges Dst­programm bereits vorgesehen hat und bereits viele hundert Miltonen insgesamt dem Diten an verlorenen Zuschüssen und Gabergehenden Berkaufsschwierigfelten aus zwei auch im Osten über­rantien zur Verfügung gestellt worden sind, wird unter Himmels auf den Breisrüdgang bei den landwirtschaftlichen Produkten alles, was bisher geschehen ist, für nichts erklärt, und es werden. Forde rungen aufgestellt, vor deren Bedentenlosigtelt man erfdridt. Die beutschnationale Graftion hat mit ben Unterschriften Schiefes besugen bergs und Oberfahrens im Reichstag eine Inter pellation eingebracht, in der pon ber Reichsregierung folgendes gefordert wirb:

Die Reichsregierung zu ersuchen, die Durchführung der vom Reidsinnenminister Severing ohne jebe haltbare Begründung und in unangebrachter Form gegen den Staat Thu. ringen angefündigten Maßnahmen zu verhindern und, soweit sie durchgeführt sein sollten, rüd gängig zu machen." Ursprünglich war im Reichstag ziemlich allgemein der Reichs tangler a D. Dr. Josef Birth als fünftiger: Reichsminifter Innern genannt mothers fcheint aber mun, daß diefe Kanbibatur augunsten jener des Herrn Treniramis erledigt ist..

Von den übrigen neun Männern baben auch Herr Schiele und Herr Bredt gegen den Doung- Plan und gegen das Republiffchuz gefet gestimmt. Herr Schiele war bis gestern noch Mitglied der Seutichnationalen Hugenberg- Frattion, von ber er, wie es heißt, bie angeluchte Crlaubnis zum Eintritt in das Kabinett nicht erhalten hat. Bach einem Besuch beim Reichspräsidenten   hat er sich troßdem entfchloffen, anzunehmen. Man lagt jest, daß er sein Mandat niederlegen mitt.

Zahlenmäßig würde sich die neue Regierung auf folgende parla. mentarischen Gruppen ftüken fönnen:

Zentrum

Deutsche Bollspartei

Demokratische Partei

Wirtschaftspartei

Christlich- Nationale

Bayerische Bolkspartei

61 Mitglieder

45

25

23

22

17

193

Außerhalb der Regierung bzw. gegen sie würden stehen:

Enzialdemokraten

Deutsch, nationale

Kommunisten

Rationalsozialisten Kleinere Gruppen

. 152 Mitglieder

65

71

55

"

12

"

17

14 208

Die Opposition links von den Demokraten wäre mit 207 Mann allein schon bedeutend stärker als die Gesamtheit der Regierungs­parteien. Ohne die Unterstützung der Deutschnationalen wird also die neue Regierung nicht leben tömten. Mit den Deutschnationalen zusammen würde sie über 258 Stimmen verfügen, das sind 12 mehr als die abfolute Mehrheit Bisher scheint jedoch ble Deutschnatio­nate Partei gänzlich abgeneigt. Fraglich ist auch, ob

die drittstärkste der Regierungsparteien, nämlich die Demokratische Partei  ,

mit ihren 25 Mitgliedern bei der Stange bleiben fönnte, wenn die Deutschnationalen offiziell mitmachten. Die Gesellschaft, die sich da

,, Die Borlage eines besonderen Rolgefeges für den Often, das ganz allgemein einen 3ahlungsauffhub ficherstellt.

Ein besonderes Gefeß, das im Falle von 3ahlungs. stodungen vor Einleitung von 3 wangsversteigerun gen und ähnlichen Maßnahmen ein außergerichtliches oder gerichtliches Bergleichsverfahren vorschreibt.

Jahren zur Senkung der Zinsen auf Reichsbantdistont, zur Schaffung eines Betriebserhaltungsfonds, zur Fortsetzung der Imichuldung und zur Regulierung der Kreditverhältnisse. Endlich die Durchführung aller Hilfsmaßnahmen aus= schließlich durch die Pröpingialperwaltung und die landwirtschaftliche Berufsvertretung. Was hier gefordert wird, ist ungeheuerlich. Wegen der por reichen Ernten nicht weniger als eine mittiar de Martians Steuermitteln, die offenbar als reine Subvention gedacht ist! Der Gedante der landwirtschaftlichen Selbsthilfe ist überhaupt erledigt. Die gesamte Kreditwirtschaft im Diten, jede möglichtei einer finanziellen Sanierung unter eigener Berantwor tung der Landwirte wird zerstört. Der Smat soll nrit öffentlichen Mitteln die Besizerhaltung, b. b die großagrarife Serr fchaft, ficherstellen Gdließlich foll der Staat auch jede Kontrolle der von ihm zu gewährenden Mittel materieller und recht­licher Art zugunsten der Landbundorganisation und ihrer Diener aufgeben, d. h. fich felbft entmachten.

Wir ineigern uns, folche Forderungen ernit zu nehmen. Wird irgendein Versuch gemacht, sie durchzuführen, dann hat schon jetzt der Zusammenbruch der noch nicht geborenen neuen Regierung be­gonnen. Die Forderungen geben eine Ahnung von den Schwierig­

Die Bereitstellung von jabrli mindestens 200 Mit tionen art für den Osten auf die Dauer von fünfteiten, mit denen Herr Brüning zu rechnen haben wird!

zutreffe, baß man dolf Hitler   bie Erwerbung der thüringischen

Entlastung des Arbeitsmarkts. Staatsangehörigkeit ermöglichen walle dadurch, daß ihr die Re.

