Der Abend
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Nr. 156
B 78 47. Jahrgang
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Breitscheid greift an!
Begründung des sozialdemokratischen Mißtrauensantrages.
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Die Aussprache über die Erklärung des Kabinetts Brüning ist im Gang. Die Hoffnungen des Kabinetts beruhen auf den Deutschnationalen die Deutschnatio. nalen wieder machen ihre Entscheidungen abhängig von bestimmten Erklärungen der Reichsregierung, die sie noch heute erwarten.
Entweder Sturz, oder scharfe Hervorkehrung des Bürgerblod charakters- ein Drittes gibt es für das Kabinett Brüning nicht!
Bei unvermindertem Interesse und Andrang begann heute mittag bie Debatte über die Programmerklärung des Rabinetts Brüning Ms erster Redner sprac
Abg. Dr. Breitscheid( Soz.):
Dem Dant an das scheidende Kabinett Hermann Müller
, den der neue Reichstanzler gestern ausgesprochen hat, schließen wir uns aus vollem Herzen und in vollem Wortlaut an. Jeder weiß, wie groß die Schwierigkeiten sind, die gerade der Leiter cines Rabinetts der Großen Koalition zu überwinden hat. Reichs fanzler Müller hat diese Aufgabe übernommen im vollen Bewußt sein des steinigen Weges, den er damit betrat. Hier mußte eine Regierung zusammengehalten werden, deren einzelne Bestandteile in mehr als einer Beziehung nach ihrem Programm, nach ihrer ge
schichtlichen Entwidlung, nach den Schichten und Intereffen, die sie in erster Linie vertreten, auseinanderstreben. Meinungsverschieden heiten und Gegensätze bestanden vor allem ganz naturgemäß zwischen den beiden großen Flügelparteien dieser Koalition, der Sozialdemokratie und der Deutschen Volkspartei . Und immer wieder mußten der Reichstanzler wie die beteiligten Gruppen den Weg suchen, den diese beiden großen Flügelparteien gemeinsam betreten fonnten. Das war eine dornenvolle Aufgabe und trotzdem ist uns ihre Lösung durch eindreiviertel Jahre gelungen, bis schließlich das Kabinett Müller an einer Frage gescheitert ist, in der die Kluft namentlich zwischen den beiden Flügelparteien unüberbrückbar geworden war. Diese Zeit der gemeinsamen Arbeit in der Großen Koalition hat Opfer von uns gefordert. Ohne solche Opfer ist ja überhaupt eine Roalitionsregierung nicht denkbar. Niemand wird bestreiten können, daß die Sozialdemokratie große Opfer während dieser Zeit gebracht hat( andauernde Gegenrufe der Kommunisten). Wir haben auf manche Forderungen verzichtet und uns auf manchem Gebiet beschränken müssen. Bir leugnen nicht im allergeringsten, daß auch andere beteiligte Gruppen Wünsche und Forderungen zurückgestellt
haben.
Wir sind diesen Weg gegangen nicht mit Begeisterung und nicht aus Sentimentalität, sondern weil es keine andere regierungsfähige Mehrheit im Hause gibt, und weil wir das Staatsschiff nicht Gefahren aussehen wollten, die bei einem Abweichen von der parlamentarischen Linie für unvermeidlich gehalten werden mußten und heute für unvermeidlich gehalten werden müssen.( Bustimmung der Soz.)
Reichsbanner heraus!
Das Berliner Reichsbanner veranstaltet heute, um 20 Uhr, auf nachstehenden Plätzen vier große Kundgebungen:
Rudolf- Wilde- Platz vor dem Schöneberger Rathaus( Kreis Westen). Brunnenplatz( Kreis Norden ). Oranienplatz( Kreis Sülden). Küstriner Platz( Kreis Often).
