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Sonnabend

5. April 1930

Der Abend

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Nr. 162

B 81 47. Jahrgang

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Krach um das Bier.

Bayernrebellion gegen Steuererhöhung.- Schätzel in Opposition. Doppelmord aus Verzweiflung?

Zu der amtlichen Mitteilung über die gestrige Kabinettssitung, die wir heute morgen veröffentlich­ten, erfährt die Telegraphen- Union ergänzend, daß Reichspoftminister Dr. Schäkel gegen den Beschluß des Kabinetts, der an 75prozentigen Biersteuer. erhöhung festzuhalten, seinen nachdrücklichsten Widerspruch geltend gemacht hat.

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Die heutige Etzung des Steuerausschusses begann mit einer an Schärfe nicht zu übertreffenden Oppositionsrede des Bertreters der Bayerischen Boltspartei, des Abgeordneten Dr. Horlacher. Er wandte sich gegen den gestrigen Beschluß der Reichsregierung, an der Biersteuererhöhung um 75 Prog. festzuhalten und erflärte, daß die

Bayerische   Bolkspartei jeder Erhöhung der Biersteuer über den gegenwärtigen Sah hinaus entschiedenen Widerstand leisten werde. Dieser Widerstand werde sich nicht beschränken auf die 17 Abgeordneten der Bayerischen Volkspartei  . Auch die übrigen 34 in Bayern   gewählten Abgeordneten werden einem ähnlichen Drud ausgesetzt werden, daß sie sich der Haltung der Bayerischen Bolkspartei, anschließen müßten.

Die Biersteuererhöhung sei eine Berhöhnung des bayerischen Wolfes. Die Sonderbelastung, die dem bayerischen Volke durch die Biersteuer auferlegt werde, betrage 100 Millionen, sei also mehr als halb so groß, wie die eigene Steuerlast, die das bayerische Volk mit 178 Millionen trage. Der Bergleich mit der Alkoholbesteuerung des Auslandes sei durchaus abwegig. Die hohe englische   Biersteuer habe zu einem Rüdgang des Bierverbrauchs unn mehr als 50 Pro3. geführt, so daß man jetzt die Ermäßigung der Biersteuer erwäge. Die Bayerische   Boltspartei habe es auch an Ersatzvorschlägen nicht fehlen laffen. Man tönne die Umsatzsteuer der großen Unter­nehmen erhöhen. 383 Unternehmungen mit je 25 Millionen Umfats bringen allein 17 Proz. der Umsatzsteuer auf. Auch die

Ausdehnung der Umsatzsteuerpflicht auf die erste Einfuhr bringe erhebliche Mehreinnahmen. Zum Schluß seiner Darlegungen wandte fich Horlacher nochmals gegen den Finanzminister Molden hauer und erklärte drohend mit versteckter Anspielung auf die von der Regierung geplante Anwendung des Artifels 48, boß die Bayerische   Bolkspartei sich durch nichts von ihrer Haltung zur Biersteuerfrage abbringen lassen werde.

Der Finanzminister Moldenhauer erhob sich sofort aur Antwort auf Horlacher. Auch die Reichsregierung nehme die Frage der Biersteuererhöhung sehr ernst. Die Erhöhung in diesem Umfange sei notwendig aus reparationspolitischen Rücksichten und, weil auf anderem Wege die Mehrerträge nicht aufgebracht werden können. Eine Erhöhung der Umfassteuer sei wirtschaftlich un­endlich viel schwieriger zu tragen als eine Erhöhung der Biersteuer. Die Besteuerung der ersten Einfuhr verteure notwendige Rohstoffe wesentlich und werde große handelspolitische Schwierig­feiten hervorrufen. Wenn die Reichsregierung an der Erhöhung Der Biersteuer um 75 Broz. fest halte, fo deshalb, weil sie von threr Notwendigkeit überzeugt fei. Sie könne sich auch durch tempe­ramentvolle Ausführungen, wie die des Abgeordneten Horlacher, nicht davon abbringen lassen, obwohl sie die Hoffnung auf einen Rückzug der Bayerischen Volkspartei   aufgegeben habe. Um so ent­schiedener aber müffe er die Behauptung zurückweisen, daß Bayern  Steuerlich ungerecht behandelt werde.