Aber noch immer 3278 000 Arbeitsuchende. Wie die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung mitteilt, hat sich die Zahl der Hauptunterstütungsempfänger in der Ae beitslosenversicherung in der ersten Marshälfte 1930 um über 120 000 Personen auf den Stand von 2 258 000 am 15. Märg verringert. Diese Verringe­rung in der Inanspruchnahme der Arbeitslosenversiche. rung beweist den Beginn der üblichen Frühjahrs. entspannung auf dem Arbeitsmarkt der äußeren Berufe. Dagegen hat die Zahl der Hauptunterstütungs empfänger in der Krisenunterstügung nodum etwa 9000 auf 286 000 Personen am 15. März 1930 zugenommen. Die Zahl der Rotstandsarbeiter tonnte um 6300 auf 25 000 Personen am 15. März 1930 erhöht werden. Die Gesamtzahl der Arbeits lofen bei den Arbeitsämtern, die bekanntlich höher ist als die der Unterstützungsempfänger, betrug am 15. März rund 3278 000 Personen, Diese 3iffet hat gegenüber dem Höchststand am 28. Februar 1930 um rund 88000 abgenommen.

Frids Ermächtigungsgesetz.

31 fammenfindet, ist sowieso schon gemischt genug, denn zu den Chrift. Bollspartei hofft auf fuge und maßvolle" Handhabung

fich- Nationalen der Gruppe Trepiranus gehöret auch gants wilde Männer mie Dr. Wendhausen, bie fich in midts von den National. Sozialisten unterscheiden.

Kein Wunder also. daß man gestern abend im Reichstag zu dieser Ministerliste ziemlich allgemein den Kopf schüttelte und daß man all gemein annahm, fie müffe noch ganz erheblich geändert werden, wenn ein ernst zu nehmendes Kabinett zustande tommen solle. Jumal auch noch völlig dunkel ist, wie Herr Brüning mit jeinen 193 Main zu denen auch die 17 alles stramm ablehnenden Bayerischen   Bolts­parteiler gehören, die Finanzrejorm machen will..

In späterer Stunde wird gemeldet, daß herr Shiele auf der Beseitigung des Dr Curtius aus dem Außenamt besteht, weil er nur dann in die Regierung ein­freten zu können glaub', wenn eine Aenderung des Kurses der aus. wärtigen Politif, namentlich gegenüber Bolen, gesichert ist.

Weimar  , 28. März

gierung pro formaa: sthüringischen Staatsbeamten einstelle, und ob die Regierung, glaube, es mif ihren Amis­pflichten verembaren zu können, das Staatsbeamtengefeg zu einer scheinbaren Anstellung Hitlers   als Staatsbeamter zu dem 3mede benugen zu fönnen, die sonst der Einbürgerung Sitters   entgegen. stehenden Hemmnisse zu umgehen und Hitler dadurch einen perfön­lichen Gefallen zu erweisen.

Preußische Realsteuergesetze.

Für das Jahr 1930 verabschiedet.

In der Freitagssigung hat der Preußische Landtag  , die drei preußischen Realsteuergefeße, Grundvermögenssteuer, Hauszinssteuer und Gewerbesteuer, für das Jahr 1930 an genommen. Es gab einen furzen aber bißigen Endkampf. In allen vergangenen Jahren hatten Rechtsparteien und kom­munisten die Berabschiedung der Steuergeseße im Barlament durch Obstruktion verhindert und die Regierung auf den Weg der Notverordnungen gezwungen. Jetzt zum ersten male ver. zichteter fe auf Obstruktion; und die Wirtschafts­partei ftimnite- jogar für die Bewerbesteuer!

Die Lehre des vergangenen Jahres hat gewirft. Schon im vergangenen Jahre hatte der Landtag die Einbeziehung der freien Berufe in die Gewerbesteuer beschlossen. Über

ließlich war die Erledigung der ganzen Steuergesetze durch Ob­

struttion unmöglich geworden, und durch Notverordnung ließ sich natürlich eine Kenderung des Gefeßes nicht einführen. Infolgedessen In der Nachmittagsligung des Thüringer Landtages stand bas trugen Wirtschaftspartei und Deutschnationale die Verantwortung Ermächtigungsgesez zur Debatte. Die Sozialbemotratte bafür, daß im Jahre 1929 die Gewerbetreibenden allein die Ge­ließ durch ihren Rebner erklären, daß fie das Gesetz als verwerbesteuer zahlen mußten. Für ein zweites Jahr die gleiche- Ver­faffungsändernd und verfaffungswidrig bezeichne. ontwortung auf sich zu laden, hatten fie begreifl'cherweise teine Luft, Dieser Auffassung schloß sich heute auch der demokratische Bere und so waren sie heute eifrig besorgt, die parlamentarische. Ber­treter an, der erklärte, daß er das Gefen ablehnen werde. Die abfhiedung der Steuergeseße sicherzustellen. Die Regierungs. Deutsche Volkspartei   ließ erklären, daß sie nach Ueberwindung ge- mehrbeit stieg infolgebeffen ausgerechnet bei den Steuervorlagen wisser Bedenken zu der Ueberzeugung gefommen sei, ber Erlaß bis auf über 100 Stimmmen an. des Ermächtigungsgefepes set notwendig; und sie hoffe auf feine tluge und maßvolle Handhabung. Die Abstimmung über das Gefeß wird am Sonnabend vormittag erfolgen.

Anfrage wegen Hitler  .

Der Abg. Kallenbach( Demokrat) brachte heute. tm Bandlag von Thüringen   eine kleine Anfrage ein, in der gefragt wird, ob es

An die Abstimmungen über die Steuern schloffen sich noch ein­mal zwei Stunden lang namentliche Abstimmungen über Straf. verfolgungsfachen: zwei nationalsozialistische und fünf tom­munistische Abgeordnete wurden zur Strafverfolgung freigegeben.

Am Sonnabend steht der zweite Teil der allgemeinen Justiz debatte, der Strafvollzug, auf der Tagesordnung.