nungSmensch Stumm, der sich zu dem großmüthigen Zu-geständniß, daß es auch berechtigte Streiks gebe, nur mitder Verklausulirung verstehen konnte, daß die Führer derArbeiterorganisationen eben allesammt„Volksverführer"seien. Dies veranlaßte den Genossen Wurm zuder Bemerkung: Freiherr von Stumm, der die„Volks-Verführer" so hasse, wolle wohl nur Volks aus«b e u t e r an der Spitze der Arbeiterorganisationen sehen.Wurm stellte dann noch eine sogenannte Berichtigung einerAngabe, die er früher in bezug auf die Torpedo-Werkstätte inFriedrichsort gemacht, wörtlich richtig. Genosse Metzgernahm nun Gelegenheit, die Mißstände im deutschen Rheder-wesen, namentlich die mangelhafte Bemannung der Lloyd-schiffe und der Hamburg-Amerikanischen Gesellschaft abermalszur Sprache zu bringen. Er brachte heute die Beweise—die Matrosenrollen, welche schwarz auf weiß darthaten, daßdie Zahl der Matrosen an den betreffenden Schiffen denVorschriften des Gesetzes nicht entspricht. Außerdemgeißelte Metzger die famose Manier der Herren Schiffs-inspektoren, die Inspektion einen Tag vorher a n z u-zeigen. Der vielgewandte Staatssekretär des Innern,Herr v. Bötticher, brachte es fertig zu beweisen, daßtrotzdem alles in Ordnung sei. Herr v. Bötticher scheintder Nachfolger des seligen Gneist werden zu wollen,„der bekanntlich alles beweisen konnte".Das„Haus", das bisher anständig gewesen war, wurdenach Verlaus von dritthalb Stunden unanständig.Nachdem der„Wilde" Herr Nösicke AngabenStadthagen's und Molkenbuhr's über die Heil-anstalten von Berufs- Genossenschaften„widerlegt",d. h. für falsch erklärt hatte, wurde ein Schluß-antrag gestellt uud angenommen, der unseren Genossendas Wort abschnitt. Die Temperatur ward jetzt etwasheißer. Und als Herr von Massow den Amnestie-Erlaß-„Diebstahl" des„Vorwärts" zur Sprache brachte undder Herr Kriegsminister diesen Vorgang unddie angeblich unwahren Darstellungen Bebel's aus derzweiten Lesung, in seiner bekannten Manier behandelte,brach der Sturm los. Genosse Liebknecht brandmarkte nachGebühr die„sittliche Entrüstung" der Hammerstein- undPeterssippe, und hielt der„Kreuz-Zeittmg" ihre wirk-l i che n Aktendieb st ähle aus den SOer Jahren vor,wo sie sogar die Briefe des Thronfolgers stibitzen ließ— fernerdie Veröffentlichung von staatsanwaltlichem Material imLeipziger Hochverrathsprozeß, in dem Prozeß Antoine je.:c.und stellte die künstliche Aufbauschung dieser Lappalicj inParallele mit der Nicht- Thätigkeit oder langsamenThätigkeit der Justiz im Falle Peters und Hammer-stein— und schloß damit, daß der„Vorwärts" fortfahrenwerde, das Unrecht aufzudecken, und die Schurken undVerbrecher an den Schandpsahl zu nageln. Genosse Bebel,der Liebknecht sekundirte, widerlegte darauf des näheren diesogenannten Widerlegungen des Herrn 5kriegsministers.Morgen Fortsetzung des Etats und zweite und dritteLesung des Reichsschuldcn«Tilgungsgesetzes, so daß derReichstag morgen in die Ferien gehen kann.—Das preußische Abgeordnetenhaus ist bereits am Montagin die Osterferien gegangen, nicht ohne daß vorher noch denAgrariern eine kleine Freude bereitet wurde. Auf der Tages-ordnung stand die erste Beralhung des bereits im Herrenhauseangenommenen Gesetzentwurfs belr. das Anerben recht beiRenten- und Ansiedelungsgütern. Obgeich die Materieeigentlich in das Reffort des Landwirlhschaflsministers gehört, be-gnügte sich Frhr. v. Hammerstein mit einigen wenigen Be-merkungen und überließ die Bertheidigung. wie dies in der letztenZeit bei allen agrarischen Gesetzen Mode geworden ist, seinemKollegen vom Finanzministerium. Freilich hatte es Dr. Miguelsehr leicht, da nur die Abg. Ehlers