Bayern   habe seine eigenen Steuerquellen nur ungenügend ausgenutzt.

Die Belastung durch die Grundsteuer sei in Preußen von 1913 bis 1927 um 221 Broz., in Bayern   nur um 87 Broz. gestiegen. Auch die Gewerbesteuer sei in Bayern   wesentlich niedriger.

Auf Moldenhauer folgte der Deutschnationale Dr. Rade. macher: Das Schauspiel, das der Ausschuß eben erlebt habe, daß eine Regierungspartei auf das schärffte gegen die Regierungsvorlage fei, laffe die Frage berechtigt erscheinen: Was tun die anderen Regierungsparteien? Warum äußert sich nicht einmal die Wirtschaftspartei zu den Steuerplänen der Reichsregierung? Erwartet man von den Parteien der Opposition, daß sie Hilfsdienste Fortfegung auf der 2. Seite.)

Ein deutscher Gelehrter in Paris   verhaftet.

Ein noch unaufgeklärtes Verbrechen beschäftigt die Pariser Oeffentlichkeit in hohem Maße: Unter dem Verdacht des Doppelmordes ist der deutsche Radiologe Konrad Koch   in der fran zösischen Hauptstadt verhaftet worden.

Roch ist der Sohn eines Apotheters aus Hörber in Westfalen  . Er hat an der Berliner   Technischen Hochschule studiert und galt als ein Mensch mit glänzenden Zukunftsaus. fichten. Wegen einer Liebesaffäre entzweite fich Roch mit seinen Eltern. Er verließ Deutschland   und begab sich mit seiner Geliebten, einem Fräulein Sabatier aus Straßburg  , nach Paris  . Hier geriet das Baar bald in schwere wirtschaftliche Notlage. Eines Tages war die junge Sabatier fpurlos verschwunden. Alle Nachforschungen blieben erfolglos.

Bor einigen Tagen geschah ein Ereignis, das zur Fest nahme des Roch führte. In einem Waffenladen erstand er einen Revolver und schoß damit den Waffenhändler ohne jeden Grund über den Haufen.

Man vermutet in den Kreisen der Pariser   Polizei, daß Koch den Waffenhändler in Geistes verwirrung mieberschoß, während er seine Freundin aus Berzweiflung vorfäßlich um­brachte.

Ammoniafexplosion in Rottbus.

3wei Personen getötet, eine im Sterben.

Rofibus, 5. April.

ganze Haus, das von den Bewohnern fluchtarfig geräumt worden war, fowie die nähere Umgebung waren mit Ammoniatgafen ange­füllt und founten nur mit Gasmasken betreten werden.

Schweres Autounglück in Karlshorst  . Auto stürzt eine 10 Meter hohe Böschung herab.

In der vergangenen Nacht ereignete fich in Karlshors ein schweres Autounglüd, bei dem der praktische Arzt Dr. Hagemann aus der Dönhoffstraße in Karlshorst  lebensgefährliche Verletzungen erlift.

Dr. Hagemann befand sich mit seinem Wagen auf dem Nach hauseweg. An der Kreuzung des Bloddamms und der Wallensteinstraße wollte er ein vor ihm fahrendes Auto überholen. Wahrscheinlich infolge der zu hohen Geschwindigkeit geriet Dr. H. zu weit nach links und raste die an dieser Stelle etwa 10 Meter hohe Böschung hinab. Das Auto überschlug sich mehrmals und wurde zertrümmert. Der Berunglückte wurde mit ichweren Verlegungen aus den Trümmern hervorgezogen und in das Elisabeth- Hospital in Oberschöneweide   gebracht.