An die Kundgebungen schließen sich ausgedehnte Ummärsche durch den entSprechenden Stadtteil an. Alle Republikaner werden aufgefordert, an diesen Kundgebungen, für die das Thema der Mahnruf. Volk hab' acht!" gilt, teilzunehmen.
eine einzelne Bartei, die nicht start genug ist, allein zu regieren, fich nicht auf eine Opposition beschränken will, die ganz auf Agitation abgestimmt ist, so lange find wir im Reichstag auf Roalitionen angewiefen. Die Bartei, die die größte in diesem Reichs. tag ist und die die größte im nächsten Reichstag fein Umständen immer auch der Reichstag sein Ende finden wirdwird( Geschrei äußerst fints und äußerst rechts), unter welchen
diese Partei wird auch in der Zukunft stets bereit sein, die Mitverantwortung zu übernehmen, die sie mit den von ihr verfochtenen Jdeen und mit den Interessen der durch sie vertretenen Schichten für vereinbar halten kann.
Es ist überflüssig zu sagen, daß uns die Notwendigkeit, in die Opposition zu gehen, nicht im allergeringsten schreckt.. Parteipolitisch ist uns die Opposition zu jeder Zeit aus. gezeichnet betommen; sie wird es auch jezt. Aber unter allgemeinen, unter staatspolitischen Gesichtspunkten gilt das Wort, das der Führer der Deutschen Volkspartei vor zehn Tagen in Mann heim gesprochen hat: Auf die Dauer läßt sich nicht ohne und gegen die Sozialdemokratie regieren."( Sehr wahr!) Dr. Scholz hat damit vollständig recht gehabt, und es ist nur schade, daß seine politi schen Freunde die Wahrheit sobald vergessen und in den Wind ge schlagen haben.
Woran ist die Große Koalition in dem Augen blid gescheitert? Es war bekannt, daß es in Fragen der fozialpolitischen Gefeßgebung, namentlich in der Frage der Arbeitslosenversicherung, Grenzen gibt, die von der Sozialdemokratie nicht überschritten werden. Nichts ist verfehlter als die Behauptung, daß der Streit sich entzündet habe an einer Bagatelle von 70 Millionen, die zur Ausbalancierung des Etats der Arbeitslosenversicherung für den Augenblick fehlten. Uns allen, die wir in der Großen Koalition zusammenarbeiteten, war der Ausgangspunkt, daß die Finanzen des Reichs saniert werben, auf eine feste und sichere Basis ge= stellt werden müssen. Wir Sozialdemokraten waren bei Dieser Sanierung, das heißt bei der Schaffung neuer Steuern, auch solcher, die auf den Konsum fielen, bereit mitzu wir en, da uns die Sicherung des Etats und die Beseitigung der Gefahren immer wiederkehrender Rassenschwierigkeiten volltom men bekannt waren und wir sie auch im Interesse der Arbeiterschaft( lärmende Rufe der Komm) zu beseitigen für notwendig hiel. ten. Die Sozialdemokraten waren auch bereit, die Möglich feiten der von den bürgerlichen Parteien geforderten Steuer. lentung, vor allem bei den Realsteuern und der Ausgabensen. fung, zu prüfen, obwohl wir uns hier die letzte Entscheidung vorbehielten und sie von dem Stand der öffentlichen Finanzen im nächsten Jahre abhängig gemacht sehen wollten. Wir beurteilen diese Finanzen skeptischer und kritischer, als es die bürgerlichen Parteien getan haben. Wir hatten weiter mitgewirkt, immer unter dem erwähnten Vorbehalt, daß die geplanten Ausgabenfenfungen von uns mitgetragen und mitverantwortet werden können.
Betriebs- und Gewerkschaftsfunktionäre! Montag, den 7. April, abends 71% Uhr, in den Musikersälen, Kaiser- Wilhelm- Str 31
Funktionärkonferenz
Die Große Koalition hat ihr Ende gefunden, aber die kom. binationen im parlamentarischen Leben sterben nie einen endgültigen Tod.( Hört, hört und Gelächter der Kommunisten.) Ich kann mir sehr wohl denken, daß eine Zeit kommt, in der dieselben Erwägungen, die für uns eindreiviertel Jahr Tagesordnung: 1. Die politische Situation im Reich". hindurch maßgebend gewesen sind, wieder bestimmend werden tömen.( Sehr wahr, bei den S03, Geschrei der Komm.) So lange
Man tann uns also wahrhaftig nicht den Vorwurf einer demo. gogischen Politik machen.( Zustimmung der Kommunisten.) Ich freue mich, dabei Ihren Beifall zu finden.( Sehr gut.)