und Richter sich alsprinzipielle Gegner der Borlage bekannten. Richter kritisirte dieAgrargesetzgebung der letzten Jahre sehr scharf und ersuchte umAblehnung des Entwurfs, der geeignet sei, die Unzufriedenheitaus demLande zu vergrößern und die durch das Anerbenrecht benach-theiligten Abfindlinge der Sozialdemokratie in die Arme zutreiben. Die Regierung erklärte, daß sie diesen Gesichlspuuktebenfalls geprüft habe, aber zu dem entgegengesetzten Resultatgekommen sei. Uns kann das ziemlich glcichgiltig sein. Mögenunsere Gegner sich ihre Köpfe darüber zerbrechen, ob Gesetzes-vorlagen der Sozialdemokratie frommen oder nicht; wirwissen, daß der endliche Sieg des Sozialismus eineKunpt und MissenMerfk.Belle-Alliance-Theater. Sonntag Nachmittag: RotheZettel. Schwant in 4 Akten nach einem norwegischen Stoffevon Richard Mark.(Volks-Borstellung unter Regievon Jul. Türk.)Wer nach dem Titel dieses Stückes eine Verspottung Polizei-licher Sozialistenriecherei erwartet hatte, der sah sich enttäuscht.Zwar spielt auch die Polizei in dem Schwank eine wichtigeRolle, aber sie richtet ihre gesellschastsretterische Thätigkeit nichtgegen böse Sozialdemokraten, sondern nur gegen ein harmlosesTheatervölkchen. Sie wird freilich sammt der kleinen„Gesell-schaft", deren Wohl ihrem Schutze anvertraut ist, von demTheatervölkchen mit derselben Eleganz hineingelegt, als ob sie esmit den bösesten Sozialdemokraten zu thun hätte; und da dasauf eine höchst belustigende Art geschieht, so verwandelte sich auch beidenen, die es anfangs nach einem„politischen Lied" verlangte,die Enttäuschung bald in Vergnügen.Die Geschichte spielt in einem Städtchen Halde im Schles-wigschen. Die Obrigkeit wird hier durch den Bürgermeister undden Polizeidiener repräsentirt. Weil seit 1364 das Auftretendänischer Schauspieler in dem Grenzgebiete verboten ist. gestattetder vorsichtige Bürgermeister überhaupt kein Theater in Halde.Der Direktor einer reisenden Schauspielertruppe, die nach Haldekommt, sucht den OrtSgcwaltigen umzustimmen, indem er dasTheater, unter Hinweis auf die Existenz königlicher Theater inBerlin, als volksbildend und volksveredelnd schildert. Abersein meist ans klassischen Stucken bestehendes Repertoirefindet keine Gnade vor dem Burgermeister, der in jedemStücke etwas staals- oder sitlengefährliches entdeckt. Die Eliteder Gesellschaft von Halde, vertreten durch den Pastor, de»Echulrektor und den Redakteur des in dem Orte erscheinendenBlättchens, stimmt dem Stadtoberhaupt bei: das Thealer ver-dirbt die guten Sitten, darum muß Halde davor bewahrt bleiben.Zwei junge Damen, die fürs Theater schwärmen, die Töchterdes Rektors und des Bürgermeisters selber, setzen es durch, daßnach einander die Presse, die Wissenschaft, die Kirche und schließ-lich auch die hohe Obrigkeit ihren Widerstand gegen das gefähr-liche Theater ausgiebt. Der Direktor darf seine Bühne in demsittsamen Halde aufschlagen, aber er muß den Charakter seinerStücke vorher bekannt machen, damit sich jeder mit dem Besuchdanach richten kann: unschuldige Stücke müssen aufweißen, bedenkliche auf lilafarbenen und die schlimmenauf rothen Zetteln angekündigt werden. Selbstverständlichmachen die weißen Zettel leere und die rothen volle Hänser, sodaß der Direktor, der es zuerst mit weiß und dann mit lila ver-sucht hat, schließlich nur noch mit rothen Zetteln spielen will.Von dem weiteren Gang der Handlung wollen wir nicht vielverrathcn. Es genüge anzudeuten, daß die Honoratioren vonHalde nicht blos vor den Koulissen die Tugeudmasle von demNaturnothwendigkeit ist. die man weder durch gesetzgeberischeMaßnahmen, noch durch Gewalt aufhalten kann. Nach kurzerDebatte, in der sich die Redner der Konservativen. Freikonser-vativen und des Zentrums für den Entwurf erklärten, währenddie nationalliberale Partei in dieser Frage gespalten ist, wurdedie Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen.Auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung, welche am 14. Aprilstattfindet, stehen Initiativanträge.