glcllage Monlag, 7. April 1930
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Unbekannte Lassalle-Briefe Aufgefunden in einem Mailänder Museum Die hier folgenden beiden Briefe Lassalles*) wurden von einem italienischen Forscher, der sie mir zur Verfügung stellte, im Menländer dlci!?o«Zcl Risorxiimeiito aufgefunden. Ist ihr Inhalt auch an sich nicht sehr bedeutend, so fügen sie doch wieder ein neues Stück zu unserer Kenntnis der Beziehungen, die zu Ansang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zwischen den revolutionären rodi- kalen Politikern der beiden um die Vollendung ihrer nationalen Einigung ringenden Kulturvölker bestanden. Der Arzt Dr. Agostino Bertani(1812 bis 1886), an den diese Briese gerichtet sind, gehört« schon 1848 der revolutionären Bewegung gegen die habsburgische Zwangsherrschast cm und stand auch in der vorderen Reihe jener, die in den traurigen fünfziger Jahren den Widerstand gegen Oesterreich schürten. Als Arzt und Freund Garibaldishateran den meisten der verwegenen Zü�e des Freischorenführers teilgenommen und sogar die Hauptrolle ge- spielt bei der Borbereitung des berühmten Zuges der„Tausend" nach Sizilien . Von früh an besaß Berta« sehr stark« Interessen: mit den Augen des Arztes erkannte er die furchtbare Lag« des itatientschen Proletariats, er veranlaßte die erste staatliche Eirquete über die Loge der Landarbeiter und kämpfte als Parlamentarier topfer gegen Schäden der Heimarbeit und die Ausnutzung der Kinderarbeit. Lossoll« lernt« Vertan durch R ü st o w s Bennittlung auf seiner italienischen Reise 1861 kennen. Da diesem und der italienischen republi kanisch-demo kratis chen Partei, zu deren Führern er gehört«, viel daran lag, über die Einheitsbewegung in Deutsch - lond gründlich aus dem laufenden zu bleiben, so wandte er sich November 186) brieflich an Lassall« mit der Bitte, ihm Korre- spondenten für die in Turin , Mailand , Florenz und Neapel er- scheinenden Blätter serner Partei zu besorgen. Lassall« bestimmte den späteren Berliner Großindustriellen und fortschrittlichen Abge- ordneten Ludwig Loewe , der ihm damals mit schwärmerischer Verehrung anhing, diese Ausgabe zu übernehmen. Prvsessor Dr. Gustav Mayer. Florenz , 30. Novembor 18S1. Hotel de la Dille. Mein lieber Herr Bertmrf! Mr sind hier gestern abend angekommen und haben im Hotel de la Dill« Quartier genommen, wovon ich Sie hiermit benachrichtige. Das Hotel scheint ganz annehmbar zu sein und di« Preise sind nicht übermäßig hoch: Mittagessen 3 Fr. SO. das Zimmer zwischen 4 und 6 Fr. usw., im allgemeinen also annehmbar« Preise Bei dieser Gelegenheit möchte ich mir gestatten, einen kleinen Irrtum aufzuklären, der sich in unser« letzte Unterhaltung«mge- schlichen hat. Ich meint« die„Deutsche Allgemein« Zeitung" von Brockhaus in Leipzig , als ich von den Zeitungen sprach, in die ich Nachrichten lancieren könnte, die unserer Partei nützlich sind und die von unserer cavouristischen Presse unterdrückt werdeck. Sie antworteten mir:„Ach diese Zeitung ist sicherlich alle» ander« als liberal, sie steht uns sehr feindlich gegenüber." Da tatsächlich die„Deutsche Allgemein« Zeitung" von Brockhaus <m allgemeinen immer gemäßigten Gedankengängen zuneigt, oder, wie man bei Ihnen sagt, cavouristischen, antwortete ich Ihnen, daß ich sie dank meiner persönlichen Beziehungen veranlassen könnt«, von ihrem Programm zugunsten der Verlautbarungen, die von mir kommen, abzuweichen. Erst als Sie mich verlassen hatten, fiel mir ein, daß Sie ohne Zweifel an die„Augsburger Allgemein « Zeitung" von Cotta gedacht hoben, di« man Kurz auch die„Allgemeine Zeitung" nennt. Das ist tatsächlich eine durchaus reaktionäre