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47.Jahrgang
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Donnerstag
3. Apríl 1930 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
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Heute Entscheidung!
Beginn der Reichstagssitzung 11 Uhr vormittags.- Auflösung ohne Abstimmung- Flucht vor der Niederlage?
In der Reichstagssigung, die heute vormittag 11 Uhr beginnt, wird die Entscheidung über das Kabinett Brüning und über die Auflösung des Reichstags fallen.
Die Regierung Brüning betreibt eine Bolitif des Abenteuers. Ihr Chef hat mit dem Artikel 48 und der Reichstagsauflösung gedroht. Die Sozialdemokratie hat ihm auf diese Drohung durch ihren Fraktionsführer Breitscheid antworten laffen. 4
Die große Parlamentsrede Breitscheids rief im Reichs tag den stärksten Eindruck hervor. Selten ist eine Rede mit so großer allgemeiner Spannung aufgenommen worden. Es war eine Rampfrede gegen die Politit des Abenteuers, die jeden erkennen ließ, daß die Regierung Brüning mit dem Feuer spielt. Breitscheid wies den Kanzler mit dem größten Ernst und mit erhobener Stimme darauf hin, daß die Anwendung des Artikels 48 für die Pläne der Regierung einen glatten Berfailungsbruch bedeuten würde. Unabsehbare Entwidlungen tun fich auf, wenn der Zentrumstanzler von den Abenteurern innerhalb und außerhalb seines Kabinetts, Treviran us voran, sich verleiten läßt, vom Boden der Berfassung abzuweichen. Das Parlament des Seefadetten lo nannte Breitscheid in seiner glänzenden Rede diese Draufgängerei des Kapitänleutnants im Ministeramte. Es wurde fein Widerspruch gegen diese Bezeichnung laut. Bon den Demofraten über das Zentrum bis zur Deutschen Boltspartei fühlt man die Gefahr für die ruhige Entwicklung, die die Stunde in sich birgt. Schonung für die! e Regierung gibt es bei der Sozialdemokratie nicht Breitscheid kündigte die sachliche, aber scharfe Opposition an. Mit allen Konsequenzen. Neuwahlen schrecken uns nicht. ir weichen dem Kampf nicht aus. Ein demonstrativer Beifallssturm der sozialdemokratischen Fraktion unterstrich die Kampfanjage des Führers.
Aber das Abenteuer wird immer aben teuerlicher! Seit Tagen vertritt die Kölnische Zeitung ", das Organ der Volkspartei, die These, daß ein Reichskanzler, dem der Reichstag das Vertrauen entzogen habe, nicht mehr in der Lage sei, das Auflösungsdekret des Reichspräsidenten gegenzuzeichnen. Sie beruft sich dabei auf den Artikel 54 der Reichsverfassung und verweist auf die Meinung des führenden Staatsrechtlers Prof. Anschüß. Die Rölnische Zeitung" warnt den Reichskanzler:
Kommt die Regierung mit dem Parlament nicht weiter. dann muß ihr die notwendige Handlungsfreiheit gewährt werden. Aber nur eine Handlungsfreiheit auf der Grundlage Der Reichsverfassung! Unter feinen Umständen darf es geschehen, daß die Inanspruchnahme besonderer Bollmachten mit einer Berfassungsverlegung begonnen wird."
Dieser Hinweis zeigt. wie tief sich das Kabinett Brüning schon in abenteuerliche Pläne verftridt hat! Und nun hört man daß Brüning mit dem Gedanken spiele, noch vor der Abstimmung aufzulösen, wenn eine Mehrheit für die Mißtrauensanträge gegeben scheint! Er will einer offenen Niederlage ausweichen, um die verfassungsrechtliche Schwierigkeit zu umgehen!
Flucht vor der Abstimmung, um nur ja
a.uflösen zu können!
Das wäre feine parlamentarische Politik mehr, sondern ein verfassungswidriges Abenteuer, eine neue Bestätigung dafür, daß diese Regierung vom Boden der Verfassung hinweg ins Ungewisse treibt!
Schietes Hilfstruppen.