—Pctcrs- Pizarrillo. Wie der„Freisinnigen Zeitung" ausLondon geschrieben wird, ist der in den Reichstagsverhand-lungen von Bebel zitirte Brief von Dr. Peters nicht an denBischof Tucker von der Church Missionary Society gerichtet,sondern an den Bischof Smithie von der UniversitiesMission. Peters benutzte diesen Jrrthmn, um die Leute glaubenzu machen, er habe überhaupt nicht an einen Bischof geschrieben.—Offiziere und Unteroffiziere. Aus der Rede des Demo-kraten Haußmann zum Etat des allgemeine» Pensionsfondsleuchtet wieder die unverbesserliche, mit kühnem Schwung sichüber die Thatsachen hinwegsetzende Ideologie hervor. diedas wesentlichste Merkmal unserer heutigen bürgerlichen Opposition ist. Wenn man die Naivetät dieser Freisinnigen undDemokraten in ihrer ganzen Größe kennt, dann kann man be-greifen— aber beileibe nicht entschuldigen—, daß sich derKom-missar des Kriegsministers, General v. Spitz, über den bravenschwäbischen Abgeordneten moquirt. Wer ernsthaft noch an das„Volk in Waffen" glaubt, wer noch in» Irrwahn lebt, als hättenwir ein Heer vornehmlich für das Volk, nun, der mag jaimmerhin eine Deinokratisirung des Offizierkorps als wünschens-werthes Ziel hinstellen; wer aber die Verhältnisse in ihremtieferen Zusammenhange begriffen hat, dem tauchen solchekindlichen Wünsche nicht mehr auf. Mit aller nur wünschens-werthen Deutlichkeit ist von der berufensten Stelle nicht einmal,fondern dutzeudmale als eine der Aufgaben der deutschenArmee klar uud bündig bezeichnet worden: Der Kampf gegende» inneren Feind. Wenn Herr Haußmann es noch mchtwissen sollte, so wollen wir es ihm hier verrathen, daß in demsogenannten Fahneneide des deutsche» Soldaten, den er ablegenm u ß, will er sich nicht den empfindlichsten Strafen aussetzen,das Wort„Vaterland",„Deutschland" oder„Volk"überhaupt nicht vorkommt. Das sind Begriffe. diefür den Soldaten, wenn überhaupt, so doch erst inzweiter Linie in Frage kommen. Und zur Führungdieser bewaffneten Schaaren, die durch ihren Eid ganzund gar in den Dienst des F ü r st e n gestellt werden, meintHerr Haußmann, seien Kinder des Volkes geeignet, wie dieUnteroffiziere es heute in ihrer übergroßen Mehrheit sind?Nein, soviel besser haben die Herrschenden denn doch ihr eigenesInteresse begriffe», daß sie dazu nur die Kinder der an der Er-Haltung des Bestehenden interessirten Klasse zulassen. Tieferals durch Schärpe und Achselstück sind die Offiziere durch ihrenKlasseni»stinkt und ihr K l a s s e n i n t e r e s s e von denUnteroffizieren getrennt, die, wenn sie sich dessen auch inihrer Unkenntniß nicht bewußt sind, in ihrer erdrückendenMehrzahl nichts als uniformirle Proletarier sind. Alsdeutliches äußeres Kennzeichen des Klassengegensatzes zwischenOffizieren und Unteroffiziere» kann man die Satisfaktion oderTuellfähigkeit der ersteren bezeichnen. Und diese Duellfähigkeit(d. h. die Gepflogenheit, einen persönlichen Gegner auf eine gegenGesetz und Eilte als„anständig" bezeichnete Art und unter ge-ivissem feierlichen Klimbim vom Leben zum Tode zu bringen) isteilt„Borrecht" der Klasse, aus der die Offiziere stammen,nicht des Offizier st a n d e s. Hier also, wo die Klassen-Unter-schiede im schärfsten Grade ausgeprägt sind, hier, wo sie geradezutypisch werden, hier wünscht