Die Autoraserei hat heute früh ein weiteres Opfer gefordert. Beim Ueberschreiten des Fahrdammes in der Kopen hagener Straße wurde gegen 5 Uhr der 53jährige Arbeiter ein rich Hanne aus Berlin   Rosenthal, Hauptstraße 28, von einem Privatauto überfahren. Der Fahrer des Wagens fuhr, ohne sich um den Ueberfahrenen zu fümmern, in schnellem Tempo davon. Er ist leider unerkannt entkommen. Der Berunglückte hatte so schwere Verlegungen erlitten, daß er bereits

auf dem Transport starb. Die Kriminalpolizei hat die Ermitte­nach dem gewiffenlosen Chauffeur, der das Unglück ver

In dem einige Kilometer füdlich von& offbus gelegenen Dorf Sachsendorf hat sich ein entfehliches Explosionsunglüdlungen ereignet, dem zwei Menschen zum Opfer fielen, während ein dritter mit dem Tode ringt.

In dem Haufe des Fleischermeisters Bendrich in Sachsendorf erfolgte am Freitag abend eine schwere Explosion. Der Sohn des Fleischermeisters und ein Monteur waren mit der Reparatur der Kühlanlage beschäftigt, als plöhlich ein Ammoniakbehälter explodierte. Beide wurden auf der Stelle getötet. Ein gerade die Kellertreppe herunterkommender junger Mann wurde durch die Gewalt der Explosion durch ein Fenster geschleudert und erlitt schwere Verletzungen er hat auf beiden Augen die Sehkraft er hat auf beiden Augen die Sehkraft eingebüßt, so daß er dem Krankenhaus zugeführt werden mußte, Die Feuerwehr stand vor einer schweren Aufgabe, denn das

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Brüning an der Strippe

KABINETT BRUNING

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DEUTSCHNATL.

So läst Hugenberg   in seiner Nachtausgabe die politische Lage darstellen, die durch seinen, wie Hitler  es bezeichnet, fchamlosen Umfall" geschaffen wurde.

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schuldete, aufgenommen.

Meußdörffer auf freiem Fuß.

Wer aber ist der Täter?

Bayreuth  , 5. April. Wie der Verteidiger des Kommerzienrats Heinrich Meuß­dörffer in Kulmbach  , Dr. Greifenstein, mitteilt, hat der Unter­fuchungsrichter des Landgerichts Bayreuth   den am 8. November 1929 gegen kommerzienrat Heinrich Meußdörffer erlassenen Haftbefehl aufgehoben und die Rückgabe der geleisteten Sicherheit angeordnet.

Rommerzienrat Meußdörffer war seinerzeit unter dem Berdacht, feine Frau ermordet zu haben, verhaftet worden. Dann traten plöglich zwei Arbeiter, darunter ein Nationalsozialist, auf, die sich der Tat beschuldigten. Die Selbstbezichtigung schien aber nicht der Wahrheit zu entsprechen. Man ließ die beiden wieder laufen. Nun entläßt man auch den Kommerzienrat aus der Haft. Es scheint, als ob die bayerischen Behörden nicht imstande sind, die Tat aufzuklären.

Der Ueberall Kandidat.

Will er auch in Warschau   abbliken?

Warschau  , 5. April.  ( TU.) Einige Morgenblätter verzeichnen das Gerücht, daß der Ware schauer deutsche Gesandte Rauscher nicht mehr nach Warschau  zurücklehren solle. An seiner Stelle wird u. a. als Kandidat für den Warschauer Gesandtenposten der Reichstagsabgeordnete D. Lindeiner Bildau genannt.

Rinderschlachten beim Königsbegräbnis Wie Abessinien Zeoditu ehrt.

Rom  , 5. April

Die Leiche der verstorbenen Kaiserin 3 eoditu von Abessinien foll mit einem Brunt, der den an europäischen   Höfen bei weitem übertrifft, zur Grabstätte der abessinischen Herrscher übergeführt werden. Das ganze Land wird an der Trauerfeier teilnehmen. Man rechnet damit, daß nicht weniger als 50 000 Rinder in diesen Tagen in Abeffimien geopfert werden.

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