Der Landbund gelobt Unterstützung. Der Bundesvorstand des Reichslandbundes hat Mittwoch nachmittag folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesvorstand des Reichslandbundes spricht feinem Präsidenten, Minister Schiele, einmütig den Dant für sein mannhaftes Handeln aus, gelobt ihm die Unterstügung des deutschen Bandooltes mit allen Mitteln in seinem schweren
Stampf für die Rettung der deutschen Landwirtschaft und erwartet bemgemäß, im Gegensatz zu den Abfichten der Sozialdemokratie, das Kabinett zu stürzen, von allen parlamentarischen Ber tretern des Landvoltes eine Haltung, die dem Rabinett Agrarprogramms gibt." Brüning- Schiele die Möglichkeit zur Durchführung des
Das ist ein faum noch zarter Bint nach der Hugenberg Seite. Wobei zu beachten ist, daß die Unterstüßung der Regierung Brüning nur für die Durchführung des 2 grar programms gilt. Das übrige ist für die Landbündler ohne Belang....
Artikel 48.
Eine Leftion für Reichsfanzler Brüning.
Falls der Reichstag der Regierung das Vertrauen ver fagt, will fie die Steuererhöhungen mit Hilfe des Artikels 48 der Reichsverfassung in Kraft feßen. Wir haben bereits neulich dargelegt, daß das verfassungsrechtlich unzulässig ist. Auch der Redner der Sozialdemo fratie, Abgeordneter Breitscheid , hat gestern diese Abfichten der Reichsregierung, falls sie ausgeführt würde, als glatten Verfassungsbruch bezeichnet. Gewissermaßen zur Berteidigung wird nun von Anhängern der ReTelegierung Brüning darauf hingewiesen, daß schon in früheren Jahren der Artikel 48 für Beränderungen der Steuergesetzgebung benutzt worden sei.
Die Haltung der Deutschnationalen . Entscheidung erft furz vor der Abstimmung. Ueber die Haltung der Deutschnationalen meldet die graphen- Union: Die deutschnationale Frattion letzte am Mittwoch nachmittag um 16 Uhr ihre Beratungen fort. Sie wurden gegen 20 Uhr Die Entscheidung über die ergebnislos abgebrochen. Stellungnahme der deutschnationalen Fraktion zu dem Mißtrauens. potum gegen die Regierung Brüning wird somit erst am Donnerstag vormittag turz vor der Abstimmung in Reichstag fallen. Irgendwelche parteiamtlichen Mitteilungen über das Ergebnis der Fraktionssitzung wurden nicht gemacht."
Industrie gegen Schiele.
Keine Subventionen, nur technische Verbesserungen.
Präsidium und Vorstand des Reichsverbandes der deutschen Industrie haben in den letzten Tagen zusammengefeffen und zur neuen politischen Situation Stellung genommen. Es wirft fast fenfationell, mit welcher Schärfe dort Schieles Hochschuzzo011 und Subventionsabsichten entgegengetreten wird. In dem veröffentlichten Kommuniqué wird über Landwirtschaft und Handelsvertragspolitit als Meinung des Reichsperbandes der Industrie ausgesprochen:
Möge auch die Gegenwart wegen der außerordentlich gefähr deten Lage der Landwirtschaft weitgehende Notmaßnahmen erforderlich machen, so sei doch allen Vorschlägen zu widersprechen, die das System der deutschen Handelsvertragspolitik erschüttern tönnten. Im Vordergrund der Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft müßten jetzt stehen: Die Förderung von techni. fchen Berbesserungen, um die Erzeugung zu verbilligen und zu verbessern, und die Durchführung von Reformen in ber Abfagorganisation.