Zeitung und ich habe keinen Einfluß auf sie Aber di«„Deutsche Allgemeine Zeitung" von Brockhaus in Leipzig , obwohl auch gemäßigt und eavouristisch im allgemeinen, neigte immer noch mehr zu der liberaleren Nuance und ist unter den aktuellen deutschen Zeitungen, deren Elend ich Ihnen ja ausemander gesetzt habe, die fortschrittlichste. In der Hoffmrng, Ihnen bald wieder die Hand schütteln zu können Ihr ergebener F. L a s s a l l e. Berlin , 6. Juli 1862. Mein Herr! In herzlicher Erinnerung an die Aufmerlsarnkeiten, die Sie so gut waren, mir in Lugano zu erweisen, nehme ich mir die Frei- heit, Ihnen drei meiner Vorträge, die ich hier gehalten habe und die kürzlich herauskamen, zu übersenden. Zwei dieser Vorträge— der über die Konstitutionen, der, in- dem er positiv und objektiv das Wesen der Konstitutionen ent- wickelt, di« ganzen Illusionen des Konstitutionalismus aufdeckt, und der über die Beziehung der Idee des Arbeiterstvates zu der gegen- wärtigen historischen Periode— sind, wie ich glaube, vorzüglich ge- eignet, in Ihrem ausgezeichneten Journal, das Tiefe mit Tattrcist verbindet, im Auszug wiedergegeben oder diskutiert zu werden. Da ich den Bortrag über die Konstitutionen hier in vier populären Abenden der konstitutionellen Partei mit täglich wachsen- dem Erfolge gehalten habe, so daß die reaktionären und ängstlichen Blätter nicht umhin köimen, das zu bestätigen, kann dieser Vortrags- zyklus ihren Mitkämpfern zeigen, daß die wahrhaft demokratische Meinung bei uns im Begriff ist, zu wachsen und daß sie die kon- stitionellen Taschenspielerkünst« zu enthüllen beginnt. Die Borträg« über den Stand der Arbeiter konnten bis- her nicht denselben Erfolg erzielen, do die Broschüre von dem Pro- kurator des Königs mit Beschlag belegt wurde— alle Exemplare mit Ausnahme von ungefähr 30' sind vorläufig konfisziert worden—, ober im Oktober, noch meiner Rückkehr aus London und aus der Schweiz wird der Prozeß stattfinden und ich rechne damit, auch vor den Schranken des Gerichts zu siegen. Iebenstills nehmen Sie bitte diese kleine Sendung als ein Zeichen meiner Hochachtung Einige Zeilen von Ihnen würden mich sehr freuen und an meine Berliner Adresse adressiert(Bellevuestr. 13) werden Sie mich immer erreichen— obgleich ich noch heute ver- reis«—, weil alle Briefe, di« hierherkommen, sofort an meinen je welligen Aufenthalt weitergeleitet werden. Mitte August werde ich in Zürich in der Schweiz ankommen, vnd ich werde mit Rnstow eine kleine Reise ins Engadin machen. Dielleicht habe ich dort das Vergnügen, Sie zu sehen. Mit tausend herzlichen Grüßen Ihr ergebener F. Lassalle . s.. Di« Briese jmd hu Original{ranzöfifet) geschrieben,______
Staatenlos Eine melancholiche Betrachtung** Von Dagmar Sperk
Ich bin weder ein« Diebin, Schwindlerin, Betrügerin noch Fäl- scherin— nichts von allcdem. Ich bin nur— staatenlos. Wie man das wird? Entweder hat man während der Revo- lution die Heimat verlassen, oder man ist irgendwann emmal vor dem Kriege ins Ausland gezogen und bei Kriegsausbruch nicht in die Heimat zurückgekehrt— das Resultat ist das gleiche. Wer vor mehr als fünf Iahren z. B. Rußland verlassen hat, verliert automatisch die Staatsbürgerschaft. Wenn man will, kann man von neuem darum eintommen. Aber das ist langwierig und die Genehmigung der Gesuche durchaus nicht garantiert. Dafür kostet schon der erste Schritt auf diesem Wege viel Geld. Man kann ja aber auch etwas anderes tun: sich den Verlust der Staats- bürgerschaft auf der Gesandtschast bestätigen lassen. So wird man staatenlos. Ausgewiesen wird man aus seiner neuen Heimat in diesem Fall nicht, dafür hat man aber auf Schritt und Tritt Schwierig- leiten: doppelt« und dreifache, eventuell sogar zehnfache Schul- gelder, erhöhte Prüfungstaxen und Beschränkung in der Ausübung eines Berufes. In Oesterreich z. B., meiner seinerzeitigen PseudoHeimat, darf ein Staatenloser dicht ohne weiteres kursmäßigen Gymnastikunterricht erteilen. Von irgendwelchen Wohlfahrtsein- richtungen ist man ausgeschlossen. Um irgend etwas dort ein- zukommen, wäre die sichere Ausweisung. Aber die ganze Tragik der Lag« zeigt sich erst, wenn man seine PseudoHeimat verlassen will. Nach langen Mühen und reich- liehen Anschnauzern bekommt man einen auf ein halbes Jahr gül» tigen Identitätsausweis ausgestellt und braucht nach allen Ländern ein Visum, das man oft gar nicht bekommt.„Visum für einen Monat!" Eine Fall« für ahnungslose Gemüter. Bon dorther stammt die P o l i z e i p s y ch o s e, an der ich leide. Neben meinem Visum steht, kaum sichtbar an den Rand ge- schrieben,„Visum kann verlängert werden, falls Engagements- vertrag vorliegt." Nach etwa fünf Wochen werde ich auf die(darf ich sagen bayerische?) Polizei gerufen. Meine Engagement- Verhandlungen hatten sich im letzten Moment zerschlagen. Aber ich bin überzeugt davon, daß es für mich notwendig ist, in Deutschland zu bleiben. Meine Freunde wollen mir helfen, auch Hab« ich Aus- ficht auf fallweise Beschäftigung. Das alles erkläre ich mif der Polizei. Aber:„Ohne Engagement keine A u f e n t h a l t s b« w i l l i g u n g!" Meine gute italienische Pflegemutter bricht in Tränen aus, als ich mit der Nachricht nach Haufe komme. Am nächsten Tag geht sie mit zur Polizei und gibt eine schriftliche Erklärung ab, daß sie für meinen Lebensunterhalt aufkommen will. Es wird abgelehnt. „Sie könnten doch sterben." Ich erkläre, daß ich in Deutschland erzogen worden bin, kaum mehr russisch oerstehe, keinerlei Ber- bindungen zu meiner alten Heimat mehr habe und daß ich unter gar keinen Umständen der Wohlfahrt zur Last fallen werde.„Nein, ausgeschlossen, es geht nicht." Jemand rät mir:„Nehmen Sie doch ein Kabaretengage- ment." Diese Rettung glückt. Ich bekomme«inen Engagement- vertrag und damit Aufenthaltsbewilligung für Engagementsdauer und drei Tage als Gratiszugabe. Im letzten Moment ändert sich etwas und ich trete in einem anderen Kabarett als dem ur- sprünglich angegebenen airf. Schon am nächsten Morgen erscheint ein Mann von der Polizei. Verträge vorlegen, erklären: noch einmal und noch
einmal. Em paar Tage später, wieder ganz in der Früh, erscheint ein Kriminalbeamter.„Warum treten Sie unter ver- ändertem Namen aus? Sie nennen sich„von"!" Ich beweise meine Berechtigung und erkläre, daß mich der Agent ausdrücklich darum ersuchte. Man beruhigt sich auch über diesen Punkt. Meine Lage ist nun so: Habe ich für nächsten Monat kein Engagement, muß ich am dritten Tage abdampfen, wenn ich mich nicht per Schub abschieben lassen will. Doch ich bekomme ein neues Engagement. Wieder einmal der Not entgangen! Aber ich habe jetzt vor allem, was Polizei heißt, eine derartig« Angst, daß ich mich nicht entschließen kann, wegen der neuen Auf- enthaltsbcwilligung hinzugehen. Aus lauter Angst vor� der Be- rührung mit der Polizei lasse ich den letzten Termin vorübergehen. Ein oder zwei Tage später, wieder in aller Frühe, ich bin noch sehr müde, werde ich geweckt. Polizei! Meine Angst ist uner- träg'ich. Man kommt mich holen! „Ihre Bewilligung ist abgelaufen. Gehen Sie mit." „Ich habe einen neuen Vertrag—" Der Mann steckt ein Papier, auf dem ich im Fluge so was wie „Ausweisungsbefehl" lese, wieder in seine Mappe. „Gleichviel, ziehen Sie sich cm und gehen Sie mit. Ich warte so lange" Auf der Straße ist er ganz umgänglich. Ich frag« ihn, ob ich mir in dem Geschäft dort über der Straße ein paar Handschuhe kaufen dürfe. Er läßt mich allein über die Straße gehen. Durch diese Tatsache steigt mein Mut wieder etwas. Auf der Polizei kann ich feststellen, daß mein Begleiter einer von der Fahndungspolizei ist. Da wird also sogar schon nach mir gefahndet! Dabei bin ich seit Monaten in derselben Straße, dem- selben Haus, derselben Wohnung gemeldet! Dom Beamten, der meinen Fall behandelte, werde ich ange- fahren. Ich lege meinen neuen Kontrakt vor und— darf zahlen. 