Nr.» 47. Iahrgang Donnerstag, S. April �920
VvUl, SSI wach f Qewaltfge Kundgebungen des Berliner Reichsbanners/ Bas republikanische Berlin ist auf dem Posten � Für die soziale demokratische Republik !
ättnxx Berlins hake« gester« oK<»Z> wieder gezeigt, datz fie zur Stell« find, wen» es heistt, auf die Gefahre«, die der RepwKltt drohe«, hiwzuweife« und die Bevölkerung aufznrüttel«. Zun» erste« Male fett der Aufhebung des Deuu>«strationsv«rln»teS zeigte sich das Neichsda««er Schwarz-Rot-Gold wieder auf de« Dtrasten der Reichshauptftadt. Auf den» Küstriner Platz, auf dem Oranienplatz, auf dem Brwunenplatz und auf dem Rvdolf-Wilde- Platz,— überall der gleiche Anmarsch der Reichs- baunerkoloaue». überall die gleiche freudige Zustimmung der Bevölkerung, die tu groster Zahl die Anmarschwege säumte, überall aber auch der gleiche Kampfwille gegen die Reaktion, von welcher Seite fie auch kommen möge uvd für den Ausbau der Republik u einem wahrhaft demokratischen u«d soziale« Staate. Mit klingendem Spiel nnd wehenden schwarzrotgoldenen Fahnen rückten die Reichsbannerformationen an. Ministerpräsident a. D. Stelling, lzeinrich Löffler.Kothe- Potsdam und Dr. M i s ch l« r sprachen zu den Massen, immer wieder unterbrochen non freudiger Zustimmung und mit erhöhter Begeisterung begrüßt, wenn sie auf die Notwendigkeit des festen Zusammenstehens oller Republikaner gerade in diesen Togen und Wochen hinwiesen. Die Redner sührten aus: Die Heutigen großen Aufmärsche des Reichsbanners sollen e!n Weckruf für alle Berliner sei». Di« Stund « ist«ruft. Dos republikanische Kabinett Hennann Müller mußte zurücktreten, weil in gewnien Kreisen der Koalition die Notwendigkeit einer wahraft sozialen Politik nicht erkannt wurde. t?s fiel auseinander durch den Streit um die Erwerbslosenfürsorge: die Republikaner, dl« es mit der sozialen Ausgestaltung des Staats- wssens wirklich ernst meinen, konnten nicht mehr mitmachen. An die Stelle des Kabinetts Müller. Sever tag trat eine Regle. rang, der dl« Republikaner mit stärkstem Mißtrauen gegenüber- stehe« müssen. Unter dem Reichskanzler Brüning amtieren Minister, die wir Reichsbannerleute nicht als Republikaner ansprechen können. Brcdt, Schiel» und Treviranu? sind kein« Repa« bli koner, sie sind«ine Gefahr für die Republik . Sie haben gegen die Vaung.Gesetze gestimmt, sie haben stch damit gegen die Befreiung der besetzte» Gebiete ausgesprochen. Die; größte Gefahr aber ist für die Republik das gewissenlos« Spielen der Männer in der Regierung mit dem Artikel 48 der Reichsverfosiung. Dieses leichtfertige Spiel ist, das mögen sich gerade die ehrlichen Republi- kaner in, Kabinett Brüning gesagt sein lassen, nach Ansicht des Reichsbanners ein Schritt auf dem Wege zur Diktatur. (*? ist mehr als dos, es ist ein Bersassungsbruch. Die oerfasiungs- mäßigen Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 48 sind nicht gegeben. Hände weg vom Artikel 4S? Wir Reichsbannerleut« sind der festen Ueberzeugung, daß auch Angehörige von republikanischen Parteien, die Vertreter m der Regierung Brünmg haben, daß auch die Reichsbannerkameraben von der Deutschen Demokratstchen und der Zentrumspartei bei einem
Mißbrauch des Artikels 48 sich zur einheitlichen republikanischen Abwehrfront bekennen. Wir müssen uns weiter darüber klar sein, daß die Anschläge der Treviranu? und Schiele sich auch gegen die republikanische Regierung im Frelstaat Preußen richien, die sich in den letzten zehn Jahren die größten Verdienste um die Demokratisierung erworben hat. Wir wissen nicht, ob die Regierung Brüning morgen abend noch leben wird. Dielleicht stehen wir am Dorabend eines Wahl» kampfes, vielleicht ist unsere Kundgebung der erste Austakt in der Oeffentlichkeit. Mir Republikaner haben vor einem wohlkamvf keine Furcht. Wir oertrauen darauf, daß im deutschen Dolk« die Erkenntnis über die Leistungen der republikanischen Regierung Hermann Müller labendig ist. Wir weisen mit Stolz auf die B s. freiung des Rheinlandes, auf