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Die Tatsache selbst ist richtig. In den Jahren 1923 und 1924 find unter der Reichspräsidentenschaft van Ebert fünf Berordnungen auf Grund des Artikels 48 erlaffen worden, die fich mit der Steuergesetzgebung beschäftigten. Es handelt fid) dabei um folgende Berordnungen:
1. 11. Oftober 1923: Aufmertung der Zahlungen der Reichssteuern. 2. 7. Dezember 1923: Borverlegung der Fälligkeit des dritten Teilbetrages der Rhein- Ruhr - Abgabe,
3. 14. September 1924: Ermäßigung der Umsatzsteuer, der Gesellschaftssteuer und der Börsenumfaßsteuer. 4. 10. November 1924: Ermäßigung der Einfommen steuer, der Lohnsteuer, der Körperschaftssteuer, der Umsatzsteuer usw. schriften des Kapitalfluchtgesetzes und des Beinfteuergesetzes. 5. 29. Dezember 1924: Aufrechterhaltung von Vor
Wer aber aus dem Erlaß dieser Berordnungen auf Grund des Artikels 48 Folgerungen für die Gegenwart ableitet, geht an den völlig veränderten Berhältnissen absichtlich vorbei. Zunächst sei darauf verwiesen, daß fowohl 1923 als auch 1924 politisch und wirtschaftlich so stürmische 3eiten bestanden, daß sie mit der gegenwärtigen Lage nicht in Vergleich gefeßt werden fönnen. Konnte man damals sagen, wenigstens mit einigem Recht, daß durch die Anwendung des Artikels 48 für die Steuergesetzgebung die öffentliche Ordnung und Sicher beit wiederhergestellt werden kann, so ist doch heute davon feine Rede. Die öffentliche Ordnung und Sicherheit ift gegenwärtig nicht gefährdet, sie kann also durd) die Anwendung des Artitels 48 für die Steuergesetzgebung nur gestört und gefährdet werden.
Ein anderer, sehr wesentlicher Unterschied zwischen
Das ist mehr als die alte Schulter" für Herrn Schieles Absichten, das ist bereits eine talte Dusche, bie für das ganze Kabinett Brüning in hohem Maße ernüchternd wirken muß. Der Reichsverband der deutschen Industrie damals und heute liegt in der Tatsache, daß vom 26. Sepgesteht diesem Kabinett Brüning durchaus vernünftig tember bis zum 28. Februar 1924 der Ausnahme im wesentlichen jetzt nur das Recht auf Hilfsmaßnahmen zur betrieblichen und marktmäßigen Rationali Sicherheit bereits bestand, während jetzt nicht der geRationaliu ft and wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und fierung der Landwirtschaft zu. Kein Wort zugunsten Sicherheit bereits bestand, während jetzt nicht der geder milliardensubventionen für den Often, rüd ringste Anlaß zur Verhängung des Ausnahmezustandes gefichtslose Wahrung der wirtschafts- und handelspolitischen geben ist. Die beiden ersten oben aufgeführten VerordnunIntereffen der Industrie! Das ist das Echo, das Schiele bei gen sind also auch in einer Zeit erlassen worden, in der der den deutschen Unternehmern findet. Der Wille des Reichs- Ausnahmezustand bereits verordnet war. Itoß dem sind verbandes bestimmt die Haltung der Deutschen Boltsparte!. fie beide fofort durch die ErmächtigungsWie will Herr Brüning solche Gegensätze in seinem Kabinett gefeße legalisiert worden. Man hat also selbst überbrüden? Dieses Kabinett ist schon durch seine eigenen in jenen stürmischen Zeiten empfunden, daß die Steuerverinneren Widersprüche lebensunfähig. ordnungen nicht auf Grund des Artikels 48 in Kraft gesetzt werden durften. Daß trotzdem die drei weiteren Verordnungen auf Grund des Artifels 48 angeordnet worden sind, ist wiederum in den außergewöhnlichen Umständen der damaligen Zeit begründet. Der Reichstag , der sich Ende August 1924 vertagt hatte und am 20 Oktober aufgelöst worden war, ist in dieser ganzen 3eit nicht ver sammelt gewesen. Die Anwendung des Artikels 48 ist also auf keinen Fall als eine gegen das Parlament gerichtete Maßnahme betrachtet worden.
Kampf für die Republif!
Das Berliner Rechebanner Gwarzrotgold demonstriert. Auf vier großen Blähen Berlins demon strierte gestern abend das Reichsbanner Schwarz- Rot Gold unter dem Motto„ Volt, hab' acht!" in im bojauten Rundgebungen. Alle Redner betonten, daß die deutschen Republikaner die Demokratie mit allen Mitteln gegen Diktaturgelüfte und verfassungswidrige Anwen Sung des Artikels 48 schützen werden.
( Bericht in der 1. Beilage.)
Sieht man von der Berordnung über die Aufrechterhaltung von Vorschriften des Kapitalfluchtgesetzes und des Weinsteuergeseges ab, jo handelt es sich bei den beiden anderen Verordnungen um die Ermäßigung von