12 Mark.„Die Genehmigung wird Ihnen zugestellt." Vier Tage vor Ablauf meiner Aufenthaltsgenehmigung be- schließe ich. innerhalb von fünf Minuten, ich weiß kaum recht wie, die geliebt« gute schöne Stickt zu verlassen und anderswo mein Glück zu versuchen. Ich nehme mir vor, gleich am ersten Tag die Angelegenheit auf der Polizei zu erledigen. Aber als ich vor dem Turmbau van Babel (als solches mir das Berliner Polizeipräsidium erscheint) stehe, packt mich diese vermaledeite Angst. Ich steige in die nächste Trambahn und fahre ans andere End« der Stadt. Vergessen, nur vergessen! Dann finde ich eine feste Beschäftigung, habe sogar schon eins Bescheinigung darüber in Händen. Aber ich verschiebe es von einem Tag auf den anderen, mich auf der Polizei zu melden. Am Wend, bevor ich einschlaf«, und am Morgen, kaum erwacht, liege ich, von rasender Angst vor der Polizei gefoltert, im Bett. Wenn mein Gesuch abgelehnt wird, ist alles vorbei. Dann kann ich mich glatt aufhängen. Vor lauter Angst kann ich nicht arbeiten, nicht üben. Endlich überreiche ich nach langen Vorstellungen meiner Freunde das„Gesuch". Ich bin schon in der Tür, glücklich, wieder nach Hause gehen zu können— da ruft mir der Beamte nach: ,La, und vergessen Sie nicht, Ihrem Arbeitgeber zu sagen, daß er beim Landesarbeitsomt um die entsprechend« Erlaubnis ein» reicht." Jetzt bin ich vollkommen verdattert. Soll ich mm engagiert sein oder soll ich ohne Beschäftigung sein? Worauf kommt es denn nun an? Ach, wer das nur wüßte! Ja, man ist fchcn dumm!
Aufstieg and Niedergang Bericht aus der Ukraine • Mitgeteilt von M.B. 1920 schaffte ich mir nach den großen Verlusten des Bürger- krieges neue Pferde an und begann mit der Arbeit. Wir hatten 75 Deßjatmen Äaatstiand zur Nutznießung, 66 Deßjatinen waren in ein Sechs feldersystem eingeteilt, 15 Deßjatinen dienten als Viehweide. Ich legte verschiedene Bersuchsfelder an und meine Wirtschaft wurde vom Staat« als Kultur w irts cha f t anerkannt. 1923 er- hielten wir fünf Belobigungsschreiben auf der„Rayon- viehausstellung" für gutes Vieh mck im nächsten Jahr eine An- erkennung durch das Kreisparteikomitee. Und 1926 bekam ich noch ein Diplom auf der Kreisausstellung für Acker- bau, Viehzucht und Gartenbau. Der Staat aber halt« dann kein Interesse mehr an einer Ent- Wicklung der Einzelbetriebe. Ab 1926 wurden dies« Wirtschaften mit großen Steuern belegt. Auf meinen Betrieb wurde im Jahre 1 9 27 eine Steuer von 2500 Rubel geworfen. Außerdem wurde noch das vorhandene G etreide requiriert. 1928 hatten wir eine schwache Ernte, zwanzig Deßjatinen Winterweizen wurden durch Frost vernichtet. Da das Getreide der Ernte von 1927 requi- riert war, hatten wir kein Saatgut und konnten anstatt 20 nur sieben Deßjatinen besäen. Trotzdem gaben wir der Regierimg noch 1000 Pud Getreide und 2500 Rubel Steuer. Dann kam das ver- hängnisvoll« Jahr 1929. Im Mai wurden von uns noch 1000 Pud Getreide an» gefordert, obzwar die Regierung gut wußte, daß wir alles Getreide abgeliefert hatten. All« Versicherungen, kein Ge- treibe mehr zu haben, waren fruchtlos. Mir wurde das Ultimatum gestellt, innerhalb 14 Tagen zu liefern, sonst