sie Herr Haußmann und mitihm Zehntausende guter Philtsterschlasmützen zuerst überbrücktzu sehen.O, heilige Einfalt!Ein bimctallisrischcs Sedan war die vorwöchentlicheDebatte im englischen Parlament, auf welche unsereSilbernen die überschwänglichsten Hoffnungen gesetzt hatten.Nicht nur wurde der Blödsinn einer Doppelwährung un-barmherzig zerpflückt, sondern auch alle Zukunftshoffnungenwurden mit grausamer Hand zerstört. Und am grausamstenwar der vermeintliche Messias Balfour, der kühl erklärte,wenn die anderen Länder ihr Geld verschlechtern wollten,so sei das sehr gut für— England, allein von Englandkönne man doch nicht verlangen, daß es sich zu gründerichte. Und die englische Regierung läßt durchden„Standard" erklären, daß ,s i e nicht darandenke, eine internationaleKonferenz überBimetallismus zu berufen. Dagegen sei dieRegierung bereit, die indischen Prägstätten wieder zu öffnen,wenn der lateinische Münzverein seine seit 1873 geschlossenenHeuchlerantlitz fallen lassen. Sie suchen auch hinter denKoulissen Beziehungen zur Kunst anzuknüpfen, wobei das Stadt-oberhaupt sich besonders hervorthut. Zum Schluß brennt nochdie Bürgermeisterstochter mit dem ersten Liebhaber des Theatersdurch und gehl selber zur Bühne, während der Bürger-meister den Theaterdirektor nur dadurch wieder aus Haldefortzuschaffen im stände ist, daß er seine ziemlich beträchtlichenSchulde» iezahlt.Der Schwank wurde von dem leider nicht sehr zahlreichenPublikum, das den stärkeren Lockungen des herrlichen Frühlings-welters widerstanden hatte, recht freundlich und beifällig auf-genommen. Nack unserem Empfinden hätte die Wirkung nochgrößer sein müssen, wenn der Schwankcharakter des Stückesetwas weniger betont wäre. Neben einem sein humoristischenElement tritt ein grob komisches mehr hervor, als es der Stoffverlangt. Im ersten Akt sah es fast aus, als ob das Stück sichzu einer witzigen Komödie entwickeln sollte, aber im zweitengeräth es in das Fahrwasser der derben Posse, aus dem es sichauch in den beiden letzten nicht ganz wieder herauszuarbeiten ver-mag. Dieser Zwiespalt geht bis ins einzelne: im Dialogwechseln blutige Kalauer mit treffenden Ausfällen gegen dieTugendheuchelet bürgerlicher Kreise.Gespielt wurde flott und meist gut. Den Bürgermeister gabWilhelm Rusf recht gelungen und wirffam. In der Rolledes Theaterdirektors fand Ernst Petersen Gelegenheit, seinedrastische Spielweise zu zeigen; er entfesselte manches laute Ge-lächter. Das meiste Lob verdienen die Leistungen von PaulH a n k e l, der in dem Rektor eine sehr charakteristische Gestaltauf die Bühne stellte, und Charles Caßmann, dessen er-götzlicher Polizeidiener Stumpe sich die Sympathien desPublikums rascher und nachhaltiger erwarb, als das sonst beiPolizeidienern der Fall ist. Von den übrigen Darstellern istbesonders Lotte Pippenow hervorzuheben, die sichals Bürgermeisterstochter durch frisches, natürliches Spiel aus-zeichnete.Alcxanderplatz-Thcater. Nachdem die„Kleinen Lämmer"von V a r n e y die stattliche Zahl von 156 Aufführungen erlebthabe», ließ die Direktion sie nach dem Dönhoffsplatz übersiedeln,und verstichte es im alten Hause mit einer Novität.