Die Bedingungen, die wir stellten, waren, daß gleichzeitig die Deckung des Bedarfs der Arbeitslosenversicherung gewährleistet sei, ohne daß ihre Leistungen gefährdet werden dürften.
Unter diesen Bedingungen waren wir bereit, die Regierungsvorlage Dom 5. März anzunehmen, die u. a. die Erhöhung der Beiträge auf 4 Proz festsette. Aber diese Regierungsvorschläge waren sehr bald in Frage gestellt und aufs neue diskutiert worden, mit der Absicht, fie abzuändern.
Ich kann hierbei der Zentrumsfraktion den Borwurf nicht ersparen, daß fie von dem Grundfah abgewichen ist, den sie mit großem Nachdrud vertreten hat, daß die Regierung führend fein müsse.
Noch vor kurzem hat Dr. Brüning por seinen Parteifunktionären in Köln erklärt, daß es das Ende der Demokratie sei, wenn eine Partei das Finanzprogramm ihres eigenen Ministers im Stiche läßt und auf Agitations politit ausgeht. Das waren harte Worte an die Deutsche Volks partei von einem Manne, der in den letzten Monaten immer wieder gefordert hat, die Regierung müsse führen und ihre Vorlagen vor dem Parlament zur Entscheidung bringen!
Im vorigen Herbst ist es uns gelungen, mit dem Zentrum zusammen eine Reform der Arbeitslosen. versicherung durchzuführen, während die Deutsche Volkspartei sich bei der entscheidenden Abstimmung der Stimme enthielt. Das Zentrum sah mit uns die ungeheuer große Gefahr, die darin liegen würde, wenn ein Abbau der Leistungen der Arbeitslosenbersicherung erfolgte.
Den Fehlbetrag der Arbeitslosenversicherung hat die damalige Regierung mit 410 Millionen angesetzt. Davon würden 140 Millionen gedeckt worden sein, wenn die 3½ prozentige Beitragszahlung auf das ganze Haushaltsjahr ausgedehnt worden wäre. Außerdem sollten durch einen festen Reichszuschuß 150 Millionen aufgebracht
werden.
Es fehlten also noch 120 Millionen, wovon 50 Millionen aus dem sogenannten Notstock der Arbeitslofenversicherung gedeckt werden sollten. Es blieb also ein ungedeckter Rest von 70 Millionen. Wir haben von vornherein lebhafte Zweifel daran gehabt, ob nicht diese ganze Berechnung angesichts der Wirt. schaftslage und bes Arbeitsmarttes piel zu günstig sei. Es ist dabei eine durchschnittliche Arbeitslosenzahl von 1,2 Millionen zugrunde gelegt. Und da wir an Wunder num einmal nicht glauben, war diese Zahl für das nächste Gtatsjahr nach unserer Meinung anzunehmen Nach dem Kompromißantrag sollten die Deckung des Fehlbetrages und die Leistungen erst im Herbst geregelt werden, well die neuen Steuern und die Beitrags
erhöhung erst im Herbst wirksam geworden wären. Es wäre also in diesem Moment für die Sanierung der Arbeitslosenversicherung praktisch nur die Herab. setzung der Leistungen übriggeblieben.
( Hört, hört bei den Soz.) Man hat uns gesagt, wir sollten warten, bis im Herbst die endgültige Entscheidung erfolge. Aber uns Mang in den Ohren der Ruf, den der sozialpolitische Sachverständige der Ohne Parteibuch und Funktionärkarte kein Zutritt. Deutschen Volkspartei ausgestoßen hatte, daß sie es als unerläßliche
Referent: Reichs arbeitsminister a. D. R. Wissell.- 2. Wahl der 3 Vertreter zum erweiterten Bezirksvorstand. Das Betriebssekretariat.