unsere unermüdüch« Arbeit im Interesse der Erwerbslosen und auf unseren zähen Kamps gegen die innerpolitijche Reaktion, der durch das Dorgehen unseres Freundes S e v o r i n y gegen Hokenkreuzlerminister F r! ck erst in den letzten Wochen wieder offenkundig wurde Gerade in diesem Zusammenhang« aber vertrauen wir fest darauf, daß Joses W i r t h in diesem Punkte kein Nachgeben kennt und auf dem Wege bleibt, den Severing beschritten hat. Wir Republikaner aller Richtungen müssen trotz aller weltanschaulichen Meinungsverschiedenheiten, trotz aller gelegentlichen Difserenzen zusammenholten, wenn nicht der Staat, di« Republik Schaden erleiden soll. Unseren Gegnern links und rechts aber, die gegen die Demo- kratie und gegen dos Bolksrecht mit allen Mitteln des Unrechts und der Gewalt eine Diktatur erstreben, rnfcn wir zu: Ihr K o m- munisten, und wir meinen mcht di« Führer, sondern die Geführte«. überlegt euch, daß ihr. wem, ihr in eurem Bruderkampf fortfahrt, selbst die am meisten Geschlagene» seid. Eure Führer«erHetzen und belüge» euch und jage» euch in de« Komps gegen uns mit Masten, die auf euch selbst zurücksollen. Siegt der Faschismus in Deutschland , dann seid ihr di« am meisten Betroffenen, und ihr seid es durch eigene Schuld. Den National«
sozialiste» aber sagen wir: Wir werden nickst eher richen und rosten, bis nicht dieser Schandfleck aus dem Bilde des deutschen öffentlichen Lebens ausgelöscht ist. Woche für Woch« erhalten wir Bericht«, daß Kameraden non uns durch verbrecherische Hakenkreuzler getötet oder verletzt worden sind. Wenn nicht gegen all«, deren politische Wofj« der Revolver, der Schlagring oder Eisenknüppel sind, von der öffentlichen Gewalt mit rücksichtsloser Energie vorgegangen wird, dann müsien wir Republikaner uns als im Zustand der berechtigten Notwehr betrachten. Bor den geistigen Waffen unserer Gegner haben wir noch viel»xmiger Furcht als vor den körperlichen, wir wisse», daß di« Zdoe der Demokratie stärker ist als der Wachtwah» einer Diktatur. Wir sind Republikaner aus üefster innerlicher Ueber« zeugung. Für uns ist der Schwur auf die Republik kein Lippen- betenntnis. kein leeres Wort, sondern ein« Sache des Geistes. des Herzens und der Seele. Weil wir das Gefühl haben. daß für Angehörige der augenblicklichen Regierung, an deren per- fönlicher EhrenlMtigteit und Cidestreu« wir nicht zwerfeln wollen, der Schwur auf die Verfassung keine Sache des Herzens ist, des- halb bekämpfen wir diese Regierung. Kommt es zum Wahlkmnpf, dann vorwärts mit aller Kraft! Wir sind unferes Sieges gewiß. weil wir überzeugt sind, daß die Zukunft der freien demokratischen und sozialen deutschen Einheitsrepublik gehört. Das Hoch auf die Republik ertönte, Reichsbanner- märfche erklangen von neuem. In geschlossenen Zügen rücsten die Kameraden ab. Wiederum von der Straß«, von den Fenstern aus herzlich begrüßt von der republikanischen Berliner Bevölkerung.
Die kommvmste» im Lustgarten. Die Kommunssten hatte» zu gestern abend ihre Anhänger nach dem Lustgarten zusammen- gerufen. Die Polizei hatte umfangreich» Dorkehrungen getrosten, um zu verhindern, daß die rückmors chierenden Kommunisten mit den Reichsbannerzügen zusammentreffen. 2ln. und Abmarfch vollzogen sich reibungslos.
Bombe im Warenhaus. Umfangreiche Zerstörungen.— Menschen sind nicht verunglückt.
Hamburg -?. April.(Eigenbericht.) Au» Mittwoch ttachuuttltg kurz vor sechs Uhr wurde i« einem Deiteutrcppeuhuus des Warcuhauscs Tietz am Jung fernstieg in Hamburg «in Bomben- attentat verübt. Die Bombe war in der Herren- tollette des Erfrischungsraumes im zweite« Stock des Warenhauses niedergelegt und zur Explosion gebracht worden. Die Wirkung war außerordentlich. Sämtliche Glasscheiben im Treppenhaus wurden zertrümmert. Die Türe« zu dem Erfrischungsraum wurden aus den Fugen gerifsen und die Holzstücke mit großer Wucht au die Decke geschleudert. Meufche« kamen nicht zu Schaden. Unter den Säfte» des ErfrischungSrau««es entstand eine Panik.