„D i eMusketiere i m D a m e n st i f t" heißt ein Werk desselbenKomponisten, das, trotzdem es vor drei Jahren von einerfranzösischen Truppe im Apollo-Theater aufgeführt wordenist, in Berlin wohl als ein neues Werk geltenkann. In diese dreiaktige Operette hat der Komponistein Bonquet reizender Melodien voll echt französischer Grazieverwoben, Melooien, die den seltenen Vorzug haben, daß sieanheimelnd und leicht faßbar sind, ohne trivial zu werden. Auchdie Instrumentation des Werkes ist prächtig; als ein wahresMeisterstück muß ein Quintett im dritte» Akt bezeichnet werden.Bei aller Melvdienschönheit wird die Operette aber kaum denPrägstätten wieder öffnen wolle. Nun, wenn das geschähe,so würde es auf die Goldwährung ganz ohne Einfluß sein.Es wird aber schwerlich geschehen. Kurz, die amerikanischenSilberbergwerks-Besitzer brauchen sich vorläufig in keineweiteren Agitationskosten zu stürzen. Uud im Reichstagwerden wir wohl so bald nicht gekardorfft werden— wennauch Herr v. Kardorff noch so oft seine Kassandrastimmeertönen läßt.—Ter Tongola« Feldzng. In Frankreich hält dieMißstimmung gegen das Vorgehen der englischen Re-fierung fortgesetzt an. So fordert der als angesehenesllundstück der Kapitalisten bekannte„Temps" ein formellesDementi von dem englischen Minister Balfour bezüglich der an-geblich von ihm im Untcrhause gebrauchten Worte:„Wenn wirin Tongola sind, so giebt es keinen Rückzug mehr, denn dieenglischen Soldaten bleiben da, wo sie ihre Füße einmalhingesetzt haben!" Das Pariser Blatt meint, Balfour habedurch diese Worte den geheimen Plan der englischen Re-gierung, den Sudan zu erobern und definitiv in englischenBesitz zu bringen, verrathen. Es hat sich serner in Parisdas Gerücht verbreitet, daß die türkische Regierung einen euer-gischen Protest gegen die Verwendung der egyptischen Reserve-sonds loslassen werde. Nun hätte bei der Schwäche derKonstantinopeler Regierung ein solcher Protest an sichherzlich wenig zu bedeuten, wenn nicht darin die Hand derrussischen Diplomatie zu erkennen wäre, die zeitweilig inKonstantinopel übermüthig ist und bereits ihre Absichl zuerkennen gegeben hat, den französischen Freund in deregyptischen Frage zu unterstützen. Trotzdem spricht indeßdas englische Blatt„Times" die Hoffnung aus:Frankreich und Rußland würden sich davon überzeugenkönnen, daß nichts in der Expedition nach Dongola liege.was ihre Interessen verletzen könnte. England gehe nicht daraufans, den Sudan oder irgend einen Theil desselben zu annektire»,es handele vielmehr im Geiste der französischen Bestrebungen.wonach das Nilthal rechtmäßig zu Egypten gehöre. Das gegen-wältige Ziel Englands sei, die egyptische Grenze gegen wirklichvorhandene Gefahr gründlich zu sichern und diese Sicherung da-durch zu einer dauernden zu machen, daß die fruchtbare ProvinzDongola dem egyptischen Gebiet angegliedert werde.Uebcr den Fortgang der Unternehmungen an deregyptisch- sudanesischen Grenze liegen noch folgendeMeldungen vor:Eine egyptische Kolonne besetzte am Freitag ohne WiderstandAkascheh. Man sendet Kriegsmaterial und Lebensmittelnach Akascheh. Akascheh wird stark besetzt und befestigt. DieStärke der Garnison läßt sich noch nicht angeben, da täglichVerstärkungen eintreffen. Die mit dem Transport beauftragtgewesene Kameelkolonne ist gestern Abend aus Akascheh ohneVerluste nach Sarras zurückgekehrt. Der OberbefehlshaberGeneral Kilchener ist mit Slatin Pascha und anderenOffizieren zu den Truppen abgegangen.Das neunte sudanesische Bataillon kam am 21. März anSSuakin in Kosseir an und marschirt morgen durch die Wüste»ach Keneh, woselbst es voraussichtlich Mittwoch eintreffe» wird.Die Entfernung beträgt 110 Meilen. �Deutsches Reich.— Die neue Gesetzesvorlage über dieAssessoren hat im Anwaltsstande große Erregung hervor-gerufen. Der Vorstand der hiesigen Anwaltskammer hat daherauf Anttag der gesetzlichen Zahl von Anwälten zum 9. Aprileine außerordentliche Generalversammlung berufen, die zu demGesetzentwurf Stellung nehmen soll.