würde mein Gut ver- steigert werden. In einer Eingabe wies ich auf die Verdienste hin, die ich dem Staat durch meine Versuchsfelder und durch die vor- bildliche Viehzucht gegeben Hab« was in verschiedenen Dokumenten auch anerkannt sei. Mein Vieh war im Stammbuch des Kreises eingetragen, di« Milch wurde durch di« Mikchgenossenschaft den Ar. vettern der Glasfabrik zugestellt, das Jungvieh war im Mehzucht- oerein eingetragen. Die Antwort aber lautete: „Ach was, Verdienste, Trotz ti hat ganz Rußland erobert, aber als er nicht mehr mtt uns ging, wurde er ins Ausland aus- gewiesen." • Ich tonnte von den geforderten 1000 Pud nur 190 Pud liefern. Daraufhin wurde ich schwer bestraft Die noch zu liefernden 810 Pud Getreide wunden mit 5 Rubel pro Pud für mich berechnet, während der Regierungsprsis auf Weizen doch nur 1 Rubel 30 Kopeken pro Pud betrug. Also, ich mußte 4050 Rubel Strafe zahlen, weil ich mehr Weizen liefern sollte, als ich überhaupt hatte! Unld mm NMde von der Regierung mein Bieh ogrkaujt Wld
zwar 14 Pferde, 8 Milchkühe, 5 Rinder, 4 große Schweine, 9 Schaf« usw., bis die 4050 Rubel zusammen waren. Ms Käufer wurden nur die Kommunen zugelassen. Was sollte ich nun anfangen? Wir gingen noch einmal frisch an'die Arbett. Das Getreide stand gut. Es wurden, wie 1920, wieder Pferde angeschafft. Und bis zum Herbst 1929 ging auch alles gut. Gleich nach der Dreschzett aber verlangte der Staat van mir wieder 1500 Pud, lieferbar bis zum 1. September 1929. Ich kannte liefern. Aber dann wurden plötzlich die 810 Pud verlangt, die ich im Mai nicht liefern konnte. Auf �neinen Einwand, daß doch für 4050 Rubel Vieh verkauft worden sei, erhielt ich die Antwort: „Das war Straf«, ober Getreide hat die Regierung nicht be- kommen!" Auf tue 810 Pud schlug man noch 100 Pud darauf, und so wurden von mir 910 Pud Weizen gefordert, und da ich keinen mehr hotte, wurden die 910 Pud mit 10 Rubel pro Pud berechnet. also 9100 Rubel, und um dieses Geld einzutreiben, wurde mein Wohnhaus, mein Vieh und Inventar und mein« Möbel verkauft. Ms Käufer waren wiederum nur dir Kommunen zugelassen, die alles zu Spottpreisen erhielten. So wurden 5 gute Pferde für mir 210 Rubel berechnet und ein 12-L8» Otto-Deutz-Motor, der einen Wert hatte von 2400 Rubeln, wurde für 150 Rubel verschleudert. 9100 Rubel wurden nicht durch diese Derkäufe erreicht, mck so sollte ich, wie viele andere Bauern auch, ins Gefängnis ab» wandern, um dort solange zu bleiben, bis meine„Schuld" aus- geglichen fei. Bei Nacht und Nebel packten wir unsere Sachen zu- sammen uick fuhren ab nach Moskau . Bon 1920 bis 1928 lzabe ich der Regierung gegeben: 15 000 Pud Getreide und mehr als 10 000 Rubel Steuern in barem Geld. Und 1929 mußten wir die Hcmrat verlassen, die unsere Vorfahren 1789 betreten hotten. „Flachs" als Erzieher. Pierre Homps„Flachs" ist nunmehr im Verlag„D« r B ü ch e r- kreis", dem das Berdienst zukommt, dieses Werk entdeckt und für Deutschland erworben zu haben, in Buchform erschienen. Es war ein. Experiment, diesen nicht ganz leicht zu lesenden Roman zunächst in einer Tageszeitung erscheinen zu lassen. Das Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei glaubte sich um so mehr verpflichtet, dieses Experiment unternehmen zu müssen, als es sich hier— abgesehen von den anderen hohen Qualitäten der Dichtung— um das erste literarische Kunstwerk handelt, da», ausgehend von der materialistischen Geschichtsausfassung, wie sie Karl Marx zum ersten- mal aufzeigte, den Produktionsprozeß in den Mtttelpunkt der Dich- tung stellt, um die Verwobenheit der Menschen mit diesem Prozeß und sein« vollkommene materielle und geistige Abhängigkeit von ihm darzutun.