Ueber die Explosion gibt die' �m bürge r PolizeibehörAe einen Bericht heraus, tn dem es. Heißt: Die bisherigen Feststellungen ergaben, daß liier verbrecherische Hand im Spiele war. Der eigentliche Tatort ist der im Zwesten Stockwerk bei ernem Treppenaufgang befindliche Abort für Männer. Dieser Raum war in der Mitte durch«ine Wand mst Tür geteilt. Der Verbrecher hatte den Sprengstoff, vermutlich Schwarzpulvcr, in einen mst Zündschnur versehenen Behälter im Abort niedergelegt und das Türschild auf„Besetzt" gestellt. Er wird wahrscheinlich durch Klettern unter Benutzung des Treppenaufganges den Weg ins Freie gefunden haben. Ws ein großes Glück ist zu betrachten, daß die ganze Sprengwirkung nach oben ging und die zahlreichen Fenster wenig Widerstand boten. Andernfalls hätte namenloses Unglück angerichtet werden können, da dos Kwrkhaus um diese Abendstunde stark besucht wird.
ProfaioU aufgenommen mit der Zeugin Beierns Dclius, geb. Brodt, geboren 1$80 in Kopenhagen , enangelisth, nermitroet, ehem. Mitglied der königl Oper, derzeit Gcsan.gslehrerin in Kopenhagen . „Daß der Schriststeller Torben Rist gestern verhaftet wurde, wissen Sie, gnädige Frau. Der Haftbefehl wurde allerdings nur ausgestellt» weil der dringende Berdacht be- steht, der junge Mann hätte bei der Explosion von Aaresund die Hand im Spiel gehabt. Wenn wir Sie nun zu einer Ein- vernähme gebeten haben, so können Sie sich wohl denken, daß es sich nicht um die Aaresimder Angelegenheit allein, sondern vielmehr um einen noch schwerwiegenderen Berdacht handelt, den wir einstweilen nicht aussprechen wollen. Sie wissen, was wir meinen?" „Ja." ..Es fällt mir wahrhaftig nicht leicht, gnädige Frau, Sie in diesen aufgeregten Tagen mit meinen Fragen zu bemühen. Ich will auch kein regelrechtes Derhör anstellen, sondern Sie bitten, mir auf einige wenige Fragen ausführlich und unge- zwungen über die Freundschaft— sagen mit über die Beziehungen Ihrer Richte zu Herrn Torben Rist— zu beruhten. Als Dame von Intelligenz werden Sie sicher selbst am besten wissen, welche Beobachtungen der letzten Zeit für das Gericht von Bedeutung sein müsien. Daß Sie dabei von jeder sonst nur allzu selbswerständlichen Diskretion absehen müssen, wird Ihnen ja klar sein-" „Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen. Herr Unter- suchung srichter. aber ich fürchte, ich werde Ihnen nicht so viel Auskunft geben können, wie Sie von mir erwarten. Ich bin durch die Ereignisse der letzten Woche wie vor den Kopf ge- schlagen Mir ist das alles unbegreiflich. Und dann— ich habe seit dem Verschwinden meiner Richte noch kein Auge zeschlosien. Der Gedanke, daß dem Kinde wirklich etwas ge- fchehen fem könnte--— Darf ich um em Glas Wasser bitte»?"