— Für die Roichstags-Ersatzwahl in Ruppin-T e m p l i n haben die Konservativen mit dem Bund der Land-wirthe und den Antisemiten als ihren Kandidaten einen Junkervon Quast-Radensleben auf den Schild erhoben. Bei der Wahlim Jahre 1893 erhielt der konservative Kandidat 9326 Stimmen,der Kandidat der freisinnigen Vollspartei 5520, ein Kandidat,welcher sich der freisinnigen Vereinigung zurechnete, 1497 Stimmen,während auf den Sozialdemokralen 3195 Summen fielen. Beider Stichwahl siegte alsdann Böhm mit Iv löL Stimmen gegen9959 konservative.—— Erledigter Reichstagssitz. Der Zentrums-Abgeordnete Kammergerichtsrath Rintelen ist zum Präsidentendes Ober- Landeskullurgerichts ernannt worden. Damit ist derSitz für Trier erledigt. Rintelen erhielt 1893 von 13157 ab-gegebenen Stimmen 19 838 Stimmen.—— Zum„Militär-Verordnuugsblatt"«ProzesseAuf die in Nr. 79 des„Vorwärts" enthaltene Bemerkung be-Erfolg haben, wie die Kleinen Lämmer. Zunächst hindert einebenso aufgebrauchtes wie handlungsarmes Sujet am Genießen.Tie schon aus den Kleinen Lämmern bekannten tapferenMänner, die ihre Liebste aus dem Kloster entführen,plagen sich drei Stunden lang in einer Handlung,die kaum für einen Akt ausreicht. Doppelt unangenehm wurdediese Oede in der Premiöre infolge der vielen Wiederholungen,welche die Direktion durch eine übereifrige Klaque herbeiwünschenließ. Und dann that weder das Orchester noch das Künstler-personal seine Schuldigkeit; es schien, als ob das Werk rechtüberhastet eingeübt worden war. Uiigetbeilte Anerkennung ver-dienen nur wenige der zahlreichen Mitwirkenden; die DamenSzilaffy und Millen, sowie die Herren Tarno und Holder hobensich merklich ab aus der Unsicherheit und Unruhe ihrer Kollegen-schast. Herrn Tarno läßt sich ein Organ und eine Schulungnachrühmen, die ihn unseres Erachtens zu höheren Tingen be-fähigte.DaS ReichShallen-Theater erscheint jetzt in etwa? vor-nehmer Verfassung, als sie diesem stattlichen Hause bislang inseiner Eigenschaft als Varietöbühne eigen war. Die mannig-fachen Stürme des letzten Winters, die bei dein Vorwärts-Malheur anHuben und bei den falschen X-Strahlen endeten,haben gar viel verwüstet, und groß war die Zahl derer wahrlichnicht, die sich am Sonnabend in die weiten Räume hineingetrauthatten. Aber man bemühte sich sichtlich, die Erhebung vom Chanlantzur veritablen Operettenbühne, die unter der neuen Direktion Geneeund Paulet vor sich gegangen, möglichst in die Augen fallen zulassen; das große Plakat am Eingange, wonach das Rauchenan den Operettenabenden nicht gestattet ist, erinnerte schon äußerlichdaran, daß es mit Lustsprüngen und Tingeltangelkünsten zuEnde sein solle. Mit dem Künstlerpersonal vom Alexander-platz- Theater wurden die Kleinen Lämmer in herkömm-licher Weise gegeben. Zwei Rollen waren nicht zumBesten neubesetzt; im übrigen zeigte die Aorstellnng dasbekannte Bild.— Interessanter als diese Operette war die Auf-äihrung des alten Singspiels„Der Kurmärker und die Picarde".Nicht so sehr um ihres Jnhalls willen. Der anspruchslose Ein-akter des seligen Hofraths Schneider erscheint heule sehr ver-blaßt und läßt uns staunen darüber, daß man sich zu Groß-vaters Zeiten mit so wenigem begnügen konnte. Anziehendwurde der verstaubte Schmöker aber herausgeputzt durch HerrnSwoboda als tapferer Landwehrmann und weit mehrnoch durch das wahrhast graziöse Spiel des FräuleinAdeline Genöe. Die Dame tanzte Ethnographie, solebhaft veranschaulichte sie die französische Grazie im Gegensatzzu der plump-sentimentalen Klobigkeit ihres Landesfeindes. Eswar, als wollte die Künstlerin durch ihren Kontretanz alleHurrahpatriolen von der Kulturwidrigkeit des ganzen lctztjährigenJubiläumsradaus überzeugen. Möge sie Erfolg haben in ihremsriedenssrenndlichen Wirken.