„Erzählen Sie vielleicht zuerst ein bißchen von Fräulein Morislow selbst. Aus dem Charakter der betroffenen Per- sonen ergeben sich oft die wichtigsten Aichaltspunkte. Nack) allem, was die Leute reden, scheint es sich hier um ein auffallend schönes, lcbensfrische? junges Geschöpf zu haicheln." „Auffallend schön war Marfa Ossipowna allerdings ganz und gar nicht. Sie war kaum eigentlich hübsch zu nennen. Und deshalb wollte ich auch von chrer Lioblingsidee, ziun Film zu gehen, nichts wissen, was sie mir, das merkte ich genau, ungeheuer übel nahm. Demi sie war von einer unge- wohnlichen, beinahe schon krankhaften Eitelkeit, ja. man kann sagen, sie war geradezu verliebt in sich und van der unum- stoßlichen Ueberzeugung, daß jeder Mawi auf den ersten Blick bis über die Ohren in sie verliebt fein müßte. Sonst aber war sie ein herzensgutes, kindliches Geschöpf, immer fröhlich und gut aufgelegt." � „Daß es sich— man darf in einem solchen Fall nichts außer acht lassen—, um einen Selbstmord handeln könnte» halten Sie für unwahrscheinlich" „So etwas Halle ich für gänzlich ausgeschlossen. Denn die kleine Ossipowna hing nicht nur mit allen Fasern au ihrem Leben, sondern war auch ganz ungewöhnlich feige. Blut konnte sie überhaupt nimt sehen, und wenn sich mal ein« Fledermaus in unseren Garten verirrt Halle, so war sie im- stände bis ans andere Ende der Insel zu fliehen." „War Fräulein Morislow nicht auch eine ungewöhnlich gute Schwimmerin?" „Ja, aufs Baden war sie förmlich versessen. Sie�ging zweimal am Tag ins Meer, auch bei Regen und Kalle." „Ist Ihnen bekannt, daß sie manchmal nachts zu baden pflegte?" „Rein, aber ich Halle das nicht für unmöglich. „Seit wann war Fräulein Morislow bei Ihnen auf der Insel?" „Seit 3. Mai. Sie ist die Tochter meiner jüngsten Schwester, fest frühester Jugend verwaist, und wurde teils in Paris , teils tn Berlin bei Verwandten aufgezogen, die sich leider nicht allzu viel um sie gekümmert haben dürften Ihr« Erziehung war stark vernachlässigt Ick> machte mir oft die größten Lorwürfe, daß mein Beruf mir nicht gestattete, sie ganz zu mir ins Häus zu nehmen. Sie besuchte mich zwar einigemal in Kopenhagen , aber ich konnte in diesen paar Wochen natürlich nur wenig Einfluß aus sie gewinnen. Es interessierte sie einfach nichts auf der Well als das Ver- gnügen. Keine Arbeit, kein« Ideale, ja. ich, die ich, wie Sie
wahrscheürlich wissen werden, Herr Untersuchungsrichter, frei von allen morolifcheit Lorurteilen bin, ich muß leider auch sagen, nicht einmal eme wirkliche Leidenschaft. Alles nur Flirt. Und dabei das beste Herz von der Welt. Mein Haus ist wie verwaist. Jeden Augenolick glaube ich, sie eine Tür zuschlagen zu hören. Ich hälle nie gedacht, daß mir diese kleine Stimme so fehlen könnte. Sie Halle nämlich eine ganz reizende kleine Stimme, und wenn sie nur ein bißchen fleißi- 8 er gewesen wäre, sie hätte es bis zur Operette oder zum labarett gebracht. Doch das gehört wohl nicht hierher." „Sprechen Sie nur ganz unbefangen weiter, gnädige Frau. Für uns ist alles interessant." „Ja, Marfa Ossipowna war mein Sorgenkind, aber wie alle Sorgenkinder nun einmal sind, sie war mein geliebtes Sorgenkind. Wäre sie nicht so grenzenlos leichtsinnig ge- wesen und manchmal erst spät nachts, vielleicht gar nicht mehr nachts nach Haufe gekommen, so hätte ich bei ihrem Verschwinden sicher nicht erst an einen unbedachten Streich oder sonst eine Kinderei gedacht. Der Gedanke, daß nicht vom ersten Tag an olles unternommen wurde, um das Kind zu finden, ist mir unerträglich. Meinen Sie wirklich, daß etwas versäumt wurde? Ick würde mir das Leben nehmen, Herr Untersuchungsrichter!" „Denken Sie nicht weller drüber nach, gnädige Frau." „Ich beschwöre Sie, sagen Sie mir die Wahrheit, oder wissen Sie vielleicht mehr, als Sie sich mir zu sagen ge- traun?" „Rein, nein, was denken Sie, so etwas dürfte ich ja gor nicht, gnädige Frau. Aber wenn Ihnen nicht wohl ist, so können wir natürlich eine kurze Pause einsckialtcit Sammeln Sie sich, Sie werden uns sicher noch einiges zu erzählen habend (Da die Zeugin einem Ohnmachtsanfall nahe ist, wird eine kurze Pause eingeschalt et) „Run zu Herrn Rist. Torben Rist verkehrt« viel in ihrem Hause?" „Verkehr kann man so etwas eigentlich nickt nennen. Der junge Schriftsteller kam ein- oder zweimal die Woche, um mll mir zu musizieren. Er spielt ausgezeichnet Geige." „Wie kam er zu Ihnen?" „Durch Frau Fredriksen. Frau Fredrikseir. die alle treue Seele, kennt mich sell Iahren, wie die meisten Leute auf Lynä und hängt an mir mll rührender Verehrung. Kaum war ich angekommen, so brachte sie mir auch schon ihren neuen ulleressante» Mieter ins Haus."(Fortsetzung folgt.)